Kann Interkulturelles Coaching dem Prozess des transkulturellen Fremdverstehen zuträglich sein?
Vor dem Hintergrund der Interkulturellen Psychologie und des kommunikationspsychologischen Wissens über Konzepte wie Wahrnehmung und Verstehen wird der Einfluss des Faktors Kultur auf die Formen, Anwendungsfelder, Prozesse und Wirkweisen des Interkulturellen Coaching analysiert und der Beitrag den Interkulturelles Coaching für das transkulturelles Fremdverstehen zu leisten vermag dargestellt.
Inhaltlich werden Erkenntnisse der Interkulturellen Psychologie bezüglich interkultureller Wahrnehmungs- und Fremdverstehensprozesse sowie Reaktionen auf Kultur dargestellt und das Tool Interkulturelles Coaching im Hinblick auf seine Wirkebenen und Ziele abgebildet, um Schlussfolgerungen für das transkulturelle Fremdverstehen zu ziehen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Forschungsfeld Interkulturelle Psychologie
2.1 Interkulturelle Wahrnehmung
2.1.1 Interkulturalitätsstrategien
2.1.2 Fremdwahrnehmung
2.1.3 Kulturstandards
2.2 Fremdverstehen
3 Interkulturelles Coaching - Einflussfaktor Kultur
3.1 Anwendungsfelder und Formen des Interkulturellen Coaching
3.2 Ansätze des Interkulturellen Coaching
3.3 Ziele und Wirkebenen des Interkulturellen Coaching
4 Transkulturelles Fremdverstehen
4.1 Leistungsanspruch und Erfolg des Interkulturellen Coaching
4.1.1 Methoden des Interkulturellen Coaching
4.1.2 Wirkweisen des Interkulturellen Coaching
4.2 Grenzbereiche des Interkulturellen Coaching
4.2.1 Einflussfaktor Klient
4.2.2 Einflussfaktor Kultur als Kontext
5 Résumé
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1.Abb. Interkulturalitätstrategien (Krewer 1996: 154)
2.Abb. Profil interkultureller Kompetenz nach Barmeyer (2002: 213)
3.Abb. Wirkebenen und -weisen des Interkulturellen Coaching nach Barmeyer (2002: 218, 220)
4.Abb. Problemebenen interkultureller Kommunikation und Kooperation (Krewer 1996: 160)
1 Einleitung
The feeling that one´s own cultural beliefs and costums are the right and natural way may well be universal. Sometimes it can be a real challenge to understand that the way in which other people view the world my be substantially different from one´s own, and may also be perfectly “correct“. This is the essence of ethnocentrism, literally the universally held view that one´s own ethic group is at the center of things. But when fundamental differences are reality you have to live with, it may also be a challenge to tolerance. (Lonner & Malpass 1994: 53)
... und eine Herausforderung für das transkulturelle Fremdverstehen. Interkulturelles Coaching dient der sensibilisierten Wahrnehmung und Berücksichtigung des Einflusses kulturgebundener Verhaltensweisen. Es stellt sich die Frage, inwiefern diese Methode gewinnbringend für das transkulturelle Fremdverstehen ist.
Die Beschäftigung mit der Thematik des transkulturellen Fremdverstehens impliziert die Notwendigkeit, die in der Literatur bunt verwendeten Begrifflichkeiten multi-, inter- und transkulturell zu definieren und damit Überschneidungen sichtbar zu machen und Abgrenzungen vorzunehmen.[1]
Nach Lüsebrink (2008: 14ff.) wird Interkulturalität – in der neueren Forschung durch die Termini Hybridität oder Hybridisierung ersetzt – als unterschiedliche Formen der Kulturmischung verstanden. Multikulturalität hingegen bezeichnet das Nebeneinander verschiedener Kulturen innerhalb eines sozialen Systems. Transkulturalität (lat. trans - durch) meint die pluralen kulturellen Identitäten, die durch die Vernetzung und Verflechtungen vieler Kulturen entstanden sind. Die Differenzierung von Fremd- und Eigenheit und die Auffassung autonomer kultureller Systeme – die die Basis der Konzepte der Inter- und Multikulturalität bilden – scheinen damit zweifelhaft. Die beiden Begrifflichkeiten sind mit Prozessen der Interkulturellen Kommunikation und dem Phänomen der Interkulturalität verbunden.
Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualifikation im interkulturellen Handlungsspielfeld (u.a. Lüsebrinck 2008, Bolten 2005) ist das Vermögen, mit Personen fremder Kulturen adäquat, d.h. in einer ihren Wertesystemen und Kommunikationsstilen angemessenen Art und Weise umzugehen, zu kommunizieren und sie zu verstehen. Die Verstehenskompetenz ist hierbei eine Dimension interkultureller Kompetenz und bezeichnet die Fähigkeit Werte und symbolische Codes anderer Kulturen lesen, verstehen und entsprechend interpretieren zu können. Als hermeneutischer Vorgang hat interkulturelles Verstehen eine kognitive, wissensbasierte (Fremdsprachenkenntnis, kulturspezifisches Wissen) und eine affektive, emotionale (emotionale Reaktionsmuster auf das Fremde) Dimension (vgl. Lüsebrink 2008: 9, 36, 69). Anhand dieser Differenzierungen wird der Bezugspunkt der vorliegenden Arbeit deutlich: Kann Interkulturelles Coaching dem transkulturellen Fremdverstehen zuträglich sein?
Diese Untersuchung findet vor dem Hintergrund der Interkulturellen Psychologie und des kommunikationspsychologischen Wissens über Konzepte wie Wahrnehmung und Verstehen statt. Es wird auf eine grundlegende Einführung und Definition von Coaching verzichtet, diese vielmehr als Voraussetzung erachtet. Der Fokus liegt auf der Analyse des Einflussfaktors Kultur auf die Formen, Anwendungsfelder, Prozesse und Wirkweisen des Interkulturellen Coaching und die Darstellung des Beitrags den Interkulturelles Coaching für das transkulturelles Fremdverstehen zu leisten vermag. Hierzu werden im ersten Abschnitt Erkenntnisse der Interkulturellen Psychologie bezüglich interkultureller Wahrnehmungs- und Fremdverstehensprozesse sowie Reaktionen auf Kultur dargestellt. Im zweiten Teil wird das Tool Interkulturelles Coaching im Hinblick auf seine Wirkebenen und Ziele abgebildet, um schließlich im dritten Teil Schlussfolgerungen für das transkulturelle Fremdverstehen zu ziehen.
Anzumerken ist, dass sämtliche Überlegungen bezüglich des Faktors Sprache als Grundlage des Fremdverstehens hier ausgespart wurden. In dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt auf den Wahrnehmungs- und Verstehensprozessen im interkulturellen Kontext, die über die Sprache hinausgehen. Verständigung durch und mit Sprache und das Verstehen der Sprache sind anderer Forschungsgegenstand und finden hier keine Beachtung.
2 Forschungsfeld Interkulturelle Psychologie
Grundlage der hier angeführten Betrachtung der Wirkweise des Interkulturellen Coaching zum transkulturellen Fremdverstehen sind schwerpunktmäßig die Annahmen, Erkenntnisse und Ergebnisse des Forschungsfelds der Interkulturellen und Kommunikationspsychologie. Die Interkulturelle Psychologie beinhaltet die Analyse von psychischen Bedingungen, Verlaufsprozessen und Wirkungen von menschlichem Erleben und Verhalten in Sonder- und Grenzsituationen. Charakteristisch für diese Situationen ist, dass Menschen aus verschiedenen Kulturen füreinander bedeutsam werden und sich ggf. begegnen. So leistet die Interkulturelle Psychologie Beiträge zum Einwirken auf verhaltenssteuernde, psychologisch relevante Prozesse der Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, des Bewertens und Urteilens, Attributionen und Emotionen, die durch jeweils kulturspezifische Einflüsse auf interpersonale Begegnungen und Erfahrungen in interkulturellen Situationen wirken. (vgl. Thomas 1996: 111ff.) Aus diesem Blickwinkel wird Kultur verstanden als ein
(...) universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe (...) typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft usw. tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein für die sich der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schafft damit die Voraussetzungen zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung. (Thomas 1996: 112)
Die Kommunikationspsychologie fokussiert sämtliche Prozesse der Kommunikation zwischen unterschiedlich komplexen personalen und sozialen Systemen, Interaktionssituationen und Verständigungsprozessen. Bei der Analyse der Präsenz und Funktion von Stereotypen in interkulturellen Interaktionssituationen spielt das Konzept der Kulturstandards eine wichtige Rolle. Die Analyse betrifft die Dimensionen des Selbstkonzeptes, des Handlungskonzeptes und Relationskonzeptes – wobei die Vorstellung der eigenen Identität, der Identität des Kommunikationspartners und der interpersonalen Beziehung wichtige Parameter sind. (vgl. Lüsebrink 2008: 127)
In Hinblick auf die Wirksamkeit des Interkulturellen Coaching zum Fremdverstehen sind die Aufgaben und somit Ergebnisse der Interkulturellen und Kommunikationspsychologie relevant durch: 1. Identifikation handlungswirksamer Merkmale der kulturspezifischen Orientierungssysteme, 2. Erfassung von Unterschieden, Gemeinsamkeiten und Kompatibilitäten zwischen verschiedenen Orientierungssystemen , 3. Entwicklung und Erprobens von Lernverfahren, die die Übernahme fremdkultureller Orientierungssysteme in das eigene Handlungsschema ermöglichen. (vgl. Thomas 1996: 111 f.)
2.1 Interkulturelle Wahrnehmung
Wird Kultur als ein Bedeutungs- bzw. Orientierungssystem verstanden, so wird es aus spezifischen Symbolen (z.B. Sprache) gebildet und in den jeweiligen Gesellschaften, Gruppen oder Organisationen etc. tradiert. Dieses Orientierungssystem beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten, Empfinden und Handeln der Mitglieder einer Kultur. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieses System und seine bedeutungshaltigen Funktionen in individuellen Sozialisationsprozessen erlernt werden, also nicht angeboren ist. Somit ist der zentrale Prozess der Persönlichkeitsentwicklung – durch Internalisierung der kulturellen Werte, Normen, Regeln etc. – immer kulturspezifisch. Die Verinnerlichung des kulturspezifischen Orientierungssystems beeinflusst die Entwicklung des individuellen Ich und impliziert, das seine verhaltenssteuernde Funktionen und Wirkungen nicht zwangsläufig dem Bewusstsein zugängig sind. Konfliktfreies Handeln setzt die Fähigkeit der sozialen Kompetenz und der Beherrschung des Zeichen- und Symbolsystems einer Kultur zur interpersonalen Verständigung voraus. Probleme treten auf, wenn der Handelnde auf Personen trifft, deren Symbol- und Zeichensystem vom eigenen bedeutsam abweicht und ihm somit keine Orientierung mehr bietet. So kommt es zu Fehlwahrnehmungen und -interpretationen, Missverständnissen und Konflikten bei der Beobachtung, Interpretation und Attribution des Verhaltens des Interaktionspartners (s. Kap. 2.3) sowie in Kommunikation mit neuen Partnern. Diese Probleme resultieren daraus, dass die kulturspezifischen Orientierungssysteme – die Wahrnehmung und Interpretation der Interaktionssituation steuern – nicht bewusstseinspflichtig sind und somit ihre steuernde Funktion automatisiert, ihre Wirkweise routiniert und ihre Auswirkungen selbstverständlich sind. (vgl. Thomas 2005: 96-98) Dies hat maßgeblich Einfluss auf den Prozess und das Ergebnis des Fremdverstehens, wenn es als Fähigkeit des adäquaten Interpretierens von Werten und symbolischen Codes der anderen Kultur (vgl. Lüsebrink 2008: 69) verstanden wird.
Thomas (2005: 100) zitiert Layes (2000) Modell der drei Grundformen des Fremderlebens, zur Erklärung des Erlebens von Fremdheitserfahrungen und Verhaltens in interkulturellen Überscheidungssituationen:
- Zielorientierung: Erschließung sachlicher Ziele des Interaktionspartners
- Klärungsorientierung: Erschließung der handlungsleitenden Konzepte des Interaktionspartners
- Beziehungsorientierung: situationsspezifische Gedanken, Gefühle und Absichten des Interaktionspartners
Diese Grundformen des Fremderlebens beeinflussen Prozesse der Wahrnehmungssensiblisierung und -steuerung, sowie die Auswahl und Interpretation wahrgenommener Ereignisse. (vgl. Thomas 2005: 100 f.)
Interkulturelle Wahrnehmung impliziert die Reflexion der sowohl kulturell bedingten Besonderheiten der eigenen Wahrnehmungsprozesse, als auch des fremdkulturellen Interaktionspartners. Vorraussetzung dafür ist allerdings die Sensibilisierung, Reflexion und Kontrastierung kultureller Besonderheiten des eigenen Orientierungssystems und Orientierungssystems des fremdkulturellen Gegenübers und die Bereitschaft, dies in Handeln umzusetzen. Dies wiederum sind Bedingungen – neben der Eigen- und Fremdwahrnehmung, um spezifische Anforderungen der interkulturellen Interaktion zu bewältigen. (vgl. Thomas 2005: 101)
Interkulturelle Wahrnehmung beginnt mit dem Bewusstwerden kultureller Zugehörigkeiten in interkulturellen Interaktionssituationen. Daraus ergeben sich spezifische Anforderungen an Informationsaufnahme und -verarbeitungsprozesse (vgl. Thomas 2005: 112f.):
- Differenzierung zwischen persönlichkeits- und kulturspezifischen Verhaltensdeterminanten
- Beachtung unterschiedlicher kultureller Orientierungsmuster im Prozess der Erwartungsbildung
- Wahrnehmen des durch die interkulturelle interpersonale Kontaktsituation beeinflussten Verhaltens bzw. das Handeln nach dem jeweiligen kulturspezifischen Orientierungssystems
- Kontrolle der handlungsrelevanten Attributionsprozesse, um Attributionsfehler zu vermeiden
Dies sind wesentliche Bedingungen in interkulturellen Interaktions- und Kommunikationssituationen im Verstehensprozess, welche Ansatzpunkte für die Wirkweise Interkulturellen Coaching bilden .
Das Wissen um die eigene Kultur ist also notwendig, denn sie steuert unser Verhalten und unsere Interpretationen des Verhaltens von anderen. Erst wenn man die kulturell gelernten Erwartungen und Werte des Anderen von seinem Standpunkt aus versteht, kann man eventuell auch sein Verhalten verstehen. Culture-centered Ansätze fokussieren sich auf die kulturell erlernten Erwartungen und Werte, die sich hinter dem Verhalten verbergen. Kenntnisse über die gemeinsam geteilten Erwartungen und Werte erhöht die Toleranz und Akzeptanz des fremden Verhaltens (vgl. Pedersen 1994: 292) und vergrößert somit die Chance auf Fremdverstehen im Sinne der affektiven Dispositionen der Kommunikationspartner wie Offenheit (s. Kap. 1.1.2 und 3.1.1).
2.1.1 Interkulturalitätsstrategien
Auf Grundlage der verschiedenen Konzepte von Kultur – Absolutismus, Relativismus, Universalismus und Konstruktivismus[2] – lassen sich aus psychologischem Blickwinkel auf personeller Ebene unterschiedliche Strategien der Interkulturalität differenzieren. Sie sind individuelle Voreinstellungen einer Person, die entscheidenden Einfluss haben auf Art und Weise des interkulturellen Kontaktes und Kommunikation und somit sich als Grundvoraussetzung für den Prozess des transkulturellen Fremdverstehens verstehen. Sie beeinflussen die Form der interkulturellen Übereinkunft und kennzeichnen Probleme oder Konflikte, die zu der Umsetzung der Zielvorstellung der Situation bzw. Interaktion auftreten. Sie kann auch als Haltung bezeichnet werden.
Im Folgenden werden die Strategien nach Krewer (1996: 153ff., Abb.1) aufgeführt. Typ 1 und 2 zielen nicht auf eine Interkultur im Sinne einer kulturellen Überschneidung oder wechselseitigen Durchdringung ab. Typ 1 verabsolutiert den eigenen Standpunkt und strebt die ethnozentrische Übertragung dieses Standpunktes auf den anderen Interaktionspartner an. (vgl. Krewer 1996: 153) Diesem Typ liegen die Theorien des Absolutismus[3] zugrunde: Die ethnozentrische Haltung – das Eigene stünde über dem Fremden, das Bestreben den anderen an das Eigene anzupassen und das Leugnen kultureller Differenzen – führt zur Unmöglichkeit des Fremdverstehens, das erst nach Auflösung dieser Haltung möglich wäre.
Typ 2 geht von der grundsätzlichen Unvereinbarkeit zweier kultureller Systeme aus, die nur intrinsisch zu erschließen und von intern gültigen Systemkriterien aus betrachtbar sind. (vgl. Krewer 1996.: 154) Dieser Typ basiert auf den Annahmen des Relativismus[4] und impliziert die Unüberwindbarkeit kultureller Differenzen und die Unmöglichkeit des Fremdverstehens, da es nur vom individuellen Standpunkt aus zugänglich ist.
Typ 3 stützt sich auf die Annahme einer gemeinsamen, latenten Basisausstattung bzw. Basisorientierungen, die es zu erschließen gilt. Somit ist Interkulturalität eine grundlegende existente Schnittmenge von Gemeinsamkeiten der kulturellen Systeme – mit oder ohne Kontakt. (vgl. Krewer 1996: 154) Dies bezieht sich auf die Theorien des Universalismus[5]. Von diesem Standpunkt aus ist Fremdverstehen bezüglich der Schnittmenge möglich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Abb. Interkulturalitätstrategien (Krewer 1996: 154)
Typ 4 basiert auf der Annahme, dass Interkulturalität ein dialogisch konstruiertes Produkt ist das durch den Kontakt der Interaktionspartner verschiedener Kulturen zustande kommt. (vgl. Krewer 1996: 154) Dies stützt sich auf den Annahmen des Konstruktivismus[6]. Für das Fremdverstehen bedeutet das: Wenn Interaktionspartner individuell den Bezugsrahmen konstruieren, dann lassen sich zum einen durch Dekonstruktion vorhandene Fehlkonstruktionen und Interpretationen verändern und zum anderen bereits vorab durch Wissensvermittlung die Richtung der Konstruktion für das Fremdverstehen sinnvoll beeinflussen. Zudem können neue, gemeinsame Konstrukte (wie Rituale, Kommunikation) erschaffen werden, die als gemeinsame Basis für Verstehen dienen.
Diese Typen bestimmen die möglichen und gewünschten Resultate interkultureller Kommunikation und wechselseitiger Anpassungs- und Veränderungspotentiale, Veränderungsrichtung und Verlauf des Kulturkontaktes (vgl. Krewer: 154) Sie entscheiden über Verhalten, Intentionen der Interaktionspartner, den Verlauf der Kontaktsituation und sind somit Grundlagen der interkulturellen Verständigung und somit des Fremdverstehens.
Zudem ist die Wahrnehmung von Differenzen Grundlage für entsprechende Reaktionen darauf. Das heißt, die spezifische Reaktion des Individuums gegenüber Anforderungen der interkulturellen Interaktionssituation ist ein wichtiger Einflussfaktor der Organisation interkultureller Wahrnehmung und lässt sich nach Thomas (2005: 98f.) in 4 Typen clustern:
- Ignorant: Kulturell bedingten Verhaltensweisen wird keine Beachtung geschenkt, er attribuiert fremdes Verhalten als Unfähigkeit, Unwissenheit oder Dummheit und verweigert Interaktion, wenn sich der Interaktionspartner ihm nicht angleicht.
- Universalist: Alle Menschen sind gleich, sodass kulturelle Unterschiede von geringer Bedeutung sind.
- Macher: individuelle Zielorientiertheit und Durchsetzungsvermögen relativieren kulturelle Einflüsse auf Denken und Handeln, sodass unabhängig von der Kultur jeder erfolgreich sein kann, weiß er um sein Potential und es zum Einsatz zu bringen.
- Potenzierer: Jede Kultur hat eine eigene Art des Denkens und Verhaltens. Kulturelle Unterschiede werden im interkulturellen Kontakt aufeinander abgestimmt, um miteinander verzahnt synergetische Effekte zu produzieren und gegenseitigen Mehrwert zu bringen.
[...]
[1] transkulturell (engl.: transcultural): extending through all human cultures interkulturell (engl.: intercultural, cross-cultural): of or relating to, involving, or representing different cultures multikulturell (engl.: multicultural): consisting of or relating to or including several cultures cross-cultural (deutsch: kulturübergreifend, interkulturell): Comparing or dealing with two or more different cultures. sociology: involving or bridging the differences between cultures (vgl. www.thefreedictionary.com. 15.02.2010).
[2] Tiefgreifendere Informationen sind u.a. bei Hofstede (1993) und Busch (2007) zu finden.
[3] Absolutismus geht davon aus, dass Verhalten biologischen Faktoren unterliegt und die Rolle der Kultur eine eingeschränkte bis gar keine Rolle bzgl. des Verhaltens spielt und psychologische Phänomene wie Intelligenz, Ehrlichkeit grundlegend allen Kulturen gleich sind. (vgl. Berry/ Poortinga/ Segall/ Dasen 1992: 257f.) Dem Einflussfaktor Kultur wird wenig bis keine Aufmerksamkeit gewidmet.
[4] Relativismus vermeidet Ethnozentrismus, indem Menschen als Individuen verstanden werden. Das Beschreiben, Kategorisieren und Verstehen des Anderen von einem externalen kulturellen Standpunkt wird vermieden. Differenzen werden als qualitativ bewertet: Menschen unterscheiden sich demzufolge z.B. mehr in der Art und Weise der Intelligenz als in ihren intellektuellen Fähigkeiten. (vgl. Berry et al. 1992: 256)
[5] Universalismus geht davon aus, dass psychologische Prozesse gleiche Funktionen haben, aber ihre Erscheinung kulturell beeinflusst ist, sodass grundlegende Vorgänge essentiell gleich sind, allerdings unterschiedlich ausgedrückt werden. (vgl. Berry et al. 1994: 258)
[6] Konstruktivistische Annahmen gehen davon aus, dass Kultur in Diskursen konstruiert wird und Kommunikationspartner sich über ihre Wirklichkeitsinterpretationen kulturell begründete Positionen zuschreiben. (Nazarkiewicz/ Krämer 2009: 255)
- Arbeit zitieren
- Diplom-Kommunikationspsychologin Alexandra Mietusch (Autor:in), 2010, Interkulturelles Coaching, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148368
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