Perspektiven zur zukünftigen Entwicklung der Arbeit


Essay, 2007

6 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


1. Einleitung.

Laut der neomarxistischen Regulationstheorie ist der Kapitalismus keineswegs unveränderlich, sondern hat mehrere sehr unterschiedliche Stadien durchlaufen. Das vorletzte Stadium, der Fordismus, herrschte etwa von 1925-1975. Es war gekennzeichnet von großindustrieller Massenproduktion, einem ausgeprägten Wohlfahrtsstaat, hohen Löhnen, die Massenkonsum ermöglichten, und Vollbeschäftigung. Dieses System änderte sich mit dem Aufkommen des Neoliberalismus in den 70er Jahren. Früher hatte ein Arbeiter oder Angestellter einen gesicherten Arbeitsplatz und verbrachte sein ganzes Leben in der gleichen Firma. Heute hingegen herrscht ein Trend, Stellen nur befristet, Teilzeit, oder auf Abruf zu besetzen, ohne die geringste soziale Absicherung und mit miserabler Entlöhnung. Viele Unternehmen verlagern die Produktion in billige Drittweltländer und bauen tausende Stellen in Europa ab. Die Position der national organisierten Gewerkschaften wird zunehmend geschwächt. Gleichzeitig gibt es auch einen Trend, die Produktionsabläufe immer mehr zu automatisieren und ganz auf menschliche Arbeitskräfte zu verzichten. Diese Faktoren führen zu einer immer größer werdenden Schicht von Working Poor und damit zunehmend auch zu sozialen Spannungen und zu Kriminalität. Schon Karl Marx warnte in seiner Kritik der Politischen Ökonomie davor, menschliche durch maschinelle Arbeitskraft zu ersetzen[1]. Die zahlreichen Unterbeschäftigten hätten gar nicht genug Kaufkraft, um sich die neuen Produkte leisten zu können. Somit schaden die Fabrikbesitzer nur sich selbst.

Dieses gegenwärtige System wird von den Regulationstheoretikern als Postfordismus bezeichnet. Es ist anzunehmen, dass es auch in Zukunft zu radikalen Umwälzungen innerhalb des kapitalistischen Gesellschaftssystems kommen, wird da sowohl die Sozialwerke, als auch die Gefängnisse bereits an ihre Grenzen stoßen. Ich möchte anhand des Buches „Das Ende der Arbeit" von Jeremy Rifkin mehrere Vorschläge skizzieren, wie die Arbeitswelt der Zukunft aussehen könnte.

- Beschränkung der Arbeitszeit auf <35 Stunden
- Sozialwährung
- bedingungsloses Grundeinkommen
- negative Einkommenssteuer

2. Reduktion der Arbeitszeit

Zu Beginn der industriellen Revolution war eine Wochenarbeitszeit von 70 Stunden die Regel. Seither sinkt die Arbeitszeit kontinuierlich. Rifkin hält es für möglich, dass im Jahre 2050 nur noch 5% der Bevölkerung nötig sein werden, um die Industrie am Laufen halten.[2]

Er glaubt daher, dass sich die Wochenarbeitszeit auch weiterhin reduzieren wird. Er schlägt eine Reduktion der Wochenarbeitszeit ohne Lohnsenkung vor. Frankreich war das erste Land, das im Jahre 2000 diese Regelung einführte. Die Wochenarbeitszeit wurde auf 35 Stunden reduziert. Gleichzeitig erhielten die Angestellten weiterhin Lohn für 39 Stunden. Die Regierung subventionierte durch eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für Unternehmen diese höheren Lohnkosten. Durch höhere Tabak- und Alkoholsteuern konnten sie ein ausgeglichenes Budget wahren. Laut Rifkin wurden dabei 285'000 neue Stellen geschaffen und die Arbeitslosigkeit sank auf den tiefsten Stand seit fast 20 Jahren[3]. Die Zufriedenheit der Beschäftigten ist gestiegen. Die Leute haben mehr Zeit, sich um ihre Familien zu kümmern, auswärts essen oder einkaufen gehen. Es wird mehr Geld ausgegeben. Gemäss Rifkin (2004) hat Frankreich die höchste Produktivität aller Industrienationen. Die Menschen haben auch mehr Zeit, Freiwilligenarbeit zu leisten.

3. Sozialwährung

Neben den privaten profitorientierten Unternehmen und den staatlichen Unternehmen gibt es noch den sogenannten non-profit Sektor, der auch als dritter Sektor bezeichnet wird. Nicht der Gewinn steht im Mittelpunkt, sondern das Erreichen eines bestimmten sozialen Zweckes. Zum non-profit Sektor zählen Organisationen wir Greenpeace, Attac oder Amnesty International. Viele ihrer Mitarbeiter arbeiten freiwillig und unentlöhnt. Der non-profit Sektor schafft Sozialkapital. Das Sozialkapital kann aber nicht ausgetauscht werden. Im Gegensatz dazu ermöglicht das Medium Geld einen Austausch des Marktkapitals. Laut Rifkin „ermöglicht es den Menschen, sich in Raum und Zeit weit zu verteilen und ihre menschliche Zeit und Arbeitskraft auszutauschen, ohne intime Bindungen miteinander eingehen zu müssen"[4]. Eine Sozialwährung würde diesen Austausch auch beim Sozialkapital ermöglichen. Für freiwillige Arbeit bei non-profit Organisationen erhält man Punkte gutgeschrieben, die man gegen Nahrung, Kleidung und Teilnahme an Weiterbildungsprogrammen austauschen kann. Eine Sozialwährung würde auch Erwerbslosen ermöglichen, sich für das Wohl ihrer Mitmenschen einzusetzen.

4. Bedingungsloses Grundeinkommen

In die gleiche Richtung zielt das bedingungslose Grundeinkommen. Die Idee wurde erstmals Ende des 19. Jahrhunderts von Paul Lafargue und Josef Popper-Lynkeus aufgegriffen. Der Grundgedanke ist jedoch wesentlich älter und schon in Thomas Morus’ Utopia zu finden. Das bedingungslose Grundeinkommen sieht vor, dass jeder Mensch, von Geburt an bis zu seinem Tod, ein Einkommen erhält, unabhängig von seinem regulären Einkommen und sozialen Status. Dieses Grundeinkommen soll ausreichen für ein menschenwürdiges Leben, Schätzungen sprechen von ungefähr 3000-4000 Franken pro Person/Monat. Im Gegenzug sollen Sozialwerke wie AHV und IV abgeschafft werden. Die Löhne würden massiv sinken, was das Entstehen neuer innovativer Unternehmen begünstigt. Befürworter erhoffen sich vom bedingungslosen Grundeinkommen die Erfüllung des jahrhundertealten Versprechen der Beendigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Jeder Mensch erhielte endlich die Möglichkeit der Selbstverwirklichung. Man könnte zum Beispiel ein Studium absolvieren, ohne sich Sorgen um den materiellen Nutzen des Studiums zu machen. Unternehmen könnten mit umweltfreundlichen Technologien forschen, ohne dass der Profitgedanke im Zentrum stünde. Tausende würden sich für soziale Anliegen engagieren. Die Befürworter des Grundeinkommens weisen Befürchtungen, dass die Menschen nicht mehr arbeiten würden, von sich. Bereits heute werden unzählige Stunden Freiwilligenarbeit geleistet. Das bedingungslose Grundeinkommen wird allerdings von vielen Seiten heftig kritisiert. Ökonomen glauben, dass es nicht finanzierbar wäre. Wenn jeder Einwohner der Schweiz 3000 Franken erhalten würde, wären das 21 Milliarden Franken monatlich, 252 Milliarden im Jahr. Selbst wenn man massive Einsparungen im Sozialwesen mit einbezieht, bliebe dass Modell nicht finanzierbar. Bürgerliche Befürworter gehen deshalb von wesentlich kleineren Beträgen aus. Es bleibt die Frage, wozu ein nicht-existenzsicherndes Grundeinkommen dienen würde. Von linker Seite kommt die Kritik, dass alle Menschen, auch Personen mit Millionenlöhnen, vom bedingungslosen Grundeinkommen profitieren würden.

[...]


[1] Rifkin, Jeremy, Das Ende der Arbeit, aktualisierte Neuausgabe, Frankfurt 2005, S. 64f

[2] Rifkin, Arbeit, S. 25

[3] Rifkin, Arbeit, S. 33

[4] Rifkin, Arbeit, S. 45

Ende der Leseprobe aus 6 Seiten

Details

Titel
Perspektiven zur zukünftigen Entwicklung der Arbeit
Hochschule
Universität Bern
Veranstaltung
Sozialanthropologie
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2007
Seiten
6
Katalognummer
V148508
ISBN (eBook)
9783640870301
Dateigröße
395 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
perspektiven, entwicklung, arbeit
Arbeit zitieren
Gregory Brown (Autor:in), 2007, Perspektiven zur zukünftigen Entwicklung der Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148508

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