Die vorliegende Arbeit untersucht den Einfluss der sozialen Erwünschtheit auf geäußerte Umwelteinstellungen. Im weiteren Verlauf werden das Konzept der sozialen Erwünschtheit, eine theoretische Herleitung sowie Methoden zur praktischen Bewältigung von sozialer Erwünschtheit erörtert und anhand ausgewählter Studien veranschaulicht.
Ob es um Corona-Todesfälle, den Klimawandel oder das Verstehen eines simplen Graphen in einer Zeitung geht – ein gewisses statistisches Grundverständnis ist für die fundierte Meinungsbildung heutzutage essenziell. Dies gilt insbesondere für Sozialforscher*innen. Von diesen wird nicht nur eine transparente Präsentation von Ergebnissen erwartet, sondern auch die Messung von sozialen Phänomenen muss wissenschaftlichen Standards entsprechen. Speziell die Ungenauigkeit von Messungen stellt in diesem Kontext eine große Herausforderung dar. In einer Befragung geäußerte Antworten sowie deren Interpretation können von zahlreichen Faktoren beeinflusst werden. Aus diesem Grund sind Ergebnisse von aus Umfragen hervorgehenden Statistiken möglicherweise von Unsicherheiten behaftet. Um die Richtigkeit von Forschungsergebnissen zu gewährleisten, ist demnach ein tiefgreifendes Verständnis der Messung von entscheidender Bedeutung.
Die Problematik vertieft sich weiter, wenn es um das Erfragen sensibler oder polarisierender Themen geht. Da Umwelteinstellungen eng mit persönlichen Überzeugungen, Verhaltensweisen und politischen Geschehen verbunden sind, fallen diese ebenfalls unter die Kategorie sensible Themen, die soziale Erwünschtheit begünstigen. Um möglichst wahrheitsgetreue Antworten zu erhalten, müssen vor dem Befragen von Individuen zu Umwelteinstellungen einige messmethodische Überlegungen getroffen werden.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
2.1 Konzept der sozialen Erwünschtheit
2.2 Theorie zur sozialen Erwünschtheit
2.3 Umgang mit sozialer Erwünschtheit
2.3.1 Ex-post
2.3.2 Fragformülierüng ünd Fragekontext
2.3.3 Interviewende ünd Bystander
2.3.4 Befragüngsmodüs
2.3.5 Befragüngstechniken
3 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis V
Abkürzungsverzeichnis
ACASI Audio-enhanced Computer Assisted Self-Interviewing
CAPI Computer Assisted Personal Interviewing
CASI Computer Assisted Self-Interviewing
CATI Computer Assisted Telephone Interviewing
CAWI Computer Assisted Web Interviewing
ICT Item-Count-Technik
PAPI Paper-and-Pencil Interviewing
RC-Theorie Rational-Choice-Theorie
SAQ Paper-and-Pencil Self-Administered Questionnaires
SET Sealed-Envelope-Technique
SEU-Theorie Subjektive Erwartungsnutzentheorie
T-ACASI Telephone Audio-enhanced Computer Assisted Self-Interviewing
1 Einleitung
„Saatistiken lügen selbst nicht, sie lassen zumeist nur lügen.“1
Ob es um Corona-Todesfalle, den Klimawandel oder das Verstehen eines simplen Graphen in einer Zeitung geht - ein gewisses statistisches Grundverständnis ist für die fundierte Meinungsbildung heutzutage essenziell (Rohwedder, 2021, Reveland et al., 2023). Dies gilt insbesondere fuür Sozialforscher*innen. Von diesen wird nicht nur eine transparente Prüasentation von Ergebnissen erwartet, sondern auch die Messung von sozialen Phüanomenen muss wissenschaftlichen Standards entsprechen. Speziell die Ungenauigkeit von Messungen stellt in diesem Kontext eine große Herausforderung dar. In einer Befragung geaüußerte Antworten sowie deren Interpretation küonnen von zahlreichen Faktoren beeinflusst werden. Aus diesem Grund sind Ergebnisse von aus Umfragen hervorgehenden Statistiken müoglicherweise von Unsicherheiten behaftet. Um die Richtigkeit von Forschungsergebnissen zu gewüahrleisten, ist demnach ein tiefgreifendes Verstüandnis der Messung von entscheidender Bedeutung.
Bei Messeinheiten der Sozialforschung füallt das Konzept der Reaktivitaüt2besonders stark auf. Befindet sich ein Mensch in einer unnatuürlich anmutenden Befragungssituation, kann er dazu neigen, Antworten unbewusst oder bewusst zu modifizieren. Müoglicherweise fuühlt sich die befragte Person sozial akzeptierter, wenn sie eine Antwort gibt, die nicht ihrer wahren Meinung entspricht. Bei diesem Phüanomen handelt es sich um diesoziale Erwüunschtheit. Da es sich hierbei um eine der haüufigsten Ursachen fuür Verzerrungen in Umfragedaten handelt, gilt es vor allem bei Befragungen zu Verhaltensweisen und Einstellungen das Auftreten sozialer Erwuünschtheit zu beruücksichtigen und so weit wie moüglich zu verhindern. Trotz der existierenden Methodologie zu diesem Phaünomen ist es bis heute nicht abschließend geklaürt, ob die Verzerrung wahrscheinlich ist und wie mit ihr am besten umgegangen werden soll (Blair et al., 2020, 1297).
Die Problematik vertieft sich weiter, wenn es um das Erfragen sensibler oder polarisierender Themen geht. Da Umwelteinstellungen eng mit persüonlichen Uü berzeugungen, Verhaltensweisen und politischen Geschehen verbunden sind, fallen diese ebenfalls unter die Kategorie sensible Themen, die soziale Erwuünschtheit beguünstigen (Blasius, 1998, 19f ). Um moüglichst wahrheitsgetreue Antworten zu erhalten, muüssen vor dem Befragen von Individuen zu Umwelteinstellungen einige messmethodische Uü berlegungen getroffen werden.
Die vorliegende Arbeit untersucht den Einfluss der sozialen Erwuünschtheit auf geüaußerte Umwelteinstellungen. Im weiteren Verlauf werden das Konzept der sozialen Erwuünschtheit, eine theoretische Herleitung sowie Methoden zur praktischen Bewüaltigung von sozialer Erwünschtheit erörtert und anhand ausgewählter Studien veranschaulicht.
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
Um soziale Phöanomene zu erforschen, ist es zunöachst erforderlich, grundlegende Begriffe und Erklaörungsmechanismen genau zu definieren.
2.1 Konzept der sozialen Erwünschtheit
Bei der sozialen Erwuönschtheit handelt es sich um eine systematische Abweichung der berichteten von den tatsaöchlichen Werten der Befragten“ (Bogner und Landrock, 2015, 1). Um sozialen Erwartungen zu entsprechen, werden nicht normkonforme Einstellungen oder Verhaltensweisen untertrieben und normkonforme Einstellungen oder Verhaltensweisen uöbertrieben dargestellt (Wolter, 2022, 360). Besonders herausfordernd ist das Messen von Einstellungen, da sie im Vergleich zu Verhaltensweisen nur latent vorliegen und es keine objektiv wahren“ Einstellungen von Personen gibt (Schahn und Bohner, 1996, 562). Waöhrend Verhaltensweisen auch nicht-reaktiv durch verdeckte oder offene Beobachtungen gemessen werden köonnen, köonnen Einstellungen ausschließlich reaktiv erfragt werden (Bradburn et al., 2004a, Schahn und Bohner, 1996, 561).
Somit ist die soziale Erwuönschtheit durch das Veraöndern der eigenen Aussage eine Form der Selbstdarstellung (Blair et al., 2020, 1298). Ziel dieses Antwortverhaltens ist es, negative Gefuöhle durch soziale Sanktionen zu vermeiden und das Gesicht nicht zu verlieren“ (Krumpal, 2013, 2030).
Befragte antworten meist sozial erwuönscht, wenn sie von einer normativen Wertung ihrer Antworten ausgehen. Diese Wertung kann von einer anderen anwesenden Person, vom Auftraggeber der Studie, von der Gesellschaft oder von der Person selbst stammen (Wolter, 2022). Durch sozial erwuönschte Angaben soll eine Verurteilung oder Missbilligung von anderen Anwesenden oder eigene negative Gefuöhle vermieden werden.
Beispielsweise koönnten Menschen vor Anwesenden vorgeben, einen nachhaltigeren Lebensstil zu fuöhren oder umweltfreundlicher eingestellt zu sein, als es tatsaöchlich der Realitaöt entspricht. Außerdem kann es ebenso passieren, dass eine Person lediglich vorgibt, nachhaltig zu leben oder eingestellt zu sein, um ihrem eigenen umweltfreundlichen Selbstbild gerecht zu werden.
Eine befragte Person kann zudem glauben, dass die Gesellschaft erwartet, dass sie eine Mitverantwortung fuör die Umwelt zeigt. Gerade umweltfreundliche Einstellungen werden zunehmend zu einer sozialen Norm (Neugebauer, 2004, 16). Personen mit wenig Umweltbewusstsein geben möoglicherweise an, umweltfreundlicher zu sein, als sie es tatsöachlich sind. Die Konzeption der politischen Korrektheit“ gruöndet sich auf einer Verföalschung durch sozialen Erwuönschtheit (Grimm, 2010, 1).
Die Antworttendenz der sozialen Erwuönschtheit kann sowohl bewusst als auch unbewusst auftreten. Tritt das soziale Phänomen unbewusst auf, können die Antworten entweder an die eigenen Erwartungen (self-deception) oder die Erwartungen anderer Personen (other- deception) angepasst worden sein (Neugebauer, 2004, 16f).
Wurden die Antworten angepasst, um sich selbst zu töauschen, stellt diese Form der Verzerrung eine besondere Herausforderung dar. Hat die Person selbst keinen Zugang zu ihren wahren“ Werten, gibt es auch keine Möoglichkeit, diese herauszufinden. Tritt die soziale Erwuönschtheit jedoch auf, um andere zu taöuschen, handelt es sich um eine systematische Verzerrung (Neugebauer, 2004, 17). Diese kann durch eine möoglichst angenehme Befragungssituation klein gehalten werden.
Bei manchen Menschen verursacht der Druck durch soziale Erwuönschtheit noch vor der Befragungssituation die Anpassung der eigenen Persöonlichkeit oder Verhaltensweisen (Neugebauer, 2004, 17). Damit entsprechen sie der spaöter in der Frage stehenden Norm, wodurch die Erwuönschtheit ein Teil des Merkmals selbst ist (Schahn und Bohner, 1996, 562). Statt unbewusst oder bewusst Antworten zu verzerren, entsprechen die geaöußerten Antworten dem interessierenden Merkmal. Damit fuöhrt die soziale Erwuönschtheit in diesen Faöllen zu keinen verfaölschten Antworten.
Die soziale Erwönschtheit kann außerdem alsPersönlichkeitsmerkmalangesehen werden (Schnell et al., 2013). Dabei haben Menschen eine unterschiedliche Tendenz dazu, sozial erwuö nscht zu antworten (Wolter, 2022, 360f). Diese Neigung ist individuell und wird beispielsweise durch die Erziehung oder durch die Gesellschaft beeinflusst. Insbesondere Personen mit geringem Selbstbewusstsein neigen dazu, Antworten anzupassen (Schnell et al., 2013, 347). Aber auch andere Faktoren wie ein weibliches Geschlecht, hohes Alter und hohe formelle Bildung koönnen das Aufkommen der sozialen Erwuönschtheit verstöarken (Bogner und Landrock, 2015, Stocke und Hunkler, 2007).
Ausschlaggebend fuör das Auftreten dieses sozialen Phaönomens ist die eigeneWahrnehmungvon sozialen Normen (Wolter, 2022, 361). Eine Person koönnte beispielsweise in verschiedenen Situationen umweltfreundliche oder umweltfeindliche Einstellungen als gesellschaftlich akzeptabel betrachten. Beeinflusst wird diese Wahrnehmung sowohl durch das Umfeld, die Persoönlichkeit als auch durch die Bevoölkerung (Wolter, 2022, 361). Je nach individueller Richtung der Wahrnehmung der sozialen Erwuönschtheit wird die wahre Einstellung an die erwartete Antwort angepasst. Beispielsweise kann es fuör links orientierte Studierende im Umfeld als erwuönscht gelten, aus oökologischen Gruönden Containern3zu gehen. Jedoch ist fraglich, ob sie dies auch in einer Befragung im Rahmen eines Forschungsprojekts oder vor dem zukuönftigen Arbeitgeber zugeben wuörden.
Haöufig tritt das Phöanomen der sozialen Erwuönschtheit auf, wenn heikle oder sensitive Themen angesprochen werden. Ein Grund, weshalb ein Thema als sensibel gelten kann, ist die Verletzungen der Privatsphaöre. Dazu gehöoren beispielsweise Fragen zu Sexualverhalten, Einkommen und politischen Präferenzen (Stocke und Hunkler, 2007, 313). Sogenannte Tabu-Themen“ werden in sozialen Kontexten meist nicht besprochen, da es als unpassend angesehen wird (Wolter, 2022, 360). Fragen zu Umweltthemen sind eng mit politischen Einstellungen verbunden, weshalb sie als sensibel angesehen werden können. So haben Vesely und Klöckner (2020) gezeigt, dass die soziale Erwünschtheit schwach mit Umweltthemen zusammenhängt. Trotz dem lediglich schwachen Zusammenhang schließen die Forschenden, dass die Thematik der sozialen Erwünschtheit auch bei Fragen zu Umwelt nicht ganzlich vernachlassigt werden sollte.
Ein weiterer Grund, weshalb ein Thema als heikel gelten kann, ist eine moügliche Bedrohung fuür die befragte Person. Speziell bei Themen wie Delinquenz oder straffaülligem Verhalten kann ein Gefuühl der Bedrohung eintreten, wenn Befragte befuürchten, dass ihre geüaußerten Antworten weitergegeben werden koünnten.
SindBystander4wie Ehepartner*innen oder Familienangehoürige anwesend, kann ein Thema bedrohlich wirken, da neben Missbilligung auch private Konsequenzen folgen küonnen. Da Umwelteinstellungen einen politischen Charakter haben küonnen, sind zumindest milde Sanktionen aufgrund von Bystandern vorstellbar.
Insgesamt handelt es sich bei der sozialen Erwuünschtheit um einen nicht-zufaülligen systematischen Messfehler, der uüber wiederholte Messungen bestehen bleibt (Tourangeau et al., 2000, 266f). Die soziale Erwuünschtheit verzerrt Antworten oder fuührt gar zur Verweigerung der Auskunft bei einzelnen Fragen oder der gesamten Studie (Wolter, 2022, 363). Falschangaben durch soziale Erwuünschtheit sind meist in eine Richtung verschoben, wodurch Schaützungen inkorrekt sind und nicht nur eine hoühere Varianz aufweisen (Krosnick und Presser, 2010, Tourangeau und Yan, 2007, 878)
Sollen Aussagen zur Grundgesamtheit erfolgen, sind die wahren“ Antworten von Interesse. Sind diese unwahr“, sind auch spaütere Auswertungen falsch (Schahn und Bohner, 1996, 561). Demzufolge sind Ergebnisse aus Surveys müoglicherweise maßgeblich verfaülscht, wenn diese die Verzerrung nicht ausreichend beruücksichtigt haben (Wolter, 2022). Da umweltfreundliche Einstellungen und Verhaltensweisen zunehmend sozial erwuünscht sind, unterschüatzen Studien zu Umweltthemen moüglicherweise umweltfeindliche Einstellungen und Verhaltensweisen (Beiser-McGrath und Bernauer, 2021, 2). Ebenso kann die soziale Erwuünschtheit falsche Korrelationen zwischen Variablen herstellen oder echte Zusam- menhünge verschleiern (Stocke und Hunkler, 2007, 313) Angesichts der aktuellen Relevanz umweltpolitischer Themen und ihrer Auswirkungen auf politische Entscheidungen sind valide Studienergebnisse fuür die Sozialwissenschaften entscheidend.
2.2 Theorie zur sozialen Erwünschtheit
Oftmals wird die soziale Erwuünschtheit anhand einer Rational-Choice-Theorie (RC-Theorie) erklürt (Stocke und Hunkler, 2007). Bei der RC-Theorie handelt es sich um einen okonomi- schen Ansatz, der die Handlung von Individuen erklaüren soll. Nach diesem Prinzip fuühren Menschen vor der ausgefuührten Handlung eine Kosten-Nutzen-Abrechnung durch, die auf einen maximalen Nutzen abzielt und dabei die Kosten einer Handlung berücksichtigt (Becker, 2014).
Das Phaünomen der sozialen Erwuünschtheit wird oft durch dieSubjektive Erwartungsnutzentheorie (SEU-Theorie)erklüart (Krumpal, 2013, Lischewski, 2015, Reinecke, 1991). Die SEU-Theorie ist eine Erweiterung der Rational-Choice-Theorie. Dabei wird ebenso eine Kosten-Nutzen-Abrechnung durchgefuührt, indem verschieden Handlungsalternativen miteinander verglichen werden. Fuür jede Handlung gibt es dabei eine oder mehrere Handlungsalternativen. Auf diese Handlungsmüoglichkeiten folgen wiederum vermutete Konsequenzen. Diese Konsequenzen küonnen als positiv, negativ oder neutral betrachtet werden. Nach dem Abwaügen zwischen den Handlungsalternativen faüllt die Wahl auf jene Handlung, von dem sich der Akteur den maximalen Nutzen verspricht (Becker, 2014).
Im Vergleich zur RC-Theorie werden bei der SEU-Theorie außerdem die subjektiven Erwartungen der Konsequenzen sowie der individuelle Nutzen von Handlungsalternativen miteinbezogen. Die Konsequenzen werden individuell bewertet und mit einer jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit erwartet. Demnach küonnen identische Handlungen von unterschiedlichen Menschen auch unterschiedlich bewertet werden.
In einer Interviewsituation unterscheiden sich Opportunitaüten und Restriktionen von Person zu Person (Esser, 2002). Liegen bei einer Person mit unterschiedlichen Handlungsoptionen der Wunsch nach sozialer Anerkennung sowie eine positive subjektive Erwartungswahrscheinlichkeit negativer Sanktionen vor, so ist eine sozial erwuünschte Antwort müoglich (Stocke und Hunkler, 2007).
Angenommen eine Person befindet sich in einer Interviewsituation, in der sie die Wahl hat, ihre wahren umweltfeindlichen Einstellungen zuzugeben oder diese zu verheimlichen. Moüglicherweise liegt bei dieser Person ein Wunsch nach sozialer Anerkennung vor, sodass sie eine soziale Missbilligung durch die interviewende Person des Umweltsurveys fuür aüußerst wahrscheinlich haült und fuür sich als negativ bewertet. Um dieser Missbilligung zu entgehen, koünnte die befragte Person anstatt einer wahrheitsgemaüßen Antwort eine sozial erwuünschte Antwort geben.
Befindet sich die Person hingegen zu Hause alleine vor einem Computerbildschirm, sinkt die Wahrscheinlichkeit, soziale Sanktionen zu erfahren. In diesem Fall fiele das Zugeben von umweltfeindlichen Einstellungen womoüglich leichter.
2.3 Umgang mit sozialer Erwünschtheit
2.3.1 Ex-post
Ein haüufig verwendetes, kostenguünstiges und simples Verfahren zur Feststellung, ob sozial erwuünschtes Antwortverhalten aufgetreten ist, ist die Kontrolle nach der Befragung. Expost werden dazu Fragebatterien analysiert, die die Neigung zur sozialen Erwuünschtheit erfragen sollen (Diekmann, 2008, 450f). Nach Auswertung der Items küonnen Antworten von Personen mit hoher Tendenz zu sozial erwuünschtem Antwortverhalten ausgeschlossen oder angepasst werden (ebd.).
Ein Ausschluss bedeutet jedoch auch einen Informationsverlust und die Anpassung basiert auf Annahmen und ausgesuchten Schwellenwerten. Sowohl die nachträgliche Veränderung von Werten als auch das Eliminieren von Merkmalsträgern werden deshalb als fragwärdig angesehen (Schahn und Bohner, 1996, 562).
Haängen das Zielmerkmal und eine Neigung zu sozialer Erwuänschtheit zusammen, fuährt eine nachträagliche Bearbeitung von vermeintlich auffäalligen Werten mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit zu invaliden Ergebnissen. Bei einer Vielzahl von Fragestellungen kann angenommen werden, dass Menschen mit hohen Skalenwerten tatsaächlich altruistisch, gewissenhaft und angepasst eingestellt sind und sich entsprechend verhalten (Oerke und Bogner, 2013, 717). So taäuschen Personen mit einer ausgepraägten Neigung zu sozialer Erwuänschtheit moäglicherweise nicht nur ein besseres Bild von sich vor, sondern sind tatsäachlich umweltfreundlicher eingestellt.
Ferner wird durch diese Skalen angenommen, dass die Neigung zu sozialer Erwuänschtheit fär alle Befragten homogen sind, was zweifelhaft ist (Stocke und Hunkler, 2007, 314).
Demnach ist es nicht ausreichend, die Verzerrung durch soziale Erwuänschtheit ausschließlich ex-post zu kontrollieren. Um die soziale Erwuänschtheit zu minimieren, muässen auch andere messmethodische Verfahren herangezogen werden.
2.3.2 Fragformulierung und Fragekontext
Das Auftreten von sozial erwuänschtem Antwortverhalten wird maßgeblich durch das Fragebogendesign beeinflusst (Blair et al., 2020, 1298f). Antwortoptionen so angeordnet werden, dass sozial unerwuänschte zuerst und sozial erwuänschte zuletzt präasentiert werden. Dadurch kann vermieden werden, dass die befragte Person eine der sozial erwuänschten Optionen waählt, ohne die restlichen uäberhaupt in Erwäagung gezogen zu haben (Bradburn et al., 2004b).
Speziell Formulierung einer Frage kann die Verzerrung von sozialer Erwuänschtheit ebenso verstaärken, wenn sie eine soziale Norm beinhaltet oder andeutet (Diekmann, 2008, 449). Beispielsweise enthaält die Frage Leugnen Sie den Klimawandel?“ Informationen uäber die Erwartung der Fragestellenden. Das Wort Leugnen“ klingt konfrontativ und anklagend, da Leugnen ausdruäckt, dass man ([...] was als Lehre, Weltanschauung o. Aä . oder allgemein anerkannt ist und vertreten wird) fuär nicht bestehend erkläart“ (Duden, n.d.). Insofern wird die Existenz des Klimawandels als objektiver Fakt dargestellt, der von einer diese Charakterisierung ablehnenden Person aktiv infrage gestellt werden muässte.
Um Resultate mit niedrigerer Verzerrung zu erzielen, koännten indirekte Fragen gestellt werden. So wird in einer Studie aus dem Jahr 2011 behauptet, dass allein die Aä nderung von der Formulierung Klimaerwaärmung“ zu Klimawandel“ zu einem um 6,3 Prozentpunkten hoäheren Glauben an Umweltphaänomenen fuährt (Soutter und Mottus, 2020). Diese Studie ließ sich jedoch nicht zuverlaässig replizieren, sodass nicht per se davon ausgegangen werden kann, dass Frageformulierungen das Antwortverhalten in hohem Maße beeinflussen (ebd.).
Umgekehrt ist es auch möglich, suggestive Fragen zu stellen, die sozial unerwünschte Einstellungen als normal darstellen (Diekmann, 2008). Dadurch wird der Effekt der sozialen Erwuönschtheit abgeschwöacht. Dieses Vorgehen kann jedoch gegenteilig dazu fuöhren, dass Antworten in die andere Richtung verzerrt werden. Dann werden falsche, sozial unerwuönschtere Angaben gemacht.
Ein weiterer Ansatz zur Minimierung von moöglichen Verzerrungen durch soziale Erwuönscht- heit besteht darin, auch den Fragekontext zu beruöcksichtigen. Im konkreten Beispiel koönnen zunaöchst allgemeine und wenig sensitive Fragen zu Umwelteinstellungen gestellt werden, die anschließend trichterfoörmig zunehmend spezifisch und sensitiv formuliert werden (Krumpal, 2013, 2036).
Bestimmte Skalierungstechniken koönnen ebenfalls verwendet werden, um soziale Erwuönscht- heit zu verringern. Dafuör koönnen Items gespiegelt oder Antworten auf in gleichem Maße erwuönschte Antwortalternativen erzwungen werden (Schahn und Bohner, 1996, 562). Durch dieses Verfahren soll die Wahl zwischen den Items nicht durch soziale Erwuönschtheit beeinflusst werden, da beide Items den Befragten gleichermaßen wuönschenswert erscheinen (Nederhof, 1985, 270f).
2.3.3 Interviewende und Bystander
Anwesende Personen beeinflussen die befragte Person in ihrem Antwortverhalten (Krumpal, 2013). Dazu gehoören zum einen die interviewenden Personen und zum anderen Bystander. Die interviewende Person, ihre Verhaltensweisen und ihre Charakteristiken und die damit einhergehenden angenommenen Erwartungen an den Interviewee koönnen zu sozialer Erwuönschtheit fuöhren. Hierbei versucht der Interviewee, die internalisierten Normen und Erwartungen der befragenden Personen zu erraten. Um soziale Missbilligung zu umgehen und den vermuteten Erwartungen zu entsprechen, passt der Interviewee seine Aussage entsprechend an (Krumpal, 2013). Geht etwa eine interviewte Person davon aus, dass eine junge Interviewerin umweltfreundliche Werte vertritt, ist der Druck, sozial erwuönscht zu antworten, besonders intensiv.
Loureiro und Lotade (2005) konnten in einer US-amerikanischen Studie herausfinden, dass die Zahlbereitschaft fuör Kaffee je nach Ethnizitaöt der interviewenden Person unterschiedlich ausfaöllt. Bei afrikanischen Interviewenden fiel die Zahlbereitschaft insbesondere fuör Fair-Trade und biologischen Kaffee deutlich hoöher aus als bei amerikanischen Interviewenden. Demnach beeinflussen die Interviewendenmerkmale die Angaben zu Umwelteinstellungen aufgrund von sozialer Erwuönschtheit.
Eine Methode, um mit von Interviewer*innen ausgehenden Effekten umzugehen, ist die Sealed-Envelope-Technique (SET). Die SET bietet eine Möoglichkeit zur Geheimhaltung von Antworten vor der interviewenden Person (Diekmann, 2008). Hier werden sensible Fragen auf einem separaten Bogen selbst-administriert ausgefuöllt. Anschließend wird der Fragebogen umgehend verschlossen. Dieses Vorgehen kann jedoch bei einigen Befragten fuör Verwirrung oder zu Antwortverweigerungen fuöhren (Becker, 2006).
Auch die interviewende Person kann Fragen als unangenehm empfinden und sie daraufhin anpassen oder Fragen gänzlich überspringen, um der Belastung des Unwohlseins zu entgehen. So konnten Schnell und Kreuter (2003) zeigen, dass dies für Fragen zu Kriminalitüat der Fall sein kann. Da Umwelteinstellungen als leicht sensibel anzusehen sind, finden die Erkenntnisse dieser Studie müoglicherweise auch hier Anwendung.
Neben Interviewer*innen küonnen Bystander das Antwortverhalten beeinflussen. Da die befragte Person auch bei Dritten soziale Sanktionen und negative Konsequenzen umgehen will, kann hier eine Anpassung an vermutete Erwartungen erfolgen. Die Auskunft kann wahrheitsgetreuer ausfallen, wenn Befragte durch sozial unerwuünschte Angaben mit Konsequenzen durch die Bystander rechnen muüssen. Treten Bystander hingegen lediglich als kontrollierende Instanz auf, so küonnen die Angaben der Befragten wahrheitsgetreuer ausfallen, wenn verfaülschte Antworten auffallen.
So konnten Schrüoder und Schmiedeberg (2023) aufzeigen, dass die Anwesenheit des Partners oder der Partnerin die Angabe der Befragten zum eigenen Anteil an der Hausarbeit verringert. Diese Studie impliziert, dass müoglicherweise eigennuützige Uü bertreibungen durch die Anwesenheit des Partners oder der Partnerin verhindert wird. Die soziale Erwuünschtheit fuührt in diesem Fall zu ehrlicheren Antworten, da die Antworten an die Erwartungen des Partners oder der Partnerin angepasst werden. Daruüber hinaus legten die Forscherinnen nah, dass die Anwesenheit von Kindern und anderen Dritten keinen Einfluss auf das Antwortverhalten hat. Diese Funde legen nahe, dass entscheidend ist, welche Personen anwesend sind und in welcher Beziehung die Befragten zu ihnen stehen. Fragen zu Umwelteinstellungen erfragen allerdings keine konkreten Verhaltensweisen. Dies macht die Fragen weniger greifbar, und die Existenz oder Stüarke von Bystandereffekten sind noch unklar. Dennoch waüre es denkbar, dass die Anwesenheit umweltbewusster Bystander dazu fuührt, dass die Interviewees aus sozialem Druck heraus umweltfreundlichere Antworten geben. Zu einer Klaürung dieser Hypothese bedarf es jedoch weiterer Forschung zu Bystandereffekten im Kontext von Surveys zu Umwelteinstellungen.
2.3.4 Befragungsmodus
Der Befragungsmodus hat einen enormen Einfluss auf geaüußerte Antworten in Befragungen (Krumpal, 2013). Die diversen existierenden Befragungsmodi lassen sich in selbstadministrierte Befragungen und interviewer-administrierten Befragungen unterscheiden. Zu den selbst-administrierten Interviews gehüoren Computer Assisted Self-Interviewing (CASI), Computer Assisted Web Interviewing (CAWI), Audio-enhanced Computer Assisted Self-Interviewing (ACASI), Telephone Audio-enhanced Computer Assisted SelfInterviewing (T-ACASI), Paper-and-Pencil Self-Administered Questionnaires (SAQ) und Websurveys.
Zu den interviewer-administrierten Modi zaühlen Paper-and-Pencil Interviewing (PAPI), Computer Assisted Personal Interviewing (CAPI) und Computer Assisted Telephone Interviewing (CATI). Diese sind aufgrund der notwendigen Einstellung und Einarbeitung von Personen als besonders zeit- und kostenintensiv anzusehen.
Viele Studien konnten bereits zeigen, dass selbst-administrierte Befragungsmodi zu einer höheren Genauigkeit bei sensiblen Themen fuhren (Kreuter et al., 2008, Tourangeau und Smith, 1996). Jedoch erhöhen selbst-administrierte Befragungen eventuell Satisficing5und Nonresponse6(Tourangeau und Yan, 2007).
Eine beispielhafte Studie zum Vergleich zwischen CAPI, CASI und ACASI ergab zwischen den Befragungsmodi keine Unterschiede bezuöglich der Ruöcklaufquote (Tourangeau und Smith, 1996). Allerdings konnten die Forscher beweisen, dass die Selbstadministration zu einem hoöheren Anteil von Eingestaöndnissen von Drogenkonsum fuöhrt.
Die Erkenntnisse aus dieser Studie legen nahe, dass eine in Selbstadministration durch- gefuöhrte Umfrage auch beim leicht sensiblen Thema Umwelteinstellungen zu akkurateren Ergebnissen fuöhren köonnte. Insgesamt ist der Einfluss des Befragungsmodus auf Einstellungen zu Umweltthemen jedoch noch nicht hinreichend erforscht.
Neben der Wahl des Befragungsmodus koönnen ebenso Zusicherungen hinsichtlich der Anonymitaöt und des Datenschutzes erfolgen, um eine vertrauensvolle Befragungssituation zu schaffen und eine hohe Kooperationsbereitschaft zu gewöahrleisten (Krumpal, 2013, 2036). Auch die Betonung des wissenschaftlichen Zwecks einer Untersuchung kann dem Auftreten sozialer Erwuönschtheit vorbeugen (Schahn und Bohner, 1996, 562).
2.3.5 Befragungstechniken
In diversen Kontexten bietet es sich an, spezielle Befragungstechniken anzuwenden, die die Antworten einer Person vor Anwesenden verschleiern sollen. Die verwendeten Befragungstechniken erfolgen unter der Annahme, dass es keine Luögner*innen und keine Designeffekte gibt (Blair et al., 2020, 1310). Diese Annahme ist wichtig, da hierdurch gefundene Effekte kausal auf die Verwendung der Befragungstechnik zuruöckgefuöhrt werden köonnen. Dabei existiert eine Vielzahl an Techniken, die die Anonymitaöt in der Befragungssituation gewöahrleisten und Antworten verschleiern koönnen.
Im Rahmen dieser Arbeit wird nur auf dieItem-Count-Technik (ICT)7eingegangen, allerdings existiert eine hohe Bandbreite an Techniken.
Blair et al. (2020) konnten in ihrer Studie zur ICT darlegen, dass der Grad der Verzerrung stark vom jeweiligen Thema der Befragung abhöangt und diese uöblicherweise weniger als zehn Prozentpunkte betraögt. Blair et al. betonen, dass die Wahl zwischen direkter Befragung und anderen Befragungstechniken methodische Abwöagungen erfordert. Die direkte Befragung ist zwar moöglicherweise verzerrt, weist aber auch eine geringere Varianz auf (Blair et al., 2020, 1297). Spezielle Befragungstechniken hingegen generieren weniger verzerrte Schatzungen und sind akkurater. Allerdings haben sie wenig statistische Power und setzen durch das statistische Rauschen entweder eine große Stichprobe oder eine zugrunde liegende hohe Verzerrung voraus (Blair et al., 2020, 1312). Sie sind deswegen dann sinnvoll, wenn absehbar ist, dass das Befragungsthema besonders anfällig für soziale Erwünschtheit ist und die fär jede Spezialtechnik anfallenden Mehrkosten gerechtfertigt sind (Blair et al., 2020, 1311). Mittlerweile konnte jedoch gezeigt werden, dass Umwelteinstellungen nur leicht mit sozialer Erwuänschtheit zusammenhaängen (Vesely und Kloäckner, 2020). Folglich ist es fraglich, ob speziell Antworten zu Umwelteinstellungen erheblich vom zugrunde liegenden wahren Wert abweichen, um den Einsatz von Befragungstechniken zu rechtfertigen.
Beiser-McGrath und Bernauer (2021) hingegen zeigten in einer experimentellen Studie, dass die soziale Erwuänschtheit Antworten zu Umwelteinstellungen verzerren kann. Die Forschenden verwendeten eine direkte Befragung und kombinierten diese mit der ICT jeweils in Deutschland und den USA. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass Befragte ihre eigentliche Skepsis gegenuäber dem Klimawandel verschleiern, wenn sie direkt befragt werden. Rund 10 % der Befragten gaben erst in einem durch die ICT gewaährleisteten anonymeren Setting zu, dass sie nicht an den menschengemachten Klimawandel glauben. Zusäatzlich fanden Beiser-McGrath und Bernauer heraus, dass in Deutschland besonders CDU/CSU-Waählende dazu neigen, verfäalschte Antworten zu geben, wenn es um Klimaskepsis geht. In den USA wiederum verheimlichen besonders Hochschulabsolvent*innen, Parteizugehoärige und die Top 20 % der Einkommensverteilung ihre tatsaächliche skeptische Einstellung gegenuäber dem Klimawandel. Demnach unterscheidet sich die Verzerrung durch soziale Ewuänschtheit moäglicherweise nach Subgruppen, die es kuänftig zu pruäfen gilt.
3 Fazit und Ausblick
Die soziale Erwuänschtheit bezieht sich auf ein Phaänomen, das in Befragunssituationen auftritt. Hierbei neigen Menschen dazu, Antworten zu geben, die gesellschaftlich akzeptiert oder positiv bewertet werden, selbst wenn diese Antworten nicht mit ihren wahren Ansichten uäbereinstimmen. In Umweltsurveys fuährt dies dazu, dass sich Befragte umweltfreundlicher äaußern, als sie tatsaächlich sind, um der sozialen Norm des Umweltbewusstseins zu entsprechen.
Diese Arbeit zeigt, dass Studien zu Umweltthematiken durch sozial erwuänschtes Antwortverhalten verzerrt sein koännen. Trotz der geringen Anzahl an Studien, die soziale Erwuänschtheit im Kontext von Umwelteinstellungen untersuchen, scheint es trotzdem einen Zusammenhang zwischen den beiden Gräoßen zu geben. Besonders aufschlussreich ist dabei die zuvor diskutierte Studie von Beiser-McGrath und Bernauer (2021). Laut dieser verheimlichen rund 10 % der direkt Befragten umweltfeindliche Einstellungen. Dieser Anteil aäußert seine tatsäachlichen Ansichten erst dann, wenn ein häoherer Grad an Anony- mitaät gewaährleistet wird. Hieraus laässt sich schließen, dass ein nicht zu vernachlaässigender Anteil an Befragten aufgrund sozial erwünschten Antwortverhaltens nicht wahrheitsgemäße Antworten gibt. Somit werden Befragungen zum Thema Umwelteinstellungen durch soziale Erwuünschtheit zu einem gewissen Grad verfüalscht.
Um trotz dieser Herausforderung weiterhin qualitativ hochwertige Befragungsergebnisse zu erhalten, ist es entscheidend, ein müogliches Auftreten von sozial erwuünschtem Antwortverhalten im Rahmen einer Befragung zu Umweltthematiken zu beruücksichtigen oder diesem vorzubeugen. Um die Verzerrung durch soziale Erwuünschtheit zu minimieren, eignen sich eine Vielzahl an methodischen Vorgehensweisen. Diese beinhalten Methoden der Frageformulierung, den Fragekontext, Interviewende und Bystander, Befragungsmodi sowie spezielle Befragungstechniken. Diese Methoden unterscheiden sich hinsichtlich ihres Ansatzes, ihres Implementierungsaufwands und ihrer Kosten. So sind vor allem Verfahren, die Ausbildung und Anwesenheit von Personen erfordern, zeit- und kostenintensiv. Das jeweilige Forschungsinteresse sowie der gegebene finanzielle Rahmen sind entscheidend fuür die Wahl der zu verwendenden Methoden bei einem Forschungsvorhaben.
Bislang existieren noch wenig Studien uüber den Zusammenhang zwischen sozialer Erwuünschtheit und Umwelteinstellungen. Insbesondere der Einfluss von Interviewenden und Bystandern sowie der Effekt von Befragungsmodi in Umweltsurveys ist bislang wenig erforscht. Zudem thematisiert diese Arbeit lediglich soziale Erwuünschtheit im Kontext von Umwelteinstellungen. Müogliche Drittvariableneffekte wie Geschlecht, Alter oder Bildung haütten den Rahmen dieser Arbeit gesprengt und wurden entsprechend außen vor gelassen. Insgesamt handelt es sich bei der Verzerrung durch soziale Erwuünschtheit um ein umfangreiches wie relevantes Thema. Aus diesem Grund ist weitere Forschung fuür die Sozialwissenschaften noütig, um moüglichst valide Forschungsergebnisse zu erhalten.
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[...]
1Martin Gerhard Reisenberg (1949 - 2023), Diplom-Bibliothekar und Autor
2Reaktivität: Einfluss des Mess- oder Erhebungsvorgangs auf die Studienteilnehmer und die resultierenden Daten (Wolter, 2022, 364)
3Containern: „eine Handlung, bei der Müllcontainer nach noch verzehrbaren Nahrungsmitteln durchsucht werden“ (Noack et al., 2016, 1f)
4Bystander: Andere anwesende Person (z. B. Partnerinnen, Familienangehörige, Freundinnen, Bekannte, Nachbar*innen, Dritte) (Bogner und Landrock, 2015, 6f)
5Satisficing: Reduzierung von Belastung durch Verkürzen des Informationsverarbeitungsprozesses (Bogner und Landrock, 2015, 1)
6Nonresponse: „Weigerungen der Zielpersonen [...], überhaupt an der Studie teilzunehmen (UnitNonresponse) oder einzelne Fragen in Befragungen zu beantworten (Item-Nonresponse)“ (Wolter, 2022, 363)
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Thema dieses Dokuments?
Dieses Dokument befasst sich mit dem Einfluss sozialer Erwünschtheit auf geäußerte Umwelteinstellungen in Umfragen. Es werden das Konzept der sozialen Erwünschtheit, theoretische Grundlagen und Methoden zur Bewältigung dieses Phänomens erörtert.
Was versteht man unter sozialer Erwünschtheit?
Soziale Erwünschtheit beschreibt die Tendenz von Befragten, in Umfragen Antworten zu geben, die als sozial akzeptabel oder erwünscht gelten, auch wenn diese nicht ihren tatsächlichen Einstellungen oder Verhaltensweisen entsprechen.
Warum ist soziale Erwünschtheit ein Problem bei Umfragen zu Umwelteinstellungen?
Umweltfreundliche Einstellungen und Verhaltensweisen werden zunehmend als sozial erwünscht angesehen. Dies kann dazu führen, dass Befragte in Umfragen ihre tatsächlichen, möglicherweise weniger umweltfreundlichen, Einstellungen und Verhaltensweisen übertreiben.
Welche theoretischen Erklärungen gibt es für soziale Erwünschtheit?
Soziale Erwünschtheit wird oft mithilfe der Rational-Choice-Theorie (RC-Theorie) oder der Subjektiven Erwartungsnutzentheorie (SEU-Theorie) erklärt. Diese Theorien gehen davon aus, dass Individuen Kosten und Nutzen verschiedener Handlungsoptionen abwägen, bevor sie eine Entscheidung treffen. Im Kontext von Umfragen kann die Angst vor sozialer Missbilligung dazu führen, dass Befragte sozial erwünschte Antworten geben.
Welche Methoden gibt es, um mit sozialer Erwünschtheit umzugehen?
Es gibt verschiedene Methoden, um soziale Erwünschtheit zu minimieren oder zu berücksichtigen. Diese umfassen:
- Ex-post-Kontrolle: Analyse von Fragebatterien zur Erfassung der Neigung zu sozialer Erwünschtheit.
- Frageformulierung und Fragekontext: Gestaltung von Fragen und Fragebögen, um soziale Normen nicht zu stark zu betonen und indirekte Fragen zu stellen.
- Berücksichtigung von Interviewenden und Bystandern: Minimierung des Einflusses anwesender Personen auf das Antwortverhalten.
- Wahl des Befragungsmodus: Verwendung von selbstadministrierten Befragungen (z.B. Online-Umfragen) anstelle von persönlichen Interviews.
- Spezielle Befragungstechniken: Einsatz von Techniken wie der Item-Count-Technik (ICT), um die Anonymität zu erhöhen und Antworten zu verschleiern.
Was ist die Item-Count-Technik (ICT)?
Die Item-Count-Technik (ICT) ist eine spezielle Befragungstechnik, bei der Befragte eine Liste von Aussagen (Items) vorgelegt bekommen und angeben, wie viele dieser Aussagen auf sie zutreffen, ohne jedoch anzugeben, welche Aussagen dies konkret sind. Dadurch soll die Anonymität erhöht und die Verzerrung durch soziale Erwünschtheit reduziert werden.
Welchen Einfluss hat der Befragungsmodus auf soziale Erwünschtheit?
Selbstadministrierte Befragungsmodi, wie z.B. Online-Umfragen, führen tendenziell zu ehrlicherem Antwortverhalten bei sensiblen Themen, da die Befragten sich weniger beobachtet fühlen als bei persönlichen Interviews.
Welche Rolle spielen Interviewende und Bystander bei sozialer Erwünschtheit?
Die Anwesenheit von Interviewenden und Bystandern kann das Antwortverhalten beeinflussen, da Befragte möglicherweise versuchen, deren Erwartungen zu erfüllen oder soziale Missbilligung zu vermeiden. Es ist wichtig, diese Faktoren bei der Durchführung von Umfragen zu berücksichtigen.
Gibt es empirische Belege für den Einfluss sozialer Erwünschtheit auf Umwelteinstellungen?
Studien deuten darauf hin, dass soziale Erwünschtheit Antworten zu Umwelteinstellungen verzerren kann. Beispielsweise haben Beiser-McGrath und Bernauer (2021) in einer Studie gezeigt, dass Befragte in direkten Befragungen ihre Skepsis gegenüber dem Klimawandel verschleiern, während sie in einem anonymeren Setting (ICT) ehrlicher antworten.
Was sind die Schlussfolgerungen und der Ausblick dieser Arbeit?
Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass soziale Erwünschtheit ein relevanter Faktor bei Umfragen zu Umwelteinstellungen sein kann und es wichtig ist, dies bei der Durchführung von Studien zu berücksichtigen. Es wird weiterer Forschungsbedarf gesehen, insbesondere in Bezug auf den Einfluss von Interviewenden, Bystandern und Befragungsmodi sowie die Berücksichtigung von Drittvariablen.
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- Laura Kiemes (Author), 2024, Der Effekt der sozialen Erwünschtheit auf Umwelteinstellungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1489619