Parlamentarierer zwischen Rostock und Ribnitz


Wissenschaftliche Studie, 2010

65 Seiten


Leseprobe


Gliederung

0. Einleitung

1. Vom altständischen Mecklenburger Landtag zum parlamentarisch – demokratischen
Landtag Mecklenburg Vorpommern
1.1 Der Landtag 1848 bis 1850
1.2 Der Landtag 1919 bis 1934
1.3 Der Landtag 1946 bis 1952
1.4 Der Landtag 1990 bis 2009

2. Von der Frankfurter Nationalversammlung zum Berliner Bundestag
2.1 Die Frankfurter Nationalversammlung
2.2 Der Deutsche Reichstag 1920 bis 1933
2.3 Die Volkskammer der DDR 1949 bis 1990
2.4 Der Deutsche Bundestag ab 1990

3. Das Europaparlament

4. Antworten

5. Literatur:

0. Einleitung

Die Idee zu diesem Buch entstand bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Dörfer Gelbensande und Willershagen. Die Oberförsterfamilie Böcler spielte hier zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine große Rolle und vielleicht waren die Eltern auf ihren Sohn stolz, denn er gehörte zu den Parlamentariern, die eine erste gesamtdeutsche Demokratie ausgestalteten.

Auch die Landtagsabgeordneten Keding, Brockelmann und Kloss, die 1848 bis 1850 im Großherzogtum Mecklenburg – Schwerin die ersten Schritte in eine parlamentarische Demokratie wagten, gehörten zu den „Ideengebern“.

Revolution und Mecklenburg werden meist als sich zwei ausschließende Begriffe im Rahmen der deutschen Geschichte angesehen. Jedoch ist dieses Urteil nicht zutreffend, denn die Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts haben auch hier tiefe Spuren hinterlassen.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts war Deutschland auf der politischen Landkarte der demokratischen Welt eine weiße Fläche. Im Ausland sah man nur, dass die Deutschen wieder ihre Städte aufbauten, ihre Schulen, ihre Kirchen und die Wirtschaft. Kaum einer glaubte, dass sie mit Herz und Verstand Demokraten werden. Nichts sprach damals dafür, dass die Deutschen eigene Wege zur Demokratie, gehen und wagen werden.

Die Deutschen wurden nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 nicht ernsthaft auf die Probe gestellt, ob sie auf ihre Demokratie verzichten möchten, aber es ist anzunehmen, dass sie die Letzten sind, die es darauf ankommen lassen.

Heute, am Anfang des 21. Jahrhundert, ist aber klar, die Demokratie hat sich als die Lebensform der deutschen Gesellschaft durchgesetzt. Das bringen auch die Antworten der Parlamentarier von der Bundes- und Landesebene deutlich zum Ausdruck. Es wird auch klar, Demokratie ist keine einmal erreichte Lebensform einer Gesellschaft, sie unterliegt einem Wandel. Churchill sagte im November 1947: „Demokratie ist die schlechteste ("worst") Regierungsform, doch besser als alle anderen." Unzählige Papageien sprechen diesen Satz heute unreflektiert nach, kennen aber den damaligen Zusammenhang nicht. Wichtig ist heute, die Erkenntnis, Demokratie muss sich wandeln, entwickeln, sie muss aber auch verteidigt werden. Die vorliegende Arbeit soll diesen Wandel der Demokratie in ein Region Deutschlands deutlich machen.

1. Vom altständischen Mecklenburger Landtag zum parlamentarisch – demokratischen Landtag Mecklenburg Vorpommern

1.1 Der Landtag 1848 bis 1850

Die aus dem Jahre 1755 bestehende Verfassung, der „Landegrundgesetzliche Erbvergleich“, bestimmte bis zur Revolution 1848 die politischen Strukturen der beiden Großherzogtümer Mecklenburg – Schwerin und Mecklenburg Strelitz. Diese Verfassung sicherte den beiden Ständen, der Ritterschaft und der Landschaft, ihre Unabhängigkeit gegenüber der herzoglichen Macht. Der Mecklenburgische Landtag war das Organ der Stände. Als Teil des Mecklenburgischen Gesamtstaates besaß das Herzogtum/Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin kein eigenes Parlament. Der ständische Landtag in Mecklenburg war eine gemeinsame Einrichtung der beiden Landesteile Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Zur Entscheidungsfindung war es jedoch üblich, dass die Ritter- und Landschaft beider Landesteile eigene "Convente" abhielt, die jedoch keine politischen Befugnisse besaßen und nur der Repräsentation und Meinungsbildung dienten.

Zur Ritterschaft gehörten 1848 etwa 640 Besitzer ritterschaftlicher Güter, unabhängig davon, ob sie adlig oder bürgerlich waren. Alle „Ritter“ hatte je eine Stimme. Da ein Großteil der Gutsbesitzer bürgerlicher Herkunft war, gab es schon damals im Schweriner Landesteil eine bürgerliche Mehrheit im Landtag.

Die Landschaft setzte sich aus den 44 landtagsfähigen Städten des Landes zusammen, die im Landtag durch ihre Bürgermeister vertreten waren.

Alle Landtagsmitglieder waren also kraft ihres Besitzes oder Amtes tätig, niemand war von der Bevölkerung gewählt.

Von der Ritterschaft war im Durchschnitt nur jedes zehnte Mitglieder anwesend, da ihre Abwesenheit von ihren Gütern nicht finanziell entschädigt wurde. Sitzungsgelder gab es nur für die Bürgermeister aus ihren Stadtkassen.

Einige Landesteile, die an der Ausbildung der Landstände nicht teilgenommen hatten, waren 1848 nicht im altständischen Landtag vertreten, so die beiden Domanien und der Rostocker Distrikt. Es gab also keine Vertreter im Landtag aus den Stadtgütern Bentwisch, Rövershagen, Oberhagen, Niederhagen und Willershagen, aus dem Hospitaldorf Mönchhagen, aus den Dörfern Bentwisch, Rövershagen, Oberhagen, Niederhagen und Willershagen und aus dem zum Domanium gehörenden Dörfern Blankenhagen, Gelbensande und Behnkenhagen. So war es in ganz Mecklenburg. Es erscheint deshalb logisch, dass sich die Märzrevolution von 1848 gegen solch einen exklusiven Klub richtete.

Wie sah nun die Revolution bei den Mecklenburgern im Schweriner Landesteil aus.

Im Februar 1848 reagierten die Menschen in Mecklenburg auf die revolutionären Ereignisses in Paris und im März in Berlin spontan mit einer starken demokratischen Bewegung gegen den Ständestaat. Auch in Rostock gründeten Bürger einen Reformverein, in vielen Dörfern kam es zu antifeudalen Aktionen.

Die mecklenburgische politische Opposition gegen den Ständestaat rekrutierte sich hauptsächlich aus den Reihen bürgerlicher Gutsbesitzer und liberaler Angehöriger der Rostocker Universität, schließlich aber auch aus denen des kapitalistisch wirtschaftenden Bürgertums, das vornehmlich in den beiden Seestädten Rostock und Wismar sowie in Güstrow und Schwerin ansässig war.

Zur Verschärfung der Lage trug auch eine wachsende Arbeitslosigkeit unter den Handwerksgesellen und in der Arbeiterschaft bei. So sahen jene im Aufbegehren gegen die Verhältnisse eine Möglichkeit, die Besserung ihrer Situation zu erreichen. In Rostock entstand im November 1848 ein Arbeiterverein, der sich vor allem die Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Ziele auf die Fahnen geschrieben hatte. Doch anders als in weiten Teilen Deutschlands, wo im Revolutionsjahr 1848 unter aktiver Beteiligung der Handwerker und der Arbeiterschaft radikale Forderungen erhoben wurden und es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und dem Militär kam, wurde in Rostock eine Radikalisierung der Volksmassen offensichtlich bewusst vermieden. Stattdessen versuchte man die notwendigen Veränderungen mit einer überaus lebhaften Versammlungs- und Petitionstätigkeit, also auf reformerischem Wege durchzusetzen.

Folgerichtig standen die Reform der Landesvertretung und die Frage der Pressefreiheit am 9. März 1848 in der Stadt an der Warnow erstmals öffentlich auf der Tagesordnung. Sie war Gegenstand einer Petition an den Großherzog in Schwerin, die 19 »Männer des Gelehrten-, Handels- und Gewerbestandes« unterzeichnet hatten. Im Apollosaal des Hotels »Sonne« am Neuen Markt diskutierten an diesem Donnerstag ab vier Uhr nachmittags eintausend Rostocker ihre Forderungen. Schließlich einigte man sich, den Landesherrn zu bitten, sich für eine Reform der Landesverfassung mit dem Ziel der Schaffung einer wirklichen Volksvertretung sowie eine aktive Mitwirkung bei der Errichtung eines gesamtdeutschen Parlaments einzusetzen, Presse- und Vereinigungsfreiheit zu gewähren, die allgemeine Volksbewaffnung zuzulassen und eine Reformierung der Justiz durchzuführen. Da eine Antwort auf sich warten ließ, trat die Versammlung am 15. März wiederum zusammen, um eine zweite Petition zu verabschieden, in der sie ihre Forderungen, zum Teil sogar konsequenter formuliert, bekräftigte. Acht Tage darauf reagierte der Großherzog, offensichtlich aber nur unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse in Berlin, und versprach, dass eine Reform der Landesverwaltung durchgeführt, Presse-, Versammlungs- und Vereinsfreiheit gewährt und Mecklenburg »in die Reihe der konstitutionellen Staaten« eintreten werde. In Rostock hatte sich inzwischen am 18. März 1848 ein Reformkomitee gegründet, in das von einer Volksversammlung 16 Mitglieder gewählt wurden. Seine Aufgabe bestand vor allem darin, Rostock auf dem für den 2. April nach Güstrow einberufenen Kongress aller mecklenburgischen Reformvereine zu vertreten. In Vorbereitung auf die Zusammenkunft entstand der Entwurf eines 17 Punkte umfassenden Programms, dessen Inhalt auf eine Demokratisierung des bestehenden politischen und wirtschaftlichen Systems abzielte. In Güstrow wurde dieses Programm angenommen. Des Weiteren bestimmten die 173 Delegierten aus ganz Mecklenburg das Rostocker Reformkomitee zum Zentralkomitee aller mecklenburgischen Reformvereine. Fortan hatte die revolutionäre Bewegung Mecklenburgs ihr organisatorisches Zentrum in Rostock.

Auch Gelbensander Tagelöhner und Landarbeiter begehrten unter dem Eindruck der Revolution auf. Sie forderten, wie viele andere auch im Land eine neue Regulierung und vertraglichen Festschreibung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Katenleute Schuldt, Hauth, Waacker und Schümann schrieben eine gemeinsamen Eingabe an das zuständige Domanialamt Ribnitz, später an das Kammer- und Forstkollegium in Schwerin. Sie erhielten keine Antwort. Sie gaben nicht auf und wendeten sich am 1. Juli 1848 direkt an den „allergnädigsten Landesherrn und Vater“, den „allerdurchlauchtigsten Großherzog und Herrn“, Friedrich Franz II.

Das Schreiben wurde durch Regierungsrat v. Bassewitz umgehend an die Kammer zur Beantwortung weitergeleitet, versandete dort aber. Am 13. August sendeten die vier Gelbensander ein weiteres Schreiben, diesmal an die Landesregierung. Nun wurde die Kammer von dieser höchsten Behörde des Landes am 17. August zum Bericht aufgefordert. Auch diesmal passierte nichts. Am 9. September und am 4. Oktober erinnerte die Regierung erneut. Jetzt endlich regte sich die Kammer: Bei der Regierung ging am 25. Oktober ein auf den 30. September datiertes Schreiben mit einer Stellungnahme ein. Man entschuldigte die späte Bearbeitung mit notwendigen Rückfragen bei den Beamten in Ribnitz und bei Forstmeister v. Bülow in Gelbensande.

Bei diesen Rückfragen wurden zunächst seitens des Amtes die Unterzeichner der Eingaben näher in Augenschein genommen und festgestellt, dass Schuldt kein Tagelöhner des Forstmeisters, sondern des Unterförsters ist. Hauth und Waack leugnen jetzt jede Teilnahme an der Angelegenheit und verweisen darauf, dass sie bereits im Mai ausdrücklich erklärt zu hatten, dass sie alle ihnen zustehende Leistungen erhalten haben und ihnen nichts vorenthalten wurde. Schümann endlich wurde als „ein bekanntes unfriedfertiges Subject“ bezeichnet, dem erst im laufenden Jahr auf einem anderen Gut gekündigt wurde. In ihm wurde auch der Urheber der Eingabe gesehen. Das Amt legte es in das Ermessen der Kammer, eine Untersuchung wegen Fälschung von Unterschriften einzuleiten.

Die Beamten empfahlen für die Gelbensander die Regelungen über die Einkommen und Leistungen, die für die Hoftagelöhner im Amt Ribnitz galten, in Anwendung zu bringen und erst, wenn dies auf Widerstand stoßen sollte, eine unabhängige Schiedskommission anzurufen.

Das neue Regulativ für die Tagelöhner legte dann u.a. folgendes fest:

I. Jeder Tagelöhner erhält:

1. geräumige gesunde Wohnung mit Ställen für sein Vieh;
2. 100 []Ruten[1] zum Kartoffelbau in dem zur Wohnung gehörigen Garten oder geackert und gedüngt in dem Felde, wo der Pächter die Kartoffeln für seinen eigenen Bedarf anbaut;
3. 32 []Ruten zum Flachsbau geackert und bedüngt in der Brache oder im fetten Sommerschlag;
4. 60 []Ruten geackert und bedüngt zur Aussaat eines Scheffels Roggen oder nach Bestimmung des Grundherrn von der Dreschdiele 8 gestrichene Scheffel Roggen Rostocker Kaufmaß;
5. 60 []Ruten geackert zur Sommerkorn-Aussaat oder nach Wahl des Grundherrn von der Diele 8 gestrichene Scheffel Hafer;
6. Weidefreiheit ohne Entrichtung von Hirtenlohn für eine Kuh unter der Herde des Pächters oder auf einer Nebenweide. Im Winter kann die Kuh zur Durchwinterung entweder in das Hofviehhaus übernommen werden oder der Tagelöhner erhält ein Fuder Heu zu 24 Zentnern und seinen Bedarf an Winter- und Sommerstroh, falls das durch den Tagelöhner geerntete Stroh nicht ausreichen sollte. Wird die Kuh im Hofviehhaus ausgefüttert, so fällt das vom Tagelöhner geerntete Stroh nach dem Abdrusch dem Hofpächter zu. Selbst wenn die Kuh im Katen untergebracht ist, gehört der Mist dem Pächter, der das Recht hat, den Dung bis auf die kleine für den Garten benötigte Menge für den Hofacker abzufahren. Bei Nachfütterung bleibt die Kuh des Katenmannes mit bei den Tieren des Pächters und erhält die gleiche Fütterung wie dessen Vieh.
7. Weidefreiheit und Futter für zwei Hammel oder nach Wahl des Grundherrn 3 ½ Taler Wollgeld;
8. Brach- und Stoppelweide für eine Gans mit der Zuzucht gegen Abgabe einer Stoppelgans, oder wenn die Gänsehaltung nach Wahl des Grundherrn nicht gestattet wird, 4 Taler Vergütung;
9. das nötige Bettstroh sowie das zum Einmieten der Kartoffeln erforderliche Stroh;
10. jeden 17.Scheffel Korn als an Drescherlohn;
11. den nötigen Brotroggen, mit Ausnahme der Zeit während des Roggendreschens, zu 1 Taler 8 Schillinge für den Scheffel, sobald der Marktpreis höher ist;
12. freie Anfuhr seiner Ernte und seiner Feuerung, sowie freie Arzt-, Prediger- und Hebammen-Fuhren;
13. an Tagelohn:

die Männer vom 1. Oktober bis 31. März 9 Schillinge

vom 1. April bis 29. September 10 Schillinge

die Frauen in der Winterzeit 5 Schillinge

in der Sommerzeit 6 Schillinge

II. Der Tagelöhner ist dagegen verpflichtet:

1. als Miete für die Wohnung durch seine Frau oder deren Hofgänger 80 unentgeltliche Hoftage, davon 40 in der Winter-, 40 in der Sommerzeit, zu leisten[2] ;
2. allen ländlichen Arbeiten sich zu unterziehen, welche ihm vom Grundherrn befohlen werden;
3. täglich auf Verlangen des Pächters eine Arbeiterin zu stellen; in der Erntezeit muss neben dieser Hofgängerin auch die Frau Hilfe leisten, wenn sie nicht durch Krankheit behindert ist;

III. Rücksichtlich der Arbeit und der Arbeitszeit steht fest:

1. Jeder Tagelöhner und sein Hofgänger hat den Arbeitsanordnungen des Grundherrn unbedingt Folge zu leisten und darf die angewiesene Arbeit ohne Erlaubnis des Grundherrn oder dessen Aufsehers nicht verlassen.

2. Die Arbeitszeit wird nach „richtig gehender Uhr“ dahin bestimmt:

a) vom 1. März bis 31. Oktober außer der Ernte von morgens 6 Uhr bis Sonnenuntergang,
b) in der Kornernte und beim Heu- und Klee-Einfahren, abends bis zum Dunkelwerden,
c) vom 1. November bis letzten Februar von morgens mit Sonnenaufgang bis½ Stunde nach Sonnenuntergang.

3. Als Ruhezeit ist in den verschiedenen Jahreszeiten gestattet:

ad a) zum Frühstück ½ Stunde, zum Mittagessen 1½ Stunde, zum Vesper ½ Stunde;

ad b) beim Korn-, Heu- und Klee-Einfahren ist die Mittagszeit nur 1 Stunde;

ad c) wird nur eine Mittagszeit von 1¼ Stunde und Frühstücks- und Vesperzeit also nicht gewährt.

(Quelle: LHAS, 2.21-1 Geheimes Staatsministerium und Regierung Nr. 469)

Im Februar 1848 reagierten die Menschen in Mecklenburg auf die revolutionären Ereignisses in Paris und im März in Berlin spontan mit einer starken demokratischen Bewegung gegen den Ständestaat. Auch in Rostock gründeten Bürger einen Reformverein, in vielen Dörfern kam es zu antifeudalen Aktionen.

Die mecklenburgische politische Opposition gegen den Ständestaat rekrutierte sich hauptsächlich aus den Reihen bürgerlicher Gutsbesitzer und liberaler Angehöriger der Rostocker Universität, schließlich aber auch aus denen des kapitalistisch wirtschaftenden Bürgertums, das vornehmlich in den beiden Seestädten Rostock und Wismar sowie in Güstrow und Schwerin ansässig war.

Zur Verschärfung der Lage trug auch eine wachsende Arbeitslosigkeit unter den Handwerksgesellen und in der Arbeiterschaft bei. So sahen jene im Aufbegehren gegen die Verhältnisse eine Möglichkeit, die Besserung ihrer Situation zu erreichen. In Rostock entstand im November 1848 ein Arbeiterverein, der sich vor allem die Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Ziele auf die Fahnen geschrieben hatte. Doch anders als in weiten Teilen Deutschlands, wo im Revolutionsjahr 1848 unter aktiver Beteiligung der Handwerker und der Arbeiterschaft radikale Forderungen erhoben wurden und es zu gewaltsamen Auseinander-setzungen zwischen Demonstranten und dem Militär kam, wurde in Rostock eine Radikalisierung der Volksmassen offensichtlich bewusst vermieden. Stattdessen versuchte man die notwendigen Veränderungen mit einer überaus lebhaften Versammlungs- und Petitionstätigkeit, also auf reformerischem Wege durchzusetzen.

Folgerichtig standen die Reform der Landesvertretung und die Frage der Pressefreiheit am 9. März 1848 in der Stadt an der Warnow erstmals öffentlich auf der Tagesordnung. Sie war Gegenstand einer Petition an den Großherzog in Schwerin, die 19 »Männer des Gelehrten-, Handels- und Gewerbestandes« unterzeichnet hatten. Im Apollosaal des Hotels »Sonne« am Neuen Markt diskutierten an diesem Donnerstag ab vier Uhr nachmittags eintausend Rostocker ihre Forderungen. Schließlich einigte man sich, den Landesherrn zu bitten, sich für eine Reform der Landesverfassung mit dem Ziel der Schaffung einer wirklichen Volksvertretung sowie eine aktive Mitwirkung bei der Errichtung eines gesamtdeutschen Parlaments einzusetzen, Presse- und Vereinigungsfreiheit zu gewähren, die allgemeine Volksbewaffnung zuzulassen und eine Reformierung der Justiz durchzuführen. Da eine Antwort auf sich warten ließ, trat die Versammlung am 15. März wiederum zusammen, um eine zweite Petition zu verabschieden, in der sie ihre Forderungen, zum Teil sogar konsequenter formuliert, bekräftigte. Acht Tage darauf reagierte der Großherzog, offensichtlich aber nur unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse in Berlin, und versprach, dass eine Reform der Landesverwaltung durchgeführt, Presse-, Versammlungs- und Vereinsfreiheit gewährt und Mecklenburg »in die Reihe der konstitutionellen Staaten« eintreten werde. In Rostock hatte sich inzwischen am 18. März 1848 ein Reformkomitee gegründet, in das von einer Volksversammlung 16 Mitglieder gewählt wurden. Seine Aufgabe bestand vor allem darin, Rostock auf dem für den 2. April nach Güstrow einberufenen Kongress aller mecklenburgischen Reformvereine zu vertreten. In Vorbereitung auf die Zusammenkunft entstand der Entwurf eines 17 Punkte umfassenden Programms, dessen Inhalt auf eine Demokratisierung des bestehenden politischen und wirtschaftlichen Systems abzielte. In Güstrow wurde dieses Programm angenommen. Des Weiteren bestimmten die 173 Delegierten aus ganz Mecklenburg das Rostocker Reformkomitee zum Zentralkomitee aller mecklenburgischen Reformvereine. Fortan hatte die revolutionäre Bewegung Mecklenburgs ihr organisatorisches Zentrum in Rostock.

Östlich von Rostock gab es drei Wahlkreise, die wie folgt vertreten waren.

Bentwisch: Advokat D. Baeder in Gehlsdorf bei Rostock (an seiner Stelle seit

30.Mai Forstkathenmann Keding in Rövershagen)

Ribnitz: Amtsverwalter Gerresheim (in erster Wahl D. med. Schliemann,

welcher resignierte)

Willershagen: Kaufmann Ernst Brockelmann in Rostock ( an seiner Stelle seit 5.

März: Förster Schultz zu Volkshagen).

Es bildeten sich dann 4 Fraktionen. Die linke Fraktion mit 44 Abgeordneten, das linke Zentrum mit 26 Mitgliedern, der rechte Zentrumsflügel mit 25 Abgeordneten und die Rechte ohne Programm mit 9 Abgeordneten. Der Rest waren fraktionslose „Wilde“.

Die Hauptaufgabe des ersten mecklenburgischen Parlaments war die Ausarbeitung einer Verfassung. Am 3. August 1849 wurde das „Staatsgrundgesetz für das Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin“, die erste bürgerliche – demokratische Landesverfassung für den Schweriner Landesteil angenommen, welches dann am 10. Oktober 1849 veröffentlicht wurde. Das Großherzogtum Mecklenburg – Schwerin war nun eine konstitutionelle Monarchie.

Mit den 49 Grundrechten für die Mecklenburger wurden die in den USA und Frankreich erarbeiteten berühmten Rechte des Individuums gegenüber dem Staat auf Mecklenburg-Schwerin übertragen. Gleichheit vor dem Gesetz, Aufhebung des Adels als Stand, gleicher Zugang für alle zu öffentlichen Ämtern bei gleicher Qualifikation, gleiche Wehrpflicht für alle, Unverletzlichkeit der Person und Schutz vor willkürlicher Verhaftung, Unverletzlichkeit der Wohnung ohne richterliche Anordnung, Schutz des Briefgeheimnisses, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Gleichstellung alle religiösen Bekenntnisse, Freiheit der Wissenschaft und Lehre, Freiheit der Berufswahl, Versammlungsfreiheit, Vereinsfreiheit, Schulfreiheit, Petitionsrecht, Unverletzlichkeit des Eigentums, Ende der Hörigkeit, Jagdrecht auf eigenem Grundbesitz. Weiterhin wurde die Todesstrafe, die Strafe des Prangers, der Brandmarkung, des bürgerlichen Todes[3] und der Vermögenseinziehung gestrichen.

Neben der Verfassung wurde ein demokratisches Wahlgesetz erarbeitet. Das Gesetz legte fest, dass 60 Abgeordnete zu wählen sind, und zwar 40 durch allgemeine Wahlen und 20 durch besondere Wahlen seitens der ländlichen Grundbesitzer(8 Abgeordnete) und der städtischen Kaufleute und Gewerbetreibenden (12 Abgeordnete). Wahlberechtigt war im jeweiligen Wahlkörper jeder mecklenburgische Staatsbürger vom vollendeten 25. Lebensjahr. Das passive Wahlrecht begann mit 30 Jahren.

Für die allgemeinen Wahlen wurden die Wähler eines jeden Wahlkreises in zwei Wahlkörper geteilt, deren jede einen Abgeordneten wählte. In der ersten Gruppe wählte jeder, der ein bestimmtes Geldvermögen besaß oder über ein bestimmtes Grundvermögen verfügte. In der zweiten Gruppe wählen alle übrigen Wahlberechtigten. Die Wahlkreise waren die Kirchenspiele, also Bentwisch, Rövershagen, Volkenshagen und Blankenhagen.

Das besondere Wahlrecht stand allen steuerzahlenden Gewerbetreibenden der Städte zu, nicht aber allen ihren Kaufleuten. Die Kleinhändler waren ausgeschlossen. Die ländlichen Grundbesitzer genossen nur dann das besondere Wahlrecht, wenn ihr Grundbesitz mindestens 200 bonitierte Scheffel umfasste. Die durchschnittlichen Vollbauernhufe kamen gerade so auf diese 200 Scheffel, bei guten Böden auch Dreiviertelbauern. Büdner und Häusler waren aber davon weit entfernt. In der zweiten Abgeordnetenversammlung, die am 27. Februar 1850 zusammentrat, beherrschten die liberalen Hauptströmungen die Kammer.

In der „Mecklenburgischen Dorfzeitung“[4] erschien am 13. Januar 1850 nachstehendes Lied:

Mecklenburgisches Freiheitslied.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Doch bereits 1850 wurde die Verfassung auf Betreiben der Ritterschaft und des Großherzogs von Mecklenburg – Strelitz wieder aufgehoben. (Freienwalder Schiedsspruch), das Land fiel wieder in den Ständestaat zurück.

Nach dem Freienwalder Schiedsspruch gingen die politischen Kämpfe aber weiter. Die Folge war, dass der Weg Mecklenburgs zur parlamentarischen Demokratie kein gerader wurde. Mehr noch als in manch anderen Staaten war die Politik von dem Gegensatz zwischen reformerischen und reaktionären Kräften gekennzeichnet. Auf die kurze revolutionäre Phase der Jahre 1848 bis 1850, in der die politische Landschaft in Mecklenburg entscheidend verändert wurde, folgten nämlich Jahrzehnte der Reaktion, in der politischen Anpassungen an die Verfassungsentwicklung in den anderen deutschen Staaten und des Reiches von einer Mehrheit der Stände bis zur Revolution 1918 blockiert wurden.

Am treffendsten hat Fritz Reuter die Lage im Land beschrieben. Er schrieb 1860: § 1 Allens bliwwt bi`n Ollen. § 2 Wenn sich de Pierjungens, Schepers un Kauhirders slagen willen, känen sei dat dauhn, un keiner hett sick dor mang tau stecken. § 3 Fehlt § 4 item usw.

(In hochdeutsch: § 1 Alles bleibt beim Alten. § 2 Wenn sich die Pferdejungs, Schäfer und Kuhhirten schlagen wollen, können sie das tun, und keiner hat sich dazwischen zu stellen. § 3 fehlt, § 4 iten usw.)

Über die bereits genannten Landtagsabgeordneten aus dem Bereich zwischen Rostock und Ribnitz ist wenig überliefert.

Der Forstkatenmann Johann Keding wurde wie erwähnt in den 1. Landtag nachgewählt und konnte sein Mandat auch für den 2. Landtang verteidigen. Wie andere Demokraten verließ auch er Mecklenburg und wanderte nach Amerika aus. Im Herbst 1853 kam er mit seiner Frau, seinem Bruder und den Kindern in New Orleans an.

Der Reeder und Kaufmann Brockelmann spielte nach 1850 noch eine Rolle. Gegen die liberale Presse wurde mit Zensur vorgegangen. Progressive Redakteure und Journalisten verwies man des Landes. Im Januar 1851 verfügte der Großherzog in Schwerin die Auflösung politischer Vereine. Einige Rostocker Demokraten rückten nochmals 1850 in das Licht der Öffentlichkeit. Am 6. November des Jahres befreite Carl Schurz (1829 - 1906) seinen Freund, den Dichter Gottfried Kinkel (1815 ­ 1882) aus dem Spandauer Gefängnis. Schurz kannte Kinkel, der als Professor arbeitete, aus seiner Studentenzeit an der Universität Bonn. Gemeinsam hatten sie in den Revolutionstagen an den bewaffneten Kämpfen gegen die Reaktion in Baden teilgenommen. Als Kinkel vom preußischen Militär gefangen genommen und in Berlin zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt worden war, entschloss sich Schurz zu dieser abenteuerlichen Aktion. Im Gasthaus »Zum Weißen Kreuz« vor dem Rostocker Mühlendamm trafen beide Ernst Brockelmann, den Advokaten Moritz Wiggers sowie dessen Bruder Professor Julius Wiggers (1811 - 1901), um gemeinsam nach einer Fluchtmöglichkeit ins Ausland zu suchen. Die drei Rostocker Demokraten versteckten Kinkel und Schurz bis zum 17. November. Dann endlich lief ein Schiff Brockelmanns nach England aus, mit dem die steckbrieflich Gesuchten in die Freiheit entkamen. Schurz reiste nach Amerika weiter. Dort schloss er sich der Republikanischen Partei an, wurde in den Sessionskriegen Divisionsgeneral der Unionisten und wirkte zwischen 1877 und 1881 als Innenminister der USA.

Auch der Landtagsabgeordnete Emil Klooss beeinflusste unsere Region. Er wurde am 1. August 1817 in Rostock als Sohn eines Pfarrers geboren. 1837 nahm er das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Rostock auf. 1839 veröffentlichte er seinen ersten wissenschaftlichen Aufsatz zum Thema:„Über die Lehre von der habitatio (dem Wohnrecht, M.L.) des Römischen Reiches“. Dies war für das damalige Mecklenburg ein politisch brisanter Stoff, konnten doch hier die Grundbesitzer den Tagelöhnern den Heimatschein verweigern und damit auch das Wohnrecht verhindern, so dass keine Familiengründung möglich war. Diese Zustände gaben für viele Mecklenburger aus den ländlichen Gebieten den Anstoß zur Auswanderung. Klooss beendete 1840 sein Studium. Er ließ sich in Rostock als Rechtsanwalt nieder. In den Revolutionstagen des Jahres 1848 spielte Klooss in Rostock und darüber hinaus eine herausragende Rolle. Er verfasste unter anderem wichtigen Dokumente für die verfassungsgebende Versammlung in Schwerin. Eine genaue Analyse seiner umfangreichen politischen Schriften steht noch aus, doch gehörte Klooss zweifelsohne zu den linken Kräften. Am 3. Oktober 1848 wurde Klooss als Abgeordneter gewählt. Im Januar 1849 wählten in die Rostocker Bürger zum Stadtverordneten. Dieses Mandat legte er aber im Interesse seiner Tätigkeit in Schwerin bald nieder. Auch Anfang 1850 wurde er wieder in die Abgeordnetenversammlung gewählt und gehörte ihr bis zur Auflösung an. Die dann einsetzenden Repressionen erschwerten ihm offensichtlich die Ausübung seines Berufes.

Gemeinsam mit seinen Brüdern August und Alexander verließ Emil Klooss im Juli 1853 Mecklenburg und wanderte nach Texas aus, wo er sich als Farmer niederließ. Im November 1856 meldeten die „Rostocker Blätter“, dass ungefähr 50 Auswanderer aus den Gütern Willershagen und Rövershagen auf den Weg in den texanischen Hafen Galveston seien, um sich in der Umgebung von Klooss anzusiedeln. Dieser lebte offenbar in und um Millheim/ Millham im Austin County.

Später kehrte er nach Europa zurück und starb 1897 an Altersschwäche in der Villa Garda in Riva. (Quelle: Mecklenburgische Auswanderer und die Revolution 1848/49 von Anja Alert in Demokraten und ihre Gegenspieler)

1.2 Der Landtag 1919 bis 1934

Die Revolution im Jahr 1918 verlief anders als die 1848er. Der Schweriner Arbeiter- und Soldatenrat umstellte am 8.11.1918 das Regierungsgebäude. Er forderte die sofortige Einführung des allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlrechts für den Landtag, die Durchsetzung des parlamentarischen Systems und die Zustimmung des Arbeiter- und Soldatenrates zu allen aus den Ministerien ausgehenden Verfügungen. Großherzog Friedrich Franz IV. versprach, dass er alle Wünsche prüfen wolle. Um die Monarchie zu retten, unterzeichnete der Großherzog einen Erlass, in dem die Bildung eines neuen Staatsministeriums unter Einbeziehung der Linken verfügt wurde. Dieses sollte dann den Landtag berufen und eine neue Verfassung erarbeiten.

Die Monarchie schien gerettet. Am 9.11.1919 setzte der Großherzog das neu gebildete Staatsministerium ein, auch „Mecklenburgische Volksregierung“ genannt. Der Regierung gehörten 6 Mitglieder an. Zwei Reichstagsabgeordnete der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), ein Nationalliberaler, der Vorsitzende des Soldatenrates und ein Sozialdemokrat.

In der Nacht vom 13. auf den 14. November beschlossen die Arbeiter- und Soldatenräte von Schwerin und Rostock jedoch die Beseitigung der Monarchie und die Ausrufung der Republik. Der Großherzog beugte sich und verzichtete am 14. November 1918 als letzter deutscher Fürst für sich und seine Familie auf den Thron, entband alle Beamten von dem auf ihm geleisteten Eid und bat sie, ihre Dienste der neuen Regierung zum Besten von Volk und Vaterland zur Verfügung zu stellen. Am 16.November reiste er mit seiner Familie nach Dänemark und kehrte erst im September 1919 nach Mecklenburg zurück. Als erstes wurde der großherzoglichen Familie das Jagdschloss in Gelbensande als Wohnung zugesprochen. Der Großherzog lebte hier völlig zurückgezogen. Er durfte sich nur im nächsten Umkreis bis Rostock bewegen. Die Stadt Schwerin war ihm verboten.

Am 1.12.1918 schlug der Arbeiter- und Soldatenrat die Vereinigung beider Mecklenburg vor, was aber durch die Strelitzer verhindert wurde. So wurden beide mecklenburgischen Freistaaten erstmals politisch unabhängig voneinander.

Am 26. Januar 1919 fanden die Wahlen zum Verfassungsgebenden Landtag von Mecklenburg-Schwerin statt. Die SPD wurde stärkste Kraft und verfehlte mit knapp 47,9 Prozent die absolute Mehrheit. Die linksliberale Partei, die DDP erhielt 27,3 Prozent. Nach Koalitionsgesprächen bildete die SPD mit der DDP eine gemeinsame Regierung unter dem Ministerpräsidenten Wendorf (DDP).

Die wichtigste Aufgabe der Abgeordneten war die Erarbeitung einer Verfassung für den Freistaat Mecklenburg-Schwerin. Am 17. Mai 1920 wurde die Verfassung verabschiedet. Damit besaß Mecklenburg-Schwerin die angeblich progressivste Verfassung Deutschlands. Mit der Verfassung wurden alle Mecklenburger gleich vor dem Gesetz, vor dem Gesetz galt kein Unterschied der Geburt, des Geschlechtes, des Standes und der Religion. Frauen hatten staatsbürgerliche Rechte und Pflichten gleich den Männern. Die Mecklenburger erhielten erstmals das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlungsfreiheit und auf Vereinsbildung. Alle Bewohner des Landes genossen volle Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Das Wahlergebnis der Landtagswahl 1919 im Wahlkreis Rostock – Doberan sah wie folgt aus:

1 Abgeordneter Deutschnationale Volkspartei

1 Abgeordneter Deutschdemokratische Volkspartei

1 Abgeordneter Dorfbund

4 Abgeordnete Deutschdemokratische Partei

7 Abgeordnete Sozialdemokratische Partei Deutschland

Die gewählten Abgeordneten dieses Wahlkreises sollen kurz vorgestellt werden, einige etwas ausführlicher.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Abgeordneten Wilhelm Kröger und Heinrich Dethloff (Wahlkreis Parchim-Ludwigslust) wurden im Bereich zwischen Rostock und Ribnitz geboren.

Wilhelm Kröger (* 23. Januar 1873 in Bentwisch; † 13. Oktober 1932 in Rostock) Er erlernte den Beruf eines Tischlers. Im Jahr 1891 wurde er Mitglied der SPD und der Gewerkschaft. Er war zwischendurch Betriebsvertrauensmann auf der Neptun-Werft in Rostock. Von 1900 bis 1905 war er ehrenamtlicher Gauleiter des Holzverarbeiterverbandes sowie Vorsitzender des Verbandes in Rostock. Bis zu seinem Tod war Kröger auch Bezirksparteisekretär der SPD für Mecklenburg-Lübeck. Gleichzeitig war er Vorsitzender der SPD auf Landes- beziehungsweise auf Bezirksebene.

Zwischen 1911 und 1920 war er Stadtverordneter und zwischen 1918 und 1920 unbesoldeter Senator sowie stellvertretender Bürgermeister in Rostock. Zwischen 1919 und 1920 war Kröger Präsident der verfassungsgebenden Landesversammlung für Mecklenburg-Schwerin. Gleichzeitig war er Vorsitzender der SPD-Fraktion. Außerdem gehörte er der Weimarer Nationalversammlung und danach bis zu seinem Tod dem Reichstag an.

Zwischen 1920 und 1932 war Kröger Mitglied des zentralen SPD-Parteiausschusses. Außerdem gehörte er dem Bezirksausschuss der SAJ sowie des Reichsausschusses des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold an. Daneben war er Vorsitzender des Bezirksausschusses der Arbeiterwohlfahrt.

Heinrich Dethloff (* 9. Oktober 1883 in Nienhagen, Amt Toitenwinkel; † 8. April 1963) war ein deutscher Verwaltungsbeamter und Politiker. Nach dem Besuch der Mittelschule, die er ohne Abschluss verließ, absolvierte Dethloff eine Lehre und arbeitete im Anschluss als Inspektionsbeamter bei einer Feuerversicherungsgesellschaft. Von 1903 bis 1919 war er zunächst als Handlungsgehife, später als Geschäftsführer und Prokurist tätig. Vor 1914 war er lange Zeit Vertrauensmann und Kreisvorsteher des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-verbandes für Mecklenburg-Ost und Mitglied des Ausschusses der Angestelltenversicherung. Von 1914 bis 1918 nahm er als Soldat am Ersten Weltkrieg teil.

Dethloff setzte seine Beamtenlaufbahn im Jahre 1919 fort, arbeitete seit 1920 als Regierungsrat in Schwerin und war bis 1928 als Ministerialdirektor in Mecklenburg-Schwerin tätig. Später arbeitete er erneut als Handlungsgehilfe. Dethloff starb 1963 durch Freitod.

Dethloff war Mitglied der SPD, war im November 1918 Vorsitzender des Schweriner Soldatenrates und amtierte vom 14. November 1918 bis zum 15. August 1919 als Finanzminister in der Landesregierung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin. 1919/20 war er Abgeordneter des Mecklenburg-Schwerinschen Landtages. Außerdem war er bis 1933 Stadtverordneter in Schwerin.

Die Ergebnisse der Landtagswahlen von 1919 bis 1933 im Freistaat Mecklenburg-Schwerin zeigen zwei Dinge: Erstens das große politische Parteienspektrum und zweitens den Zuwachs bei der NSDAP.

[...]


[1] Eine Quadratrute entspricht einer Fläche zwischen 14 m² und 21,54 m². Viele Grundstücke in Gelbensande haben heute noch ca. 2.100 m².

[2] Auf Mecklenburgs Höfen und Gütern war es üblich, dass Tagelöhner eine gewisse Anzahl von Tagen im Jahr unentgeltlich auf den jeweiligen Höfen zu arbeiten hatten. Diese von den Tagelöhnern auf den Hof geschickten und daher als Hofgänger bezeichneten Personen waren meistens deren Ehefrauen, Mütter oder größere Kinder.

[3] Der bürgerliche Tod war ein Rechtsinstitut, das als zusätzliche Strafverschärfung gegenüber verurteilten Kapitalverbrechern angewandt wurde. Es hatte nicht nur die vollständige Ehr- und Rechtlosigkeit, sondern auch den vollständigen Verlust der Rechtsfähigkeit des Verurteilten zur Folge, der zwar noch körperlich lebte, aber aus rechtlicher Sicht die Stellung eines bereits Toten erhielt. Der bürgerliche Tod radierte somit den Menschen als Natürliche Person aus und kam einer Aberkennung der Menschenwürde gleich.

Der Eintritt des bürgerlichen Todes hatte u.a. folgende Konsequenzen:

Verlust jeglichen Eigentums

Annullierung einer bestehenden Ehe und sonstiger Verwandtschaftsverhältnisse

Verlust der Vormundschaftsfähigkeit

Verlust der Fähigkeit, als Zeuge gehört zu werden

Verlust der Fähigkeit, Rechtsgeschäfte abzuschließen

[4] Die Dorfzeitung erschien in einer Anzahl von 500 Exemplaren in Wismar an jedem Sonnabend. Am Sonntag wurde das Blatt durch ganz Mecklenburg verbreitet. Sie wurde 1850 verboten Herausgeber war der Dichter Heinrich Sievers

Ende der Leseprobe aus 65 Seiten

Details

Titel
Parlamentarierer zwischen Rostock und Ribnitz
Autor
Jahr
2010
Seiten
65
Katalognummer
V148963
ISBN (eBook)
9783640600618
Dateigröße
1256 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit setzt sich mit ParlamentarierInnen aus der Region zwischen Rostock und Ribnitz in Mecklenburg auseinander. Dabei geht es um den Landtag 1848/50, 1920-34,1946-1952 und 1990 ff. Gleichermaßen wird die Frankfurter Nationalversammlung, der Deutsche Reichstag 1920 bis 1934, die Volkskammer der DDR 1990 und der Bundestag 1990 ff. behandelt. In Grundzügen wird der Parlamentarismus dargestellt und die jeweiligen Vertreter aus der genannten Region.
Schlagworte
Parlamentarierer, Rostock, Ribnitz
Arbeit zitieren
Dipl. - Gewi. Dipl.-Ing. Manfred Labitzke (Autor:in), 2010, Parlamentarierer zwischen Rostock und Ribnitz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148963

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