»Der Dichter soll der Berührung mit der Psychiatrie aus dem Wege gehen, hören wir sagen, und die Schilderung krankhafter Seelenzustände den Ärzten überlassen. In Wahrheit hat kein richtiger Dichter je dieses Gebot geachtet. Die Schilderung des menschlichen Seelenlebens ist ja seine eigentlichste Domäne; er war jederzeit der Vorläufer der Wissenschaft und so auch der wissenschaftlichen Psychologie.«
In diesem Zitat des literaturinteressierten Psychoanalytikers Sigmund Freud scheint das auf den Punkt gebracht zu werden, was viele Psychiater und auch ein nicht kleiner Teil an Literaturwissenschaftlern über Georg Büchners Erzählung »Lenz« aus dem Jahre 1835 denken, nämlich dass sich in ihr eine ausgezeichnete Studie geistigen Verfalls wieder findet, welche ihrer Zeit weit voraus war. Noch deutlicher formulieren es beispielsweise G. Irle , W. Willms , J. Crighton , U. R. Mahlendorf oder H. Schmidt , die in »Lenz« mehr oder weniger allesamt den frühen »runde[n] und geschlossene[n] Entwurf des Krankheitsbildes einer Schizophrenie« zu erkennen meinen.
Dem entgegen steht jedoch nach B. v. Jagow/ F. Steger die Tatsache, dass die medizinische Definition und der Begriff der Schizophrenie erst wesentlich später in medizinisch-psychiatrischen Werken ihre Niederschrift gefunden haben. Demzufolge verhindere ein historisches Textverständnis die Bezeichnung der Erzählung als Schizophreniestudie, so B. v. Jagow/ F. Steger.
Ziel dieser Arbeit soll es nun sein, die Darstellung des Wahnsinns in »Lenz« sowie die sprachliche Gestaltung desselben zu untersuchen. Es soll hierbei der Frage nachgegangen werden, ob und inwiefern die Büchner’sche Erzählung in Anbetracht der Tatsache, dass der medizinische Schizophreniebegriff erst später eingeführt wurde, als frühe Schizophreniestudie gesehen werden kann. Der eigentlichen Textuntersuchung soll zum besseren Verständnis der medizinisch-psychiatrischen Thematik des Wahnsinns eine Definition der wichtigsten Begriffe sowie deren Abgrenzung vorangestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Medizinische Definition des Wahnsinns
- Georg Büchners »Lenz«
- Historizität vs. Fiktionalität
- Inhalt
- Aufbau
- Die Darstellung des Wahnsinns
- Die Darstellung des Wahnsinns auf der Inhaltsebene
- Die Darstellung des Wahnsinns auf der Erzählebene
- Abschließende Bemerkungen
- Literaturverzeichnis
- Primärliteratur
- Sekundärliteratur
- Theoretische Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit soll es nun sein, die Darstellung des Wahnsinns in »Lenz«< sowie die sprachliche Gestaltung desselben zu untersuchen. Es soll hierbei der Frage nachgegangen werden, ob und inwiefern die Büchner'sche Erzählung in Anbetracht der Tatsache, dass der medizinische Schizophreniebegriff erst später eingeführt wurde, als frühe Schizophreniestudie gesehen werden kann. Der eigentlichen Textuntersuchung soll zum besseren Verständnis der medizinisch-psychiatrischen Thematik des Wahnsinns eine Definition der wichtigsten Begriffe sowie deren Abgrenzung vorangestellt werden.
- Analyse der Darstellung des Wahnsinns in Georg Büchners »Lenz«
- Untersuchung der sprachlichen Gestaltung des Wahnsinns
- Bewertung der Möglichkeit, »Lenz« als frühe Schizophreniestudie zu betrachten
- Einordnung der Erzählung in den historischen Kontext der medizinischen Definition von Schizophrenie
- Analyse der literarischen und medizinischen Aspekte des Wahnsinns
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Darstellung des Wahnsinns in der Literatur ein und stellt die Frage, ob Georg Büchners »Lenz« als frühe Schizophreniestudie betrachtet werden kann. Sie beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven auf das Werk, die es als Studie geistigen Verfalls oder als literarische Darstellung des Wahnsinns interpretieren.
Das Kapitel »Medizinische Definition des Wahnsinns« bietet einen Überblick über die historische Entwicklung des Begriffs des Wahnsinns und seine Bedeutung in der Medizin. Es definiert den Wahnsinn als eine krankhaft falsche Beurteilung der Realität und erläutert die verschiedenen Formen des Wahns, die von melancholisch-depressiver Verstimmung bis hin zur Schizophrenie reichen.
Das Kapitel »Georg Büchners »Lenz«« analysiert die Erzählung in Bezug auf ihre Historizität und Fiktionalität, ihren Inhalt und Aufbau. Es beleuchtet die Darstellung des Wahnsinns auf der Inhaltsebene und der Erzählebene und untersucht, inwiefern die Erzählung als Schizophreniestudie interpretiert werden kann.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Wahnsinn, die Schizophrenie, Georg Büchner, »Lenz«, Literatur und Medizin, historische Entwicklung des Wahnsinnsbegriffs, Darstellung des Wahnsinns in der Literatur, Analyse der sprachlichen Gestaltung, Schizophreniestudie, medizinisch-psychiatrische Thematik.
- Arbeit zitieren
- Nadine Heinkel (Autor:in), 2009, Die Darstellung des Wahnsinns in Georg Büchners »Lenz« oder: Eine frühe Schizophreniestudie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149084