Geschwisterbeziehungen

Der Einfluss des elterlichen Erziehungsverhaltens auf die Beziehung der Kinder untereinander


Forschungsarbeit, 2006

32 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Theorie
1. 5 Geschwisterbeziehungen
2. Das Zustandekommen der Geschwisterbeziehung
2.1 GenetischeKomponente
2.2 Geburtenreihenfolge
2.3 Eltern als Konfliktauslöser
3. Forschungsfrage

III. Methode
1. Design und Untersuchungsablauf
2. Stichprobe
3. Instrumente der Materialgewinnung
3.1 Fragebögen
3.2 Interview
4. Aufbereitung und Auswertung des Materials
4.1 Fallzusammenfassung - wichtige Eckpunkte
4.2 Fallstrukturierung
4.2.1 Persönlichkeiten - Geschwisterbeurteilung und Selbsteinschätzung
4.2.2 Erziehung
4.2.3 Besondere Veränderungen

IV. Ergebnisse
1. Das theoretische Konstrukt
2. Datenanalyse
2.1 Genetische Komponente
2.2 Geburtenreihenfolge
2.3 Weitere Komponenten
2.4 Elterliche Erziehung
3. Einordnung des Einzelfalls

V. Diskussion

VI. Literaturverzeichnis

VII. Anhang_

I. Einleitung

Von allen Beziehungen, die wir in unserem Leben eingehen, ist die Geschwisterbeziehung meist die längste und gleichzeitig die widersprüchlichste. Unsere Eltern verlangen, dass wir den kleinen Bruder lieben, obwohl er doch die Aufmerksamkeit zu bekommen scheint, die vor seiner Existenz noch uns gehörte. Die große Schwester sollen wir uns als Vorbild nehmen, obwohl sie erst kürzlich unserem Teddy den Kopf abgerissen hat. Im Grunde wollen wir unsere Geschwister meist weder lieben noch akzeptieren, es sei denn, man kann sich gegen den noch größeren Feind, die Eltern, verbünden. Aber selbst dieser Bund ist oft nicht von großer Dauer und zerbricht sobald man sein Ziel erreicht hat.

Unsere Geschwister sind die ersten Rivalen, die wir kennen lernen. Sie spornen uns im Kampf um die Anerkennung unserer Eltern zu Höchstleistungen an. Wir betrachten sie oft als Feinde, gleichzeitig sind wir mit ihnen auf Lebzeiten durch die gemeinsame Familie verbunden.

Welche Faktoren darüber entscheiden, ob wir unsere Geschwister lieben oder hassen, welche Umstände uns auf ewig zusammenschweißen und welche uns nach der Trennung vom elterlichen Heim zu bloßen Bekannten werden lassen, diesen Fragen gehen seit geraumer Zeit Psychologen, Soziologen und Genforscher auf den Grund.

Ist es die Geburtenreihenfolge, die unsere Persönlichkeiten formt und uns zu ebenbürtigen Verbündeten macht? Oder sind es allein die Gene, die uns bei großer Ähnlichkeit, wie etwa bei Zwillingen, emotional verbinden?

Einige Psychologen gehen davon aus, dass die Geschwisterbeziehung in hohem Maße von der elterliche Erziehung abhängt und davon, wie Eltern mit Neid, Eifersucht und Konkurrenz ihrer Sprösslinge umgehen (Wegner, 2001).

Ziel dieser Arbeit ist es, die Geschwisterbeziehung in Hinblick auf elterliche Einflussfaktoren zu untersuchen. Dazu wird im Theorieteil zunächst auf einzelne Aspekte der aktuellen Geschwisterforschung eingegangen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die einzelnen Geschwisterbeziehungen sowie auf verschiedene Studien, die ihr Zustandekommen erklären sollen, gelegt.

Im Weiteren wird der Forschungsablauf, der dieser Arbeit zugrunde liegt und die daraus gewonnen Ergebnisse, beschrieben.

Schließlich werden im Diskussionsteil die erlangten Erkenntnisse erörtert und mögliche Ursachen für ihr Zustandekommen gesucht.

1. 5 Geschwisterbeziehungen

Die amerikanische Psychologin Deborah Gold arbeitete 1989 fünf Geschwistertypen heraus, die unter anderem 1995 von Cicirelli in einer Studie bestätigt wurden. Es handelt sich dabei um die vertraute, die geistesverwandte, die ergebene, die teilnahmslose und die feindselige Beziehung (Broadstone, 2004).

Die vertraute Beziehung zeichnet sich vor allem durch große Nähe und Zuwendung zwischen den Geschwistern aus. Der Bruder oder die Schwester kommen stets an erster Stelle. Geschwister in einer geistesverwandten Beziehung bezeichnen sich selbst als Freunde. Ihre Bindung ist zwar stark, muss jedoch hinter dem Ehepartner und eigenen Kindern zurückstecken. Ergebene Geschwisterpaare berufen sich eher auf die gemeinsamen Wurzeln, als auf eine persönliche Bindung. Sie unterstützen sich bei Krisen und haben auch einen guten, wenn auch nicht regelmäßigen Kontakt. Die teilnahmslose Geschwisterbeziehung beruht auf mangelndem Interesse von beiden Seiten. Sie unterstützen sich weder emotional, noch materiell und haben selten Kontakt. Geschwister, zwischen denen eine feindselige Stimmung herrscht, hegen starke negative Gefühle für denjeweils anderen und pflegen aus diesem Grund keinen Kontakt (Broadstone, 2004).

Beide Studien, sowohl die von Gold als auch die von Cicirelli, charakterisieren die fünf Geschwistertypen bis ins Detail; doch wie sie entstehen, geht nicht daraus hervor (Broadstone, 2004).

2. Das Zustandekommen der Geschwisterbeziehung

2.1 Genetische Komponente

Über das Zustandekommen der unterschiedlichen geschwisterlichen Beziehung berichten andere Studien, wie z.B. diejenige vonNeyer (2002).

Neyer wollte die genetische Komponente von Beziehungen untersuchen und verglich hierzu eineiige und zweieiige Zwillingspaare miteinander. Er kam zu dem Ergebnis, dass eineiige Geschwisterpaare eine intensivere und engere Beziehung zueinander hatten, als ihre zweieiigen Mitprobanden und folgerte daraus, dass ein Verhältnis umso inniger sei, je näher sich die Menschen genetisch stünden (Neyer & Lang, 2004).

Zu demselben Ergebnis kamen 1992 bereits White und Riedman, die in ihrer Studie zeigten, dass Stief- und Halbgeschwister eine weniger intensive Beziehung zueinander hatten als leibliche Geschwister (Neyer & Lang, 2004).

Allgemein werden Verwandtschaftsbeziehungen „als Quelle emotionaler und sozialer Unterstützung genutzt“ (Neyer & Lang, 2004, S. 117), während Nichtverwandte wie Freunde oder Kollegen ihre Beziehung stärker auf wechselseitiger Kooperation aufbauen. Bei einem Ungleichgewicht zwischen Geben und Nehmen werden Beziehungen zu Verwandten eher aufrecht erhalten als die zu Nichtverwandten (Neyer & Lang, 2004). Aber liegt dieser Umstand tatsächlich an den Genen?

Beide Studien sowohl die von Neyer als auch die von White und Riedman kommen zu dem Ergebnis, dass zwischen dem Grad der genetischen Verwandtschaft zweier Personen und der Qualität ihrer Beziehung ein direkter Zusammenhang besteht.

Doch warum gibt es auch unter Geschwistern, die zu einer Wahrscheinlichkeit von 50% genetisch miteinander verwandt sind, bei eineiigen Zwillingen sogar mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% (Broadstone, 2004) Ausreißer, die einander teilnahmslos oder gar feindselige gegenüberstehen?

2.2 Geburtenreihenfolge

Ein anderer Ansatz, baut bei der Entstehung der geschwisterlichen Beziehung auf die Geburtenreihenfolge. Nach dieser Theorie entsteht Geschwisterrivalität aus dem Wunsch heraus, die älteren Geschwister zu übertreffen bzw. die Jüngeren zu beherrschen. Der Kampf um den ersten Platz ist injeder Situation vorherrschend (Hapworth, 1996).

Zu Beginn betrifft diese Rivalität jedoch nur den Erstgeborenen, denn der Neuankömmling ist zunächst nicht in der Lage seine Situation zu begreifen (Toman, 2002). Der Erstgeborene befürchtet durch die Geburt des nachfolgenden Geschwisters eine Entthronung und von nun an alles mit dem Neuankömmling teilen zu müssen, sowohl die Liebe und Aufmerksamkeit der Eltern, als auch materielle Zuwendung (Sulloway & Binder, 1999).

Erst später, wenn dasjüngere Geschwister seine Position realisiert und begreift, dass es in seinen Fähigkeiten oft dem Erstgeborenen nachsteht, beginnt auch dieses, aktiv im Kampf um die Führungsposition teilzunehmen (Sulloway & Binder, 1999).

Doch welche Faktoren veranlassen mit der Zeit das ältere Geschwister dazu, seine Feindseligkeit unter Umständen abzulegen und das jüngere Geschwister die teilweise Überlegenheit und Führungsposition des Älteren anzunehmen?

Weder den Genetikern, noch den Verfechtern der Theorie zur Geburtenreihenfolge ist es gelungen, die Entstehung der Geschwisterbeziehung vollkommen überzeugend zu erklären. Es muss also noch einen dritten Faktor geben, der die offenen Fragen beantwortet.

2.3 Eltern als Konfliktauslöser

Jeder Geschwisterteil fühlt sich ab und zu gegenüber seinem Pendant benachteiligt. Meist sind die Eltern Auslöser solcher Konflikte, denn selbst wenn sie versuchen alle ihre Kinder gleich zu behandeln, gibt es Situationen in welchen sich ein Kind benachteiligt fühlt. Oft können die Älteren nicht begreifen, dass das jüngere Geschwister mehr Aufmerksamkeit benötigt und sie vergessen, dass sie einst dieselbe Fürsorge erhielten (Toman, 2002).

Eltern sind nicht in der Lage jedem Kind, zu jeder Zeit, die selbe Aufmerksamkeit und Liebe zukommen zu lassen, oft sind sie parteiisch, ohne sich dessen bewusst zu sein, möglicherweise befürworten sie die Rivalität ihrer Sprösslinge. Solche wahrgenommenen Unterschiede, ob real oder eingebildet, prägen die Meinung des Kindes über den eigenen Wert sowie die Gefühle den Geschwistern gegenüber (Hapworth, 1996).

Eltern, so die Annahme, schaffen die Voraussetzungen für die Beziehungen ihrer Kinder untereinander. Sie fördern Bündnisse und Konflikte, oft ohne sich dessen bewusst zu sein.

3. Forschungsfrage

Im Folgenden soll diese Annahme in einer Untersuchung bestätigt werden.

Die Fragestellung der vorliegenden Arbeit lautet demnach:

Beeinflusst das elterliche Erziehungsverhalten die Beziehung der Kinder untereinander?

Zur Datenerhebung dienen ein Fragebogen sowie ein anschließendes Interview.

III. Methode

1. Design und Untersuchungsablauf

Zu Beginn der Untersuchung wird den Probanden ein Fragebogen vorgelegt, anhand dessen jeder einer von fünf Gruppen zugeordnet werden soll. Die Gruppen entstehen aus den fünf Geschwistertypen, entwickelt von Gold, die bereits im Theorieteil vorgestellt wurden.

Ziel ist es, die seltenen Extremfalle, die vertrauten und feindseligen Geschwisterbeziehung, herauszufiltern, um mit den betreffenden Probanden gezielte Interviews im Sinne einer Einzelfallanalyse durchführen zu können.

Im Weiteren sollen die Extremfalle mit den Normalfallen der restlichen 3 Gruppen verglichen werden, um Abweichungen im elterlichen Erziehungsverhalten aufzudecken. Dieser letzte Schritt ordnet die Extremfalle in einen größeren Zusammenhang ein. Außerdem ermöglicht es der Vergleich mit anderen Fällen, die Gültigkeit der Ergebnisse abschätzen zu können

2. Stichprobe

An der Untersuchung nehmen 9 Geschwistergruppen teil.

Ausgeschlossen von der Untersuchung werden Einzelkinder, sowie Geschwistergruppen mit chronisch Kranken und Behinderten, da bei diesen besonderen Fällen die Geschwisterbeziehung in hohem Maße durch das Handicap des einen Geschwisterteils beeinflusst wird.

Die Anzahl der Geschwistergruppengröße variiert zwischen zwei und vier Personen.

Die Verteilung des Geschlechts unter den Untersuchungsteilnehmern wird nicht beachtet, da sie für die Forschungsfrage unerheblich ist.

3. Instrumente der Materialgewinnung

3.1 Fragebögen

Es wurden zwei Fragebögen entworfenje einer für ältere undjüngere Geschwister.

Die Fragebögen wurden so gestaltet, dass man unter anderem die Probanden den 5 Geschwistertypen nach Gold zuordnen kann. Hierzu wurde zunächst ein Raster erstellt, mit den wichtigsten Eigenschaften jeder Gruppe, anhand dessen die Fragen formuliert wurden (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Raster zur Bestimmung des Geschwistertyps

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine weitere Aufgabe der Fragebögen besteht darin, die jeweilige Geschwisterbeziehung zu charakterisieren und einen späteren Vergleich zu anderen Geschwisterbeziehungen zu ermöglichen.

Die Fragebögen wurden in drei Teile untergliedert:

Im ersten Teil werden persönliche Daten des Versuchsteilnehmers und des dazugehörigen Geschwisterteils abgefragt. Der zweite Teil ist stark strukturiert, nicht standardisiert und hat ein offenes Fragensystem. Dieser Teil dient hauptsächlich zur Einschätzung der Geschwisterbeziehung aus Sicht des Probanden und zur Bestimmung des elterlichen Einflusses.

Offene Fragen bieten in diesem Zusammenhang den Vorteil, dass der Befragte auch Dinge, die ihm wichtig erscheinen, nach denen aber nicht explizit gefragt wurde, niederschreiben kann und sich auf diese Weise unerwartete Bezugssysteme ergeben

können. Der dritte Teil ist standardisiert, mit geschlossenen Fragen des Selektionstyps, d.h. es handelt sich um Fragen mit vorgegebenen Alternativen und jeweils vier Antwortmöglichkeiten. Hiernach soll die Geschwisterbeziehung einem der fünf Geschwistertypen zugeordnet werden. Geschlossene Fragen bieten in diesem Zusammenhang den Vorteil der besseren Vergleichbarkeit und ermöglichen dadurch eine eindeutige Zuordnung

3.2 Interview

Nachdem die Probanden einem Geschwistertyp zugeordnet wurden, sollen in der Interviewphase diejenigen Geschwisterbeziehungen gesondert betrachtet werden, die einer der zwei Extremfalle, vertraute bzw. feindselige Beziehung, angehören.

Bei dem Interview handelt es sich um ein mündliches, teilstrukturiertes Leitfragen­Interview. Es soll individuell auf dem Fragbogen basieren und besonders auf Themen eingehen, die sich bei der Auswertung des Fragebogens als relevant herausgestellt haben, jedoch nicht hinreichend beantwortet wurden.

Diese Art der Befragung ermöglicht es auch Themen zu verfolgen, die sich erst im Gespräch ergeben, dennoch ist sie durch die vorformulierten Fragen nicht strukturlos.

4. Aufbereitung und Auswertung des Materials

Aus Beobachtungen lassen sich subjektive Bedeutungen nur schwer ableiten. Die Untersuchungssteilnehmer müssen also selbst zur Sprache kommen, da sie zunächst die Experten für ihre eigenen Bedeutungsinhalte sind.

Jedoch ergibt sich sowohl bei der Erhebung mit Fragebögen, als auch mit Interviews das Problem der verbalen Vielfältigkeit, denn die soziale Realität ist nur selten verbal eindeutig erfassbar und widerzugeben. Dadurch ergeben sich mehrdeutige Aussagen (Atteslander, 2000).

Diesem schwerwiegenden methodologischen Problem versucht man entgegen zu wirken, indem einzelne Antworten nicht als isolierte Daten gewertet, sondern als Hinweise auf Zusammenhänge bertachtet werden (Atteslander, 2000). Um dies zu bewerkstelligen wird in dieser Untersuchung das gewonnene Material aus Fragebögen und Interviews zunächst durch eine übersichtliche Darstellung der wichtigsten Eckdaten aufbereitet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Geschwisterbeziehungen
Untertitel
Der Einfluss des elterlichen Erziehungsverhaltens auf die Beziehung der Kinder untereinander
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
qualitative Forschungsmethoden
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
32
Katalognummer
V149222
ISBN (eBook)
9783640601059
ISBN (Buch)
9783640601219
Dateigröße
523 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zehn Seiten Anhang (inkl. selbst erstellten Fragebogen).
Schlagworte
Geschwisterbeziehungen, Einfluss, Erziehungsverhaltens, Beziehung, Kinder
Arbeit zitieren
MA Jasmin Rödig (Autor:in), 2006, Geschwisterbeziehungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149222

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Geschwisterbeziehungen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden