Chancen für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt


Studienarbeit, 2010

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition „Behinderung“
2.1. Medizinisch-juristische Sichtweise
2.2. WHO- Klassifikationen
2.3. Behindertenpädagogische Sichtweise
2.4. Behindertensoziologische Sichtweise

3. Bedeutung der Arbeit

4. Beschäftigungssituation für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt
4.1. Werkstätten für behinderte Menschen
4.2. Unterstützte Beschäftigung
4.3. Arbeitssituation von Frauen mit Behinderung und ihre Berufsperspektiven
4.3.1. „Talente bei der Hamburger Arbeitsassistenz“

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

Chancen für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt

1. Einleitung

Im Rahmen der Veranstaltung „Genderaspekte in der Behindertenarbeit“ setze ich mich mit den Chancen für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt auseinander. Seit längerem ist das Thema „Behinderung“ in der Gesellschaft kein Tabuthema mehr, es gibt viele Projekte und Angebote zur Eingliederung, doch immer noch nur wenige Menschen, die sich in diesem Bereich gut auskennen.

Auch ich habe mich noch nicht genügend mit dem Thema Behinderung auseinandergesetzt. Obwohl ich bereits in meinem Freiwilligen Sozialen Jahr mit schwerst- mehrfach behinderten Kindern arbeiten durfte und über einige Fragen bezüglich Kindergarten und Schule für behinderte Kinder diskutiert habe, war ich nicht wirklich informiert, welche Chancen Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt haben beziehungsweise wie ihnen auf dem Arbeitsmarkt geholfen wird oder werden kann.

In dieser Hausarbeit möchte ich Möglichkeiten, die der Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung zurzeit bietet, aufzeigen. Dazu werde ich anfangs auf die Definition des Begriffs Behinderung eingehen, um festzustellen, welche besonderen Merkmale Menschen mit Behinderungen aufweisen und wie diese in der Gesellschaft berücksichtigt werden. Wichtig ist zu klären, was „Arbeit“ für Menschen bedeutet. Dies wird im nachfolgenden Kapitel durch verschiedene Autoren deutlich gemacht. Im 4. Kapitel werden Beschäftigungsmöglichkeiten, zum einen die Behindertenwerkstätten, zum anderen alternative Modelle wie die unterstützte Beschäftigung auf den Arbeitsmarkt aufgezeigt und diese im Einzelnen erläutert. Um den Genderaspekt in meine Hausarbeit mit einfliessen zu lassen, werde ich mich mit der Arbeitssituation und den Berufsperspektiven von geistig behinderten Frauen auseinandersetzen und dazu ein gelungenes Projekt aus Hamburg exemplarisch vorstellen. Zum Ende versuche ich in einem Fazit die wichtigsten Informationen meiner Hausarbeit zusammenzufassen und meine Sicht auf die Zukunft für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt zu geben.

Im Folgenden werde ich sowohl den Begriff „Behinderung/ behindert“ als auch den Begriff „Beeinträchtigung/beeinträchtigt“ verwenden. Sie werden auch in der Literatur weitgehend synonym verstanden.

Obwohl ich meine Hausarbeit mit dem Hintergrund der Genderperspektive schreibe und die Gleichsetzung beider Geschlechter vertrete, verwende ich überwiegend die männliche Form in meiner Hausarbeit. Dies bedeutet nicht, dass ich ein Geschlecht bevorteilen möchte, sondern es dient lediglich zur Vereinfachung desTextes.

2. Definition „Behinderung“

Zurzeit leben circa 6,8 Milliarden Menschen auf der Erde, diese Zahl steigt stetig. (Vgl. DSW (2009), S. 6) Sie unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht: Geschlecht, Rasse, Religion, sexuelle Orientierung und Alter. Und es gibt behinderte Menschen, 650 Millionen weltweit, in Deutschland ungefähr 8 Millionen. (Vgl. BMAS (2009), S. 9) Manche Menschen werden mit einer Behinderung geboren, andere erhalten sie im Laufe ihres Lebens. Aber wie genau definiert man den Begriff Behinderung eigentlich? Und wer ist behindert? Viele konotieren diesen Begriff mit Menschen, die im Rollstuhl sitzen. Aber was ist zum Beispiel mit kurzsichtigen Menschen?

Wer nach dem Begriff „Behinderung“ recherchiert, wird feststellen, dass es keine allgemein gültige Definition gibt.

Schildmann erklärt die Ursache dafür damit, dass der Begriff Behinderung in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich verwendet wird. Um also herauszufinden, wie groß genau der Anteil der Behinderten, die meist in der Gesellschaft als soziale Randgruppe eingestuft werden, an der Gesamtbevölkerung ist, muss man die jeweiligen sozialpolitischen Voraussetzungen berücksichtigen (Vgl. Schildmann (2005), S.145). Welche Personengruppe als behindert eingestuft werden kann, ist insofern kontextabhängig. Im Folgenden stelle ich vier verschiedene Sichtweisen vor.

2.1. Medizinisch-juristische Sichtweise

Eine Definition der Behinderung befindet sich im Sozialgesetzbuch IX §2. Demnach werden Menschen als behindert bezeichnet, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“ (Vgl. SGB IX, §2, Abs. 1).

Der Grad der Behinderung beurteilt die Schwere der Behinderung. Das heißt, in welchem Maß ein Behinderter bei der Ausübung aller Tätigkeiten in allen Lebensbereichen eingeschränkt ist, in körperlicher, geistiger und seelischer Hinsicht. Der Grad wird in Zehnerschritten von 10-100 angegeben und durch das Versorgungsamt festgestellt (Vgl. Castendiek (2009), S. 39).

Schwerbehinderte Menschen haben eine nicht nur vorübergehende Beeinträchtigung von wenigstens 50 Grad. Es gilt die Gleichstellung behinderter Menschen untereinander (Vgl. SGB IX, §2, Abs. 2,3).

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist jeder Mensch einzigartig und verbietet, Menschen aufgrund von Merkmalen zu benachteiligen. Darunter gehören auch Menschen mit Behinderung. Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), welches beeinträchtigten Menschen Hilfe stellt und neue Perspektiven öffnen soll, und das AGG stärkt Menschen mit Behinderung im Arbeits- und Alltagsleben. Es soll vor Diskriminierungen schützen und ein Leben ohne Benachteiligungen ermöglichen (BMAS (2009), S. 9).

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte behinderter Menschen (VN- Übereinkommen), welches im März 2009 eingeführt wurde, ist ein weiterer Schritt zu einem normalen Leben für Menschen mit Beeinträchtigungen. Es arbeitet auch auf eine bessere Gleichbehandlung aller Menschen hin und bietet allen benachteiligten Personen Schutz und Stärke auf ihrem Lebensweg.

2.2. WHO- Klassifikationen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO= World Health Organisation) entwickelte 1980 die ersten Klassifikationen, in denen Behinderungen auftreten können und veröffentlichte diese in der ICIDH (International Classification of Impairments, Disabilities and Handicapsie). 2001 wurden die Klassifikationen erneuert und in der ICF („Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“) festgehalten. Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, „Rahmenbedingungen für die Herstellung von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen“ anzufertigen (ICF (2005), S. 7). Sie hat das psychosoziale Modell, welches bereits die ICIDH benutzte, erweitert. War das ältere Modell defizitorientiert, so ist ICF defizit- aber überwiegend ressourcenorientiert, passt sich mehr an die Lebenswirklichkeit der Betroffenen an und berücksichtigt den Lebenshintergrund behinderter Menschen (Vgl. ICF (2005), S.5).

Hierbei unterscheidet die ICF den Begriff Behinderung in zwei Teilen mit je zwei Komponenten:

1. Funktionsfähigkeit und Behinderung
1.1. Körperfunktionen (elementare menschliche Sinne)
1.2. Körperstrukturen (mentale Funktionen)

Diese Faktoren beziehen sich auf die Beeinträchtigungen des Körpers, die ein Betroffener aufweist.

2. Kontextfaktoren
2.1. Aktivität und Partizipation [Teilhabe] (Leistung(-sfähigkeit) und Kapazität)

Dieser Bestandteil ist gegeben, wenn der Betroffene aus der Beeinträchtigung entstehende Schwierigkeiten bei einer Tätigkeit oder ein bestehendes Problem bezüglich seiner Teilhabe in einem Lebensbereich aufweist.

2.2. Umweltfaktoren

Dieses Element bezieht sich auf alle Aspekte der materiellen, sozialen und einstellungsbezogenen Welt, in der der Betroffene sein Leben gestaltet (Vgl. ICF (2005), S. 11-20). Bei einer Diagnose, ob eine Person beeinträchtigt ist, werden diese Klassifikationen der ICF berücksichtigt.

2.3. Behindertenpädagogische Sichtweise

Bleidick geht auf das Thema Behinderung und deren Definition in einer anderen Sichtweise ein. „Es gibt keine allgemein anerkannte Definition von Behinderung. Es ist auch nicht erwünscht, dass für alle Zeiten allgemeingültig festgelegt werde, wer als behindert zu gelten hat und wer nicht.“ (Bleidick (1998), S.18) Jedoch sieht es in der Realität so aus, dass Behinderung nach „sozialen Normen, Konventionen und Standards“ (Bleidick (1998), S.19) vermittelt wird.

Bei einem guten Unterstützungsangebot der Gesellschaft für Menschen mit Beeinträchtigungen könnte man prinzipiell das Wort „Behinderung“ aus dem Wortschatz streichen, da diese Menschen heutzutage so gut unterstützt und gefördert werden könnten, dass sie nicht länger benachteiligt wären und auch nicht länger als behindert gelten müssten. (Vgl. Bleidick (2005), S. 12) Eine schöne Vorstellung, dafür wird schon viel getan, um dieser „Noch-Utopie“ näher zu kommen. Im Großen und Ganzen kann man alle Aussagen und Definitionen über den Begriff der Behinderung und wer dazugehört als relativ ansehen, da diese von der Betrachtungsweise der Gesellschaft sowie von medizinischen Gutachten abhängig sind. (Vgl. Bleidick (2005), S. 19).

2.4. Behindertensoziologische Sichtweise

Nach Cloerkes ist „Eine Behinderung [ist] eine dauerhafte und sichtbare Abweichung im körperlichen geistigen oder seelischen Bereich, der allgemein ein entschieden negativer Wert zugeschrieben wird“ (Cloerkes (2001), S. 7). Cloerkes stellt also fest, dass die Gesellschaft Menschen mit Behinderung negativ begegnet, und dies deshalb, weil durch die Anomalität bestimmte gesellschaftliche Erwartungen nicht erfüllt werden können (Vgl. Cloerkes (2001), S. 7).

3. Bedeutung der Arbeit

Arbeit gibt es bereits seit Beginn der Menschheit. Der Mensch musste stets Anstrengungen ausüben, um überleben zu können. Vor ungefähr 250 Jahren wurde die Erwerbsarbeit eingeführt, bei der der Mensch für eine bestimmte Leistung Entgeld bekommt, den sogenannten Lohn. Damals wurde die Arbeit in der modernen Industriegesellschaft geschlechterspezifisch geteilt. Männer waren zuständig für die Erwerbsarbeit, Frauen für den Haushalt und die Familie. Dies begann sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts zu ändern. Doch auch in der heutigen Zeit, in der Frauen zwischen Erwerbsarbeit und Familienmanagement hin- und herpendeln, ist noch immer eine ungleiche Bewertung nach Geschlecht gegeben, was zu geschlechterspezifischen Ungerechtigkeiten führt (Vgl. Schildmann (2005), S.147).

Die Bedeutung der Arbeit für den Menschen wird anschaulich in einer Studie von Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel aus den 1920er Jahren. Sie erforschten die Auswirkungen der Schließung einer Textilfabrik in einem kleinen Ort. Nahezu alle Bewohner des Dorfes hatten in dieser Fabrik gearbeitet. Die ökonomische Lage der Menschen verschlechterte sich dramatisch. Sie waren gezwungen, Schulden zu machen, da das Geld sogar für das Allernötigste fehlte. Außerdem verloren sie das Zeitgefühl, welches ihnen die Arbeit früher gegeben hatte. Menschliche Beziehungen waren belastet oder gingen ganz verloren (Vgl. Jahoda, Lazarsfeld, Zeisel (1975), S.93-103).

Klar ist zu erkennen, dass die meisten Menschen in der Gesellschaft von ihrem Arbeitgeber abhängig sind und versuchen müssen, dem Erfolgs- und Konkurrenzdruck standzuhalten. Bei Erfolglosigkeit gerät der Mensch in Krisen, aus denen er oft nicht allein herauskommen kann (Vgl. Kistner (2005) – Das Konzept „Arbeit und Bewegung“, S.1).

Bieker erläutert, dass die Bedeutung der Arbeit sehr zwiespältig sein kann: zum einen negativ, da der Mensch Kraft und Mühe aufbringen muss, um einen Lohn zu bekommen und zum anderen positiv, da Arbeit der Ursprung von Vermögen, Rechten des Menschen ist sowie zur Selbstverwirklichung beitragen kann. Zur Strukturierung des Lebens und der persönlichen Entfaltung hat die Erwerbsarbeit einen hohen Wert. Seit einiger Zeit jedoch entwickelt sich ein klarer Wandel ihrer Bedeutung. Viele Menschen ziehen es vor, in der heutigen Zeit andere Dinge wie soziales Engagement oder Freizeit für ihre Selbstverwirklichung zu nutzen (Vgl. Bieker (2005), S.13-14).

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Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Chancen für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt
Hochschule
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen  (Soziale Arbeit)
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
23
Katalognummer
V149335
ISBN (eBook)
9783640604777
ISBN (Buch)
9783640605071
Dateigröße
528 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Chancen, Menschen, Behinderung, Arbeitsmarkt
Arbeit zitieren
Clara v.d.Benken (Autor:in), 2010, Chancen für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149335

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