Auffälliges und delinquentes Verhalten von Fußballfans kann als seit Jahrzehnten ungelöstes Problem begriffen werden. Während sich die Zuschauerformen stetig wandelten, blieben der Hang zur Devianz und wiederkehrenden Gewaltausbrüchen konstante Merkmale einer aktiven Fankultur. Die damit verbundene gesellschaftliche Problemdefinition und ihre Implikationen für ordnungspolitische Maßnahmen, bilden den Ausgangspunkt der Analyse.
Ziel der Untersuchung ist es, kontraproduktive Effekte einer institutionellen Kontrolle der Fanszene herauszuarbeiten und in ein Modell einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung abweichenden Fanverhaltens zu integrieren.
Dabei wird versucht, etikettierungstheoretische Ansätze mit der Theorie der psychologischen Reaktanz zu verknüpfen. Anhand von qualitativen Interviews sowie der Inhaltsanalyse von Szenepublikationen werden empirische Aussagen über Stigmatisierungsprozesse und reziproke Feindbilder gewonnen.
Ergebnisse:
• Aktive Fußballfans (z.B. Ultras) gehen offensiv und kritisch mit einer erlebten Kriminalisierung um und relativieren ihr eigenes Handeln gegenüber dem Bild der Ordnungsinstanzen.
• Eine Übernahme des durch die Institutionen und Medien vermittelten Fremdbilds in eine eigene Identität findet auf individueller Ebene nicht statt. Dafür benutzen subkulturelle Gruppen ihre Fremdsichten /-bilder in ironisierender und neutralisierender Weise oder aber um ihr deviantes Image gegenüber anderen Fangruppen zu pflegen.
• Aktive Fußballfans benutzen das von einem negativistischen Fremdbild ausgehende repressive Verhalten ihnen gegenüber, als Bestätigung ihrer eigenen Vorurteile gegen Polizei und Kontrollinstanzen. Die wechselseitige Aufschaukelung, die durch Fremd- und Feindbilder geschieht gleicht einem sich selbst verstärkenden Effekt.
• Aufgrund eingeschränkter Freiheiten inner- und außerhalb des Stadions – einem als relevant erachteten Freiraum subkultureller Aktivitäten – entstehen Effekte einer psychologischen Reaktanz bei Fans. Diese kann – entsprechend der Thesen zur Reaktanz-Theorie – durch negative Schilderungen Dritter und durch das potentiell erwartete häufige Aufeinandertreffen mit dem „Freiheitsbeschneider“ verstärkt werden.
• Ausgrenzende Ordnungsmaßnahmen wie Stadionverbote zerstören die selbstregulierenden Hierarchien innerhalb der Fanszene und können deshalb zu einer Extremisierung abweichenden Verhaltens beitragen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Ziel der Arbeit
- 1.1 Erkenntnisinteresse und Fragestellung
- 1.2 Theoretische Sensibilisierung
- 1.3 Aufbau der Arbeit
- 2. Definitore Abgrenzungen
- 2.1 Abweichendes Verhalten
- 2.2 Gewalt im, durch und im Umfeld von Sport
- 2.3 Kriminalisierung
- 2.4 Stigmatisierung
- 2.5 Aktive Fanszene
- 3. Explikation der untersuchten Gruppen
- 3.1 Aufteilung der Fußballzuschauer nach Kriterien
- 3.2 Bewertung von Zuschauergruppen unter dem Aspekt der Kriminalisierung
- 4. [Exkurs] Fußballfans, Ausschreitungen und Problematisierungen historisch
- 5. Ursachen für Gewalt, Randale und Ausschreitungen in der Fußballfanszene - Forschungsdebatte
- 5.1 Erklärungen zur Entstehung von Gewalt bei Fußballspielen
- 5.2 Bewertung des Stands der Ursachenforschung
- 6. Maßnahmen zur Bekämpfung von Ausschreitungen im Fußball
- 6.1 Institutionelle Reaktionen auf Zuschauerausschreitungen bis 1989
- 6.2 Das Nationale Konzept Sport und Sicherheit (NKSS)
- 6.3 Zentrale Informationsstelle für Sporteinsätze
- 6.4 Datei „Gewalttäter Sport“
- 6.5 Polizeiliche Maßnahmen im Kontext von Fußballspielen
- 6.6 Bewertung der ordnungspolitischen Maßnahmen
- 7. Untersuchungsfokus und übergeordnete Theoriekomplexe
- 7.1 Theoretische Grundlagen des Labeling Approachs
- 7.2 Theorie der psychologischen Reaktanz
- 8. Methodisches Vorgehen
- 8.1 Datenmaterial und Erhebungskontext
- 8.2 Auswertungsverfahren und Analyseschritte
- 9. Ergebnisse
- 9.1 Analysekategorien
- 9.2 Bewertung der Ergebnisse
- 9.3 Modell Kriminalisierung, Stigmatisierung, Reaktanz
- 10. Fazit einer Analyse abweichenden Fanverhaltens
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die Kriminalisierung von Fußballfans, ihre Erscheinungsformen, Wirkungen und Probleme. Der Fokus liegt auf aktiven Fans und ihren Erfahrungen mit Stigmatisierung und Reaktanz. Die Arbeit analysiert die Ursachen von Gewalt und Ausschreitungen im Fußballumfeld und bewertet Maßnahmen zu deren Bekämpfung.
- Kriminalisierung von Fußballfans
- Stigmatisierung und Reaktanz aktiver Fans
- Ursachen für Gewalt und Ausschreitungen im Fußball
- Maßnahmen zur Bekämpfung von Fan-Gewalt
- Soziologische Theorien (Labeling Approach, Reaktanztheorie)
Zusammenfassung der Kapitel
1. Ziel der Arbeit: Dieses Kapitel beschreibt das Erkenntnisinteresse und die Fragestellung der Arbeit. Es skizziert den theoretischen Ansatz und den Aufbau der Untersuchung, welche die Kriminalisierung von Fußballfans, insbesondere aktiver Fans, im Fokus hat und die dabei entstehenden Probleme beleuchtet. Es wird der Forschungsfrage nachgegangen, wie die Kriminalisierung und Stigmatisierung von Fans deren Verhalten beeinflusst und welche Rolle dabei Reaktanz spielt.
2. Definitore Abgrenzungen: Dieses Kapitel liefert präzise Definitionen zentraler Begriffe wie abweichendes Verhalten, Gewalt im Fußballkontext, Kriminalisierung, Stigmatisierung und aktive Fanszene. Es schafft eine klare terminologische Basis für die anschließende Analyse, indem es verschiedene Arten von Fanverhalten differenziert und die jeweiligen Bedeutungen im Kontext der Arbeit festlegt. Dies ist essentiell, um eine präzise und wissenschaftlich fundierte Untersuchung zu ermöglichen.
3. Explikation der untersuchten Gruppen: In diesem Kapitel werden verschiedene Gruppen von Fußballzuschauern nach unterschiedlichen Kriterien (polizeiliche Kategorien, Motive, Gruppenzugehörigkeit) eingeteilt und im Hinblick auf Kriminalisierung bewertet. Es werden die Kategorien "Normalos", "Kutten", Hooligans, Ultras und "Hooltras" unterschieden und ihre jeweiligen Verhaltensweisen und ihre Beziehung zur Kriminalisierung analysiert. Dies liefert eine Grundlage für das Verständnis der komplexen Dynamik innerhalb der Fanszene.
4. [Exkurs] Fußballfans, Ausschreitungen und Problematisierungen historisch: Dieser Exkurs bietet einen historischen Überblick über Fußballfans, Ausschreitungen und deren gesellschaftliche Problematisierung. Er liefert den historischen Kontext für die im weiteren Verlauf der Arbeit behandelten Themen und zeigt die Entwicklungen von Fan-Kultur und der Reaktion darauf auf. Der historische Rückblick ist essentiell, um aktuelle Entwicklungen besser zu verstehen.
5. Ursachen für Gewalt, Randale und Ausschreitungen in der Fußballfanszene - Forschungsdebatte: Das Kapitel analysiert die vielschichtigen Ursachen für Gewalt und Ausschreitungen in der Fußballfanszene. Es beleuchtet sozialräumliche, gesellschaftliche, sportbezogene, veranstaltungsbezogene und medienbezogene Faktoren und bewertet den Stand der Ursachenforschung kritisch. Die Zusammenfassung der verschiedenen Erklärungsansätze bietet einen umfassenden Überblick über die komplexe Problematik.
6. Maßnahmen zur Bekämpfung von Ausschreitungen im Fußball: Dieses Kapitel untersucht verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung von Ausschreitungen im Fußball, von institutionellen Reaktionen vor 1989 bis zum Nationalen Konzept Sport und Sicherheit (NKSS). Es analysiert die Effektivität von Maßnahmen wie Stadionverboten, Sicherheitsstandards und polizeilichen Eingriffen. Die kritische Bewertung der Maßnahmen zeigt deren Stärken und Schwächen auf und liefert Diskussionsansätze für zukünftige Strategien.
7. Untersuchungsfokus und übergeordnete Theoriekomplexe: Dieses Kapitel beschreibt die theoretischen Grundlagen der Arbeit, den Labeling Approach und die Theorie der psychologischen Reaktanz. Es legt dar, wie diese Theorien die Analyse der Kriminalisierung und des Verhaltens von Fußballfans unterstützen und wie die Konzepte der devianten Karriere und der Etikettierungsprozesse angewendet werden. Diese theoretische Fundierung ist essenziell für das Verständnis der Methodik und der Interpretation der Ergebnisse.
8. Methodisches Vorgehen: Dieses Kapitel detailliert die angewandte Methodik, bestehend aus teilnehmender Beobachtung, Inhaltsanalyse von Szenepublikationen und leitfadengestützten Interviews mit Akteuren der aktiven Fanszene. Es beschreibt die Datenerhebung und -auswertung und die methodischen Schritte zur Analyse. Die Transparenz des methodischen Vorgehens sichert die Nachvollziehbarkeit und die wissenschaftliche Qualität der Arbeit.
Schlüsselwörter
Kriminalisierung, Fußballfans, Stigmatisierung, Reaktanz, Gewalt, Ausschreitungen, Labeling Approach, Devianz, aktive Fanszene, Sicherheitsmaßnahmen, Fanprojekte, Soziologie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Magisterarbeit: Kriminalisierung von Fußballfans
Was ist das Thema der Magisterarbeit?
Die Magisterarbeit untersucht die Kriminalisierung von Fußballfans, insbesondere aktiver Fans, deren Erfahrungen mit Stigmatisierung und Reaktanz, die Ursachen von Gewalt und Ausschreitungen im Fußballumfeld sowie die Bewertung von Maßnahmen zu deren Bekämpfung. Der Fokus liegt auf dem Verständnis der komplexen Interaktion zwischen Kriminalisierung, Stigmatisierung und dem Verhalten der Fans.
Welche zentralen Begriffe werden definiert?
Die Arbeit definiert präzise zentrale Begriffe wie abweichendes Verhalten, Gewalt im Fußballkontext, Kriminalisierung, Stigmatisierung und aktive Fanszene. Dies umfasst die Differenzierung verschiedener Arten von Fanverhalten und deren Bedeutung im Kontext der Untersuchung.
Welche Gruppen von Fußballzuschauern werden untersucht?
Die Arbeit unterscheidet verschiedene Gruppen von Fußballzuschauern nach Kriterien wie polizeilichen Kategorien, Motiven und Gruppenzugehörigkeit (z.B. "Normalos", "Kutten", Hooligans, Ultras und "Hooltras"). Ihre Verhaltensweisen und ihre Beziehung zur Kriminalisierung werden analysiert.
Wie wird die historische Entwicklung betrachtet?
Ein Exkurs bietet einen historischen Überblick über Fußballfans, Ausschreitungen und deren gesellschaftliche Problematisierung. Dies liefert den Kontext für das Verständnis aktueller Entwicklungen in der Fan-Kultur und der Reaktion darauf.
Welche Ursachen für Gewalt und Ausschreitungen werden analysiert?
Die Arbeit analysiert vielschichtige Ursachen für Gewalt und Ausschreitungen, einschließlich sozialräumlicher, gesellschaftlicher, sportbezogener, veranstaltungsbezogener und medienbezogener Faktoren. Der Stand der Ursachenforschung wird kritisch bewertet.
Welche Maßnahmen zur Bekämpfung von Ausschreitungen werden untersucht?
Die Arbeit untersucht verschiedene Maßnahmen, von institutionellen Reaktionen vor 1989 bis zum Nationalen Konzept Sport und Sicherheit (NKSS), einschließlich Stadionverboten, Sicherheitsstandards und polizeilichen Eingriffen. Die Effektivität dieser Maßnahmen wird kritisch bewertet.
Welche theoretischen Grundlagen werden verwendet?
Die Arbeit basiert auf dem Labeling Approach und der Theorie der psychologischen Reaktanz. Diese Theorien unterstützen die Analyse der Kriminalisierung und des Verhaltens von Fußballfans, insbesondere die Konzepte der devianten Karriere und der Etikettierungsprozesse.
Welche Methodik wird angewendet?
Die Methodik umfasst teilnehmende Beobachtung, Inhaltsanalyse von Szenepublikationen und leitfadengestützte Interviews mit Akteuren der aktiven Fanszene. Die Datenerhebung und -auswertung sowie die Analyseschritte werden detailliert beschrieben.
Welche Ergebnisse werden präsentiert?
Die Ergebnisse werden in Analysekategorien dargestellt und bewertet. Ein Modell zur Verknüpfung von Kriminalisierung, Stigmatisierung und Reaktanz wird entwickelt.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit zieht ein Fazit zur Analyse abweichenden Fanverhaltens, basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen und den angewandten theoretischen und methodischen Ansätzen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Kriminalisierung, Fußballfans, Stigmatisierung, Reaktanz, Gewalt, Ausschreitungen, Labeling Approach, Devianz, aktive Fanszene, Sicherheitsmaßnahmen, Fanprojekte, Soziologie.
- Quote paper
- Konrad Langer (Author), 2009, Kriminalisierung von Fußballfans. Erscheinungsformen, Wirkungen, Probleme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149345