Es gibt nur wenige Menschen die absolut polarisieren, bei denen es sehr schwer ist neutral zu bleiben, doch Margaret Thatcher gehört mit Sicherheit zu dieser Kategorie. Entweder man liebte ihre kompromisslose durchsetzungsstarke Art oder man verdammte sie als intolerant. Nicht umsonst wurde sie schließlich die „Eiserne Lady“ genannt, ein Name übrigens, den sie selbst sehr mochte. Die Diskussionen zu ihrer Person halten bis heute an und erhitzen noch immer die Gemüter, in Internetforen genauso wie im alltäglichen Leben. Und ebenso wie es mit der Person an sich ausschaut, schaut es auch mit der Bewertung ihrer Wirtschaftspolitik aus. Dass in den achtziger Jahren ein Boom in Großbritannien stattfand ist unstrittig, strittig ist nur die Frage, wie viel davon Mrs. Thatcher zu verdanken ist oder ob er gar trotz ihr stattfand. Der Direktor des Political Economy Research Centre der Universität Sheffields bewertet ihre Wirtschaftspolitik zwar als Erfolg, aber mehr durch Glück, als durch gezielte Planung: Die Thatcher-Regierung „rode its luck" . Im Gegensatz dazu veröffentliche der Daily Telegraph 1990, kurz nach „Maggys“ Abtritt, die Schlagzeile „Britain, walking tall in the world after rescue from labour’ “. Obgleich diese Schlagzeile sich in erster Linie auf Aussagen der ehemaligen Premierministerin berief, ist sie doch exemplarisch für das Denken weiter Teile der Bevölkerung.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Margaret Thatcher
1.1 Sozialer Aufstieg und beruflicher Werdegang
1.2 Der Weg in die Downing Street
2. Die wirtschaftliche Situation Großbritanniens im Vorfeld des Jahres 1979
3. Wirtschaftspolitik Margaret Thatchers
3.1 Grundlagen und Ziele der Thatcherschen Wirtschaftspolitik
3.2 Wirtschaftspolitische Praxis
3.2.1 Geldpolitik der Regierung Thatcher
3.2.1.1 Geldpolitische Maßnahmen
3.2.1.2 Fazit der Geldpolitik
3.2.2 Finanzpolitik der Regierung Thatcher
3.2.2.1 Finanzpolitische Maßnahmen
3.2.2.2 Fazit der Finanzpolitik
3.2.3 Privatisierungs- und Deregulierungspolitik der Regierung Thatcher
3.2.3.1 Maßnahmen der Privatisierungs- und Deregulierungspolitik
3.2.3.2 Fazit der Privatisierungs- und Deregulierungspolitik
3.2.4 Gewerkschaftspolitik der Regierung Thatcher
3.2.4.1 Gewerkschaftspolitische Maßnahmen
3.2.4.2 Fazit der Gewerkschaftspolitik
4. Fazit
Verwendete Quellen
Literatur
Internet
Zeitung
Einleitung
Es gibt nur wenige Menschen die absolut polarisieren, bei denen es sehr schwer ist neutral zu bleiben, doch Margaret Thatcher gehört mit Sicherheit zu dieser Kategorie. Entweder man liebte ihre kompromisslose durchsetzungsstarke Art oder man verdammte sie als intolerant. Nicht umsonst wurde sie schließlich die „Eiserne Lady“[1] genannt, ein Name übrigens, den sie selbst sehr mochte. Die Diskussionen zu ihrer Person halten bis heute an und erhitzen noch immer die Gemüter, in Internetforen genauso wie im alltäglichen Leben. Und ebenso wie es mit der Person an sich ausschaut, schaut es auch mit der Bewertung ihrer Wirtschaftspolitik aus. Dass in den achtziger Jahren ein Boom in Großbritannien stattfand ist unstrittig, strittig ist nur die Frage, wie viel davon Mrs. Thatcher zu verdanken ist oder ob er gar trotz ihr stattfand. Der Direktor des Political Economy Research Centre der Universität Sheffields bewertet ihre Wirtschaftspolitik zwar als Erfolg, aber mehr durch Glück, als durch gezielte Planung: Die Thatcher-Regierung „rode its luck" [2] . Im Gegensatz dazu veröffentliche der Daily Telegraph 1990, kurz nach „Maggys“ Abtritt, die Schlagzeile „Britain, walking tall in the world after rescue from labour’ “.[3] Obgleich diese Schlagzeile sich in erster Linie auf Aussagen der ehemaligen Premierministerin berief, ist sie doch exemplarisch für das Denken weiter Teile der Bevölkerung.
„Die Wirtschaftspolitik M. Thatchers – Eine Erfolgsgeschichte?“ Im Folgenden möchte ich unter dieser Fragestellung die Details der Wirtschaftspolitik der ersten britischen Premierministerin untersuchen und dabei schauen, in wie fern sie von Erfolg gekrönt war und wo eventuell auch Misserfolge zu verzeichnen waren. Um die Wirtschaftspolitik und deren Grundsätze jedoch überhaupt verstehen zu können, muss man die Person Margaret Thatcher, die dahinter steht, näher kennen. Daher werde ich zunächst in aller Kürze ihren Lebensweg bis hin zum Einzug in die Downing Street 10 nachzeichnen. Wenn dieser dargelegt ist, muss man schauen, in welcher ökonomischen Situation der Amtsantritt statt fand; zum einen, um die späteren Verhältnisse mit den vorherigen vergleichen zu können und zum anderen, um die britische Gemütslage zum Zeitpunkt des Regierungswechsels gemeinsam mit den drängensten ökonomischen Problemen zu kennen, die wiederum direkten Einfluss auf die wirtschaftspolitische Konzeption Margaret Thatchers nahmen.
Danach erst können wir die wirtschaftliche Grundeinstellung der Eisernen Lady sowie ihre Ziele vorstellen, die dann wiederum die Grundlage für die wirtschaftliche Praxis bilden. Die Untersuchungsschwerpunkte eben dieser Praxis werde ich auf die vier ökonomischen Bereiche legen, die den meisten Änderungen unterlagen. Beginnend mit der Geldpolitik, gefolgt von der Finanz-, Privatisierungs- sowie Deregulierungspolitik und abschließend mit der Gewerkschaftspolitik, werde ich die wichtigsten Reformen vorstellen und deren Auswirkungen in kurzen Fazits bewerten. Diese vier Bereiche bilden auch in großen Teilen der Literatur immer wieder das Grundgerüst für die Analyse der Thatcherschen Wirtschaftspolitik. Das sich daraus ergebende Gesamtbild wird dann in einer kurzen Ausführung um den Wirtschaftsstand zum Ende der Regierungszeit Thatchers im Schlussfazit ergänzt, so dass eine abschließende Bewertung sinnvoll realisierbar ist. In dieser wird zudem ein gesteigertes Augenmerk auf die verschiedenen Sichtweisen zu ihrer Politik gelegt werden. Auf diese Weise ist es dann möglich eine fundierte Schlussfolgerung zu ziehen.
1. Margaret Thatcher
Was für eine Person ist Margaret Thatcher? Von welchen Motiven wurde sie getrieben? Was hat sie und ihre Einstellung geprägt? All diese Fragen können letztendlich nur mit einer Nachzeichnung der Herkunft und des persönlichen Werdeganges bis hin zum Premierministeramt wirklich beantwortet werden. Jetzt könnte man die Frage stellen, warum es wichtig ist diese Fragen überhaupt zu beantworten. Die Antwort ist leicht: Um die Politik eines Menschen wirklich verstehen zu können, gehört mehr dazu als seine bloße Argumentation für oder wider potentielle Neuerungen.
1.1 Sozialer Aufstieg und beruflicher Werdegang
Margaret Hilda Thatcher wurde am 13.10.1925 als zweite Tochter des Gemischtwarenhändlers Alfred Roberts und seiner Frau Beatrice Stephenson im nordenglischen Städtchen Grantham geboren. Der Haushalt, in dem sie aufwuchs, war mittelständisch, dementsprechend gab es, für diese Zeit typisch, weder fließendes Wasser noch eine in der Wohnung befindliche Toilette.[4] Der elterliche Laden lief trotz wirtschaftlicher Depression in den Zwanzigern und Dreißigern recht gut, so dass sich die Familie bald einen weiteren hinzukaufen konnte.[5] Margaret und ihre Schwester Muriel wurden streng methodistisch erzogen, was unter anderem hieß, dass die Kirche sonntags viermal zu besuchen war und jegliches Vergnügen am christlichen Ruhetag zu unterbleiben hatte, selbst das Lesen der Zeitung wurde nicht geduldet.[6] Alfred Roberts war ein hoch geachteter lokaler Politiker mit konservativen Ansichten. Seine Karriere begann er jedoch als Liberaler, so gab er auch einiges dieses liberalen Denkens an seine Töchter weiter. Bis zu seinem Sturz durch die Labour Party 1952 war er lokaler Bürgermeister und Mitglied des Gemeinderates, sprich Alderman.[7]
Die kleine Margaret wurde in der Schule aufgrund ihrer Fähigkeiten in einer Klasse zusammen mit den ein Jahr älteren Schülern unterrichtet. Auch auf dem Städtischen Mädchengymnasium war sie später immer eine der besten Schülerinnen und erlangte exzellente Noten.[8] Und das alles, obwohl sie während ihrer Schulzeit als nicht übermäßig klug, dafür jedoch als sehr ehrgeizig beschrieben wurde. Diese Einstellung, die sich in ihrem späteren Leben weiter manifestieren sollte, wurde unter anderem durch das rege Interesse am schulischen Debattierclub untermalt. Auch bewies die spätere erste britische Ministerpräsidentin durch ihr Amt als Captain des Schulhockeyteams bereits früh Führungsqualitäten.[9]
Neben der Schule mussten die beiden Schwestern oft im Familienladen aushelfen, so dass beide schon früh lernten, was es heißt, auch körperlich arbeiten zu müssen. Margaret wurde zur Sparsamkeit erzogen. Ihr Vater lebte den beiden Töchtern die „viktorianischen Tugenden“ in starkem Maße vor und vor allem die jüngere der beiden lernte diese auch zu schätzen. So äußerte sich Mrs. Thatcher in ihrer späteren Position als Regierungschefin folgendermaßen: Damals waren die Menschen „auf sich selbst angewiesen, von Selbstrespekt erfüllt, stets bereit anderen zu helfen, sich selbst zu verbessern und dafür hart zu arbeiten. Wenn sie zu guten Mitgliedern ihrer Gemeinschaft wurden, dann nicht, weil sie dazu angewiesen wurden, sondern, weil es eben ihre Art war.“[10] Dazu passt ihr unglaublicher Arbeitswille, der sich immer wieder zeigt und im Folgenden noch zeigen wird.
Nach dem erfolgreichen Absolvieren der Schule wollte Margaret unbedingt nach Oxford. Dem standen gleich mehrere Hürden im Wege. Zum einen musste sie dafür Lateinkenntnisse vorweisen, ein Fach, das an ihrer Schule nicht unterrichtet worden war, und zum anderen wurde ihr ein Stipendium verwehrt, so dass ihr Vater alle Kosten für die Nobeluniversität zu tragen hatte. Dem Problem der mangelnden Lateinkenntnisse wurde rasch durch einen ebenfalls vom Vater bezahlten Privatlehrer abgeholfen. Bei den Kommilitoninnen und Kommilitonen war sie nicht besonders beliebt, man warf ihr vor sie trete zu arrogant auf, ein Vorwurf, der später noch häufig ausgesprochen werden sollte. Im Alter von 23 Jahren beendete die gebürtige Granthamerin dann ihr Chemiestudium.[11]
Aus beruflichen Gründen zog Miss Roberts nun in die südenglische Provinz Essex und arbeitete dort mehrere Jahre in einer Chemiefabrik. Gleich nach ihrer Ankunft nahm sie den Kontakt zur konservativen Ortspartei auf. Auf dem Parteitag der Conservative Party lernte Margaret dann den Vorsitzenden der Ortsgruppe Dartford kennen, der ihr empfahl sich bei der nächsten Unterhauswahl als lokale Kandidatin aufstellen zu lassen und dies mit seinem Einfluss auch durchzusetzen wusste.[12] So kam es, dass sie schon ein Jahr nach ihrem Umzug für ein solch hohes Amt kandidierte. Sowohl die Wahl von 1951, wie auch die von 1955 gingen jedoch verloren.[13] Beide Male triumphierte die Labour Party. Erst als sie 1959 endlich ihren Wahlkreis wechseln konnte und nunmehr im Londoner Bezirk Finchley kandidierte, der fest in konservativer Hand war, schaffte es die Gemischtwarenhändlerstochter in das Unterhaus einzuziehen.[14]
Parallel zu diesen drei Wahlen fand eine weitere interessante Neuerung in Miss Roberts’ Leben statt, sie wurde zu Mrs. Thatcher. Bei der Wahlversammlung, auf welcher sie das erste Mal zur Unterhauskandidatin bestimmt wurde, lernte sie einen zehn Jahre älteren Mann namens Denis Thatcher kennen. Schnell entwickelte sich zwischen den beiden eine Liebe und so war die Hochzeit zwischen dem Generaldirektor des Tapetenwerks seines Vaters und der Angestellten einer Chemiefabrik 1951 nur eine Frage der Zeit. Ein Umzug nach London zu ihrem Mann und seiner Firma waren die Folge und nicht zuletzt auch die Grundlage für ihren zuvor erwähnten Wahlkreiswechsel. Beflügelt aufgrund der finanziellen Absicherung durch ihren Mann, begann Mrs. Thatcher ein Jura-Studium.[15] Quasi nebenher, im August 1953, brachte sie die Zwillinge Mark und Carol zur Welt und nur unglaubliche vier Monate später bestand die Oxfordabsolventin auch ihr zweites Examen. Von nun an arbeitete sie circa vier Jahre als Steuerfachanwältin, bis sie diesen Beruf zu Gunsten ihrer politischen Karriere aufgeben musste. Die erworbenen Kenntnisse aus der Praxis als Steuerfachanwältin waren im späteren politischen Leben immer wieder von Nutzen.[16]
Da weder Vater noch Mutter wegen ihres Berufs in irgend einer Art und Weise Zeit für die Zwillinge zu haben schienen, beziehungsweise vielleicht auch nicht haben wollten, kümmerte sich das Kindermädchen Abby um die beiden. Dieses Verhalten könnte man durchaus als Ausdruck eines Mangels an Wärme bezeichnen und das bestätigt auch Margarets Vater.[17] Melanie Philipps, eine konservative Politikerin, die später ihren Weg kreuzte schrieb zur Kälte Thatchers: „At moments I thought she was nothing but ice; I never felt there was any warmth at all. But her manners were impeccable… She could believe you were appalling, but would behave impeccably.”[18]
Magaret sorgte schon sehr bald nach ihrer Berufung ins Unterhaus für Furore. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit brachte sie einen Gesetzesvorschlag ein, der der Presse den Zugang zu Gemeinderatssitzungen sichern sollte. Wie man sich leicht vorstellen kann, erlangte der Gesetzentwurf großes öffentliches Interesse und Thatcher war in vieler Munde, als der Vorschlag, zwar mit einigen Änderungen, aber dennoch den kompletten Gesetzgebungsprozess überstand. Ihr wurde in politischen Kreisen schnell großer Ehrgeiz nachgesagt und dass sie nicht locker ließe, bis ihr Ziel erfüllt sei. Beides führte dazu, dass Premierminister Harold Macmillan bei der Umbesetzung seines Kabinetts 1961 sogleich an Mrs. Thatcher dachte, als es um die Besetzung des Staatssekretärpostens für Pensionen und Sozialversicherung ging.[19] Sie selbst behauptete später, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit dem Angebot für ein solch karriereförderliches Amt gerechnet habe.[20] Die Position als Staatssekretärin wird in der Literatur immer wieder als harte Arbeit beschrieben, die das Misstrauen der gebürtigen Margaret Roberts in die Bürokratie stärkte. Nach der konservativen Wahlniederlage winkte der Job als Schattenministerin für Wohnungsbau, Energie und Erziehung bei den oppositionelle Tories, wie man die Conservative Party im Volksmund auch nannte und noch bis heute nennt. Man könnte Mrs. Thatcher also mit Fug und Recht als gelernte Sozialpolitikerin bezeichnen.[21]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Margaret Thatcher als junge aufstrebende Politikerin 1961[22]
Nachdem die Conservative Party 1970 die Wahlen unter Heath gewann, wurde Magaret mit dem Erziehungs- und damit auch Bildungsressort betraut. In dieser Funktion ließ sie die kostenlose Schulmilch abschaffen und die Preise für Kantinenmahlzeiten in den englischen Staatsbetrieben erhöhen, was sich natürlich negativ auf ihre öffentliche Reputation auswirkte. Doch der konservative Parteiführer Heath stellte sich bei Rücktrittsforderungen der Opposition schützend vor seine Ministerin, selbst bei der Kritik vieler Frauen in der Partei die da lautete, Mrs. Thatcher sei zu arrogant, änderte sich nichts an seiner Haltung. Man kann dementsprechend sagen, dass sie den größten Sprung ihrer politischen Karriere und den Erhalt des Amtes vor allem Edward Heath zu verdanken hat.[23] Obgleich man zugeben muss, dass das Erziehungsressort nur von randständiger Bedeutung ist und die wirklich großen Parteientscheidungen zu diesem Zeitpunkt noch an ihr vorbeiliefen.[24] Nach der Wahlniederlage des Jahres 1974 wurde Thatcher Schattenministerin für Umweltfragen und später gemeinsam mit Robert Carr Schattenschatzmeisterin.[25]
1.2 Der Weg in die Downing Street 10
Die Erhebung zur Schattenschatzmeisterin neben Robert Carr kann als Aufstieg in die absolute Parteispitze der Tories gewertet werden. Sie hatte nun den Fuß in einem der zentralen politischen Bereiche in der Tür und wusste diesen Sachverhalt auch bei öffentlichen Auftritten zu nutzen.[26]
In der Conservative Party begann just nach der Wahlniederlage ein Streit über den weiteren wirtschaftspolitischen Kurs der Partei, die bisherige keynesianistische Ausrichtung wurde intern stark diskutiert. Einer der größten Kritiker war Keith Joseph, ein energischer Verfechter des Friedmanschen und Hayekschen Monetarismus (siehe Kapitel 3.1). Der Konflikt weitete sich allmählich aus, so dass eine Neuwahl des Parteivorsitzenden unausweichlich schien. Keith Joseph war zunächst als Gegenkandidat zu Edward Heath vorgesehen, doch dieser machte sich durch Reden bezüglich der hohen Kinderzahlen der unteren Schichten, die ja am wenigsten dazu geeignet seien, diese auch zu erziehen, selbst unwählbar. Margaret Thatcher bewarb sich nach dem Verzicht ihres finanzpolitischen Vorbildes schließlich selbst um den Vorsitz der konservativen Partei. Der erfahrene Journalist, Medienkenner und Regisseur Gordon Reece und der berühmte Kriegsoffizier Airey Neave halfen ihr im Vorfeld der Wahl den Rückstand gegenüber Heath aufzuholen, indem sie ihre Popularität und ihr Wissen ausspielten. Zusätzlich geholfen haben ihr mit Sicherheit auch die eigenen glänzenden Rednerauftritte gegen die Finanzgesetzgebung der Labourregierung im unmittelbaren Vorfeld der Wahl. So setzte sie sich schließlich mit 130 zu 119 Stimmen gegen Heath durch, der sogleich abtrat. In der Entscheidungswahl zwei Wochen später setzte sich Mrs. Thatcher gegen vier weitere Kandidaten durch und übernahm somit endgültig den Parteivorsitz.[27]
In ihrer Siegesrede ging sie sogleich auf das Recht auf Erfolg der „hard working people“ ein. Nicht nur in dieser Situation kommt immer wieder ihre eigene Herkunft durch, daher wundert es nicht, dass die nunmehr Parteivorsitzende (noch) als Vertreterin der kleinen Leute wahrgenommen wurde. Das Verhältnis zum Parteiestablishment, das den Mittel- und gehobenen Stand eher im Auge hat, war immer wieder von Schwierigkeiten geprägt.[28]
1976 trat der bisherige Premierminister Wilson zurück und wurde sogleich von James Callaghan im Amt beerbt. Unter diesem verlor die Labour Party die Mehrheit im Unterhaus, was zur unmittelbaren Folge hatte, dass kaum noch politische Neuerungen im eigenen Interesse möglich waren. Man hatte also keine andere Wahl, als das aktuell Erreichte zu bewahren und sich damit zufrieden zu geben. Somit rutschte die Conservative Party in die ungewohnte Rolle des Forderers politischer Neuerungen. Dennoch rangierte Thatcher in Meinungsumfragen weiter hinter Callaghan. Ihr Medienberater Reece unterstütze sie in dieser Situation mit einer Werbekampagne. Margaret selbst arbeitete an ihrer schrill klingenden Stimme, die sie hatte, seit sie sich für die Universität mühsam ihren Akzent abgewöhnen musste. Außerdem war sie nunmehr auf einen Wechsel von Frisur und Outfit bedacht.[29]
Im Privatleben der Konservativen fanden parallel dazu ebenfalls einige Änderungen statt. Ihr Ehemann Denis, zuletzt Direktor einer Ölgesellschaft, ging in den Ruhestand und die beiden Kinder flohen vor dem Rummel um ihre Mutter, in den sie mehr und mehr reingezogen wurden, ins Ausland. Tochter Carol zog nach erfolgreichem Abschluss ihres Jura-Examens nach Australien, während ihr Bruder Mark ein eigenes Rennteam in Japan gründete.[30]
Innerparteilich hatte Margaret nunmehr zwei Hauptkontrahenten. Zum einen ist da Enoch Powell zu nennen, ein sehr rechtsstehender Tory, der sich sowohl gegen die Farbigeinwanderung aus den Commonwealth-Staaten, als auch gegen den EG-Beitritt aussprach. Zum anderen war der unterlegene ehemalige Parteivorsitzende Edward Heath noch immer nicht über die Niederlage hinweg. Aber dieser Widerstand kann einer wahren „Eisernen Lady“, wie sie die sowjetische Nachrichtenagentur TASS 1976 nannte, nichts anhaben. Der Kosename, der eigentlich alles andere als positiv gemeint war und im Zusammenhang mit einer antisowjetischen Rede Thatchers aufkam, gefiel ihr wenig überraschend und so setzte er sich peu à peu durch.[31] Die „Iron Lady“ wurde ihrem Namen auch gerecht, weil sie eine der wenigen war, die wirkliche Oppositionsarbeit leistete und sich immer wieder den Journalisten und Kameras stellte. Sie arbeitete von morgens früh bis abends spät. Ihr Aufstieg zur Parteichefin ist also nur als folgerichtig anzusehen.[32]
In Großbritannien darf der Premierminister den Wahltermin aussuchen, wobei eine Legislaturperiode die Zeit von fünf Jahren nicht zu überschreiten hat. Als 1978 eigentlich neue Wahlen erwartet wurden, schob Callaghan diese jedoch mit der Begründung, seine Politik sei momentan das Beste für das Land, über den Winter hinaus auf. Der kommende Winter allerdings barg eine Vielzahl an Streiks und Industrieunruhen, so dass die Labour Party geschwächt aus diesem hervorging.[33] Einen großen Patzer leistete sich Callaghan zudem nach seiner Rückkehr vom G7-Treffen aus Guadeloupe im Januar, zu einem Zeitpunkt, als die Streiks und Unruhen gerade außer Kontrolle zu geraten schienen. Auf eine Frage zur Krise wird er mit folgenden Worten zitiert: „Crisis? What crisis?“.[34]
Als dann auch noch die Autonomievorschläge abgelehnt wurden, schien die Zeit für ein Misstrauensvotum gekommen. Dieses endete am 28.03.1979 mit 311 zu 310 Stimmen gegen die aktuelle Regierung. Die Nachwahl wurde schon für den 03.05. festgelegt. Thatcher lieferte einen harten und entschlossenen Wahlkampf bis zur letzten Sekunde und ließ sich in diesem auch nicht von einem Anschlag nordirischer Terroristen auf ihren engen Vertrauten Airey Neave stoppen. Allerdings war sie nicht dazu bereit, im Wahlkampf zusammen mit Heath aufzutreten. Die Wahl endete letztendlich mit einer Mehrheit von 44 Sitzen für die Konservativen. Der Weg in die Downing Street 10 war damit für Magaret Hilda Thatcher geebnet. Das Amt des Schatzkanzlers übernahm Geoffrey Howe und das des Industrieministers Keith Joseph. Insgesamt setzte sich das Kabinett aus Vertretern der verschiedensten Interessen innerhalb der Tories zusammen.[35]
Dass die Eiserne Lady zur Premierministerin gewählt wurde, wurde sogleich von nahezu allen als der Beginn einer neuen Epoche wahrgenommen. Die einen sahen den politischen Wechsel als Grundlage für ein neues Aufblühen des Unternehmergeistes, die anderen befürchteten einen „kalten Hauch“ des Kapitalismus.[36]
2. Die wirtschaftliche Situation Großbritanniens im Vorfeld des Jahres 1979
Die Wirtschaft Großbritanniens musste in den Jahrzehnten vor der Regierungsübernahme Margaret Thatchers enorme Rückschläge hinnehmen. Es ist an dieser Stelle von Bedeutung, diese nachzuzeichnen, da eine sinnvolle Analyse der Wirtschaftspolitik nach 1979 nur vorgenommen werden kann, wenn die Ausgangssituation bekannt ist. Eventuelle Verbesserungen, Verschlechterungen oder die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen sind nur unter der Kenntnis eben der wirtschaftlichen Situation wirklich feststellbar.
Hatte die britische Wirtschaft im Jahre 1950 noch einen Anteil von etwa zwanzig Prozent am weltweiten Export von Fertiggütern, so lag dieser 1970 noch bei gerade einmal 10,6 Prozent.[37] Ähnlich sah es da beim Bruttoinlandsprodukt (kurz BIP) aus. Lag dieses pro Kopf 1950 noch europaweit an erster Stelle, so war es 1970 nur noch der sechste Platz. Der dafür ursächliche und im internationalen Vergleich geringe Anstieg des BIP, lag in den Jahren 1950 bis 1979 bei durchschnittlich 2,25 Prozent in Großbritannien, in Deutschland bei 4,75 Prozent und in Japan sogar bei 5,5 Prozent.[38] Das geringere Maß an Wirtschaftswachstum hing unter anderem mit Rationalisierungsmaßnahmen in der herstellenden Industrie zusammen, die eine vierzehnprozentige Senkung des Beschäftigungsstandes zur Folge hatten.[39]
Die Ausmaße des Verlustes der wirtschaftlichen Bedeutung Großbritanniens waren so verheerend, dass es in den sechziger Jahren immer wieder als „kranker Mann Europas“ bezeichnet wurde. In diesem Zusammenhang sprach man auch von der „britischen Krankheit“, welcher die Symptome der geringen Produktivitätssteigerung, der dauerhaft hohen Inflation, der konfliktreichen Arbeits- sowie Sozialbeziehungen sowie der hohen Arbeitslosigkeit zugerechnet wurden.[40] Ursachen für die britische Krankheit lagen vor allem auch in der britischen Mentalität begründet. So war die mangelnde Arbeitsdisziplin genau so dazu zu zählen, wie fehlende gezielte Investitionen oder das Versagen des industriellen Managements.[41]
Die oben genannten Symptome sind keinesfalls jeweils für sich alleine stehend zu betrachten. Sie beeinflussten einander in starkem Maße und erzeugten somit eine Abwärtsspirale, aus der sich nur schwer zu befreien war. So führten die zahlreichen Konflikte der Arbeitsmarktparteien zu einer geringeren Arbeitsproduktivität, diese wiederum hatte eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ausländischen Konkurrenten zur Folge, was schließlich in Arbeitsmarktproblemen enden musste. Versuchte man nun parallel dazu einen Produktivitätszuwachs künstlich durch staatliche Intervention zu erzeugen, so stiegen die Produktionskosten und damit auch die sich im Umlauf befindliche Geldmenge. Eine Inflation war die unausweichliche Folge.[42]
Ein wichtiges Phänomen der damaligen britischen Wirtschaft stellten die so genannten „stop-and-go-cycles“ dar. Die bereits erwähnte Nachfragestimulation durch den Staat führte zunächst zu wirtschaftlichem Wachstum. Da allerdings in Großbritannien, wie bereits erwähnt, zu wenig produziert wurde, musste der Import von Fertiggütern erhöht werden, um die Nachfrage überhaupt decken zu können. Dieses führte wiederum dazu, dass der Import den Export überstieg und somit eine negative Handelsbilanz zu Buche stand. Durch die staatliche Nachfragestimulation fand ein Wertverfall des Pfundes statt. Der Staat musste seine Investitionen also drosseln, um dem entgegen zu wirken, womit die Nachfrage und damit die Produktion, sprich die Anzahl der Arbeitnehmer, sank, so dass der Kreislauf wieder von vorne begann. Demzufolge war die Grenze der expansiven Wirtschaftspolitik durch den Wunsch, den Pfundkurs hoch zu halten, bestimmt. Obwohl die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Unternehmen im Ausland durch eine Inflation sogar gestärkt worden wäre.[43]
Man kann sich leicht vorstellen, dass die aufgezählten Gründe keineswegs die einzigen sein konnten, die dafür verantwortlich waren, dass die einstige wirtschaftliche Großmacht 1970 ein BIP aufwies, das circa dreißig Prozent unter dem westdeutschen und französischen lag. Ein weiterer wichtiger Aspekt der britischen Wirtschaft lag in der Einführung des Wohlfahrtsstaates nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese hatte zur Folge, dass im gleichen Jahr die Staatsquote am BSP mehr als fünfzig Prozent ausmachte, da fast alle sozialen Leistungen durch den Staat übernommen wurden. Dieses soziale „Paradies“ führte wiederum dazu, dass Hunderttausende Einwanderer aus den früheren Kolonien Großbritannien aufsuchten und die Staatskasse zusätzlich belasteten. Das Kostenkarussell drehte sich immer schneller, da der Staat einen traditionellen Hang dazu aufwies, in Schieflage geratene Unternehmen zu verstaatlichen. Die Defizite dieser Unternehmen waren dann ebenfalls zu tragen, da die Vollbeschäftigung seit Jahrzehnten in Großbritannien eine weitere wichtige Prämisse darstellte.[44]
[...]
[1] Vgl.: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,254745,00.html (aufgerufen am 27.12.2009)
[2] Vgl.: http://news.bbc.co.uk/2/hi/business/3685881.stm (aufgerufen am 28.12.2009)
[3] Vgl.: Looch Anthony, Osborn Alan; Daily Telegraph (vom 23.11.1990)
[4] Vgl.: Hill, Roland; Margaret Thatcher. Aufstieg einer englischen Politikerin, Freiburg 1988,
S. 7 f.
[5] Vgl.: Kieser, Egbert; Margaret Thatcher, Esslingen u.a. 1989, S. 19
[6] Vgl.: Mergel, Thomas; Großbritannien seit 1945, Göttingen 2005, S. 188
[7] Vgl.: Hill, S. 8 f.
[8] Vgl.: Hill, S. 9
[9] Vgl.: Mergel, S. 188
[10] Siehe: Hill, S. 10
[11] Vgl.: Hill., S. 12 ff.
[12] Vgl.: ebd., S. 17
[13] Vgl.: Mergel, S. 188
[14] Vgl.: Hill, S. 18
[15] Vgl.: Mergel, S. 188
[16] Vgl.: Hill, S. 20 f.
[17] Vgl.: ebd., S. 21
[18] Siehe: Campbell, John; Margaret Thatcher. Volume one: The Grocer’s daughter; London
2000, S. 218
[19] Vgl.: Hill, S. 23 ff.
[20] Vgl.: Campbell, S. 141
[21] Vgl.: Mergel, S. 189
[22] Siehe: http://www.dailymail.co.uk/news/article-475412/The-BBC-A-cauldron-hate-Margaret-Thatcher.html (aufgerufen am 02.11.2009)
[23] Vgl.: Hill, S. 28
[24] Vgl.: Kieser, S. 29 f.
[25] Vgl.: Hill, S. 29
[26] Vgl.: Kieser, S. 35
[27] Vgl.: Hill, S. 31 ff.
[28] Vgl.: Mergel, S. 190
[29] Vgl.: Hill, S. 70 ff.
[30] Vgl.: ebd., S. 42 ff.
[31] Vgl.: Hill, S. 44 ff.
[32] Vgl.: Kieser, S. 38
[33] Vgl.: Hill, S. 48 f.
[34] Vgl.: Campbell, S. 190
[35] Vgl.: Hill, S. 49 ff.
[36] Vgl.: Mergel, S. 190
[37] Vgl.: Kieser, S. 42
[38] Vgl.: Busch, Andreas; An „Economic Miracle“?. Die Wirtschaftspolitik der Regierung Thatcher, erschienen in: Sturm, Roland (Hrsg.); Thatcherismus. Eine Bilanz nach zehn Jahren, 2. unveränderte Auflage, Bochum 1991, S. 130 f.
[39] Vgl.: Kieser, S. 43
[40] Vgl.: Fröhlich, Hans-Peter; Schnabel, Claus; Das Thatcher-Jahrzehnt. Eine wirtschaftspolitische Bilanz, Köln 1990, S. 23
[41] Vgl.: Kieser, S. 47
[42] Vgl.: Fröhlich u.a., S. 23
[43] Vgl.: Busch, S. 131 f.
[44] Vgl.: Kieser, S. 43
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