Der Begriff Reichsautobahn (RAB) als Produkt der Technik des 20. Jahrhunderts beinhaltet unterschiedlichste Blickwinkel und Herangehensweisen. Die Forschung der letzten zwanzig Jahre wies im überwiegenden Maße auf die Legenden- und Mythenbildung der „Straßen des Führers“ hin. In breiten Kreisen der deutschen Bevölkerung soll bis zum heutigen Tage noch daran geglaubt werden, dass sowohl die Idee der „Nur-Autostraßen“ von Hitler stamme, als auch die Mär von 300.000 Beschäftigten der Wahrheit entspräche. Die vorliegende Arbeit wird diese Tatsache zwar nicht unbeachtet lassen, sich aber nur peripher damit beschäftigen.
Der Untersuchungsschwerpunkt wird die nationalsozialistische Technik, in Form der RAB, in Verbindung mit der Natur sein. Joachim Radkau weist im Zuge dieser Fragestellung auf das Paradox hin, dass eine als deutlich negativ bewertete Epoche deutscher Geschichte eventuell auch positive Merkmale, in Form eines praktizierten Naturschutzes mit sich bringen könnte.
Die Analyse dieser Annahme soll das Kernstück der vorliegenden Arbeit ausmachen, gerade unter dem Hintergrund, dass ein totalitärer Staat erheblich schneller und ungehinderter Naturschutzmaßnahmen durchsetzen könnte, als konfliktimmanente Demokratien.
Die Frage nach der Verbindung von Naturschutz und Nationalsozialismus beschäftigte schon den wissenschaftlichen Fachkongress im Juli 2002, zu dem der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin und die Stiftung Naturschutzgeschichte einlud. Die Ergebnisse des Kongresses wurden in dem Band „Naturschutz und Nationalsozialismus“ zusammengefasst. Der Fachkongress erarbeitete durch vielfältige Gastbeiträge erstmals ein umfassendes Bild, dieses noch recht jungen Forschungsfeldes der Geschichtswissenschaft, welches sich erst in den 1990er Jahren etablieren konnte. In diesem Werk erklärt Albert Schmidt, dass erst Anfang der 1980er Jahre Gert Gröning und Joachim Wolschke-Buhlmahn die ersten Forschungsbeiträge zum Themenfeld veröffentlichten. Dadurch kommt es, dass das Thema Naturschutz nicht so stark überladen ist, wie andere Themen der nationalsozialistischen Geschichtsaufarbeitung.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung – Unheilvoller Nationalsozialismus als heilbringender Naturschutzdespot?
- 2. Zeitliche Einordnung und Hintergründe zum Bau der Reichsautobahn
- 3. Die nationalsozialistische Bedeutung von Natur und Naturschutz
- 4. Die Reichsautobahn im ideologischen Spannungsfeld
- 4.1 Die Sinnfrage der Reichsautobahn
- 4.2 Harmonieästhetik- und Landschaftsschutzgedanke der Reichsautobahn
- 5. Landschaftsanwälte - das lückenhafte Gewissen der deutschen Landschaft?
- 6. Bedeutung des Reichsnaturschutzgesetz von 1935
- 7. Nationalsozialisten als bedeutende Naturschützer?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht den Stellenwert des Naturschutzes während des Baus der Reichsautobahn (RAB) in der Zeit von 1933 bis 1941. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob das nationalsozialistische Regime, das in vielen Bereichen als zerstörerisch und anti-ökologisch gilt, gleichzeitig eine positive Rolle im Naturschutz gespielt hat. Die Analyse konzentriert sich auf die Verbindung zwischen der nationalsozialistischen Technik, repräsentiert durch den Bau der RAB, und der Natur.
- Die ideologische Bedeutung von Natur und Naturschutz im Nationalsozialismus
- Die Rolle der Reichsautobahn im Spannungsfeld zwischen Technik und Natur
- Die Bedeutung des Reichsnaturschutzgesetzes von 1935 für den Naturschutz
- Der Einfluss der Landschaftsanwälte auf den Naturschutz während des Baus der RAB
- Die Frage nach der Harmonisierung von Naturschutz und Autarkiebestreben im Nationalsozialismus
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Die Einleitung stellt den historischen Kontext des Baus der Reichsautobahn dar und beleuchtet die kontroversen Debatten um die Rolle des Nationalsozialismus im Naturschutz. Die Arbeit setzt sich mit dem Paradox auseinander, dass eine als negativ bewertete Epoche möglicherweise auch positive Merkmale aufweisen könnte.
- Kapitel 2: Dieses Kapitel analysiert den Begriff des Naturschutzes aus nationalsozialistischer Sicht und untersucht die Bedeutung des Naturschutzes innerhalb der nationalsozialistischen Ideologie. Es wird die Frage aufgeworfen, ob es sich um einen konservierenden Naturschutz oder eine schöpferische Landschaftsgestaltung handelte.
- Kapitel 3: Das Kapitel untersucht die Sinnfrage des Baus der Reichsautobahn und beleuchtet den nationalsozialistischen Gedanken der Harmonieüberführung von Technik und Natur. Es werden die volkswirtschaftlichen Argumente für den Bau des Projekts sowie die Umsetzung dieser Argumente diskutiert.
- Kapitel 4: Dieses Kapitel beleuchtet die schwierige Situation der Landschaftsanwälte, die nach Fritz Todt als „Gewissen der deutschen Landschaft“ galten. Es wird untersucht, inwiefern die Landschaftsanwälte den Naturschutz während des Baus der RAB beeinflusst haben.
- Kapitel 5: Das Kapitel analysiert das Reichsnaturschutzgesetz von 1935 und untersucht dessen Bedeutung für den Naturschutz während des Nationalsozialismus. Es werden die ideologischen Hintergründe des Gesetzes sowie seine praktische Umsetzung diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Begriffe Naturschutz, Reichsautobahn, Nationalsozialismus, Ideologie, Technik, Natur, Landschaftsschutz, Harmonieästhetik, Autarkie, Reichsnaturschutzgesetz, Landschaftsanwälte.
- Quote paper
- Heiko Neumann (Author), 2010, Welchen Stellenwert besaß der Naturschutz während des Baues der Reichsautobahn 1933–1941?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149594