Unabhängig dessen, ob man den interreligiösen Dialog nun auf der dogmatischen oder der humanen Ebene anzusetzen vermag: Ich habe während meiner Untersuchungen zu diesem Thema deutlich erkannt, dass ohne ein ernsthaftes Interesse an der Gleichberechtigung des Gegenübers sämtliche Ansätze nur zu einer Frontenverhärtung statt zu fruchtbaren Ergebnissen führen können. Dies habe ich besonders im ersten und dritten Teil dieser Arbeit darzulegen versucht, während ich mich im zweiten darauf konzentriert habe, die ausgewählten Dokumente auf ihren Standpunkt zu den Menschenrechten hin zu erörtern. Dabei fiel auf, dass selbst dort, wo Menschenrechte ausdrücklich bejaht werden, der eigene Absolutheitsanspruch höchstens umgangen, nicht aber kritisiert wird. Dies halte ich für ein zweischneidiges Schwert, da es einerseits das gute Recht jeder Konfession ist, sich zu ihrem Wahrheitsanspruch zu bekennen, andererseits aber auch berücksichtigt werden sollte, dass damit immer die Ausgrenzung Andersgläubiger verbunden zu sein scheint. So ist das Grundproblem dasselbe: Denn obwohl sich sowohl die evangelische, als auch die katholische Konfession ausdrücklich zur Universalität bekennen, scheint eine Distanz zum eigenen Letztgültigkeitsanspruch doch kaum zu bestehen. Dies kann mit Hilfe der Naturrechtstradition im Christentum zwar elegant gelöst werden; der Islam hat damit jedoch offensichtlich größere Schwierigkeiten, da ihm diese in ihrer ausgeprägten Form nicht derart zu eigen zu sein scheint. Aus dem Grund war es mir wichtig, mit dem Begriff der Vertrauenswahrheit zumindest im Ansatz ein Wahrheitsverständnis aufzuzeigen, das zwar die eigene Botschaft nicht verleugnet, jedoch gleichzeitig akzeptiert, dass es daneben andere Religionen gibt, welche selbiges Recht haben, als eigenständige Konfessionen wahrgenommen zu werden.
INHALT
Vorwort zur Examensarbeit
Teil I: (Dogmatische) Dialogspositionen und (ethische) Dialogsbasis
I.I.: (Dogmatische) Dialogspositionen
I.l.l.: Monozentrische Dialogspositionen
I.l.l.l.: Exklusivismus
I.I.I.2.: Inklusivismus
I.l.l.3.: Pluralismus
1.1.2.: Polyzentrische Dialogspositionen
I.l.2.l.: Exkurs: Wrogemanns Ansatz zu einer Hermeneutik des Fremden
I.2.: (Ethische) Dialogsbasis
I.2.l.: Die Suche nach dem gemeinsamen Humanum: Hans Küngs „Projekt Weltethos“
I.2.2.: Die Menschenrechte als Grundlage des interreligiösen Dialogs
I.2.2.l.: Dialogsgrundlage bedeutet nicht zwanghafte Übereinstimmung, sondern lebhafte Diskussion!
I.2.2.2.: Der Anspruch der Universalität der Menschenrechte muss akzeptiert werden!
I.2.2.3.: Menschenrechte müssen als gesetzliche Manifestation von Menschenwürde betrachtet werden!
I.3.: Zusammenfassung des ersten Teils
Teil II: Zum Stand der Menschenrechte in Christentum und Islam
II. l.: Zum Stand der Menschenrechte im Christentum der Gegenwart
II.l.l.: Die Frage nach dem Würdebild des Menschen im Christentum der Gegenwart
II. l .2.: Die Frage nach der Universalität von Menschenrechten im Christentum der Gegenwart
II. l.3.: Die Frage nach der Religionsfreiheit im Christentum der Gegenwart
II. l .4.: Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Religion und Staat im Christentum der Gegenwart
II. l.5.: Kurzzusammenfassung zum Stand der Menschenrechte im Christentum der Gegenwart
II.2.: Zum Stand der Menschenrechte im Islam der Gegenwart
II.2.l.: Zum Stand der Menschenwürde im Islam der Gegenwart
II.2.2.: Die Frage nach der Universalität von Menschenrechten im Islam der Gegenwart
II.2.3.: Die Frage nach der Religionsfreiheit im Islam der Gegenwart
II.2.4.: Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Religion und Staat im Islam der Gegenwart
II.2.5.: Kurzzusammenfassung zum Stand der Menschenrechte im Islam der Gegenwart
II.3.: Kurzresümee des zweiten Teils
Teil III: Ansätze zur Universalisierung von Menschenrechten
III.l.: Zur Universalisierungsmöglichkeit von Menschenrechten im Islam anhand des Korans
III.2.: Akzeptanzansätze von Vertrauenswahrheit
III.2.1.: Akzeptanz durch Jürgen Habermas’ Universalisierungsgrundsatz
III.2.2.: Akzeptanz durch ein geschichtliches Offenbarungsverständnis
III.3.: Zusammenfassung des dritten Teils
Teil IV: Chancen des Menschenrechtsdialogs
IV.1.: Chancen für den Säkularismus
IV.1.1.: Die Entfaltung des Würdebildes
IV.1.2.: Die erhöhte Akzeptanz durch religiöse Autorität
IV.1.3.: Religion als unabhängiger Berater
IV.2.: Chancen für die Religionen
IV.3.: Kurzzusammenfassung des vierten Teils
Persönliches Schlusswort der Examenshausarbeit
Literaturverzeichnis
Vorwort zur Examenshausarbeit
„Und gewiss; dass er euch alle drei geliebt, und gleich geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen, um einen zu begünstigen. - Wohlan! Es eifTe jeder seiner unbestochnen von Vorurteilen freien Liebe nach!“[1]
So lautet ein Zitat aus Lessings bekanntem Drama „Nathan der Weise“, welches teils auf amüsante, teils in ernster Weise die Stereotypen seiner Zeit durchleuchtet und auch heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt zu haben scheint. Denn Vorurteile zwischen den monotheistischen Religionen sind nach wie vor Gegebenheit; das haben nicht zuletzt die Kopftuchdebatte oder der Streit um die Mohammed-Karikaturen bewiesen. Was dem einen als Symbol der Unterdrückung oder unumstößliches Freiheitsrecht gilt, mag der andere als traditionelles Recht oder als Beleidigung religiöser Gefühle empfinden.
In jedem Fall zeigt sich, dass die Notwendigkeit eines interreligiösen Dialogs zwischen Christentum und Islam unumgänglich ist, da andernfalls nicht nur die Angst vor fanatischen Fundamentalisten wachsen kann, sondern letztgenannte zusehends in ihrer Position gestärkt werden könnten.
Es bedarf deshalb einer konstruktiv-toleranten[2] Haltung zueinander, sowie einer präsenten Dialogsbasis, auf der Schritte der Verständigung erzielt werden können. Dabei werde ich versuchen darzustellen, dass mir für Erstes am ehesten der Ansatz einer polyzentrischen Grundhaltung[3] geeignet scheint. Für Zweites hingegen scheinen mir die Menschenrechte, so wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 der Vereinten Nationen[4] deklariert werden, sinnvoll zu sein. Dies wirft ein Grundproblem auf, denn sowohl eine konstruktiv-tolerante Haltung als auch die Bereitschaft, die Menschenrechte als Basis zu akzeptieren, setzt eine gewisse Selbstrelativierung der Religionen voraus, und zwar insoweit, als dass sie bereit sind, den ihnen eigenen Absolutheitsanspruch zugunsten des notwendigen Dialogs zurückzustellen. Es soll deshalb ferner Aufgabe dieser Arbeit sein, Lösungsansätze dieser Frage aufzuzeigen[5]. Dazu sollen jedoch zuvor einige wichtige Erklärungen und Dokumente beider Seiten zum Thema Menschenrechte vorgestellt und erörtert werden, um einen Überblick zu erhalten, welche Standpunkte und Positionen hierzu eingenommen werden und wo ihre Probleme liegen können. Zusätzlich darf der Säkularismus als dritter Dialogspartner und Grundlage allgemeingültig beanspruchter Menschenrechte ebenfalls nicht verkannt werden; eine Verhältnisbestimmung zwischen ihm, den Menschenrechten und den Religionen sollte deshalb berücksichtigt werden. Zum Schluss dieser Arbeit möchte ich hinterfragen, welche Chancen sich aus den Menschenrechten als Dialogsbasis für die beteiligten Gesprächspartner ergeben. Es ergibt sich folgender Aufbau, in dem u.a. die nachstehenden Fragen beantwortet werden sollen:
- l.Teil: (Dogmatische) Dialogspositionen und (ethische) Dialogsbasis
- Frage nach der besten Dialogshaltung
- Frage nach den Menschenrechten als Dialogsbasis
- 2.Teil: Zum Stand der Menschenrechte in Christentum und Islam
- Erörterung christlicher[6] und islamischer Dokumente zu den Menschenrechten
- 3. Teil: Ansätze zur Universalisierung von Menschenrechten
- Lösungsansätze zur Frage, inwieweit die Religionen ihren eigenen Absolutheitsanspruch zugunsten der Menschenrechte zurücknehmen können
- 4.Teil: Chancen des Menschenrechtsdialogs
- Chancen für die Religionen und den Säkularismus im Angesicht der Menschenrechte
Hierzu findet sich injedem Teil eine Einleitung, sowie ein Schlussfazit. Am Ende der Gesamtarbeit werde ich ein persönliches Schlusswort anfügen, welches gleichsam als Gesamtzusammenfassung verstanden werden kann.
Teil I; (Dogmatische) Dialogspositionen und (ethische) Dialogsbasis
Die Notwendigkeit zum interreligiösen Dialog in unserer multikulturellen Gesellschaft ist ein Faktum, welches durchgehend in der Literatur erkannt wird. So schreibt Gustav Rosenstein:
„Eine umfassende Bewusstwerdung ist unter den Christen eingetreten: Christliche Theologie kann nie mehr wieder ohne den Horizont der Religionen getrieben werden.“[7]
In diesem Sinne haben sich etwaige Religionswissenschaftler und Theologen dafür eingesetzt, das Christentum in Relation zu anderen Religionen zu setzen[8]. Die Ergebnisse mögen teilweise recht unterschiedlich anmuten, ihnen ist jedoch gemeinsam, dass sie maßgeblich an der Frage orientiert sind, in welchem Verhältnis, d.h. in welcher Haltung das Christentum den anderen Religionen begegnen soll. Die Frage nach dem Humanum, d.h. die Frage nach einer gemeinsamen humanen Gesprächsgrundlage des Dialogs, steht dabei häufig nicht im Interessenfokus. Wenn doch, wie in Hans Küngs „Projekt Weltethos“[9], so mag es leicht den Anschein haben, als würden „Religionen auf ihre ethischen Gehalte reduziert“[10]. Dies erscheint mir ungerechtfertigt; sind diese zwei scheinbar unterschiedlichen Perspektiven[11] doch in Wirklichkeit zwei Seiten einer Medaille. Daher halte ich es für relevant daraufhinzuweisen, dass ohne eine zuvor klar definierte Haltung ein ethischer Dialog kaum Sinn ergibt, wie es beispielsweise auch im Gespräch zweier Diplomaten unsinnig erscheint, über einen Gegenstand zu diskutieren, wenn vorher nicht deutlich umrissen wurde, in welcher Beziehung ihre Länder zueinander stehen. In anderen Worten: Es muss eine klare Standortbestimmung im Gespräch der Religionen erfolgen, damit eine offene Diskussion möglich ist. Andernfalls könnte es dazu kommen, dass Vorurteile mit in den Dialog einfließen, die seinen Ausgang möglicherweise negativ beeinflussen können. Umgekehrt ist ein rein auf dogmatischer Ebene stattfindender Dialog ähnlich problematisch, wenn die gemeinsame Gesprächsgrundlage fehlt. Hierzu betont Young-Sik Park in ähnlicher Gesinnung, dass der Dialog sowohl auf dogmatischer, als auch auf praktischer Ebene stattfinden müsse, Letzter „blickt auf die interreligiöse Zusammenarbeit für die Welt“[12]. Zwar mag es möglich sein, diese Ebenen prinzipiell voneinander zu trennen, d.h. sich beispielsweise für Menschenrechte und damit für einen fairen Umgang mit anderen Religionen einerseits auszusprechen, andererseits beim Absolutheitsanspruch der eigenen Religion zu verharren, wie dies beispielsweise im zweiten Vatikanum erfolgt ist[13]. Andererseits scheint mir dies aus zwei Gründen problematisch zu sein: Erstens wird aus einer solchen Haltung heraus von vornherein eine wirkliche Gleichberechtigung der Dialogpartner kategorisch ausgeschlossen[14]. Zweitens halte ich, insbesondere für den Islam, ein solches Unternehmen für weit schwieriger, da hier Religion und Staat tendenziell eher zusammenfallen als im Christentum[15].
Ich möchte in diesem Teil meiner Arbeit zweierlei erreichen: Zunächst will ich unterschiedliche Dialogshaltungen in aller Kürze vorstellen und problematisieren, und zwar solche, die prinzipiell sowohl für das Christentum als auch für den Islam gelten können. Hierzu will ich erörtern, welche dieser Haltungen mir am besten für einen fairen Dialog geeignet scheint. Als zweites möchte ich einen genaueren Blick auf eine mögliche Dialogsgrundlage werfen. Ich werde versuchen darzulegen, warum mir für einen interreligiösen Dialog die Menschenrechte zusagen. Der weitere Arbeitsverlauf soll diesen Fokus beibehalten; d.h. die Frage der Menschenrechte in Christentum und Islam problematisieren, wobei eine Kernfrage sein soll, wie eine Relativierung des Absolutheitsanspruchs beider Seiten zugunsten der Menschenrechte in Ansätzen erreicht werden kann.
1.1. ; (Dogmatische) Dialogspositionen
1.1.1. : Monozentrische Dialogspositionen
Die monozentrischen Dialogspositionen, die Young-Sik Park auch unter dem Begriff des „monozentrischen Typs“ zusammenfasst, bezeichnet
„eine Grundhaltung, welche sich im Interesse der Verhältnisbestimmung der Religionen auf die jenseits der phänomenalen Vielheit der Religionen metaperspektivisch oder metaphysisch konzipierte Einheit konzentriert.“[16]
Das heißt, dass die Pluralität der Religionen zwar als Faktum erkannt wird; ihre Eigenständigkeit jedoch nicht zwingend anerkannt werden muss. Stattdessen steht der Gedanke der Einheit als Urgrund positiv wahrnehmbarer Vielheit im Vordergrund. Monozentrische Auffassungen stehen deshalb meist unter dem Verdacht, die Einzigartigkeit der Religionen nicht aus sich selbst erfahren lassen zu wollen, sondern sie nur als etwas Vorläufiges zu akzeptieren, hinter dem die eigene Religion als die letztgültige und damit ,wahre’ betrachtet wird[17]. Die eigene Religion ist somit gleichsam Korrektor anderer Religionen, vor dem diese sich messen müssen[18]. Das grundsätzliche Problem ist somit der Absolutheitsanspruch, vor dem die Dialogsteilnehmer unmöglich als gleichberechtigte Partner gelten können. Als monozentrische Typen gelten gewöhnlich Exklusivismus, Inklusivismus, und gelegentlich auch der Pluralismus[19].
1.1.1.1. : Exklusivismus
Unter dem Exklusivismus wird eine Haltung verstanden, welche die
„Einzigartigkeit, Allgemeingültigkeit, die prinzipielle Überlegenheit und Absolutheit des eigenen Wahrheitsanspruchs gegenüber allen anderen Religionen“[20]
verteidigt. Raimundo Panikkar weist deshalb darauf hin, dass diese Haltung einerseits etwas Heroisches in sich birgt, da sie ihrem Anhänger erlaubt, für eine als absolut geltende Wahrheit und ihre Werte einzutreten[21] ; somit eine klare Lebensorientierung bietet. Als Beispiel nennt er den Islam und vermerkt, dass andere Wahrheiten, sofern sie existieren sollten, selbst nur islamische Wahrheiten darstellen, die als solche jedoch (noch) nicht erkannt wurden .[22]
Obwohl sicherlich nicht alle Muslime diese Haltung teilen werden, so ist der Zusammenhang zwischen Wertegefühl und fundamentalistischer Position doch kaum zu leugnen. So ist es beachtlich, dass man bei verschiedenen Menschenrechtskonferenzen zwischen Deutschland und dem Iran erleben konnte,
„dass die deutsche Seite immer wieder Schwierigkeiten hatte, auf die von Vertreterinnen und Vertretern des iranischen Regimes vorgebrachte und autoritäre Wertesemantik überhaupt zu reagieren“[23].
In vergleichbarem Sinne heißt es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Islam von 1981, dass der Islam „wahre Religion“ sei und er es deshalb war, der die „Menschenrechte umfassend und tiefgründig als Gesetz fest“[24] gelegt hat[25]. Doch auch auf christlicher Seite finden sich Theologen, die durchaus der exklusivistischen Position zugeordnet werden können. Als Beispiel lässt sich Karl Barth nennen, welcher die Ansicht vertritt, dass „nur von der Wahrheit in Christus her, Wahrheit und Lüge erkennbar werde“[26]. Anderen Religionen wird damit ihr eigener Wahrheitsanspruch schlichtweg abgesprochen, womit die Grundprobleme des Exklusivismus’ einhergehen. Er übersieht nicht nur das Faktum religiöser Einzigartigkeit, sondern kategorisiert mit den Religionen gleichsam auch ihre Anhänger in diejenigen, die an der Wahrheit partizipieren und diejenigen, die (noch) keinen Anteil an ihr haben[27]. Zudem stellt sich offen die Frage, mit welchen Beweisen der Exklusivismus behaupten kann, die einzig vertretbare Wahrheit zu kennen. Als faire Haltung im Gespräch der Religionen muss die exklusivistische Position deshalb ausgeschlossen werden.
1.1.1.2. : Inklusivismus
Der Inklusivismus „vertritt ebenfalls den Absolutheitsanspruch der eigenen Wahrheit, ist aber bereit, diese auch in anderen zu finden.“[28] In Abgrenzung zum Exklusivismus bedeutet das, dass Wahrheit nunmehr nicht mehr so verstanden wird, dass sie durch ihre alleinige Anwesenheit in der eigenen Religion anderen Anschauungen konsequent abgesprochen werden muss, sondern auch in diesen vorhanden sein kann. Wahrheit gleicht demnach einem Stufenmodell, nach dem aber der eigene Absolutheitsanspruch nach wie vor der letztgültige bleibt. Panikkar vergleicht den Inklusivismus deshalb mit einem „umbrella pattern“[29], nach welchem es dem Inklusivisten möglich erscheint, die anderen Religionen der eigenen zu- und unterzuordnen. Dies hat den Vorteil, dass ein Dialog oberflächlich möglich wird, da nun keine Verurteilung anderer Wahrheitsansprüche als ,Lügen’ mehr stattfindet, sondern ihr Wert bis zu einem gewissen Punkt erkannt wird. Eine solche Haltung scheint die katholische Kirche einzunehmen, wenn sie in „Nostra aetate“[30] davon spricht, dass die anderen Religionen „einen Strahl jener Wahrheit wiedergeben, die alle Menschen erleuchtet“[31] beziehungsweise „nichts verwirft von dem, was in diesen Religionen wahr und heilig ist“[32]. Zugleich wertschätzt sie die monotheistische Überzeugung der Muslime, die „den einzigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“[33]. Andererseits bedeutet „Strahljener Wahrheit“ aber auch, dass ihnen nicht die volle Wahrheit zuteil wird, wie auch ein einzelner Sonnenstrahl nicht deren gesamtes Licht ausmacht[34]. Auch dem Islam scheint der Inklusivismus, besonders im Hinblick auf die anderen zwei Buchreligionen, beiweilen nahe zu stehen. So gibt es einige Koranstellen, welche die Sonderstellung von Judentum und Christentum als Vorläufer des Islams betonen. So zum Beispiel Sure 2,213[35]:
„Und er sandte mit ihnen (jeweils) die Schrift mit der Wahrheit herab, um (dadurch) zwischen den Menschen über das, worüber sie uneins waren, zu entscheiden. Und nur diejenigen waren - in gegenseitiger Auflehnung - darüber uneins, denen sie gegeben wurde, nachdem sie die klaren Beweise erhalten hatten. Und nun hat Gott mit seiner Güte (w. Erlaubnis) diejenigen, die gläubig sind, (d.h. die Muslime) zu der Wahrheit geleitet, über die sie (d.h. die Angehörigen der früheren Offenbarungsreligionen) (bisher) uneins waren.“
Die Sure betont, dass die Anhänger der anderen Offenbarungsreligionen zwar „klare Zeichen“ von Allah erhalten haben; somit durchaus die Wahrheit kennen müssten, diese jedoch durch Streitigkeiten verfremdet wurde. Damit besitzen sie zwar Anteil an der Wahrheit, sind dem Islam aber untergeordnet. Schlussendlich scheitert der Inklusivismus, wie auch der Exklusivismus, daran, dass in dieser Perspektive keine echte Toleranz stattfindet. Panikkar beschreibt dies passend mit den Worten „you are tolerant in your own eyes, but not in the eyes of those whose challenge your right to be on top“[36]. Zudem mangelt es auch dem Inklusivismus letztlich an stichhaltigen Beweisen für seinen Anspruch, die ,Krone der Wahrheiten’ zu sein.
1.1.1.З.: Pluralismus
Der Pluralismus „versucht in den unterschiedlichen Wahrheitsansprüchen der Religionen einen gemeinsamen Kern zu finden“[37]. Damit wird ersichtlich, warum der Pluralismus - obwohl dies zunächst befremdlich anmuten mag - dem monozentrischen Typ zugeordnet werden kann. Denn obwohl einerseits das ernsthafte Bestreben besteht, die Religionen als gleichwertige Partner zu betrachten, behält diese Haltung letztlich die Idee einer metaphysischen Wahrheit bei[38]. Das hat Vor- wie Nachteile. Der größte Vorteil ist zweifelsohne, dass die eigene Religion nach dieser Position nicht mehr als das Absolute betrachtet wird; d.h. prinzipiell nicht mehr als Korrektor anderer Wahrheitsansprüche gilt, sondern versucht wird, die Wahrheitsansprüche aller Religionen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. So versucht u.a. John Hick in seiner Religionstheologie durch die Zurückführung von Religionen auf verbindende Gemeinsamkeiten die Hypothese zu erschließen, sie seinen „verschiedene Reaktionen auf dasselbe Göttliche“[39].
Generell gilt: So löblich solche Annäherungsversuche sind; sie bergen einige Probleme in sich. Denn es besteht die Gefahr, dass der Pluralismus selbst den Keim der Intoleranz in sich birgt, nämlich dann, wenn Vertreter der Religionen auf ihren Wahrheitsanspruch beharren. Zudem wirken pluralistische Bemühungen oftmals etwas befremdlich, da hier verschiedene - historisch eigenständig gewachsene Kulturen - zusammengefügt (synkretisiert) und nicht als autonom wahrgenommen werden. Hans Werner Gensichen weist deshalb für den Fall eines christlichen Synkretismus’ darauf hin, dass der Begriff „überwiegend negativ verwendet“ wird und zwar als eine „Art Sammelbezeichnung für jegliche Kompromittierung der christlichen Glaubenswahrheit in der Begegnung mit nichtchristlicher Religion“[40]. Ohne detaillierter auf die Synkretismusdebatte eingehen zu wollen, weist dies deutlich das Dilemma auf[41]: Auf der einen Seite ist der Wahrheitsanspruch, den eine Religion für sich beansprucht, ein gutes Recht; nämlich die Religionsfreiheit selbst. Andererseits darf diese Wahrheit nicht verabsolutiert werden, da ansonsten die Gleichberechtigung der Religionen insgesamt gefährdet ist. Es kommt deshalb darauf an, dass die Religionen ihren absoluten Wahrheitsanspruch zugunsten einer Glaubenswahrheit und damit Vertrauenswahrheit relativieren. Nicht zuletzt bedeutet das altgriechische Verb πιστευειν beides; Glauben und Vertrauen[42]. Deshalb ist auch der Pluralismus in dieser Form letztlich keine vernünftige Haltung, in den Dialog der Religionen einzutreten, da er meiner Meinung nach nicht nur die historischen Wachstumsprozesse, Traditionen und unterschiedlichen Heilsbotschaften der Religionen weitgehend übersieht, sondern auch die ihnen zustehende Autonomie nicht ernst genug nimmt.
1.1.2. : Polvzentrische Dialogspositionen
Neben dem monozentrischen Tvp benennt Young-Sik Park den polvzentrischen. Ein solches Verständnis erkennt die Fremdheit innerhalb der Religionen als unumstößliche Tatsache an, die „keine Rückschlüsse auf die ontologisch oder metaphvsisch konzipierte Einheit der letzten Wirklichkeit zulässt“[43]. Es geht aus von der
„Anerkennung der Andersheit der Religionen, die nicht hintergehbar ist, so dass weder eine dogmatisch noch metaphvsisch konzipierte Svnthese zwischen ihnen konstruiert werden kann“[44].
Das heißt, dass den monozentrischen Positionen letztlich immer das Ziel einer gemeinsamen Urwahrheit zugrunde liegt, während der Polvzentrismus sich von vornherein von dieser Haltung distanziert und deshalb bei der Verschiedenheit positiver Religionen selbst ansetzt. Dies hat den unweigerlichen Vorteil, dass die Wahrheitsansprüche und Traditionen der Religionen ernsthaft berücksichtigt werden, ohne die Wahrheitsansprüche anderer Religionen zu negieren oder svstematisch einzuordnen. Stattdessen werden sie als
„verschiedene, kulturbedingte Angebote im Umgang mit der Frage nach dem Sinn und Sein des Menschen verstanden, die nie übergeschichtlich und kontextfrei sein können.“[45]
Dadurch bedingt ist der polvzentrische Typ für den Dialog prinzipiell bestens geeignet, denn hier haben die Religionen die Gelegenheit ihre eigenen Botschaften einzubringen und ernsthaft zu vertreten, ohne dabei zwangsläufig diejenigen anderer Religionen zu verurteilen, da letztlich das Ziel zugrunde liegt, im Dialog die unterschiedlichen Svsteme von sich selbst aus und in ihrer eigenen Berechtigung wahrzunehmen. Das Hauptproblem liegt zweifelsohne in der praktischen Umsetzung, denn damit ein solcher Dialog funktioniert, muss die polvzentrische Haltung als gemeinsame Grundhaltung Position aller Dialogspartner sein. Daraus ergibt sich unumgänglich die Frage, wie dies innerhalb der Religionen erzielt werden kann[46].
1.1.2.1. : Exkurs: Wrogemanns Ansatz zu einer Hermeneutik des Fremden
Im folgenden kurzen Abschnitt möchte ich exemplarisch den weitgehend polyzentrischen Ansatz Wrogemanns zu einer „Hermeneutik des Fremden“ konkretisieren[47]. Ich möchte damit einen Versuch präsentieren, wie die Kombination zwischen christlichem Bekenntnis einerseits und Gleichberechtigung der Dialogpartner andererseits auf dogmatischer Ebene aussehen kann[48].
Es ist nämlich seine Idee, Verständigung nicht durch eine Aneignungshermeneutik, sondern durch eine Differenzhermeneutik zu erzielen[49]. Das heißt, dass die fremden Religionen durchaus als und durch sich selbst erfahren werden sollen, ohne den inklusivistischen Fehler zu begehen, die eigenen Vorstellungen in andere Religionen hinein zu transportieren, sondern diese als sie selbst zu erfahren. Dabei müssen beide Seiten berücksichtigt werden, denn Differenz bedeutet durch die Wahrnehmung von Unterschieden das eigene System besser verstehen zu können. Im christlichen Sinne bedeutet das, dass das Christentum nicht einfach ausgeklammert werden darf, vielmehr ist es Ziel, die eigene Religion ebenfalls als etwas aufzufassen, was dem anderen fremd ist. Dennoch,
„die Offenheit gegenüber dem Fremden wird in theologischer Hinsicht dort am schwersten auf die Probe gestellt, wo es um das Zentrum des eigenen Glaubens geht.“[50]
Aus diesem Grund bemüht sich Wrogemann einen Konvivivenz[51] ermöglichenden, hermeneutischen Zirkel zu entwickeln[52], der im Grunde auf der Vorstellung fußt, dass der Heilsgedanke (als Zentrum christlichen Glaubens) sowohl in einen segnenden als auch in einen rettenden Teil gegliedert werden kann[53]. Das heißt, dass ,Heil’ nach christlichem Verständnis bei Wrogemann sowohl religionsübergreifend gedachten Segen umfasst, der Offenbarung bewusst ausklammert[54], als auch konkret-christlich gedachte Rettung, die sich in der Offenbarung manifestiert[55]. Für seinen hermeneutischen Zirkel bedeutet dies, den Fremden zunächst unvoreingenommen wahrzunehmen, anschließend zu fragen, wie Gott im Fremden segnend begegnet, bevor in einem weiteren Schritt ein Differenzbewusstsein zum konkreten Rettungshandeln erfahren werden kann. Als letztes rät Wrogemann dazu, den gewonnenen Erkenntnissen gegenüber selbst skeptisch zu sein, da eigene Vorstellungen/ Vorurteile mit in den Prozess hineingetragen wurden sein könnten, um darüber hinaus wieder beim ersten Schritt neu zu beginnen[56].
Der Ansatz zeigt deutlich, dass eine polyzentrisch orientierte Haltung auch auf systematischer Ebene möglich sein kann, ohne in Ignoranz zu verfallen oder den Glaubenskern eigener Überzeugung zu verleugnen. Das hervorgehobene Beispiel gilt zunächst freilich nur aus christlicher Sicht. Eine dementsprechende Adaption für den Islam unter Berücksichtigung seines spezifischen Heilsgedankens scheint mir aber prinzipiell nicht unmöglich zu sein. Es war mir deshalb wichtig, diesen kurzen Exkurs mit einzubringen, bevor ich nun auf die ethisch-soziale Dimension des Dialogs und damit die Möglichkeit einer konkreten Dialogsbasis zu sprechen komme.
I.2. ; (Ethische) Dialogsbasis
Weltfinanzkrise, internationaler Terrorismus: Dies sind nur zwei Schlagwörter für die mannigfaltigen Probleme unserer heutigen multikulturellen Gesellschaft, die deshalb gemeinsamer Lösungsstrategien bedürfen[57]. Die Suche danach ist nicht immer einfach; das Problem scheint hingegen meistens dasjenige zu sein, dass elementare Kategorien der menschlichen Würde entweder verletzt oder zumindest ernsthaft bedroht werden. So scheint die Weltfinanzkrise - wenigstens teilweise - dem rücksichtslosen Verhalten einiger Bankiers verschuldet, die damit tausendfach Arbeitsplätze und somit die Existenzen von Arbeitnehmern und Angehörigen in Bedrängnis gebracht haben, während fundamentalistische Terroristen kein Geheimnis daraus machen, dass Andersgläubige für sie ein offenes Ärgernis sind. In jedem Fall ist damit die menschliche Würde bedroht, welche sich nach Kants praktischkategorischem Imperativ dadurch auszeichnet, dass die Menschheit sowohl in eigener, als auch in „der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel“[58] gebraucht werden darf[59]. In anderen Worten: Kant bemerkt, dass der Mensch dadurch, dass er ein vernunftbegabtes Wesen ist, sowohl über einen freien Willen verfügen muss; d.h. er seinen eigenen Willen selbsttätig bestimmen kann, als auch über die Möglichkeit, sich aus freiem Entschluss für diesen Willen zu entscheiden:
„Der Wille ist eine Art von Kausalität lebender Wesen, so fern sie vernünftig sind, und Freiheit würde diejenige Eigenschaft dieser Kausalität sein, da sie unabhängig von fremden sie bestimmenden Ursachen wirkend sein kann.“[60]
Worauf Kant demnach aufmerksam macht, ist, dass der Mensch allein aufgrund seiner Vernunftbegabung und dem hierin verankertem, freien Willen, über das unumstößliche Recht verfügt, als Selbstzweck behandelt zu werden.
„Aus dem Angeführten erhellet: dass alle sittliche Begriffe völlig a priori in der Vernunft ihren Sitz und Ursprung haben (...) dass sie von keinem empirischen und darum bloß zufälligen Erkenntnisse abstrahiert werden können; dass in dieser Reinigkeit ihres Ursprungs eben ihre Würde liege“[61]
beziehungsweise
„Nun sage ich: der Mensch (...) existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen, sondern muss in allen seinen, sowohl auf sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten Handlungen zugleich als Zweck betrachtet werden.“[62].
Dies ist zweifellos säkular gedacht und das aus gutem Grund: Denn das Recht, als würdiges Wesen betrachtet zu werden, muss damit übergreifend geschehen, und zwar von, für und durch alle Menschen, unabhängig ihrer Kultur und/oder Religion. Es ist damit eine Kategorie, die verantwortungsvolles Handeln seitens aller Menschen und Kulturen/ Religionen einfordert und die deshalb unbedingt beachtet werden muss. Denn erst dadurch, dass Menschenwürde umfassend berücksichtigt wird, kann würdiges Leben ermöglicht werden. Im Klartext bedeutet das für die Religionen, dass auch sie dazu gezwungen sind, sich nicht nur in der theologisch-dogmatischen Debatte zu bemühen, sondern auch die Diskussion auf Grundlage des Humanen zu führen, die Kants Imperativ einfordert. In diesem Sinne findet ein mehrfacher Dialog statt, denn neben dem Dialog auf der transzendent-metaphysischen Ebene tritt jetzt zusätzlich die Diskussion auf der sozial-ethischen Ebene hinzu. Letzte unterscheidet sich dabei von erster darin, dass - neben den Religionen - auf sozial-ethischer Ebene der Säkularismus als zusätzlicher Gesprächspartner hinzutritt, um diese Beachtung elementarer Menschlichkeit einzufordern[63]. Darin begründet sehe ich die Forderung nach einer (säkularen) Gesprächsbasis des Humanen. Diesem darf sich ein interreligiöser Dialog nicht verweigern, sondern es ist vielmehr dessen Pflicht, ihn mit aufzunehmen. Kulturrelativisten könnten behaupten, dass die Aufnahme einer Idee absolut geltender Menschenwürde, wie sie in der westlichen Gesellschaft vertreten wird, nicht zwangsläufig in anderen Kulturen übernommen werden kann. Das Argument kultureller Differenz ist äußerst ernst zu nehmen, kann dem doch philosophisch kaum widersprochen werden[64]. Es ist aber möglich, die Beachtung von Menschenwürde (und Menschenrechten) negativ-pragmatisch zu begründen. So ist die UN-Erklärung von 1948 gerade als Antwort auf die vorangegangenen Grausamkeiten der beiden Weltkriege (und damit: der Nicht- Beachtung von Menschenwürde und Menschenrechten) zu verstehen, wie aus ihrer Präambel deutlich hervortritt: „(...) da die Verkennung und Missachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei führten, die das Gewissen der Menschheit tief verletzt haben“[65]. Aus diesem Grund bestätigt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“[66] Ich möchte auf der Suche nach einer ethischen Dialogsgrundlage zunächst auf Hans Küngs „Projekt Weltethos“ zu sprechen kommen, welches nach einem gemeinsamen Humanum innerhalb der Religionen sucht.
I.2.I. : Die Suche nach dem gemeinsamen Humanum: Hans Küngs „Projekt Weltethos“
Die Forderung nach einem gemeinsamen Ethos für die Welt ist zweifelsohne ein ambitioniertes Projekt, dem sich der Theologe Hans Küng gewidmet hat. Es ist deshalb allein aufgrund seiner Zielsetzung anzuerkennen, eine konflikt- und gewaltfreie Weltordnung herbeizuführen[67], als deren Vermittler er - trotz all ihrer Probleme - die Religionen sieht[68]. Die Idee dahinter ist die, dass die Menschenrechte zwar positives Recht seien, jedoch eine verbindliche Sittlichkeit fehlen würde[69]. Wohl bezieht sich seine Kritik auf die Letztbegründung; d.h. jene Unbedingtheit, die in letzter Instanz nicht der Mensch, wohl aber Gott einfordern kann und somit den säkularen Menschenrechten fehlt[70]. Küng stellt fest, dass der Wert des Sollens allein nicht ausreicht, um eine autoritative Legitimation herbeizuführen[71]. Uber diese Auffassung lässt sich sicherlich streiten[72], jedoch muss akzeptiert werden, dass eine Forderung aus göttlicher Autorität für ihre Anhänger weit umfassender wirken muss, als dies eine solche aus reiner Menschlichkeit vermag. Im positiven Sinne gesprochen: Religion kann - wenn es darauf ankommt - weit effizienter das Humane einfordern als dies allein die Menschenrechte vermögen[73]. Daher erscheint es verständlich, wenn Küng die Religionen mit Nachdruck dazu auffordert, eine einheitliche Sittlichkeitslehre zu erarbeiten und hierfür sechs gemeinsame Perspektiven benennt: Das Wohl des Menschen, die Entwicklung von Maximen elementarer Menschlichkeit, einen vernünftigen Mittelweg zwischen Libertinismus und Legalismus, die goldene Regel, sittliche Motivationsangebote, sowie Sinnhorizont & Zielbestimmung[74]. Als positives Beispiel erwähnt er die „Weltkonferenz der Religionen für den Frieden“ in Kyoto aus dem Jahre 1970, welche erste Gemeinsamkeiten erarbeiten konnte[75]. Diese erwähnt u.a. „eine Überzeugung von der fundamentalen Einheit der menschlichen Familie, von der Gleichheit und Würde aller Menschen“[76]. Schlussendlich fordert Küng die Religionen auf authentisch zu sein und sich einer interreligiösen Kriteriologie zu stellen, die für ihn aus drei Aspekten besteht: Eine Religion sei dann gut, wenn sie human ist, sich ihrem eigenen Ursprung treu bleibt und sie in Theorie und Praxis ihren eigenen Glaubenskern auch in allen anderen Religionen zu erkennen vermag[77]. Damit kann sogleich auf die Probleme seiner Idee hingewiesen werden:
Erstens ist eine elementare Spannung innerhalb seiner eigenen Kriteriologie vorhanden, die sich nicht ohne weiteres lösen lässt. Was ist beispielsweise, wenn die Erfüllung eigener Linientreue nur durch den Preis der Humanität in bestimmten Aspekten erreicht werden kann? Man denke nur an die Religionsfreiheit im Islam: Dieses elementare Menschenrecht in Übereinstimmung mit den kanonisierten Auffassungen zu sehen, erscheint zumindest orthodox geprägten Muslimen äußerst mühsam zu sein.
Zweitens - und dieser Punkt ist wohl noch entscheidender -leidet das Projekt unter der Differenz zwischen seinem eigenen Anspruch und dem de facto zu erwartenden Endergebnis. Küng fordert die Religionen innerhalb seines Projektes dazu auf, von sich aus ein gemeinsames Ethos zu entwickeln. Dies aber scheint in der Praxis oftmals nicht über einen Minimalkonsens hinauszureichen. So erkennt auch Küng, dass das oben genannte Zitat der Weltfriedenskonferenz sehr allgemein formuliert sei[78].
I.2.2. : Die Menschenrechte als Grundlage des interreligiösen Dialogs
Ich habe soeben dargelegt, dass die Berücksichtigung des Humanen im interreligiösen Dialog als ethische Dialogsbasis obligatorisch erscheint. Hans Küngs „Projekt Weltethos“ ist in dieser Hinsicht sehr engagiert; es leidet jedoch in letzter Instanz an seinem hohen Anspruch und der Aufforderung an die Religionen, ein gemeinsames Ethos nicht nur akzeptieren, sondern darüber hinaus entwickeln zu müssen. In dieser Hinsicht sind die Menschenrechte konkreter, da sie einen ausformulierten Rechtskodex bilden, der allen Mitgliedern der menschlichen Familie zuteil werden soll und der sich aus der humanen Idee allgemein vorhandener, individueller Menschenwürde speist. Diesen Rechtskodex anzunehmen ist eine Herausforderung an die Religionen, die zwar sehr komplex und schwierig ist, sich jedoch etwas bescheidener als in einem Verfahren gestaltet, das einen Ethos erst von sich aus begründen muss[79]. Zudem: Menschenrechte können gerade auch als Ausdruck eines verantwortungsvollen Weltethos verstanden werden, wie es Küng einfordert. So schreibt Schwartländer über die Menschenrechte:
„Menschenrechte dürfen und müssen in ihrer letzten Bedeutung als der Ausdruck eines neuen Weltethos verstanden werden. Es ist das Ethos einer entschiedenen „Weltverantwortung“ und damit der größten Freiheit, die ein „Weltethos“ je kannte.“[80]
Darum können die Möglichkeiten zum interreligiösen Dialog durchaus am Beispiel der Menschenrechte erörtert werden. Ich werde zunächst zwei Missverständnissen vorbeugende Prämissen darlegen, wenn ich behaupte, dass die Menschenrechte Dialogsgrundlage sein können. Sodann werde ich mit einer dritten Prämisse darauf hinweisen, dass eine Debatte über die Menschenrechte immer zugleich eine Diskussion über Menschenwürde beinhaltet und umgekehrt.
1.2.2.1. : Dialogsgrundlage bedeutet nicht zwanghafte Übereinstimmung, sondern lebhafte Diskussion!
Man könnte geneigt sein, die Ansicht zu vertreten, dass nur auf Grundlage einer allen Gesprächspartnern gemeinsamen Überzeugung der Dialog möglich sei. Eine solche Gemeinsamkeit ist zweifelsfrei wünschenswert. Leider divergiert die Realität an dieser Stelle mit dem Wunsche, da unterschiedliche Auffassungen über Staat, Religion, Gesellschaft und Kultur den Alltag der multikulturellen Weltgesellschaft maßgebend mitbestimmen. In diesem Sinne ist ein Dialogsverständnis gefordert, das sich seiner schwierigen Gratwanderung zwischen bewusster Einforderung menschlichem Rechts einerseits und Respekt vor Kultur und Religion des Gegenübers andererseits voll bewusst ist. Darin begründet liegt die Wichtigkeit einer polyzentrischen Grundhaltung, da nur so Respekt vor dem Fremden auf der einen, sowie mutiges Bekenntnis zur eigenen Weltanschauung auf der anderen Seite gewährleistet werden kann. Wenn ich demnach von den Menschenrechten als gemeinsamer Dialogsgrundlage spreche, heißt das keinesfalls, dass dies die einzig unumstößliche Dialogsgrundlage sein muss. Es bedeutet vielmehr, dass es sich hierbei um eine besonders herausragende Gesprächsbasis handelt, die es verdient - mehr noch als andere Gesprächsgrundlagen - diskutiert zu werden, da sie elementare Rechte der Menschlichkeit einfordert. In anderen Worten: Wichtig ist zunächst einmal nicht, dass der inhaltliche Aspekt der Dialogsgrundlage übereinstimmend ist, damit eine Diskussion stattfinden kann. Das erhoffte Einverständnis als Ziel des Gesprächs (über die Grundlage) muss nicht zwangsläufig im Vorfeld existiert haben; sondern es kann sich aus der Diskussion entwickeln. Henry Shue schreibt: „Der Punkt ist, dieses Gemeinsame muss nicht bereits vor dem Gespräch, welches dann zu dem Einverständnis geführt hat, vorhanden gewesen sein!“[81] Darum können die MöglichEs besteht somit Hoffnung: Obwohl die Vorstellungen über Menschenrechte weit auseinandergehen mögen, kann Übereinstimmung erzielt werden, wenn sie in ernsthaftem Interesse aller Dialogsteilnehmer in einem langwierigem Prozess diskutiert werden, obwohl zu dessen Beginn ein Einverständnis in weiter Ferne stand.
1.2.2.2. : Der Anspruch der Universalität der Menschenrechte muss akzeptiert werden!
Dass die Menschenrechte völlig rechtens Universalität beanspruchen, ist hinlänglich bekannt. So spricht die UN-Erklärung durchgehend von „allen Menschen“[82] und betont dabei bewusst die überkulturelle Gültigkeit der Menschenrechte. Dass diese Universalität jedoch nicht weltweit akzeptiert, sondern unter Vorbehalt betrachtet wird, dürfte ebenso deutlich hervorgetreten sein. Diese Prämisse geht deshalb - in Anlehnung an die Vorige - nicht davon aus, dass die Menschenrechte erst völlig durchgesetzt sein müssen, damit ein interreligiöser Dialog auf ihrer Grundlage stattfinden kann. Vielmehr ist es an dieser Stelle ausreichend zu akzeptieren, dass der Anspruch ihrer universellen Gültigkeit besteht, damit dieser kultur- und religionsübergreifend in der Debatte aufgenommen werden kann.
1.2.2.3. : Menschenrechte müssen als gesetzliche Manifestation von Menschenwürde betrachtet werden!
Diese Prämisse sollte eher als eine Art Hinweis verstanden werden, in der Diskussion Menschenrechte und Menschenwürde nicht voneinander getrennt zu sehen, sondern feinfühlig festzustellen, dass beide Ebenen unmittelbar miteinander zusammenhängen.
Dass Menschenwürde und Menschenrechte eng miteinander verbunden sind, geht aus allen Menschenrechtserklärungen hervor. So steht beispielsweise im ersten Artikel der UN-Erklärung von 1948, dass alle Menschen „frei und gleich an Würde und Rechten geboren“[83] seien und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Islam von 1981 heißt es:
„Vor 14 Jahrhunderten legte der Islam die ,Menschenrechte’ umfassend und tiefgründig fest (...) als Recht und Anleitung, was ihnen ein gutes und würdiges Leben (...) gewährleiste“[84].
Es scheint demnach die Gemeinsamkeit zu bestehen, dass überall dort, wo von einem menschenwürdigem Leben die Rede ist, sich auch die Frage nach Menschenrechten (und eventuell: Menschenpflichten) stellt. Leider bedeutet das keinesfalls, dass das philosophische und/oder theologische Prinzip, das der Menschenwürde zugrunde liegt, ebenfalls dasselbe ist, weswegen Menschenrechte dann auch völlig unterschiedlich verstanden und ausgelegt werden[85]. Ohne an dieser Stelle detailliert in die Diskussion über die Notwendigkeit eines gemeinsamen Verständnisses von Menschenwürde einzusteigen[86], gilt doch für diese Prämisse: Dadurch, dass Menschenrechte eine konkrete Gesetzgebung einer spezifischen Auffassung von Menschenwürde bilden, können diese als rechtliche Manifestation genau dieser Auffassung betrachtet werden. Damit muss eine Diskussion immer beide Aspekte berücksichtigen: Erstens die Menschenwürde als zugrunde liegende Überzeugung (Fundament)[87] und zweitens die Menschenrechte als deren konkretisierte, rechtliche Ausformulierung (Manifestation).
1.3: Zusammenfassung des ersten Teils
Der vorliegende Teil hat ergeben, dass die dogmatische Position und die ethische Dialogsgrundlage nicht voneinander getrennt werden können, sondern als zwei Seiten derselben Medaille betrachtet werden müssen.
So kann einerseits nur dann ein fruchtbarer interreligiöser Dialog stattfinden, wenn er auf einer Grundhaltung beruht, nach der die Religionen als gleichberechtigte und eigenständige Partner wahrgenommen werden, mit je ihrer eigenen Glaubenswahrheit. Hierzu eignet sich kein monozentrischer Typ, da er letztlich immer nach einer metaphysischen Urwahrheit sucht, die andere Wahrheitsansprüche entweder negiert, ignoriert oder kategorisiert. Darum konnten die drei vorgestellten Positionen des Exklusivismus, Inklusivismus und auch des Pluralismus nicht übernommen werden. Ferner ergab sich, dass - zumindest die Offenbarungsreligionen - tendenziell eher zu den ersten beiden Haltungen neigen, was einen auf Gleichheit basierenden Dialog erschwert. Deshalb wurde festgehalten, dass ein interreligiöses Gespräch den polyzentrischen Typen sowohl erfordert als auch gleichsam von den Religionen einfordert, was als dogmatische Herausforderung betrachtet werden kann. Dass dies prinzipiell nicht unmöglich ist, habe ich in einem kurzen Exkurs an Wrogemanns Ansatz zu einer Hermeneutik des Fremden darzulegen versucht.
Andererseits muss für den interreligiösen Dialog eine ethische Grundlage gegeben sein, da nur auf dieser die mannigfaltigen Probleme unserer Zeit gelöst werden können. Dabei ergab sich, dass ein auf Kants praktischkategorischem Imperativ fußendes Verständnis von Menschenwürde unerlässlich zu sein scheint, wenn Kategorien elementarer Menschlichkeit eingefordert werden sollen. Zwar beharren Kulturrelativisten oftmals darauf, dass ein Verständnis von Menschenwürde und Menschenrechten - so wie es der aufgeschlossene Säkularismus notwendig einfordert - außerhalb der westlichen Kultur auf Schwierigkeiten stoßen kann. Dennoch sollte ein derartiges Argument nicht akzeptiert werden, da so unter dem Deckmantel interkultureller Toleranz Vergehen gegen die Menschenrechte prinzipiell geduldet werden können. Eine Diskussion auf Grundlage der Menschenrechte als gesetzlicher Manifestation von Menschenwürde ist deshalb dringend notwendig, obgleich es ein langer und mühsamer Prozess ist, hierüber Einverständnis zu erzielen. Denn dies scheint wohl die eigentliche Herausforderung des interreligiösen Dialogs zu sein, wenn nicht gar, so wie dies Hans Küng fordert, irgendwann ein gemeinsames Weltethos zu konzipieren.
Teil II: Zum Stand der Menschenrechte in Christentum und Islam
Im vorigen Teil wurde die Notwendigkeit begründet, den interreligiösen Dialog anhand der Menschenrechte zu führen. Hierzu wurde u.a. auf die Menschenwürde als elementare Kategorie des Humanen verwiesen, die einen solchen Dialog einfordert. Der folgende Teil dieser Arbeit möchte darum einsehen, welche Stellung die Religionen zu den Menschenrechten einnehmen. Da es verständlicherweise den Rahmen sprengen würde, wenn dies anhand aller Weltreligionen geschähe, möchte ich mich hier - neben dem Christentum - auf den Islam beschränken. Das hat folgenden Grund: Gefühlsmäßig scheinen sich die ,Fronten’ zwischen Christentum und Islam in Deutschland innerhalb der letzten Jahre verhärtet zu haben. Dies ist bedauerlich; stellt der Islam doch eine weitverbreitete Weltreligion innerhalb der Bundesrepublik dar. Zusehends konnte beobachtet werden, wie die Angst vor fundamentalen Islamisten anwuchs, wobei auf Seiten der nicht-muslimischen Bevölkerung häufig Extremisten und friedliebende Muslime ,über einen Kamm geschert’ wurden. Diese Verhärtung aufgrund von Vorurteilen scheint mir nicht nur ungerechtfertigt zu sein; sie ist zudem höchst undifferenziert, da sie den vielen unterschiedlichen Stimmen im Islam nicht annähernd rechtens wird. Dennoch: Vorurteile können sich manchmal aus einem wahren Kern ergeben; umso dringender ergibt sich deshalb die Notwendigkeit eines aufgeschlossenen, aber auch kritischen Dialogs, der zwar nichts beschönigt, gleichzeitig aber stets darum bemüht bleibt, Missverständnisse abzubauen. Dies gilt für beide Seiten im gleichen Sinne.
Dieser Teil möchte deshalb vornehmlich untersuchen, welche Standortbestimmungen die beiden Religionen derzeit zu den Menschenrechten einnehmen. Da es wohl nicht möglich sein wird, alle Strömungen zu berücksichtigen, möchte ich meinen Schwerpunkt auf einige ausgewählte Dokumente setzen: Diese sind für das Christentum maßgeblich die Schriften ,Pacem in terris’ (Johannes XXIII./ 23.04.1963)[88], ,Dignitas humanae’/,Gaudium et spes’ (des 2. Vatikanum)[89] auf katholischer bzw. die Denkschrift vom 26.09.1975 zu den Menschenrechten[90] auf evangelischer Seite[91]. Für den Islam sind dies entsprechend die ,Allgemeine Erklärung über die Menschenrechte im Islam’ von 1981, die ,Kairoer Menschenrechtserklärung’ von 1990[92], sowie die ,Arabische Charta der Menschenrechte’ von 2004[93].
Die Untersuchung soll hierbei an Fragen erfolgen, die in einer Behandlung über die Menschenrechte für mich unerlässlich erscheinen:
1) Die Frage nach dem Würdebild des Menschen
Wie bereits erwähnt, bedingen der Begriff der Menschenwürde als Fundament der Menschenrechte bzw. die Menschenrechte als konkret-rechtliche Manifestation von Menschenwürde einander. Eine Abhandlung über die Menschenrechte kann daher nicht anders als zu hinterfragen, welches Würdebild hinter den Menschenrechtserklärungen/-stellungnahmen steht. Dabei soll vor allem kritisch erörtert werden, inwieweit der Grundsatz gilt, dass Menschenwürde allen Menschen angeboren und gleich ist, sowie ein unveräußerliches Gut darstellt[94].
2) Die Frage nach der Universalität
Menschenrechte beanspruchen für sich universelle Gültigkeit, was sich aus obigem Aspekt ergibt: Wenn jedem Mensch die gleiche Würde zuteil kommt, so gelten für alle Menschen konsequenterweise auch die gleichen Grundrechte, womit diese nur universell gedacht werden können. Leider wird dieser Grundsatz häufig dann angezweifelt, wenn die Meinung vertreten wird, dass eine exakte Verwirklichung von Menschenrechten nicht ohne kulturellen Bruch einhergehen könne. Es ist deshalb besonders darauf zu achten, ob das Konzept der Universalität angefochten wird und wo in diesem Fall die Problematik besteht.
3) Die Frage nach der Religionsfreiheit
Religionsfreiheit ist wohl eines der grundlegendsten Menschenrechte überhaupt. Nur dort, wo sie erfüllt wird, kann ein friedvolles Miteinander florieren, da nur so das Faktum unterschiedlicher Überzeugungen nicht zu einer Diskriminierung religiös Andersdenkender führt. Denn dies bedeutet im harmlosen Fall Ausschluss von gesellschaftlichen Institutionen, im schlimmsten Fall Folter und Verfolgung und ist deshalb in jedem Fall zu ächten. Allerdings ist sie eines der problematischsten Menschenrechte, da sie unmittelbar den Kern einer Religion anspricht, nämlich ihre eigene Glaubensüberzeugung. Dies führt deshalb zur Frage, ob diese Überzeugung die Religionsfreiheit anderer prinzipiell zulässt bzw. ob Schwierigkeiten vermerkt werden können.
4) Die Frage nach demVerhältnis von Staat und Religion
Der letzte Aspekt versucht zu erörtern, welches Verhältnis zwischen Staat und Religion in den Dokumenten aufgezeichnet wird. Dies ist zum Beispiel dann relevant, wenn allgemeine Menschenrechte[95] und religiöse Rechte in Widerspruch stehen können und Konfliktpotential somit vorgezeichnet ist. Die Rolle des Staates wird hier entscheidend; kommt ihm als Machtträger doch die Aufgabe zu, die unterschiedlichen Ansprüche in Beziehung zu setzen und so zu einer Entscheidung des Konflikts beizutragen.
Da ich im ersten Teil meiner Arbeit darauf hingewiesen habe, dass der Säkularismus als zusätzlicher Gesprächspartner berücksichtigt werden sollte, möchte ich dort, wo es möglich ist, auf säkulare Aspekte der Menschenrechtsdiskussion aufmerksam machen.
П.1.: Zum Stand der Menschenrechte im Christentum der Gegenwart
Der folgende Teil erörtert die vier oben genannten Aspekte in erwähnter Reihenfolge. Hierzu sollen nicht nur die christlichen Schriften untersucht werden, sondern auch die daraus für den Dialog resultierenden Forderungen erfragt werden. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die dargestellten christlichen Auffassungen (z.B. der Menschenwürde aufgrund von Gottesebenbildlichkeit) nur einen Weg darstellen, wie Menschenrechte begründet werden können.
II.l.l. : Die Frage nach dem Würdebild des Menschen im Christentum der Gegenwart
„Jedem menschlichen Zusammenleben (...) muss das Prinzip zugrunde liegen, dass jeder Mensch seinem Wesen nach Person ist.“[96] Mit diesen Worten verankert Papst Johannes XXIII noch im Vorwort des Rundschreibens „Pacem in terris“ von 1963 die menschliche Würde in jedem Individuum und steht damit für die Unveräußerlichkeit der Menschenwürde ein. Dies ist charakteristisch für das moderne Denken der westlichen Kultur; sei es auf christlich-religiöser oder nicht-religiöser Ebene. Die Würde des Menschen gilt als angeborenes Gut, gleich für alle und unantastbar. Sie kommt nach Kant dem Menschen allein aufgrund seiner Vernunftbegabung als sittlich-autonomes Subjekt zu[97]. Dies bedeutet mehr als radikale Freiheit des Subjekts. Es bedeutet vielmehr die Verantwortung, die dem Menschen aufgrund seiner Fähigkeit, eigene Gesetze zu erstellen, zukommt, so wahrzunehmen, dass er diese im Sinne der Sittlichkeit erfährt und dadurch erst befähigt wird, wahrhaft nach ,eigenen Gesetzen’ zu leben. In anderen Worten: Erst wenn die selbstgegebenen Gesetze einen ethischen Wert aufweisen, ist gutes Leben nach ihnen möglich und der Mensch wirklich autonom. Daher ist der praktischkategorische Imperativ nicht nur als Manifestation menschlicher Würde, sondern vielmehr auch als Verantwortungsappell zu gewissenhaftem Handeln zu verstehen, welcher ihm aus dieser Würde zuteil wird. Aus dem Grund kann Menschenwürde nicht nur als Fundament von Menschenrechten, sondern auch von Menschenpflichten verstanden werden.
Das zweite Vatikanum betont diese Pflicht, wenn es den Menschen ausdrücklich als „mit Vernunft und freiem Willen begabt und daher durch persönliche Verantwortung erhöht“[98] bezeichnet und des öfteren seine Vernunftfähigkeit unterstreicht: „(...) urteilt der Mensch richtig, dass er durch seine Vernunft die Gesamtheit der Dinge übertrifft“[99], „Die Vernunftnatur der menschlichen Person (...)“[100] etc.. In diesem Sinne verweist die katholische Synode auf die Fähigkeit zum freien Handeln, wie auch schon Kant erwähnt hat, dass Vemunftbegabung ohne Freiheit unsinnig erscheint[101]. Aber sie verweilt nicht dabei, sondern verankert die Würde des Menschen zusätzlich in der Gottesebenbildlichkeit, die ihm nach Gen 1,27 zuteil kommt: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib.[102] “ Daher sieht die katholische Auffassung alle Menschen als „am Licht des göttlichen Geistes teilhabend“[103], wodurch ihnen Gewissen und Vernunft zuteil wird. Demzufolge komme den Menschen nicht nur die Verantwortung zu, untereinander für Frieden zu sorgen, sondern zugleich auch die Aufgabe, gemäß Leitung ihres Gewissens nach der göttlichen Wahrheit zu suchen[104]. Die menschliche Würde steht deshalb nach diesem Verständnis in der Pflicht, sich ihres eigenen Wertes bewusst zu werden, was „aufs schwerste verletzt“ wird, wenn „die Rätsel von Leben und Tod, Schuld und Schmerz ohne Lösung bleiben“[105]. Dies ist sicherlich eine der wichtigsten Ergänzungen zur säkularen Auffassung von Menschenwürde, da hierin die Notwendigkeit religiöser Sinnsuche und Sinngebung ernsthaft berücksichtigt wird, wie es der Säkularismus allein nicht leisten kann. Zugleich beugt es den Missverständnissen vor, dass Menschenwürde substanzlos oder gar antireligiös sei[106]. Vielmehr ergibt sich hieraus ein fruchtbarer Austausch zwischen säkularem und katholischem Würdeverständnis, welches durchaus als Argument im christlich-islamischen bzw. christlich-atheistischem Dialog eingebracht werden sollte[107].
Die katholische Perspektive betont somit maßgeblich, dass dem Menschen seine innere Würde aufgrund seiner Gottesebenbildlichkeit zukommt, wodurch er zugleich zu eigenverantwortlichem, vernunftbewusstem Handeln befähigt wird. Dieses Handeln schließt die Pflicht zu einem friedvollen Miteinander und religiöser Sinnsuche mit ein.
Die evangelische Kammer beschreitet in ihrer Denkschrift vom 26.09.1975 einen anderen Weg: Zwar wird Menschenwürde auch hier als unveräußerlich, angeboren und für alle Menschen gleich betrachtet[108]. Der Fokus sitzt aber weniger auf der Vernunftbegabung des Menschen und der ihm deshalb zugesprochenen Freiheit, sondern vielmehr in der Rechtfertigung des Menschen durch Gottes Gnade. Auch die evangelische Kirche betont ausdrücklich die Gottesebenbildlichkeit des Menschen nach Genesis 1,27, zieht aber einen anderen Schluss. Denn der Mensch ist zugleich „darin Sünder, dass er Gott nicht mit seinem Leben als Schöpfer und Herrn anerkennt“[109]. Mit anderen Worten: Durch den Zustand der Sündhaftigkeit im Menschen ist das friedvolle Miteinander der Gesellschaft zwangsläufig gestört[110] ; Sünde wird demnach in der Natur des Menschen selbst verortet; sie erscheint unumgänglich[111]. Erst in der Rechtfertigung des Menschen durch Gott in Jesus Christus erfährt der Mensch seine Befähigung „zur Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe“[112], woraus sich (besonders für Christen) die Pflicht ergibt, sich für Menschenrechte stark zu machen. Id est: Menschenwürde wird nicht nur aus der Gottesebenbildlichkeit abgeleitet, sondern es besteht auch ein Berührungspunkt in der Rechtfertigung durch Christus[113]. Diese wurde den Menschen (durch das Kreuzesgeschehen) zuteil[114] ; wobei die Glaubenden in besonderer Verantwortung stehen, die daraus nötigen Schlüsse zu ziehen und sich für eine friedliche Weltordnung einzusetzen, indem sie aus Dankbarkeit das Gebot der Nächstenliebe befolgen. Das Liebesgebot wird somit zum elementaren Eckpfeiler, welches „universale, weltweite Geltung hat“[115]. Es soll den Menschen dazu befähigen „in bestimmten Fällen (...) eigenes Recht zugunsten anderer geltend zu machen“[116]. Mit diesem Verständnis kann dem Argument begegnet werden, dass westliche Menschenrechte als Freiheitsrechte zu einem radikalen Individualismus fuhren, der Grundlage von Nihilismus und Hedonismus sei[117].
Es lässt sich festhalten, dass beide Auffassungen die wichtigen Merkmale von Menschenwürde berücksichtigen, wenn auch aus unterschiedlicher Begründung heraus. Daraus ergibt sich die Möglichkeit für den Dialog, in authentischer Weise darzustellen, wie Menschenrechte aus unterschiedlichen Perspektiven begründet werden können. Zudem scheint mir die christliche Möglichkeit zur Begründung von Menschenwürde wichtig für den Dialog zu sein. Denn damit kann sowohl dem - häufig von orthodoxen Muslimen eingebrachten - Argument begegnet werden, dass ein westliches Würdeverständnis Religion prinzipiell ausschließen würde als auch eine Antwort auf den Einwand erteilt werden, dass eine wertelose Spaßgesellschaft die Folge solcher Auffassung sei. In dem Sinne stehen die christlichen Konfessionen in der Verantwortung sich mutig zu ihrem eigenen Verständnis zu bekennen, um so den Dialog zu fördern. Das aber kann nur dann geschehen, wenn die Besorgnisse des Islams ernsthaft berücksichtigt werden. Wieder ergibt sich die Notwendigkeit einer polyzentrischen Grundhaltung, welche die andere Religion in erster Linie als sie selbst wahrzunehmen versucht, da nur so die Ernsthaftigkeit der Einwände tiefer erfahren werden kann, ohne sie vorschnell zu verurteilen.
II.1.2. : Die Frage nach der Universalität von Menschenrechten im Christentum der Gegenwart
Sowohl die katholische, als auch die evangelische Konfession bekennen sich heute eindeutig zur Universalität der Menschenrechte. Dies soll im Folgenden kurz dargelegt werden:
Für die katholische Kirche ergibt sich die Universalität hauptsächlich aus der Personenwürde, welche allen Menschen gleichermaßen zukommt. So hat Johannes XXIII in seinem Rundschreiben ,Pacem in terris’ vom 11.04.1963 wesentlich zur Anerkennung der Menschenrechte innerhalb seiner Konfession beigetragen[118]. Darin stellt er aufgrund des Prinzips, dass jeder Mensch Person sei[119], fest, dass daraus für alle die gleichen Rechte und Pflichten folgen müssen[120], woraufhin er seinen umfangreichen Menschenrechtskatalog entwickelt[121]. Dass dessen Gültigkeit unaufhebbar ist, betont Johannes XXIII im späteren Verlauf seines Rundschreibens: „Denn der dem Irrtum Verfallene hört nie auf, Mensch zu sein, und verliert nie seine persönliche Würde, die doch immer geachtet werden muss.“[122] Andererseits wird auch die Dringlichkeit betont, Menschenrechte in der Gegenwart durchzusetzen. So bestätigt ,Pacem in terris’ gleich zu Beginn, dass das Ziel der „Friede auf Erden“ sei, „nach dem alle Menschen zu allen Zeiten sehnlichst verlangten“[123]. Damit ist ein wichtiger Punkt angerissen. Wenn von der universellen Geltung der Menschenrechte die Rede ist, heißt das nicht, dass sie als eine Art ,neue Heilsbotschaft’ zu verstehen seien. Viel mehr handelt es sich hierbei um die Wahrung allgemein-menschlichen Rechts. Es erscheint demnach nicht verwunderlich, wenn im Rahmen der Schrift zur Religionsfreiheit, ,Dignitatis humanae’, einerseits der Absolutheitsanspruch der katholischen Lehre bekräftigt, andererseits jedoch „in gleicher Weise“ an das Gewissen im Menschen selbst appelliert wird, welches ihn allein zu dieser Lehre führen kann[124].
Auch auf evangelischer Seite findet sich dieser Aspekt: So bewertet die evangelische Denkschrift vom 26.09.1975 die Menschenrechte ausdrücklich als eine Idee, deren Ziel in der Sicherung von Rechten und Lebensbedingungen besteht[125]. Zudem erwähnt sie, dass „die in den Menschenrechten geforderte Freiheit nicht identisch mit der christlichen Freiheit“[126] ist und trennt sie damit von der christlichen Heilsbotschaft der Freiheit (zu Gott) durch Rechtfertigung[127].
Daher kann festgehalten werden: Obwohl die beiden christlichen Konfessionen deutlich die Notwendigkeit universal gültiger Menschenrechte einfordern, wissen sie doch gleichzeitig darum, dass es sich bei ihnen um die Sicherung irdischen Rechts und nicht um eine Art ,neues Heil’ handelt. In dem Sinne ist die christliche Gemeinschaft dazu aufgerufen, im interreligiösen Dialog eine authentische Rolle einzunehmen, in dem sie klar die Dringlichkeit säkularer Menschenrechte für den Weltfrieden betont. Sie muss darauf hinweisen, dass diese auch dann eingefordert werden können und sollen, selbst wenn eine Distanz zur eigenen Heilsbotschaft besteht. Denn es ist keineswegs so, dass die universelle Gültigkeit von Menschenrechten seit jeher immanenter Teil des Christentums gewesen sei. So
„leisteten die Päpste des 19. Jahrhunderts prinzipiellen Widerstand (...) gegen die Menschenrechte. Die Enzykliken ,Mirari vos’ (...) markierten den Höhepunkt des antiliberalen Widerstands“[128].
Auch auf evangelischer Seite war die Anerkennung von Menschenrechten lange keine Selbstverständlichkeit und wurde mehrfach verworfen[129] ; erst Mitte des 20. Jahrhunderts konnte sich - wohl mitbedingt durch die Grausamkeiten des zweiten Weltkriegs - die Wende hin zum Menschenrechtsbekenntnis vollziehen[130].
Es besteht deshalb, gerade in Bezug auf das Argument, dass Menschenrechte „organisches Produkt der westlichen Geistes- und Kulturgeschichte“[131] seien, die Notwendigkeit dies im interreligiösen Dialog klarzustellen. Darum kann der Forderung der EKD „den anderen Völkern aber verständlich zu machen suchen, dass und warum sie für ihren Bereich daran festhalten“[132] beigepflichtet werden.
II.1.3. : Die Frage nach der Religionsfreiheit im Christentum der Gegenwart
„Im Naturzustand herrscht ein natürliches Gesetz, das jeden verpflichtet. Und die Vernunft, der dieses Gesetz entspricht, lehrt die Menschheit,(...) dass niemand einem anderen, da alle gleich und unabhängig sind, an seinem Leben (...) und Freiheit Schaden zufügen darf.[133] “
Obwohl dieses Zitat Lockes nicht als Plädoyer für Religionsfreiheit angesehen werden sollte, liegt eine Verbindung nicht fern. Denn wo immer vom Naturzustand die Rede ist, muss konsequenterweise ein Status gedacht werden, in dem allen Menschen zunächst die gleichen Rechte zuteil werden. Modern gesprochen lässt sich dieses - dem Menschen von Natur aus zustehende Recht - auch auf die Freiheit des Glaubens ausdehnen. Denn nicht umsonst wird das Naturrechtsdenken, so wie es beispielsweise von den Stoikern oder später in der Naturrechtstradition Aquins erfolgte, gerne als einflussgebend für die Idee der Menschenrechte betrachtet[134]. Ohne detaillierter auf das Verhältnis zwischen Naturrecht und Menschenrechten eingehen zu wollen, setzt die katholische Synode in ihrer Schrift „Dignitatis humanae“ zur Begründung der Religionsfreiheit beim Gedanken allgemein-menschlicher Natur an: „Gemäß ihrer Würde werden alle Menschen (...) durch ihre eigene Natur gedrängt (...) gehalten, die Wahrheit zu suchen.[135] “ Denn „also gründet das Recht auf religiöse Freiheit nicht in einer subjektiven Verfassung der Person, sondern in ihrer Natur selbst.“[136] In anderen Worten: Die Synode betrachtet religiöse Sinnsuche als einen Drang, der dem Menschen von sich aus zukommt und der nicht gehemmt werden sollte. Als leitende Instanz erkennt sie hierbei das Gewissen, welches dem Menschen bei seiner Wahrheitssuche entschieden beisteht. Deshalb betont sie, „dass im religiösen Bereich“ niemand gezwungen werden darf „gegen sein Gewissen zu handeln“[137] bzw. „dass der Mensch freiwillig durch seinen Glauben Gott antworten muss“[138]. Dabei beansprucht sie diese Freiheit nicht nur für die religiöse Sinnsuche des Einzelnen, sondern insbesondere auch für das gemeinschaftliche Zusammenleben. Denn „die religiösen Gemeinschaften haben auch das Recht, bei der öffentlichen Lehre und Bezeugung ihres Glaubens nicht behindert zu werden.“[139] Religiöse Freiheit ist demnach ein Recht, sich nicht nur in Glaubensfragen von seinem Gewissen ohne Zwang zu einem Bekenntnis leiten zu lassen, sondern auch seine Überzeugung frei ausleben zu können. In dem Sinne ist es legitim, wenn sie sich zu ihrer eigenen Lehre bekennt: „Wir glauben, dass diese einzige wahre Religion in der katholischen und apostolischen Kirche da ist.“[140]
Allerdings begründet sich hierin ein Problem. Denn wo immer das Bekenntnis zu einer einzig wahren Religion stattfindet, besteht in letzter Instanz eine monozentrische Grundhaltung, welche zum einen die im ersten Teil ausführlich diskutierten Probleme aufwirft. Zum anderen bestärkt es den Verdacht, dass sich ein Menschenrecht wie Religionsfreiheit innerhalb einer theokratischen Gesellschaft, welche seit jeher mehr Wert auf Rechtgläubigkeit als auf Naturrecht gelegt hat, nicht durchsetzen lässt. Ich beharre deshalb auf meiner These: Solange Wahrheit absolutistisch und nicht als Vertrauenswahrheit gedacht wird, scheint weder eine polyzentrische Grundhaltung (und damit: ernsthaftes Interesse am Gegenüber), noch eine kulturübergreifende Universalisierung der Menschenrechte möglich zu sein, da diese in letzter Instanz immer durch das Veto eines Letztgültigkeitsanspruchs relativiert werden können[141]. Die evangelische Kammer scheint dieses Problem im Ansatz wahrzunehmen, wenn sie schreibt, dass es nicht Aufgabe der Kirchen sei „eine besondere kirchliche Theorie zu entwickeln, die einen christlichen Ausschließlichkeitsanspruch mit den Menschenrechten verknüpfen würde“[142] und Religionsfreiheit demnach nicht philosophisch-theologisch, sondern sozial-ethisch gemäß der goldenen Regel begründet:
„Mit der Inanspruchnahme der Religionsfreiheit haben Christen zugleich dafür einzutreten, dass jedem Menschen das Recht zuerkannt und gesichert wird, seine - religiöse oder nichtreligiöse - Überzeugung frei und öffentlich zu äußern.“[143]
Damit löst sie das Problem des absoluten Wahrheitsanspruchs zwar nicht, umgeht es aber, um zur Akzeptanz von Religionsfreiheit zu gelangen[144].
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass auch die im Westfalischen Frieden postulierte Religionsfreiheit keine solche im modernen Sinne war, sondern noch „ganz aus dem Wahrheits- und Einheitsdenken, das die Reformation und Gegenreformation verbindet“[145], lebte. Deshalb wäre es töricht zu behaupten, das Reformationszeitalter hätte zu seinem Abschluss unmittelbar zu religiösen Freiheitsrechten geführt. Allerdings konnte es mittelbar zu einer Sensibilisierung des Themas beitragen und war somit ein bedeutender Schritt in diese Richtung. In jedem Fall sollten die Wirren des dreißigjährigen Krieges aus heutiger Sicht erwiesen haben, wie wichtig Glaubensfreiheit für das friedliche Zusammenleben der Gesellschaft ist. In dem Sinne erscheint es unumgänglich, wenn die UNO betont, dass „alle Menschen gleich an Würde und Rechten geboren“[146] sind. Der Säkularismus fordert hier nichts anderes ein als die Notwendigkeit, den Mensch als Mensch zu betrachten um Menschliches zu ermöglichen. Religion darf sich dem nicht verwehren, sondern muss ihm sein Recht auf eigene Überzeugung zugestehen. Dann findet ein fruchtbarer Austausch statt: Denn der moderne Säkularismus will keineswegs eine Art neue Ersatzreligion sein[147], sondern die Notwendigkeit der Toleranz verschiedener Weltanschauungen begründen. Damit steht er für einen fairen Dialog, sowohl zwischen den Religionen untereinander als auch zwischen ihnen und nicht-religiösen Überzeugungen. Das Christentum steht hier in einer besonderen Pflicht, anhand der eigenen (schmerzlichen) Erfahrungen mit dem Thema sowohl die Verantwortung von Religion für ein menschliches Miteinander, als auch die Dringlichkeit dieses Rechts zu bekräftigen.
II.1.4. : Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Religion und Staat im Christentum der Gegenwart
„Hieraus ersieht man aufs klarste: wie verderblich es für die Religion und für den Staat ist, den Religionsdienern das Recht einzuräumen, Verordnungen zu erlassen oder Regierungsgeschäfte zu führen.“[148]
Bereits Baruch de Spinoza erkannte in seinem theologisch-politischen Traktat, dass es für die freie Geistesentwicklung besser sei, wenn der Staat nicht maßgebend religiös beeinflusst ist, sondern beide Instanzen voneinander getrennt werden. In dem Sinne sind die Frage nach der Religionsfreiheit und der Trennung von Staat und Religion eng miteinander verbunden, da jene nur dort gewährleistet werden kann, wo der Staat sich nicht konfessionell begründet, sondern als Wahrer dieses Rechts hervortritt.
Es erscheint daher auch nicht verwunderlich, wenn die katholische Kirche sich im zweiten Vatikanum maßgeblich in ihrer Schrift „Dignitatis humanae“, also der Schrift zur Begründung der Religionsfreiheit, mit diesem Thema auseinandersetzt:
„Also muss die staatliche Gewalt, deren eigentümlicher Zweck es ist, für das zeitliche Gemeinwohl zu sorgen, zwar das religiöse Leben der Bürger anerkennen und es fördern, aber es muss gesagt werden, dass sie ihre Grenzen überschreitet, wenn sie sich anmaßt, religiöse Akte zu lenken oder zu verhindern.“[149]
Beziehungsweise
„Die Freiheit der Kirche ist das grundlegende Prinzip in den Beziehungen zwischen der Kirche und den öffentlichen Gewalten sowie der ganzen staatlichen Ordnung.“[150]
Dergleichen Zitate finden sich in „Dignitatis humanae“ zuhauf, was das Bekenntnis zur Trennung zwischen Kirche und Staat manifestiert. Dies soll sowohl den Schutz der Einzelperson als auch der Religionsgemeinschaft selbst vor staatlichen Interventionen absichern. Dabei ergibt sich die Notwendigkeit zu Erstem aus dem individuellem Gewissen des Subjekts[151] ; die Notwendigkeit zu Zweitem aus der Pluralität der Weltgesellschaft:
„Es ist nämlich offenkundig, dass alle Völker von Tag zu Tag mehr eins werden, dass Menschen verschiedener Kultur und Religion durch engere Beziehungen untereinander verbunden werden (...) Daher ist es, damit friedliche Beziehungen und Eintracht im Menschengeschlecht hergestellt und gestärkt werden, erforderlich, dass überall auf Erden die religiöse Freiheit durch einen wirksamen rechtlichen Schutz gesichert wird.[152] “
Id est: Dadurch, dass die Pluralität der religiösen Weltanschauungen innerhalb der Staaten zugenommen hat, muss der Staat ihre Freiheit gewährleisten. Denn nur so können die Religionsgemeinschaften sicherstellen, sich weltweit zu ihren Lehren bekennen zu dürfen, ohne staatliche Einschneidungen fürchten zu müssen, da sie ,nur’ ihre Freiheit einfordern, wohingegen sie sich aus politischen Fragen fernhalten[153]. Und nur so kann die Diskriminierung von religiösen Minderheiten im Staat abgeschafft und damit Konfliktpotential vermieden werden[154]. Es besteht demnach für beide Seiten ein Vorteil, wenn Religion und Gemeinwesen voneinander getrennt werden.
Auch die EKD bekennt sich zur Trennung zwischen Kirche und Staat, wenngleich sie sich in ihrer Denkschrift vom 26.09.1975 in einer interessanten Funktion betrachtet: Die Kirche als unabhängiger Berater! In diesem Sinne weist sie darauf hin, dass es aufgrund der Heilsbotschaft Christi eine elementare Aufgabe sei, nach „Bedingungen für eine rechte Ordnung des menschlichen Zusammenlebens in derjeweiligen Gegenwart zu suchen“[155]. Sie kann daher ernsthaft darauf hinweisen, was ihrer Ansicht nach elementarer Grundpfeiler der Menschenrechte sein sollte und wo sie diesen bedroht sieht. Denn selbst wenn hierin eine Differenz zum säkularen Menschenrechtsverständnis bestehen sollte, wäre der Staat nicht dazu angehalten, einem schlechten Vorschlag Folge zu leisten. Dies ist hier (glücklicherweise) nicht der Fall; im Gegenteil: Durch die Betonung des Gleichheitsgrundsatzes für alle Menschen ist die EKD mit der Überzeugung der Vereinten Nationen konform, wobei jene Freiheit und Gleichheit in einem ausgewogenen Verhältnis betrachtet[156]. So kann sie beispielsweise entschieden aufweisen, dass wirtschaftliche Freiheit nicht zu einer Ausbeutung von Arbeitnehmern führen darf, sondern soziale Grundrechte jedes Einzelnen gewährleistet werden müssen[157]. Daraus lässt sich eine bedeutende Funktion ableiten, welche die Religionen im Dialog mit den säkularen Menschenrechten der UNO einnehmen können. Denn letzte sind lediglich ein Katalog unantastbarer Rechte, der weder eine Gewichtung noch eine Rangordnung vorgibt. Hier können Religionen beratend einwirken; d.h. aus ihrer Botschaft heraus beispielsweise die Frage nach dem Verhältnis von Eigentumsschutz und Arbeitsplatzgewähr eingehender durchleuchten und auf Ungerechtigkeiten hinweisen. Denn es ist ja gerade die „Vorstellung, dass die Menschenrechte (...) immer wieder neuer Durchsetzung und Anpassung an veränderte Verhältnisse bedürfen.“ [158]
П.1.5.: Kurzzusammenfassung zum Stand der Menschenrechte im Christentum der Gegenwart
Es lässt sich bestätigen, dass in den erörterten Dokumenten die vier elementaren Fragen alle im Sinne allgemeiner Menschenrechte beantwortet wurden. Dies war lange Zeit keine Selbstverständlichkeit; stattdessen sind die neueren Erklärungen alle Ergebnis eines langen und konfliktreichen Prozesses. Es ist damit eine konfessionsübergreifende Pflicht des Christentums, ein authentischer Gesprächspartner im Dialog mit den Religionen zu sein, welche die Menschenrechte gegenwärtig nicht vorurteilsfrei übernehmen können. Dabei sollte sowohl auf den eigenen Lernprozess hingewiesen werden, als auch die Probleme anderer Religionen ernsthaft berücksichtigt werden, um keine zusätzliche Distanz aufzubauen.
Zudem hat die Erörterung ergeben, dass es einige Aspekte zu geben scheint, die ein säkulares Menschenrechtsverständnis allein nicht bewältigen kann; sondern hierzu des Austausches mit den Religionen bedarf. Hierauf möchte ich noch explizit zu sprechen kommen; zunächst aber will ich das Verhältnis zwischen Islam und Menschenrechten genauer durchleuchten.
II.2; Zum Stand der Menschenrechte im Islam der Gegenwart
Wenn ich im Folgenden den Stand der Menschenrechte im Islam der Gegenwart erörtern möchte, werde ich dies anhand derselben Fragen unternehmen, die ich zuvor auf das Christentum angewendet habe. Es wird mir also nicht möglich sein, konkrete, soziale Probleme wie die rechtliche Stellung der Frau zu erörtern, sondern, wenn überhaupt, nur kurz anzureißen. Stattdessen sollen demnach die allgemeinen Fragestellungen im Blickpunkt bleiben. Zuvor möchte ichjedoch auf zwei Aspekte hinweisen:
Erstens sind die untersuchten, islamischen Menschenrechtserklärungen nur stellvertretend für bestimmte islamische Strömungen, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass ihnen - als häufig hervorgehobene Dokumente - ein besonderes Gewicht zuteil kommt [159]. Ich möchte mich demnach ausdrücklich davon distanzieren, den Islam als eine homogene Religion zu betrachten, wiewohl es eine solche auch im Christentum nicht gibt. Denn es ist keineswegs so, dass die Erklärungen innerhalb des Islams unumstritten seien[160] ; stattdessen wird hierüber eine lebhafte, innerislamische Debatte geführt.
Zweitens will ich darauf hinweisen, dass die Bemühungen um eigenständige Menschenrechtserklärungen grundsätzlich eine Würdigung verdienen. Denn falls dies nicht geschieht, ergibt sich schnell der Verdacht des kulturellen Imperialismus’, d.h. dem Vorwurf, dass die westlichen Gesellschaften der islamischen Welt ihre Werte überstülpen würden, ohne dabei die regionalen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Ein solcher wäre in der Tat kontraproduktiv für einen offenen Dialog[161].
II.2.1. : Zum Stand der Menschenwürde im Islam der Gegenwart
Grundsätzlich wird Menschenwürde in den vorliegenden Erklärungen als ein angeborener Wert betrachtet, der dem Menschen eine Sonderstellung innerhalb der Schöpfung zuteil kommen lässt. Dabei betont die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam von 1981 (im Folgenden abgekürzt mit AEMRI) besonders die Statthalterrolle des Menschen: ,,(...) nachdem er ihn zu einem Statthalter auf Erden und ihm die gesamte Welt dienstbar gemacht hat“[162]. Damit referiert die Erklärung auf Sure 33,72 des Korans, nach welcher der Mensch die Aufsicht über das Schöpfungswerk entgegennahm[163]. Zudem betont sie, dass Allah dem Menschen „in reichem Maß Würde, Ehre und Bevorzugung vor allen anderen seiner Schöpfung zuteil werden ließ“[164]. Das Bild des Statthalters betont somit die grundsätzliche Verantwortung, die dem Menschen sowohl über die Schöpfung als auch über das zwischenmenschliche Miteinander zuteil wird und ist damit als Begründung von Menschenwürde zunächst positiv zu werten. Allerdings ergibt sich hierin das Problem, dass diese Rollenzuschreibung eher die Pflicht auf ein sittliches Leben als ein Recht auf Gleichheit unter den Menschen betont[165], was zwar einen positiven Aspekt in sich birgt: Denn diese Pflicht impliziert eine Betroffenheit um ein würdevolles Leben, wie es beispielsweise in der UN-Erklärung in dieser Stärke nicht zur Geltung kommt. Allerdings muss dieses sittliche Leben dann als gottgefälliges Leben verstanden werden, was im Extremfall als Verpflichtung zum islamischen Leben ausgelegt werden kann. Die Unterscheidung zwischen einem würdigen Leben und allgemeiner Menschenwürde wäre damit aufgehoben, wonach Würde letztlich zu einem Stufenmodell avancieren würde. Tatsächlich scheinen fundamentalistische Muslime zu dieser Auffassung zu tendieren; so soll der islamische Theologe Ayatollah Taskhiri am vierten deutsch-iranischen Menschenrechtsseminar von 1994 zwischen potentieller’ und ,aktueller’ Menschenwürde unterschieden haben, mit der Begründung, dass allen Menschen zwar potentiell die gleiche Würde zukäme, diese jedoch aktuell je nach Grad der Rechtsgläubigkeit unterschieden werden könne [166]. Zweifelsohne ist diese Auffassung gefährlich, denn sie setzt - insbesondere die nicht-muslimischen Minderheiten - dem willkürlichen Urteil derjenigen aus, die für sich selbst Rechtgläubigkeit und einen positiven Lebenswandel beanspruchen. Der persönliche Schutz vor Tyrannei wäre somit faktisch außer Kraft gesetzt; Menschenrechte wären demnach nicht für alle Menschen gleich. Auch die Kairoer Erklärung weist Tendenzen in diese Richtung auf, wenn sie im ersten Artikel davon spricht, dass zwar alle Menschen im Sinne „der grundlegenden Menschenwürde“ gleich seien und dies u.a. mit der gemeinsamen Abstammung von Adam begründet [167]. Allerdings erwähnt bereits der Folgesatz, dass „wahrer Glaube die Garantie für den Genuss solcher Würde auf dem Weg zur Vervollkommnung des Menschen“168 ist. Ihr liegt damit ebenfalls das Prinzip der Orthodoxie als höheres Gut zugrunde. An dieser Stelle ist die Arabische Charta der Menschenrechte von 2004 (im Folgenden abgekürzt mit ACMR) zu würdigen, die gleich zu Beginn ihre Überzeugung in eine einheitliche Würde bekräftigt:
„Given the Arab nation’s belief in human dignity since God honoured it by making the Arab world the cradle of religions and the birthplace of civilizations which confirms its right to a life of dignity, based on freedom, justice and equality“[169]
beziehungsweise „Eternal principles of brotherhood, equality and tolerance among all human beings“ [170]. Damit werden elementare Merkmale von Würde für alle Menschen gleichermaßen deklariert; die ,arabische Nation’ sieht sich zwar in einer besonderen Stellung, diese wird aber eher geographisch als theologisch verortet, wobei hier ausdrücklich von den Religionen im Plural die Rede ist [171]. Das Prinzip, dass Glaube ein Unterscheidungsmerkmal von Würde sein kann, findet keine Erwähnung. Eine Begründung allgemeiner Menschenwürde aufgrund von Vernunftbegabung findet sich in keiner Erklärung; stattdessen heißt es in der AEMRI nur, „dass der menschliche Verstand unfähig ist, ohne die Führung und Offenbarung Gottes den bestgeeigneten Weg des Lebens zu beschreiten“ [172] und stellt damit göttliches klar vor säkulares Recht.
Somit lässt sich festhalten, dass in allen drei Dokumenten den Menschen zwar Würde zugesprochen wird, die Frage nach deren Gleichheitjedoch offen bleibt. Lediglich die ACMR betont Gleichheit unter den Menschen als universelles Prinzip und rückt damit inhaltlich nah an die UN-Erklärung von 1948 heran. Die Betroffenheit um ein würdevolles Leben als Abgrenzung von hedonistischen bzw. nihilistischen Tendenzen kann als positiver Aspekt betrachtet werden.
II.2.2. : Die Frage nach der Universalität von Menschenrechten im Islam der Gegenwart
„Vor 14 Jahrhunderten legte der Islam die ,Menschenrechte’ umfassend und tiefgründig als Gesetz fest.“ [173] Unmittelbar zu ihrem Beginn verankert die AEMRI Menschenrechte als islamische Rechte und wirft damit ein grundsätzliches Problem auf. Denn es spricht zwar nichts dagegen, Menschenrechte als überkulturelle Rechte in der jeweiligen Kultur zu festigen; im Gegenteil: Durch die Anknüpfung an Strömungen eigener Tradition kann die Akzeptanz von Menschenrechten entschieden gefördert und dem Argument erwidert werden, es würde sich hierbei um rein westliche Rechte handeln. Wenn sie aber derart fest an die eigene Kultur (hier: den Islam) gebunden werden, entsteht ein anderer Effekt: Dann können sie nämlich nur noch als islamische Rechte gelten. In diesem Fall müssten entweder alle weiteren Kulturen akzeptieren, dass die islamische Religion die ,einzig wahre’ wäre, Universalität wäre demnach eine rein islamische Universalität. Tatsächlich beschreibt die AEMRI als Ziel den „Weg zum Aufbau einer wahren islamischen Gesellschaft“ [174]. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn einige islamische Staaten konstant an diesem Konzept festhalten [175]. Alternativ müsste man den Begriff der Universalität so ausweiten, dass dieser auf den regionalen Kulturkreis beschränkt bliebe, mit der Einsicht, dass universale Geltungsansprüche niemals kulturübergreifend wirken könnten. Dies aber wäre eine kulturrelativistische Kernabsage an das eigentliche Konzept von global gültigen Menschenrechten. Es ist damit klar, dass ein derartiger Universalitätsbegriff nicht anerkannt werden darf. Ein anderes - wenngleich ähnliches - Problem bildet der sogenannte Scharia-Vorbehalt. Dieser zeichnet sich insbesondere in der Kairoer Erklärung ab, wenn es in ihren zwei Schlussartikeln heißt, dass alle aufgeführten Rechte, Freiheiten und Artikel der islamischen Scharia unterliegen würden[176]. Damit sind vor allen zwei Schwierigkeiten verbunden: Erstens gilt die Scharia häufig als Rechtfertigung für die mindere Rechtsstellung von Frauen und religiösen Minderheiten, sowie dem Religionswechselverbot von Muslimen[177]. Es sind damit Persönlichkeitsverletzungen verbunden, die eine moderne Gesellschaft westlicher Prägung nicht bedingungslos tolerieren kann. Zweitens ergibt sich aus dem Scharia-Vorbehalt die Frage nach der generellen Akzeptanz von Menschenrechten, deren Universalität faktisch außer Kraft gesetzt wird, wenn Eingrenzungen legitimiert werden können[178]. Die Kairoer-Erklärung scheint demzufolge eher an der Begründung der bestehenden Verhältnisse als an einem wirklichen Fortschritt der Menschenrechtsentwicklung interessiert zu sein.
Im Gegensatz hierzu scheint die ACMR um einiges progressiver. Zwar werden Scharia und Kairoer-Erklärung in dieser ausdrücklich hervorgehoben, dies geschieht aber in Parallelstellung zu anderen Offenbarungsreligionen bzw. der UN-Menschenrechtserklärung überhaupt: „firmly established by the Islamic Shari’a and other divinely-revealed religions“[179] beziehungsweise
„reaffirming the principles of the Charter of the United Nations and the Universal Declaration of Human Rights (...) and the Cairo Declaration of Human Rights in Islam”[180].
Das Prinzip unveräußerlicher Menschenrechte wird ausdrücklich betont: „To establish the principle that all human rights are universal, indivisible, interdependent and indissoluble“[181]. Die ACMR nimmt somit einen Standpunkt ein, der dem Konzept universeller Menschenrechte weit näher kommt, als dies in den anderen zwei Dokumenten der Fall ist[182]. Zudem scheint eine Formulierung besonders interessant zu sein. So spricht die Präambel der ACMR davon, dass der Orient und der Okzident voneinander lernen sollten („learning between the East and the West“[183] ) und referiert damit auf einen wichtigen Aspekt: Menschenrechte sind ihrer Entwicklung nach offen und dynamisch[184], d.h. sie müssen nicht nurjeden Tag aufs Neue erkämpft werden, sondern besitzen zudem ein Fortschrittspotential,je nach Gesellschaftsstand. In diesem Sinne ist auch die westliche Gesellschaft in der Kritik, Kategorien der Menschenwürde zu verletzen, nämlich dort, wo es beispielsweise um Fragen menschenwürdigen Alterns geht[185]. Darauf kann uns der Islam mit seiner Betroffenheit um ein rechtschaffenes Leben hinweisen, wonach wir ebenfalls überlegen müssten, unser eigenes Menschenrechtsverständnis zu erweitern. Denn Universalisierung von Menschenrechten bedeutet keineswegs die bedingungslose Anpassung von fremden Menschenrechtsbildern an das eigene,sondern vielmehr einen langwierigen Prozess, in dem die verschiedenen Dialogspartner ein ehrliches Interesse mitbringen, irgendwann zu einem gemeinsamen Ziel zu gelangen.
II.2.3. : Die Frage nach der Religionsfreiheit im Islam der Gegenwart
Das Thema Religionsfreiheit’ ist wohl eines der am häufigsten problematisierten Themen in Bezug auf den Islam der Gegenwart. Denn dieser scheint seinem eigenen Absolutheitsanspruch soweit verhaftet zu sein, dass das westliche Ideal freier Religionswahl/-ausübung und religionsunabhängiger Chancengleichheit für alle Menschen nur äußerst mühsam erreicht werden kann. Diese Einschätzung wird sowohl durch eine Erörterung der AEMRI als auch der Kairoer Menschenrechtserklärung unterstützt. So gibt erste zwar eine Gesellschaft als Ziel an, in der alle Menschen unabhängig ihrer Religion gleich seien sollen[186]. Dies kann aber nur bedeuten, dass diese Gleichheit faktisch einhergeht mit einer konfessionellen Gleichheit aller Menschen, nicht mit einer Gleichbehandlung trotz unterschiedlicher Religionszugehörigkeit. Dafür spricht, dass die AEMRI unmittelbar zuvor das Ideal einer „wahren islamischen Gesellschaft“[187] propagiert; somit also für eine globale Islamisierung eintritt. Denn der Islam gilt als „wahre Religion“ des „einzigen und allmächtigen Gottes“[188] ; er ist es auch, der nach diesem Bild die „Menschenrechte umfassend und tiefgründig als Gesetz fest“[189] gesetzt hat. In dem Sinne erscheint es dann nicht weiter verwunderlich, dass, selbst wenn das Ziel eines globalen Islams nicht erreicht werden sollte, die Minderbehandlung von Nicht-Muslimen nicht als solche aufgefasst wird. Denn dadurch, dass der Islam als einzig wahre Religion konstituiert wird, gilt auch die Scharia umfassend als einzig gültiges Gesetzwerk. So wird sie in der AEMRI als göttliches Gesetz häufig erwähnt[190]. Damit ist sie nicht nur ein Mittel zur Bewahrung von Recht; sie ist vielmehr überpositive Rechtsnorm, nach der Fragen nach dem Verhältnis von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit bemessen werden. Hierin befindet sich das Problem, denn wenn Nicht-Muslimen in der Scharia ein geringerer Rechtsstatus zuteil wird, gilt dies dennoch als ,gerecht’ und wird demnach nicht als Diskriminierung erfahren.
Es ist dann wohl nicht weiter erstaunlich, wenn Glaubens- und Meinungsfreiheit insgesamt auf die Scharia beschränkt werden, so wie es dann sowohl in der AEMRI[191] als auch in der Kairoer Erklärung[192] geschieht. Das Recht positiver Religionswahl fehlt demnach in beiden Dokumenten völlig; lediglich die negative Religionsfreiheit wird erwähnt. So sichert Artikel 13 der AEMRI durch das Koranzitat „Ihr habt eure Religion, und ich die meine“ (Sure 109,6) immerhin auch den religiösen Minderheiten ihre Religion zu; in der Kairoer Erklärung findet dieses Recht explizit nur für Muslime Erwähnung:
„Der Islam ist die Religion der unverdorbenen Natur. Es ist verboten, auf einen Menschen in irgendeiner Weise Druck auszuüben (...) um ihn zu einer anderen Religion oder zum Atheismus zu bekehren.“[193]
Dabei ist es keineswegs so, dass der Islam Religionsfreiheit kategorisch ausschließen würde; bekannt ist beispielsweise das Zitat: „In der Religion gibt es keinen Zwang.“ (Sure 2,256). Mohammed Talbi schlussfolgert daraus, dass Religion „ein unbedingt freier und willentlicher Akt“ sein muss „soll der Glaube wahrhaftig und verlässlich sein“[194]. Mit anderen Worten: Auch durch den Koran lässt sich begründen, dass Glaube nur dann authentisch sein kann, wenn die Möglichkeit besteht, sich kraft seines Gewissens auch gegen oder für eine andere Religion zu entscheiden[195]. An dieser Stelle sei deshalb auf John Stuart Mill verwiesen, der in seiner Schrift „Über die Freiheit“ in vorbildlicher Weise ausgeführt hat, dass eine Meinung dann umso wirkungsvoller erscheint, wenn sie sich bewusst mit ihren Gegenmeinungen auseinandersetzt[196].
Beurteilt man die Aussagen über Religionsfreiheit in den drei Menschenrechtserklärungen insgesamt, so scheint auch hier die ACMR die liberalste zu sein. So sichert Artikel 25 den staatlichen Minderheiten explizit ihre eigene Religionsausübung zu und die in Artikel 30 zuerkannte Gedankensund Glaubensfreiheit gilt ohne Erwähnung eines Scharia-Vorbehalts. Allerdings ergibt sich das Problem durch die Hintertür, wenn diese ausdrücklich durch das Gesetz eingeschränkt werden kann („which may be subject only to such limitations as are prescribed by law“[197] ) bzw. Kategorien wie die öffentliche Sicherheit herangezogen werden, um freie Religionsausübung einzuschränken[198]. Es ist demnach die Frage, inwieweit das staatliche Gesetz diese Einschränkungen manifestieren darf bzw. ab wann eine Religionsausübung als öffentlichkeitsgefährdend eingestuft wird. Falls demnach die staatlichen Gesetze ausdrücklich auf der Scharia gründen sollten, könnte damit die religiöse Freiheit praktisch unterwandert werden, ohne der ACMR zu widersprechen[199]. Demnach nimmt sie einen Zwischenstatus zwischen der UN-Menschenrechtserklärung einerseits, der AEMRI bzw. der Kairoer Erklärung andererseits ein, da sie sowohl liberale als auch traditionelle Auffassungen prinzipiell zulässt.
II.2.4. : Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Religion und Staat im Islam der Gegenwart
Eine banale Erkenntnis vorweg: Alle drei Dokumente sind in ihrer Wirkungsabsicht als Gesetzestexte verfasst; lediglich die AEMRI besaß als von Londoner Theologen entwickelte Proklamation nicht den Anspruch, ein völkerrechtlich bindendes Dokument zu sein[200]. Im Gegensatz dazu sind sowohl die Kairoer Erklärung als auch die ACMR mittlerweile völkerrechtlich bindend[201], wobei der Kairoer Erklärung nach wie vor größerer Einfluss innerhalb der arabischen Welt zuteil kommt. Allein daraus lässt sich der große Einfluss ableiten, den die Religion auf das staatliche Geschehen ausübt. De facto scheint der Islam von Beginn an eng mit der Politik verbunden gewesen zu sein; immerhin war Mohammed selbst nicht nur Religionsstifter, sondern zugleich auch einflussreicher militärischer Stratege, weswegen gelegentlich gefordert wird, seine religiösen von seinen politischen Leistungen zu trennen[202]. Diese theokratische Verbundenheit scheint bis heute eng auf den islamischen Staatsgedanken einzuwirken, weswegen Ludger Kühnhardt zu folgender These gelangt:
„Während die westliche Staatsphilosophie den modernen, säkularen Staat auf den Volkssouveränitätsgedanken gründet, bleibt in islamischer Vorstellung die Souveränität letztlich in Allah verhaftet und verborgen“[203].
Wenn sowohl die AEMRI als auch die Kairoer Erklärung aus orthodoxer Sichtweise heraus argumentieren, manifestieren sie somit den Islam als gesellschaftsbegründende Religion. So gibt die AEMRI das Ziel der islamischen Gesellschaft an. Die Kairoer Erklärung bekräftigt in ihrer Präambel ausdrücklich, dass „dringend der Glauben als Träger der Zivilisation benötigt“ wird, sowie die Verbindlichkeit islamischer Gesetze als grundlegende Rechte und Freiheiten[204]. Daraus ergibt sich erneut die Problematik der Scharia als göttliches und damit autoritatives Gesetzwerk mit den damit verbundenen Spannungen. Es ist darum offensichtlich, dass die Rechte von Minderheiten kraft göttlichen Entschlusses umgangen werden können. Zwar betont die AEMRI, dass die monotheistischen Minderheiten (und nur diese) im Streitfall ihre eigene Offenbarung anstelle der Scharia als Rechtsnorm heranziehen können[205]. Diese Regelung kann aber einhergehen mit der Bildung von Parallelgesellschaften, da die angesprochenen Gruppierungen dadurch von vornherein von gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen ausgeschlossen werden, wenn ihre einzige Möglichkeit mehrheitsgültiges Gesetz zu beeinflussen darin besteht, es auf diese Weise zu umgehen. Außerdem dürfte es ziemlich unwahrscheinlich sein, sich als Minderheit soweit vom Großteil der Gesellschaft zu distanzieren, dass diese keinen Einfluss mehr auf die eigene Lebensweise ausüben könnte. Sollte dies trotzdem gelingen, käme dies der völligen Abschottung gegenüber der Umwelt gleich; damit auch dem Ausschluss beispielsweise vom (öffentlichen) Bildungswesen und wäre deshalb keineswegs wünschenswert.
Zudem: Trotz der Erwähnung der Scharia als Gesetznorm gilt, dass ihre Auslegung keineswegs unumstritten ist. Denn „ebenso wenig wie ,den Islam’ gibt es (...) ,die’ - einzige - Scharia“[206]. Bekannt ist das Beispiel, nach dem einem Dieb die Hand abgehackt werden soll: „Wenn ein Mann oder eine Frau einen Diebstahl begangen hat, dann haut ihnen die Hand ab!“ (Sure 5,38). An- Na’Im schreibt hierzu, dass, während dem westlichen Gemüt die Strafe hart und unangemessen erscheinen mag, ein fundamentaler Muslim diese durchaus als milde empfinden kann, mit der Begründung, lieber die Hand zu verlieren als im Jenseits größeren Qualen ausgesetzt zu sein. An-Na’Im schlägt deshalb vor, die Scharia-Definition von ,Diebstahl’ so auszuweiten, dass die Strafe zwar bestehen bleibt, in ihrer Praxis jedoch keine Anwendung mehr findet[207]. Dies zeigt das Problem, denn gerade durch diese äußerst undeutliche SchariaAuslegung ist derjenige, der nach ihrem Gesetz verurteilt wird, letztlich der willkürlichen Auslegung desjenigen ausgeliefert, der nach ihr richtet. Somit ist ihre theokratische Rechtsgültigkeit nicht nur eine Absage an den Rechtsschutz des Individuums, sie stärkt vielmehr den politischen Einfluss derjenigen, die befugt sind, sie zu interpretieren. In dem Sinne ist es vorbildlich, wenn die ACMR keinen unmittelbaren Scharia-Bezug mehr enthält. Zwar kommt auch sie nicht ohne ihn aus, dieser beansprucht aber keine autoritative Gültigkeit für die Gesetzesgebung mehr, was den Weg zu einer liberaleren Gesetzgebung ebnet. Stattdessen scheint er in der Präambel vielmehr als gemeinsamer Anknüpfungspunkt der monotheistischen Religionen zu fungieren, auf dem Prinzipien wie „brotherhood, equality and tolerance among all human beings“[208] gründen können. Denn es kommt nicht darauf an, die Scharia pauschal zu verurteilen. Es ist aber ein Unterschied, ob sie als religiöser Leitfaden aufgefasst wird, dem sich die Glaubenden freiwillig zuwenden oder ob es sich um ein Gesetzwerk handelt, das Rechtsgültigkeit für alle Menschen beanspruchen will.
Zusammenfassend ergibt sich demnach die Wichtigkeit einer Glaubensauffassung aus dem VertrauensaÄT statt aus einem metaphysisch letztgültigem Wahrheitsverständnis heraus[209]. Denn nur wenn erkannt wird, dass Religion keineswegs allumfassend ,bewiesen’ werden kann, sondern immer mit dem freien Entschluss der Person zum Glauben einhergeht, wird es langfristig möglich sein, den Standpunkt theokratischer Gesetzgebung zu verlassen, da dieser dann keine autoritative Gültigkeit für menschliches Gesetzwerk mehr beanspruchen kann.
II.2.5. : Kurzzusammenfassung zum Stand der Menschenrechte im Islam der Gegenwart
Die Untersuchung hat ergeben, dass der Islam - zumindest in der AEMRI und der Kairoer Menschenrechtserklärung - noch ganz dem theokratischen Denken verhaftet ist. Daraus ergibt sich die hohe Wertung der Scharia als Gesetznorm, die in allen erörterten Aspekten festgehalten werden konnte. Lediglich die ACMR scheint liberaler zu sein und ist somit inhaltlich deutlich näher an der UN-Menschenrechtserklärung von 1948 angelehnt, wenngleich auch sie in einigen Punkten nicht ganz unproblematisch erscheint. Dennoch ist sie als eindeutige Fortentwicklung der anderen beiden Dokumente zu würdigen, nachdem ihr unmittelbarer Vorgänger - die Arabische Charta der Menschenrechte von 1994 - mangels Ratifizierung kein völkerrechtlich bindendes Dokument werden konnte[210]. Es ergibt sich gemäß der Erörterung, dass besonders im traditionellen Islam ein Umdenken stattfinden sollte, das seine Bedenken vor kulturellem Imperialismus, sowie seine Sorgen um ein menschenwürdiges Dasein bzw. die Angst vor Nihilismus zwar durchaus ernst nimmt, andererseits jedoch versucht, den Standpunkt letztgültigem Wahrheitsdenkens zu verlassen. Dies ist zweifellos ein langer und schwieriger Prozess, bei dem das Christentum nicht einfach wegsehen sollte, sondern in besonderer Verantwortung steht, als authentischer Dialogspartner zur Seite zu stehen und durchaus die eigenen Probleme, aber auch die Gründe benennt, die zu seiner Akzeptanz der Menschenrechte geführt haben. Damit dies geschehen kann, ist eine polyzentrische Grundhaltung - zumindest für einen Dialogspartner - unerlässlich, da nur so die Probleme des Gegenübers ernsthaft erfahren werden können.
Π.3.: Kurzrestimee des zweiten Teils
Während das Christentum mittlerweile erkannt hat, wie wichtig säkulare Menschenrechte für ein menschliches Miteinander sind, sieht der Islam hierin Schwierigkeiten. Dies mag sich u.a. aus der Angst begründen, dass ein modernes Menschenrechtsethos die Sinnsuche vernachlässigen könnte, welche nach katholischem Verständnis eng mit der Menschenwürde verbunden ist. Daraus kann eine Frontenverhärtung entstehen, die letztlich dazu führt, dass fundamentale Positionen gestärkt werden, während liberale Tendenzen oftmals mit der Angst vor Nihilismus und Hedonismus einhergehen. Dass dies nicht zwingend der Fall sein muss, wird dann besonders deutlich, wenn die Chancen transparenter gemacht werden, die ein Austausch zwischen säkularem Menschenrechtsverständnis und den Religionen evozieren kann. Dies benötigt allerdings eine neue Offenheit sowohl säkularen Menschenrechten als auch anderen Religionen gegenüber, die sich zwar mutig zu ihrer Wahrheit bekennt, diese jedoch nicht als letztgültig erfährt. Ich werde deshalb in den verbleibenden beiden Teilen meiner Arbeit auf genau diese Aspekte zu sprechen kommen, indem ich zunächst hinterfragen werde, welche Lösungsansätze zur Universalisierung von Menschenrechten innerhalb der Religionen möglich sind (dritter Teil). Anschließend werde ich erörtern, welche Chancen ein Austausch zwischen den Religionen und dem Säkularismus in Bezug auf die Menschenrechte in sich birgt (vierter Teil).
Teil III: Ansätze zur Universalisierung von Menschenrechten
Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass die Universalisierung von Menschenrechten sich als äußerst mühselig gestaltet. Insbesondere für den einflussreichen, orthodoxen Islam gilt, dass dieser aufgrund seines starken Absolutheitsanspruchs Menschenrechte entweder als islamische Rechte begreift oder ihre Universalität zugunsten islamischem Scharia-Rechts tendenziell ablehnt. Soll deshalb eine Durchsetzung säkularer Menschenrechte erzielt werden, mündet dies zunächst in der Frage, ob diese sich aus dem Koran als heilige Offenbarungsschrift der Muslime ableiten lassen. Dies hätte zweifellos den Vorteil, dass sie dadurch auch für orthodoxe Muslime ratifiziert werden können, ohne dass ein Bruch mit ihrer eigenen Kultur zu befürchten wäre. Damit soll dies die Kernfrage des ersten Abschnitts dieses Arbeitsteils sein. Für das Christentum hingegen will ich auf diese Frage weitgehend verzichten, da mir hier, zumindest in der westlich geprägten Christenheit, eine Übereinstimmung mit den Menschenrechten gegeben zu sein scheint[211]. Dennoch heißt das nicht, dass ich nicht auf es verweisen werde, wenn dies im Rahmen der Erörterung angebracht ist.
Im zweiten Abschnitt hingegen werde ich mich zwei Lösungsansätzen zur Problematik widmen, wie ein neues Wahrheitsverständnis innerhalb der Religionen; d.h. Vertrauenswahrheit erzielt werden kann. Ich habe diesen Begriff im Rahmen meiner Arbeit schon einige Male erwähnt und möchte nun erläutern, was ich hierunter verstehe: Vertrauenswahrheit geht wesentlich mit der Erkenntnis einher, dass sämtliche religiöse Heilsbotschaften aufgrund ihrer Unbeweisbarkeit und Unerforschbarkeit weder den mathematischnaturwissenschaftlichen noch den empirisch-soziologischen Wahrheitsanforderungen entsprechen und deshalb keinen Letztgültigkeitsanspruch erheben können, sondern nur kraft des in sie gesetzten Vertrauens ihre Gültigkeit für die Individuen und Glaubensgemeinschaften als praktische Glaubens- und somit Wahrheitserfahrungen entfalten, weswegen sie für Nicht-Glaubende als solche außen vor sind. Id est: Während sich beispielsweise ein naturwissenschaftliches Phänomen durch Experimente belegen lässt oder das Verhalten von Grundschulkindern auf dem Pausenhof durch qualitative und/oder quantitative Untersuchungen erforscht werden kann, ist dies bei religiösen Wahrheiten nicht der Fall. Stattdessen entwickeln diese ihre Dynamik erst dann, wenn sich die Glaubenden als Subjekte auf diese einlassen, d.h. innerhalb eines Identifikationsprozesses realisieren, dass ihnen hierdurch eine eigentümliche Energie zuteil wird, die sie als Wahrheit begreifen. Aus dem Grund erscheint es evident, dass Vertrauenswahrheit das Moment der Freiwilligkeit enthält, da sie nur so zu ihrer vollen Entfaltung kommen kann. Es bedeutet deshalb nicht, religiöse Botschaften als irreal oder falsch zu relativieren, um aufgrund der daraus resultierenden Verunsicherung zu einem säkularen Menschenrechtsverständnis zu gelangen. Dann wären Menschenrechte in der Tat eine Art Heilsbotschaftsersatz, was sie aber ihrer Idee nach weder sein können noch wollen. Stattdessen heißt es vielmehr zu verstehen, dass alle Religionen eigene Antworten auf der Suche nach Sinn sind, die darum als selbständige Manifestationen des Numinosen gewürdigt und respektiert werden müssen. In dem Sinne meint es Abstand vom Absolutheitsanspruch bei gleichzeitiger Bewahrung des Heiligkeitsanspruchs[212]. Der Fokus sitzt demnach nicht primär auf dem Inhalt der Botschaft als einzig gültiger Offenbarung, sondern vielmehr auf der Heiligkeitserfahrung, die den Glaubenden aus ihrem Vertrauen an diese Offenbarung zuteil wird[213]. Denn eine solche Erfahrung kann in allen Religionen erlebt werden, obgleich sich diese völlig anders ausdrücken mag. Die Notwendigkeit zu einem solchen Wahrheitsverständnis zu gelangen, scheint mir deshalb sowohl für den Islam als auch für das Christentum zu bestehen. Denn meiner Erfahrung nach bleibt auch das Christentum entweder dem Absolutheitsanspruch verhaftet und verschließt sich somit - bewusst oder unbewusst - dem Dialog oder es relativiert seinen eigenen Wahrheitsanspruch soweit, dass es nicht mehr die erforderliche Kraft aufbringen kann, im Gespräch als selbständiger Partner zu bestehen. Der Begriff der Vertrauenswahrheit sucht hier die gesunde Mitte.
Im konkreten Bezug auf diese Arbeit bedeutet ein solches Verständnis zweierlei:
Erstens hilft es - aufgrund der hierdurch postulierten Gleichberechtigung - eine polyzentrische Grundhaltung entschieden zu fördern, die im ersten Teil als maßgebend für einen authentischen Dialog herausgearbeitet wurde. Nur eine solche kann dazu beitragen, die Sorgen und Auffassungen des Partners nicht von vornherein zu verurteilen, sondern in eine ernsthafte Konversation einzutreten, um hierüber zu echten Fortschritten im Einigungsprozess zu gelangen. Dies ist dann auch förderlich für den Menschenrechtsdialog, da erst in einer polyzentrischen Grundhaltung das Vorurteil abgebaut werden kann, säkulare Menschenrechte seien aus dem Christentum entstanden und als solche nur auf dieses übertragbar.
Zweitens betrifft es unmittelbar den Menschenrechtsdialog. Maßgebend ist hierbei die Einsicht, dass kein Mensch nach einer religiösen Gesetzgebung be- oder verurteilt werden darf, sofern Vertrauenswahrheit etwas ist, was den freiwilligen Gehorsam erfordert. Es ist dann für das zwischenmenschliche Leben nicht mehr dienlich, nach Gesetzen zu richten, die dem einen zwar als unumstößlich gelten mögen, dem anderen jedoch nicht. Stattdessen wurde erkannt, dass, da es verschiedene Heilsbotschaften gibt, ein theokratisches Rechtsverständnis nicht dazu in der Lage ist, das Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft zu definieren. Dies öffnet langfristig die Tür für ein säkulares, interreligiös gültiges Menschenrechtsverständnis.
III.1.; Zur Universalisierungsmöglichkeit von Menschenrechten im Islam anhand des Korans
Der Versuch, säkulare Menschenrechte aus dem Koran ableiten zu können, gestaltet sich als komplex, jedoch nicht als völlig unmöglich. So gibt es immer wieder islamische Gelehrte, die dies unternommen haben, zum Teil mit unterschiedlichen Aspekten. Da ich mich hier nicht auf die Universalisierung aller Menschenrechte konzentrieren kann, möchte ich mich auf das wichtige Recht der Religionsfreiheit beschränken.
Beispielsweise hat Mohammed Talbi sie in seinem Aufsatz „ReligionsfreiheitEine muslimische Perspektive“[214] aus dem Koran zu belegen versucht. Er begründet dies u.a. mit der Fähigkeit des Menschen zum Geistigen, welche aus Sure 32,9 hervorgeht: „(...) und ihn hierauf (zu menschlicher Gestalt) geformt und ihm Geist von sich eingeblasen hat (...)“ Talbi sieht hierin die Ebenbildlichkeit des Menschen zu Gott begründet und zieht damit eine Parallele zum Würdegedanken in Christentum und Judentum, womit er letztlich die Religionsfreiheit begründen kann: „Daraus ergibt sich von selbst, dass Eckstein aller Menschenrechte die Religionsfreiheit ist.“[215] Dabei kann er zur Stützung seiner Perspektive weitere Koranzitate heranführen; so z.B. Sure 2,256: „In der Religion gibt es keinen Zwang (d.h. man kann niemand zum (rechten) Glauben zwingen).“[216] Somit ist für ihn deutlich, dass Glaube ein Akt des freiwilligen Gehorsams sein muss, der erst in seiner bewussten Entscheidung zu ihm seine volle Gültigkeit entfalten kann. Religionsfreiheit gilt ihm demnach als universelles Recht:
„In Wirklichkeit ist die Religionsfreiheit letztlich das Recht, für sich selbst zu entscheiden, ohne jede Form von Zwang, Furcht oder Angst; sie ist das Recht zu glauben oder nicht zu glauben, das Recht, sein Schicksal in voller Bewusstheit zu übernehmen“[217].
Es gelingt ihm somit aus dem Koran zu argumentieren, dass Religionsfreiheit fundamentales Menschenrecht ist, das nicht aufgehoben werden kann[218].
Ein anderes Beispiel für eine Begründung von Menschenrechten aus dem Koran liefert die muslimische Religionswissenschaftlerin Riffat Hassan[219]. Auch sie bekräftigt das Recht der Religionsfreiheit, wobei sie neben Sure 2,256 auch auf Sure 18,29 („Wer nun will möge glauben, und wer nun will, möge nicht glauben“), Sure 2,62 („Diejenigen, die glauben (d.h. die Muslime) und diejenigen, die dem Judentum angehören und die Christen und die Sabier (...) und sie brauchen (wegen des Gerichts) keine Angst zu haben, und sie werden (nach der Abrechnung am jüngsten Tag) nicht traurig sein“) und Sure 6,108 („Und schmäht nicht diejenigen, zu denen sie (d.h. die Heiden) beten, statt zu Gott, damit sie in (ihrem) Unverstand nicht (ihrerseits) in Übertretung (der göttlichen Gebote?) Gott schmähen“) zurückgreift[220]. Dies ist wichtig, wenn gegen fundamentalistische Auffassungen argumentiert werden soll, dass Religionsfreiheit kein bzw. nur ein beschränktes Recht sei und damit für eine Trennung der Gesellschaft in die Klassen der Gläubigen und Nicht-Gläubigen plädieren, wobei den Juden und Christen ein Sonderstatus unter den NichtMuslimen eingeräumt wird. Hieraus ergibt sich jedoch das Generalproblem, das eine Begründung aus der Offenbarung mit sich führt. Denn diese lässt grundsätzlich - neben den liberalen - auch die fundamentalen Perspektiven zu, die elementare Menschenrechte widerlegen können. Dazu ist es ,nur’ nötig, entweder ein gegensätzliches Zitat zu finden oder dasselbe Zitat anderweitig auszulegen. Problematisch ist beispielsweise Sure 12,40:
„Ihr dienet an seiner Statt bloßen Namen, die ihr und eure Väter aufgebracht habt, und wozu Gott keine Vollmacht herabgesandt hat. Die Entscheidung steht allein Gott zu. Er hat befohlen, dass ihr nur ihm dienen sollt. Das ist die richtige Religion.“
Unabhängig des historischen Kontexts, in dem diese Sure steht und der - meines Erachtens - hier berücksichtigt werden sollte, kann diese Sure in zwei Richtungen interpretiert werden, wobei im Fokus der Satz „die Entscheidung steht allein Gott zu“ steht. Denn dieser kann einerseits so aufgefasst werden, dass es keinem Menschen möglich sein darf, über andere Menschen zu richten, selbst wenn diese der eigenen Auffassung nach ungläubig sein sollten, da Gott allein Richter ist. Diese Interpretation würde demnach die Position stärken, dass Religionsfreiheit fundamentales Menschenrecht sei. Andererseits kann der Satz auch so ausgelegt werden, dass eine Gottesherrschaft die einzig gültige Staatsform sei, wenn nämlich „die Entscheidung Gottes“ mit den Lehren der Scharia gleichgesetzt wird, was in die bekannten Probleme mündet. Rotraud Wielandt weist auf genau diesen Aspekt hin, wenn sie schreibt, dass die frühislamische Bewegung der Harigiten diese Interpretationsweise zur Begründung einer „kompromisslosen Theokratie“ benutzte[221]. Auch im Christentum ist es ja keineswegs selbstverständlich, dass insbesondere die Religionsfreiheit durchgehend als elementares Recht gegolten hätte. So kann beispielsweise das Zitat Mk 16,15f. („Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden“) zu höchstem missionarischen Eifer missbraucht werden[222]. Ich betone an dieser Stelle erneut, dass auch der Reformation wenig an Religionsfreiheit gelegen war, sondern diese ganz dem Wahrheits- und Einheitsanspruch verhaftet gewesen ist[223]. Das heißt, dass all diejenigen, welche die Lehre von der Rechtfertigung nicht annehmen konnten, als ,verführt’ und ,verstockt’ gelten mussten .[224]
Somit ergibt sich schlussendlich, dass eine Begründung aus der Offenbarung sowohl im Christentum als auch im Islam ein zweischneidiges Schwert ist. Einerseits eröffnet sie den Glaubenden einen leichten Zugang zu Menschenrechten ohne einen möglichen Bruch mit der eigenen Tradition oder komplexen, philosophischen Fragestellungen. Sie begründet vielmehr Menschenrechte innerhalb der eigenen Weltanschauung, was für ihre volle Akzeptanz stellenweise unerlässlich erscheint. Dies gilt besonders im Hinblick auf diejenigen, die der Glaubensgemeinschaft erklären wollen, Menschenrechte ließen sich innerhalb der eigenen Religion nicht bzw. nur in einem ideologieinternen Sinne beantworten. Daraus erwächst jedoch die Schwierigkeit, dass eine solche Begründung immer auch eine Alternative zulässt, die wenig liberal, dafür aber fundamentalistisch und intolerant sein kann. Daher muss darauf hingewiesen werden, dass es zusätzlich anderer Begründungsmaßnahmen bedarf, wobei ich im Folgenden zwei erste Ansätze zur Erzielung von Vertrauenswahrheit vorstellen möchte.
Ш.2.; Akzeptanzansätze von Vertrauenswahrheit
III.2.1. : AkzeptanzdurchJürgen Habermas’ Universalisierungsgrundsatz
In diesem Abschnitt möchte ich auf den von Jürgen Habermas als Brückenprinzip gekennzeichneten Universalisierungsgrundsatz (U) eingehen, den er im Rahmen seiner Diskursethik als Methode begründet, um ethische Normen durch Dialog ableiten zu können[225]. Obwohl ich mir sehr wohl darüber bewusst bin, dass es sich bei dem Konzept der ,Vertrauenswahrheit’ viel mehr um eine Überzeugung als um eine ethische Grundregel handelt, möchte ich diesen Universalisierungsgrundsatz dennoch darauf anwenden. Denn erstens erfordern auch Überzeugungen ein Einfühlungsvermögen in den Dialogpartner, das den von Habermas erforderten Rollentausch erzwingt. Zweitens scheint mir diese Überzeugung so fest mit der Möglichkeit zur Universalisierung vom Menschenrecht der Religionsfreiheit verbunden zu sein, dass eine Anwendung ermöglicht wird.
Der Universalisierungsgrundsatz, so wie Habermas ihn vorschlägt, baut auf Kants kategorischem Imperativ auf. Dabei übernimmt jener das Prinzip, dass allgemeine Normen aus einem allgemeinen Willen abgeleitet werden können. Allerdings verortet er die normenableitende Instanz nicht im Subjekt, so wie Kant seinen kategorischen Imperativ formuliert hat („Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“[226] ), sondern im Dialog der Gesprächspartner selbst. D.h., dass Habermas großen Wert darauf legt, dass alle Beteiligten in der Kommunikation ihren eigenen Standpunkt mit einbringen können, so wie sie gleichzeitig gezwungen sind, die Standpunkte anderer einzunehmen. In diesem Sinne spricht er von einem „universellen Rollentausch“[227] und setzt sich für folgenden Satz ein:
„Statt allen anderen eine Maxime, von der ich will, dass sie ein allgemeines Gesetz sei, als gültig vorzuschlagen, muss ich meine Maxime zum Zweck der diskursiven Prüfung ihres Universalitätsanspruchs allen anderen vorlegen.“[228]
Ferner an anderer Stelle:
„Nur unter den Kommunikationsvoraussetzungen eines universell erweiterten Diskurses, an dem alle möglicherweise Betroffenen teilnehmen und in dem sie in hypothetischer Einstellung zu den jeweils problematisch gewordenen Geltungsansprüchen von Normen und Handlungsweisen mit Argumenten Stellung nehmen könnten, konstituiert sich die höherstufige Intersubjektivität einer Verschränkung der Perspektive eines jeden mit den Perspektiven aller.“[229]
Das mit dem Universalisierungsgrundsatz vorgeschlagene Prinzip trägt demnach dazu bei, aufbauend auf dem kategorischen Imperativ Normen zu finden, die für alle Beteiligten Gültigkeit beanspruchen können.
Angewandt auf den zu ratifizierenden Aspekt der Vertrauenswahrheit bedeutet dies Folgendes: Ausgehend von der Gleichberechtigung der Dialogspartner müssten sich absolute Wahrheitsansprüche gegeneinander messen, was letztlich in die Begründungsnot führt, die eigene Wahrheit als alleingültig vor derjenigen anderer zu konstituieren. Diese Perspektive dürfte wohl scheitern, da eine solche Begründung auf eine Argumentationslinie angewiesen ist, die sich erstens außerhalb sämtlicher Offenbarung befindet[230] und zweitens immer den Moment des Spekulativen in sich birgt. Die Diskussion würde also voraussichtlich, wenn sie auf der Inhaltsebene mit Letztgültigkeitsanspruch geführt wird, in eine Pattsituation münden, die letztlich zwei Ergebnisse erzielte: Erstens müsste den Dialogsteilnehmern der Grundsatz offenbar werden, dass kein Mensch einfach zu einer anderen Konfession bewogen werden kann, ohne dass dies auf der Basis des Freiwilligen geschieht. Es ist ein unumstößliches Recht, dieselbe Freiheit für andere zu gewährleisten, die jeder für sich selbst ebenfalls attestiert. Zweitens kann ein solcher Dialog zu der Einsicht führen, dass ein neues Wahrheitsverständnis notwendigerweise gedacht werden müsste, wenn nicht am Ende die ernüchternde Auffassung stehen soll, dass sämtliche religiöse Botschaft - da unbeweisbar - völlig relativistisch sein muss. In dem Sinne fördert der Universalisierungsgrundsatz das Verständnis von Vertrauenswahrheit: Primär ausgehend von einer „Anerkennung der Subjekte im Prozess der Kommunikation“[231] ist eine Gleichberechtigung der Dialogspartner, nicht der Diskussionsinhalte, erforderlich, um in einen lebhaften Kommunikationsprozess einzutreten. Damit aber ist die Frage aufgeworfen, wie der eigene Wahrheitsanspruch beibehalten werden kann, ohne denjenigen des Gegenübers zu verurteilen. Der Wahrheitsbegriff aufgrund der Anerkennung aus Vertrauen kann hier zur Problemlösung beitragen. Denn aufbauend auf der im Dialog erzielten Erkenntnis, dass es keine allgemeingültige Wahrheit gibt, besteht dennoch die Möglichkeit, die Botschaft im Vertrauen anzunehmen. Die daraus resultierende Erfahrung als Wahrheitserfahrung zu bezeichnen, ermutigt sowohl das Subjekt/ die Glaubensgemeinschaft, für die eigene Überzeugung einzutreten, wie auch der Fehler verhindert wird, die eigene Anschauung als einzig wahre zu bestimmen, womit sie zur Legitimation von Religionsfreiheit als zentralem Menschenrecht beitragen kann.
Leider gibt es ein grundsätzliches Problem, was eine Akzeptanz von Vertrauenswahrheit durch den Universalisierungsgrundsatz erheblich erschwert. Es wurde unter anderem von Trutz Rendtorff darauf hingewiesen, dass die in der Habermasschen Theorie beschriebene Diskursgemeinschaft eine ideale sei[232]. Aber die Anerkennung gleichberechtigter Subjekte im Dialog als Prämisse zu setzen, ist keineswegs selbstverständlich. Denn es erscheint ja gerade so, als ob dies die eigentliche Herausforderung sei, mit denen eine Diskursethik zu kämpfen hat. Ich habe im Rahmen des ersten Teils darauf hingewiesen, dass sich eine polyzentrische Dialogsgrundhaltung und eine Gleichberechtigung der Dialogsteilnehmer gegenseitig bedingen, wohingegen eine monozentrische Grundhaltung letztlich mit einer - zumindest subjektiven - Ungleichposition einhergeht, die einen offenen Dialog verhindern kann.
Damit ist es mehr als fragwürdig, die Gleichberechtigung der Botschaft von derjenigen der Gesprächspartner zu trennen, wenn nicht gar ausgeschlossen. Dies ist aber Bedingung, wenn der Diskurs auf Grundlage des Universalisierungsgrundsatzes gelingen soll. Somit setzt dieser Ansatz schlussendlich das voraus, was er eigentlich erreichen will. Denn die Bereitschaft auf eine andere Lehre einzugehen und sich dem Gesprächspartner zu öffnen, bedeutet wenigstens soweit von der eigenen Anschauung ablassen zu können, als dass sie prinzipiell zur Diskussion freigegeben wird. Ich appelliere deshalb an die besondere Verantwortung einer aufgeklärten liberalen Gesellschaft, immer wieder auf die Vorteile eines gleichberechtigten Dialogs hinzuweisen. Es bleibt dann zu erhoffen, dass sich die Seiten irgendwann einander annähern können.
Allerdings ergibt sich aus der Gesamtproblematik ebenfalls, dass eine endgültige Ratifizierung wohl immer auch aus der Religion selbst erfolgen muss[233].
III.2.2. : Akzeptanz durch ein geschichtliches Offenbarungsverständnis
Der folgende Ansatz möchte sich mit der These auseinandersetzen, dass der Koran kein übergeschichtliches Werk ist, sondern historisch verankert werden muss. Diese Auffassung wird vor allen von Ömer Öszoy und Nasr Hamid Abu Zaid vertreten. Bei aller Unterschiedlichkeit der beiden Exegeten möchte ich deshalb hier nur auf diese gemeinsame Grundüberzeugung eingehen. Am Ende dieses Abschnitts werde ich kurz hinterfragen, welche Schlussfolgerung sich daraus für den angesprochenen Begriff der Vertrauenswahrheit ergibt.
Zunächst ist festzuhalten, dass beide die Geschichtlichkeit des Korans anhand seines dialogischen Charakters verankern können. Es ist keineswegs so, dass der Koran ungeschaffenes, präexistentes Gotteswort sei, welches Mohammed im Wortlaut überliefert wurden ist. Stattdessen spricht beispielsweise Zaid von der Polyphonie des Korans[234] ; d.h. geschichtlicher Rede, bei der die damals gegenwärtigen Adressaten mitgedacht wurden. Er belegt dies u.a. mit dem Argument, dass in ihm immer wieder Begebenheiten erscheinen, wo die frühmuslimische Gemeinde sich Auskunft von Mohammed erhoffte[235]. Auch Öszoy weist in ähnlicher Weise auf diesen Aspekt hin und verweist darauf, dass der Koran ein „offener Gesprächsverlauf zwischen Immanenten und Transzendenten“[236] sei. Klarer gesprochen: Der Koran bildet als geschichtlich verankertes Werk nur einen Teil göttlichen Wortes; es erschöpft sich weder in ihm, noch heißt das, dass - auf die heutige Zeit übertragen - seine Antworten noch immer die gleichen sein müssen. Es ist darum nicht verwunderlich, wenn beide Exegeten die Evangelien und die Thora als ebenfalls göttliche Manifestationen erwähnen, mit dem Vermerk, dass der Koran darum nur eine von mehreren geschichtlichen Offenbarungsformen sei[237]: „Nicht allein der Koran ist das Wort Gottes oder die Rede Gottes, er ist vielmehr eine Manifestation vom Wort Gottes.“[238] Dabei geht Zaid soweit, dass er die Offenbarung an Mohammed nicht als Überlieferung im Wortlaut, sondern viel mehr als Eingebung versteht, die nonverbal gedacht werden muss[239]. Diese Erkenntnis halte ich für sehr entscheidend: Denn tiefe religiöse Erlebnisse hat es, insbesondere im Rahmen der Mystik, immer wieder gegeben. Zweifelsohne dürfte Mohammed solche erlebt und ihres göttlichen Ursprungs überzeugt gewesen sein. Doch das heißt weder, dass die ausformulierte Form dieser Eingebungen Gottes exaktem Wortlaut entsprechen muss, noch, dass sie übergeschichtliche Geltung besitzen. In dem Sinne ist der Koran auch nicht als solches Werk aufzufassen, sondern viel mehr als eine überzeitlich gültige Botschaft. Denn keiner der beiden Exegeten bestreitet seine Gültigkeit für die heutige muslimische Gemeinschaft. Im Gegenteil: Besonders Öszoys Ziel ist es, den Sinn der ursprünglichen Botschaft in die Gegenwart zu transportieren[240], um den Koran so vor willkürlicher Auslegung zu schützen.
Denn er hat erkannt, dass das Dogma der Übergeschichtlichkeit paradoxerweise nicht vor Willkür absichert, sondern diese gerade hervorruft[241]. Ein geschichtlicher Zugang kann dies im gewissen Sinne verhindern, da seiner Auffassung nach zumindest das Verständnis der ursprünglichen Bedeutung objektiv sein kann[242]. Damit ist allerdings eine Schwierigkeit verbunden, denn auch wenn diese Rekonstruktion gelingt, bleibt immer noch die Frage, wie sich der Transport des Ursinnes auf die Gegenwart gestalten soll. Ich behaupte nun, dass, selbst wenn dieser Zugang das Problem der Subjektivität damit nicht abschaffen kann, er dennoch eine erhebliche Abmilderung ist. Denn im Gegensatz zur übergeschichtlichen Deutung weiß die geschichtliche in besonderer Weise darum, dass diese Übertragung eine individuelle Leistung ist, weswegen sie nicht verabsolutiert werden sollte. Dies öffnet die Tür für die Religionsfreiheit, wenngleich sie damit nicht unmittelbar begründet werden kann. Denn nach Öszoy ändert dies ja nichts an der Auffassung, dass der Koran Wahrheit beansprucht[243]. Es kommt vielmehr auf die Fähigkeit an, die Kerngedanken für die Gegenwart verständlich zu machen, um hieraus religiöse Normen ableiten zu können[244]. Dennoch ist es ein erheblicher Schritt in die richtige Richtung: Aufgrund der Auslegung des Korans als historisches Werk, kann dieses nicht mehr in der Weise aufgefasst werden, dass es präexistent gültig sei und somit für alle Menschen - allein wegen dieser Eigenschaft - Verbindlichkeit beanspruchen muss. Stattdessen stehen andere, historisch manifestierbare Religionen im Raume, die ähnliche Inspirationen für sich beanspruchen. So sollte der Fokus viel eher auf das Vertrauen in eine dieser Botschaften als von Gott gesandte Eingebung gesetzt werden[245]. Id est: Besonders im Bewusstsein der Historizität erfährt das Individuum erst die Bedeutung der Offenbarungsannahme aus Vertrauen, welche unter dem Dogma der Übergeschichtlichkeit nicht erlebt werden kann. Denn dieses erklärt etwas Unbeweisbares zum vermeintlichen Faktum und setzt es unter einen absolutistischen Anspruch, anstatt den Individuen die Möglichkeit einzuräumen, sich im Angesicht eines geschichtlich verankerten Wortes auf seine überzeitliche Bedeutung in selbständiger Weise einzulassen. Vertrauen bedeutet, sich gerade aufgrund des Bewusstseins verschiedener, historisch manifestierter Offenbarungen/ Religionen bewusst für eine zu entscheiden; der Wert eines Bekenntnisses erwächst daher aus dem Vertrauensakt selbst. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der Glaube aufgrund eines indoktrinierten Dogmas, welches diese Geschichtlichkeit leugnet, einen Teil seiner Wertigkeit verliert. Darum sollte Wahrheit in der Religion primär nicht als metaphysische Letztgültigkeit verstanden werden, sondern immer auch als etwas, was sich den Individuen und Glaubensgemeinschaften aufgrund ihres Vertrauensaktes in ihrer Konfession entfaltet. Diese Auffassung ist ebenso für das christliche Selbstbewusstsein relevant, da sie Glaube und Historizität miteinander in Einklang bringen kann. Es ist beispielsweise nicht entscheidend, ob Jesus von Nazareth wirklich der in den Evangelien geschilderte Gottessohn war. Dies kann wissenschaftlich ernsthaft bezweifelt werden. Entscheidend ist nur, ob die Glaubenden trotz dieses Zweifels daran festhalten wollen und bereit sind, es als Wahrheit zu erfahren, wiewohl sie gerade deshalb ebenso respektieren müssen, wenn andere Menschen und Glaubensgemeinschaften sich für einen anderen Weg entscheiden. Hierin begründet sehe ich nicht nur einen bedeutsamen Schritt Richtung Religionsfreiheit, sondern auch die entschiedene Forderung, einen geschichtlichen Zugang grundsätzlich zu befürworten. Dennoch, insbesondere für den Islam gilt: Die Lösung vom bestehenden Dogma benötigt Zeit, gute Argumente und vor allem eines: Viel Geduld.
III.З.: Zusammenfassung des dritten Teils
Ich habe in diesem Teil versucht, zwei grundsätzliche Ansätze in Kürze zu erörtern, wie eine Universalisierung von Menschenrechten insbesondere im Islam möglich sein kann. Der erste bezog sich hierbei auf eine Universalisierung durch den Koran selbst, wobei die Religionsfreiheit im Fokus des Interesses stand. Er ergab, dass eine Positionierung für die Religionsfreiheit zwar durch die Offenbarung belegt, letztlich aber auch widerlegt werden kann. Im Argumentationsprozess mit Fundamentalisten ist ein solcher Ansatz deshalb einerseits begrüßenswert, da er ihren Textzugang unmittelbar anspricht, ihrer Textauslegung aber dennoch widersprechen kann. Allerdings führt eine solche Herangehensweise langfristig nicht zu einer Lösung des Kernproblems; nämlich der Lossagung vom Absolutheitsanspruch. Ich habe deshalb versucht, diesem das Prinzip der Vertrauenswahrheit entgegenzusetzen, mit der Begründung, dass weniger die Letztgültigkeit einer Botschaft entscheidet, als viel mehr das Vertrauen, das in diese hineingelegt wird. Dazu habe ich zwei Wege untersucht, wie ein solches Wahrheitsverständnis universalisiert werden kann. Der erste bestand in einem argumentativen, interreligiösen Verfahren aufgrund des Habermasschen Universalisierungsgrundsatzes. Dieser musste sich zumindest teilweise der Erkenntnis beugen, dass die eingeforderte Gleichberechtigung der Botschaften, welche sich aus dem Argumentationsprozess heraus ergeben soll, als Grundhaltung mittelbar bereits vorausgesetzt wird, weswegen er nur bedingte Gültigkeit beanspruchen konnte. Der zweite bestand in einem intrareligiösem Prozess, der letztlich darauf zielte, Religion nicht als übergeschichtliches, sondern als überzeitliches Phänomen zu begreifen. Hieraus ergab sich die Einsicht, dass dadurch, dass verschiedene historisch gewachsene Religionen nebeneinander stehen, auch verschiedene Möglichkeiten für die Subjekte bestehen, auf eine bestimmte Botschaft zu vertrauen und darin Wahrheit zu erfahren. Dies kann meines Erachtens langfristig den Weg zur Religionsfreiheit und damit dem Abstand vom Scharia-Recht ebnen.
Die Universalisierung von Menschenrechten bleibt also ein langwieriger, komplexer Prozess. Allerdings lohnt sich die Mühe, denn neben den erwähnten pazifistischen Aspekten, finden sich noch einige weitere Gründe, warum sich Religionen säkularen Menschenrechten nicht verschließen, sondern in einen fruchtbaren Dialog eintreten sollten. Im vierten und letzten Teil dieser Arbeit möchte ich deshalb darauf eingehen.
Teil IV: Chancen des Menschenrechtsdialogs
„Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung (...) durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden “[246],
heißt es einschlägig in der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen. Was bedeutet es also, wenn ein säkulares Menschenrechtsdokument die freie Religionswahl und -ausübung bewusst als Kernrecht manifestiert? Zugegeben, die Frage ist zu einem gewissen Grad rhetorisch, denn die Antwort kann nur lauten, dass hier nicht versucht wird, Menschenrechte gegen die Religionen zu postulieren, sonst würde der Freiheitsbegriff nicht das Recht freier Religionsausübung umfassen. Stattdessen sucht die Deklaration einen Weg, wie mit den Religionen menschliches Miteinander ermöglicht werden kann, nämlich durch gleichberechtigtes Nebeneinander allen Individuen und Glaubensgemeinschaften ihre eigene Überzeugung zu ermöglichen. Ich habe in den vorigen Teilen auf das Problem hingewiesen, dass dies aufgrund des Absolutheitsanspruchs der Religionen schwierig ist, da er die Idee der Gleichberechtigung blockieren kann. Mit diesem konnte dann auch die Menschenrechtsidee im Islam, der - im Gegensatz zu weiten Teilen des Christentums - wohl eine weniger ausgeprägte Naturrechtstradition besitzt, durch das Scharia-Recht relativiert werden; das hat insbesondere die Erörterung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Islam bzw. der Kairoer Menschenrechtserklärung ergeben. In diesem Teil sollen deshalb stattdessen die Chancen im Mittelpunkt stehen, die sich aus einem Dialog zwischen Religionen und Säkularismus ergeben. In der bisherigen Erörterung konnte ich an einigen Stellen aufweisen, dass beide Seiten der gegenseitigen Unterstützung bedürfen; so wies ich beispielsweise im Rahmen des christlichen Würdegedankens darauf hin, dass die Sinnsuche als Bestandteil menschlicher Würde die Offenheit des Säkularismus’ gegenüber den Religionen zwangsläufig benötigt. Diese Aspekte sind es deshalb, die ich im Folgenden noch einmal erwähnen möchte, um so die wichtigsten Chancen explizit zu würdigen.
IV.l.: Chancen für den Säkularismus
IV. 1.1.: Die Entfaltung des Wtirdebildes
Wenn ich im Vorigen davon sprach, dass Sinnsuche ein Teil menschlicher Würde sei, so meine ich dies in etwa ähnlicher Relation wie zwischen Menschenwürde und Menschenrechten. Der Vernunftgedanke, der sich im praktisch-kategorischem Imperativ äußert, mag für die Begründung der Menschenrechte allein ausreichend sein. Mehr noch, dadurch, dass der Mensch zwar über Vernunft verfügt, Religionen aber in letzter Instanz spekulativ sind, ist es evident, dass letzte das Rechtsbild berücksichtigen, was dem Menschen aus dem praktisch-kategorischem Imperativ zuteil wird. Zur Begründung der Menschenrechte reicht es demnach, den Menschen als Vernunftwesen und somit selbständiges Subjekt seiner Handlungen zu begreifen, wodurch er mit einem Selbstzweck versehen wird, der ihm aus diesem Grunde zukommt und um dessen Willen Menschenwürde immer unveräußerlich, gleich und angeboren ist. Jedoch, an dieser Stelle scheint das säkulare Bild zu enden, da es darüber hinaus nicht die existentiellen Fragen des Lebens wie „Wo komme ich her?“ oder „Wo gehe ich hin?“ beantworten kann. Wenn daher Menschenwürde den Wert des Menschen im Ganzen umfassen will, ergibt sich, dass die säkulare Begründung zwar genügt, sich in dieser aber keineswegs erschöpft. Denn menschliche Würde umfasst mehr als dessen Vernunftfähigkeit; sie besitzt auch die Tendenz, die Frage nach ihrer Existenz und Herkunft ergründen zu wollen. Das ändert zwar an ihrer Qualität nichts. Es hilft ihr aber, sich selbst bewusster in ihrem eigenen Wert zu verstehen.
Eine solche Frage reicht notwendigerweise in den Bereich des Transzendenten hinein, wo das Religiöse Antworten liefern kann. Daher kann das säkulare Menschenrechtsbild zwar ohne Religion bestehen, da es nicht zwangsläufig auf ihre Aussagen angewiesen ist, jedoch auf der existentiellen Ebene keine endgültigen Antworten liefern. Wenn beispielsweise in der Präambel der UN- Menschenrechtserklärung vom „Glauben an die Menschenrechte, an die Würde und den Wert der menschlichen Person“[247] die Rede ist, ist damit keinesfalls angegeben, worin oder woraus sich dieser Glaube begründet; d.h. ob er sich allein aus der Überzeugung des Menschen als besonders entwickelte Spezies versteht, oder ob er einen höheren Schöpfer als dessen Grundlage annimmt. Der aufgeschlossene Säkularismus ist hier bewusst offen gehalten, denn er weiß, dass dieser Glaube verschieden begründet werden kann und auch sollte. Darum kann der Mensch auch nur dann zu einem vollen Verständnis der ihm innewohnenden Würde gelangen, wenn es ihm ausdrücklich ermöglicht wird, Antworten für diese Überzeugung zu finden. Die katholische Kirche weist in „Gaudium et spes“ deshalb völlig zu Recht darauf hin, dass Gott auf die existentiellen Fragen des Lebens Antwort geben kann[248]. Ich persönlich halte die religiösen Antworten für sehr tragfähig, da sie insbesondere die Frage nach dem Nachleben ernsthaft berücksichtigen.
IV. 1.2.: Die erhöhte Akzeptanz durch religiöse Autorität
Ich habe im Rahmen meiner kurzen Ausführung zu Küngs „Projekt Weltethos“[249] darauf hingewiesen, dass Religionen sittliche Normen mit anderer Autorität einfordern können, als dies ein rein säkulares Gebot vermag. Dies leuchtet unmittelbar ein, denn obgleich Kants praktisch-kategorischer Imperativ zur allgemeinen Begründung der Verbindlichkeit des humanen Selbstzwecks ausreichen mag, folgt daraus noch nicht, dass diese von allen Individuen als solche auch verstanden wird. Selbst wo dies der Fall ist, besteht weiterhin die Gefahr, dass sich die Menschen aufgrund ihres innewohnenden Egoismus’ bewusst gegen dessen Einhaltung entscheiden. Dies muss nicht immer gesetzeswidrig sein, was zahlreiche Beispiele aus unserer Gesellschaft belegen. Insbesondere dort, wo die Androhung durch staatliche Sanktionen fehlt, besteht demnach das Risiko, diesen Imperativ zu umgehen, um so auf Kosten der Mitmenschen einen eigenen Vorteil genießen zu wollen. Ist der Staat selbst diejenige Größe, die dieses Gebot umgeht, verschlimmert sich die Situation zusehends. Man denke beispielsweise zurück an die DDR, wo unter dem Deckmantel des Kollektivs sträfliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden; da primär nicht der Mensch, sondern der Staat als Träger des Selbstzwecks betrachtet wurde. Mit anderen Worten: Es fehlt die moralische Instanz, welche die Bewahrung der Ethik in den Gemütern der Menschen erfühlt und nach der diese sich ausrichten. So hat Kant in seiner Schrift „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ auf eben diesen Aspekt hingewiesen und daran die Nützlichkeit des Gottesgedankens vermerkt:
„Also kann nur ein solcher oberster Gesetzgeber eines ethischen Wesens gedacht werden, in Ansehung dessen aller wahren Pflichten, mithin auch die ethischen zugleich als seine Gebote vorgestellt werden müssen; welcher daher auch ein Herzenskündiger sein muss, um auch das Innerste der Gesinnungen eines jeden zu durchschauen“[250]
Mindestens die monotheistischen Religionen können demzufolge weit effizienter die Einhaltung von Menschenrechten einfordern als dies ein rein weltlich ausgerichtetes Ethos ermöglicht, da sie unmittelbar auf das Seelenheil der handelnden Subjekte referieren können. Zwar besteht die Gefahr, dass Fundamentalisten diese Autorität ausnutzen können, um ein verzerrtes Menschenrechtsbild zu postulieren. Dies betont aber nur umso dringlicher den notwendigen Austausch zwischen religiöser Überzeugung und dem Säkularismus.
IV.1.3.: Religion als unabhängiger Berater
Ich habe auf diesen Punkt bereits unter dem Aspekt der Trennung zwischen Religion und Staat im Christentum eingehend aufmerksam gemacht, weswegen ich ihn hier - mit Fokus auf die Menschenrechte - nur noch einmal kurz wiederholen möchte. Die Menschenrechte sind - so wie sie in der Erklärung der Vereinten Nationen vorliegen - zwar allesamt unumstößlich zu begrüßen, ihre Rangordnung bzw. ihre Gewichtung ist jedoch beiweilen umstritten. Darf beispielsweise eine Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Kauf genommen werden, wenn damit zugleich der Wohlstand einer Bevölkerung erreicht werden kann? Ist die individuelle Freiheit so hoch einzuschätzen, dass mitunter die Verantwortung z.B. vor älteren Menschen vernachlässigt werden darf? Religionen können hier beratend einwirken, wenn sie sich im Bekenntnis zu ihrer eigenen Botschaft dafür einsetzen, auf elementare Schwachpunkte der Gesellschaft hinzuweisen. Denn die Menschenrechtsentwicklung ist ja keinesfalls abgeschlossen, sondern im Gegenteil ein fortwährender, kontinuierlicher Prozess. Das bedeutet, dass die Religionen ruhigen Gewissens dem Säkularismus aufzeigen dürfen, wo ihrer eigenen Anschauung nach Defizite im Menschenrechtsbild bestehen bzw. welchen Menschenrechten ihrer Meinung nach die höhere Priorität eingeräumt werden kann. Diese Empfehlungen müssen in letzter Linie unabhängig sein, da immer auch auf diejenigen Rücksicht genommen werden muss, die sich z.B. ausdrücklich gegen eine bestimmte Konfession entschieden haben.
IV.2.; Chancen für die Religionen
Ich habe im Rahmen meiner Erörterung zum Stand der Religionsfreiheit im gegenwärtigen Islam mit Talbi vermerkt, dass ein wahrhaft lebendiger Glaube unbedingt ein freiheitlicher Akt sein muss, da er ansonsten das Moment des Zwanghaften enthält, wodurch er in seinem Wert geschmälert wird. Id est: Soll die Entscheidung für den Glauben eine bewusste sein, dann müssen alle möglichen Zweifel ausgesprochen werden dürfen, die diesen behindern könnten. Denn nur hierdurch kann der Vertrauensakt, der im Glauben vollzogen wird, seine volle Wertigkeit als solcher erfahren. Vertrauen bedeutet auch sich manchmal wider besseren Wissens auf eine Sache einlassen zu können.
Ich weise an dieser Stelle mit John Stuart Mill darauf hin, dass das Nicht- Zulassen von Gegenargumenten injedem Fall zu verurteilen ist:
„Denn wenn die Meinung richtig ist, so beraubt man sie der Gelegenheit, Irrtum gegen Wahrheit auszutauschen; ist sie dagegen falsch, dann verlieren sie eine fast ebenso große Wohltat: nämlich die deutlichere Wahrnehmung und den lebhafteren Eindruck des Richtigen, der durch den Widerstreit mit dem Irrtum entsteht.“[248] [251]
Darum gilt: Eine Diskussion erweist sich immer dann von Vorteil, wenn sie lebendig und offen ist. Dann nämlich führt dies entweder zu dem Fall, dass die eigene Position anhand der Gegenmeinung fortentwickelt und/oder überdacht werden kann, oder aber, wenn diese völlig fehlerhaft sein sollte, doch zumindest die eigene Überzeugung bekräftigt[252].
Übertragen auf die Menschenrechte bedeutet das, sich nicht dem Dialog mit säkularen Menschenrechten zu verschließen, sondern sich mutig der Herausforderung zu stellen, die ihr Universalitätsanspruch in sich birgt. Dies gilt vor allen für den orthodoxen Islam. Denn im Idealfall wird auch dieser - wenn auch erst mit der Zeit - erkennen, dass sowohl die philosophische Notwendigkeit, den Menschen als Selbstzweck zu betrachten, als auch die soziale, welche die Geschichte lehrt, unbedingt berücksichtigt werden muss und einem liberaleren Ansatz weichen. Denn nicht nur das Transzendente, sondern auch die Frage nach zwischenmenschlichen Beziehungen ist seit jeher Teil der Religionen gewesen. Man betrachte (für das Christentum) nur das Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe: „Das andere aber ist dem gleich: ,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.’“(Mt 22,39)[253]. In diesem Sinne können die Menschenrechte einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, sich mit der eigenen, religiösen Ethik auseinander zu setzen, um hierüber womöglich zu einem lebendigeren Glauben zu gelangen.
Zudem: Lessing hat in seiner berühmten Version der Ringparabel dargelegt, dass sich das Metaphysische zwar nicht beweisen lässt, wohl aber ein Umgang in Nächstenliebe praktisch erfahren werden kann. Dafür steht das im Anschluss an jene folgende Zitat: „Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochnen von Vorurteilen freien Liebe nach!“[254] Ich habe mit diesem Zitat das Vorwort meiner Arbeit begonnen und möchte nun mit diesem den letzten Hauptteil abschließen. Denn ein Austausch zwischen säkularen Menschenrechten einerseits und den Religionen andererseits kann letztlich allen Parteien zu einer höheren Akzeptanz verhelfen: Dem Säkularismus aufgrund dem in IV.1.2 erfolgten Gedankengang. Den Religionen dann, wenn sie den nicht-religiösen Positionen ernsthaft beweisen können und wollen, dass sie nicht einer modernen Weltgesellschaft im Wege stehen[255], sondern eine offene Gemeinschaft nur durch ihr gemeinsames Mitwirken erreicht werden kann. Für den Islam würde dies nicht nur den Abbau vom Vorurteil bedeuten, dass er stellenweise menschenverachtend sei. Im Gegenteil: Er ist hier ausdrücklich dazu eingeladen, seine eigene Position beispielsweise um die Frage nach würdevollem Altern mit einzubringen, um damit die gesamte Menschenrechtsdiskussion zu fördern. Für das Christentum bedeutet dies eine Schärfung seines eigenen Profils, wenn es sich im Gespräch ausdrücklich als einen Diplomaten versteht, der seine eigene Perspektive über die Menschenrechte darlegt, um so authentisch zwischen Säkularismus und dem Islam vermitteln zu können. Unter diesen Umständen wäre eine wahrhaft humane Globalisierung greifbarer als zuvor.
IV.3.: Kurzzusammenfassung des vierten Teils
Die Ausführungen haben ergeben, dass ein Dialog zwischen Säkularismus und den Religionen für alle Beteiligten förderlich sein kann, solange er auf Offenheit und Gleichberechtigung basiert.
Der Vorteil für den Säkularismus besteht hierbei erstens darin, dass der Mensch seinen Selbstzweck bewusster erfahren kann, da dieser seine ihm zukommende Würde mit Hilfe religiöser Botschaft bewusster wahrzunehmen vermag. Ferner darin, dass mit Hilfe religiöser Autorität die Akzeptanz säkularer Menschenrechte für die Glaubenden erheblich gefördert werden kann. Letztlich kann die Religion auch als ein unabhängiger Berater dienen, der die säkularen Menschenrechte gewichtet und auf Verstöße hinweist.
Für die Religionen bedeutet dies ebenfalls eine erhöhte Akzeptanz, wenn sie im ernsthaften Gespräch den nicht-religiösen Weltanschauungen beweisen können, dass ihnen das Humane ein Kerninteresse ist. Zudem können sie durch die Auseinandersetzung zu einem lebendigeren Glauben gelangen, wenn sie in der Menschenrechtsdebatte ihre eigene Fortentwicklung bewusst als Chance begreifen, anstatt diese als vermeintliche Gefährdung ihrer Botschaften zu betrachten. Dies gilt besonders für den orthodoxen Islam; jedoch auch für ein streng monozentrisches Christentum. Ein aufgeschlossenes Christentum hingegen kann im Dialog zur Schärfung seines eigenen Profils gelangen, wenn es authentisch zwischen säkularen Menschenrechten und Islam vermittelt. Es ist nämlich dort dazu aufgefordert, unter Einbringung seiner eigenen Perspektive sowohl für die Menschenrechte einzutreten, wiewohl es ein Verständnis für religiöse Vorwände besitzen sollte.
Persönliches Schlusswort der Examenshausarbeit
Unabhängig dessen, ob man den interreligiösen Dialog nun auf der dogmatischen oder der humanen Ebene anzusetzen vermag: Ich habe während meiner Untersuchungen zu diesem Thema deutlich erkannt, dass ohne ein ernsthaftes Interesse an der Gleichberechtigung des Gegenübers sämtliche Ansätze nur zu einer Frontenverhärtung statt zu fruchtbaren Ergebnissen führen können. Dies habe ich besonders im ersten und dritten Teil dieser Arbeit darzulegen versucht, während ich mich im zweiten darauf konzentriert habe, die ausgewählten Dokumente auf ihren Standpunkt zu den Menschenrechten hin zu erörtern. Dabei fiel auf, dass selbst dort, wo Menschenrechte ausdrücklich bejaht werden, der eigene Absolutheitsanspruch höchstens umgangen, nicht aber kritisiert wird. Dies halte ich für ein zweischneidiges Schwert, da es einerseits das gute Recht jeder Konfession ist, sich zu ihrem Wahrheitsanspruch zu bekennen, andererseits aber auch berücksichtigt werden sollte, dass damit immer die Ausgrenzung Andersgläubiger verbunden zu sein scheint. So ist das Grundproblem dasselbe: Denn obwohl sich sowohl die evangelische, als auch die katholische Konfession ausdrücklich zur Universalität bekennen, scheint eine Distanz zum eigenen Letztgültigkeitsanspruch doch kaum zu bestehen. Dies kann mit Hilfe der Naturrechtstradition im Christentum zwar elegant gelöst werden, der Islam hat damit jedoch offensichtlich größere Schwierigkeiten, da ihm diese in ihrer ausgeprägten Form nicht derart zu eigen zu sein scheint. Aus dem Grund war es mir wichtig, mit dem Begriff der Vertrauenswahrheit zumindest im Ansatz ein Wahrheitsverständnis aufzuzeigen, das zwar die eigene Botschaft nicht verleugnet, jedoch gleichzeitig akzeptiert, dass es daneben andere Religionen gibt, welche selbiges Recht haben, als eigenständige Konfessionen wahrgenommen zu werden. Folgt also, dass der Dialog so verhärtet ist, dass eine echte Offenheit nahezu unmöglich erscheint und die in Teil IV angesprochenen Chancen nie verwirklicht werden können? Ich persönlich sehe die Gegebenheit nicht ganz so pessimistisch, denn glücklicherweise hat es - trotz aller Kritik - immer auch offene Stimmen gegeben, die sich für ein Mit- und gegen ein Gegeneinander ausgesprochen haben und darüber hinaus nicht vergaßen, dass auch die Religionen ein Entwicklungspotential besitzen. Denn das entschiedene Bekenntnis zu den Menschenrechten im Christentum darf doch schlussendlich als solcher Fortschritt bewertet werden, ebenso ist die ACMR ein Schritt in diese Richtung. Ich verweise erneut auf Zaid und Öszoy, die mit ihrem geschichtlich orientierten Zugang zumindest den Weg für ein liberaleres Koranverständnis geebnet haben. Und ich verweise auf den guten Willen des Menschen, sein Mitgefühl und seine Einsicht, dass er - unabhängig dessen, ob er sich als Ebenbild oder Stellvertreter Gottes oder doch ,nur’ als autonomes Wesen begreift - die Verantwortung für die Gestaltung dieser Welt trägt.
Literaturverzeichnis (in alphabetischer Reihenfolge):
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- Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt dieser Zeit „Gaudium et spes“. In: Hünermann, Peter/ Hilberath, Bernd Jochen: Herders Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Band 1. Die Dokumente des ZweitenVatikanischen Konzils Lateinisch-deutsch. Freiburg/Basel/Wien.2004, S.593-749
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[...]
[1] Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise, S.82.
[2] Vgl. Sundermeier, Theo: Was ist Religion?, S.194; Sundermeier hat daraufhingewiesen, dass Toleranz oftmals mit Gleichgültigkeit verwechselt wird (Ebd. S.185-191). Er übernimmt deshalb den Begriff konstruktiver Toleranz.
[3] Vgl. Park, Young-Sik: Konvivivenz der Religionen, S.218-222.
[4] In: Randelzhofer, Albrecht: Völkerrechtliche Verträge, S.169-174.
[5] In diesem Sinne weise ich daraufhin, dass nicht der Relativismus von Religion das Ziel darstellt. Dies kann schon deshalb nicht erstrebenswert sein, da der Dialog starker Dialogspartner mit klaren Standpunkten bedarf (so u.a. bei Honecker, Martin: Das reformatorische Freiheitsverständnis und das neuzeitliche Verständnis der ,Würde des Menschen’. In: Schwartländer, Johannes: Modernes Freiheitsethos und christlicher Glaube, S.281). Die Lösungsansätze sollen sich demnach auf das Problem beschränken, wie der Absolutheitsanspruch zugunsten der Universalisierung von Menschenrechten zurückgenommen werden kann.
[6] Hierbei werde ich sowohl auf evangelische, als auch auf katholische Standpunkte eingehen.
[7] Rosenstein, Gustav: Die Stunde des Dialogs, S.184.
[8] So z.B. die bei Wrogemann (Wrogemann, Henning: Mission und Religion in der Systematischen Theologie der Gegenwart) aufgeführten protestantischen Dogmatiker Troeltsch, Althaus und Barth in der ersten, Pannenberg, Thielicke und Moltmann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
[9] Küng, Hans: Projekt Weltethos.
[10] Vgl. Wiederkehr, Dietrich: Gerechtigkeit im Dialog der Religionen: Karl Rahner und so weiter. In: Klinger, Elmar/ Francis X., D’Sa: Gerechtigkeit im Dialog der Religionen, S.16; Wiederkehr erwähnt diesen Vorwurf mit dem Vermerk, dass er ihm unfair erscheine, da die Religionen aufgefordert seien „ihr eigenes religiöses Motivationspotential für Frieden und Gerechtigkeit zu erschließen“ (Ebd., S.16).
[11] Nämlich die dogmatische einerseits, die sozial-ethische andererseits.
[12] Park, Young-Sik: Konvivivenz der Religionen, S.226.
[13] Genaueres hierzu werde ich im zweiten Teil meiner Arbeit anführen.
[14] Vgl. Ebd. S.218.
[15] So z.B. bei Kühnhardt, Ludger: Die Universalität der Menschenrechte, S.145. Auf die Problematik der staatlich-religiösen Einheit im Islam werde ich ebenfalls ab dem zweiten Arbeitsteil detaillierter zu sprechen kommen.
[16] Park, Young-Sik: Konvivivenz der Religionen, S.213.
[17] Vgl. Ebd., S.218.
[18] Vgl. Ebd., S.213L
[19] vgl. Frank, Jochen: Anleitung zum Dialog., S.13-16.
[20] Ebd., S.13.
[21] Panikkar, Raimundo: The intrareligious dialogue, S. XV.
[22] Ebd., S. XIVf..
[23] Vgl. Bielefeldt, Heiner: Menschenwürde, S.27; Der Abschnitt des Aufsatzes kritisiert u.a. die Problematik, dass Menschenwürde und Menschenrechte in Deutschland zwar meist positiv-rechtlich begründet werden, eine moralische Begründung jedoch fehlt. Ohne sich demnach für eine Ideologie auszusprechen (da dies höchstwahrscheinlich mit der Ausgrenzung bestimmter Gruppen verbunden wäre), plädiert Bielefeldt deshalb dafür, sich für eine moralische Begründung der Menschenwürde/-rechte einzusetzen.
[24] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam.1981. URL: http://www.soziales.fh- dortmund.de/Berger/Forschung/islam/Menschenrechte-Deklaration%20im%20Islam%20London.pdf (Stand 12.10.2009), S.1 (Präambel).
[25] Allerdings weist Wielandt Rotraud (Wielandt, Rotraud: Menschenwürde und Freiheit in der Reflexion zeitgenössischer muslimischer Denker. In: Schwartländer, Johannes: Freiheit der Religion, S.185) daraufhin, dass diese Menschenrechtserklärung die Meinung fundamentaler Theologen wiederspiegelt; somit nicht die Ansicht aller Muslime präsentiert.
[26] Wrogemann, Henning: Mission und Religion in der Systematischen Theologie der Gegenwart, S.131. Wrogemann bezeichnet Barths Position als deduktiv-diastatisches Modell; auf die Bezeichnung ,Exklusivismus’ geht er deshalb nicht ein. Ich persönlich vertrete die Ansicht, dass sich Barths Position durchaus als exklusivistisch bezeichnen lässt, da er den eigenen Wahrheitsanspruch verabsolutiert bei gleichzeitiger Negierung des fremden.
[27] Damit können menschenrechtliche Probleme verbunden sein, wenn Religion und Staat zusammenfallen. Ich werde darauf im zweiten Teil meiner Arbeit ausführlicher zu sprechen kommen, wenn ich das Scharia-Recht problematisiere.
[28] Frank, Jochen: Anleitung zum Dialog, S.12.
[29] Panikkar, Raimundo: The intrareligious dialogue, S.XVI. Das wörtlich übersetzte ,Regenschirmmuster’ meint im Grunde die Zuspitzung verschiedener Anfangspunkte auf eine gemeinsame Mitte hin. In diesem Sinne sind diese ,unteren Enden des Regenschirms’ als die verschiedenen Religionen zu verstehen, wobei die gemeinsame Mitte mit der ,wahren Religion’ gleichgesetzt wird. Diese ist nach inklusivistischer Vorstellung in aller Regel die eigene.
[30] Erklärung über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra aetate“. In: Hünermann, Peter/ Hilberath, Bernd Jochen: Herders Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Band 1
[31] Ebd., S.257 (Absatz 2).
[32] Ebd. S.257 (Absatz 2).
[33] Ebd. S.258 (Absatz 2).
[34] Obgleich die Haltung der katholischen Kirche in “Nostra aetate” überwiegend positiv gewertet wird (so z.B. bei Knut Wenzel: Kleine Geschichte des zweiten Vatikanischen Konzils, S.127f.), ist deshalb die Tendenz erkennbar, die anderen Religionen vom eigenen christlichen Standpunkt zwar würdigen, gleichsam aber kategorisieren zu wollen. So löblich dieser Annäherungsversuch darum ist, bleibt fraglich, inwieweit die anderen Religionen hier wirklich als eigenständig wahrgenommen werden.
[35] Übersetzung nach Paret (Paret, Rudi: Der Koran).
[36] Panikkar, Raimundo: The intrareligious dialogue, S. XVII.
[37] Frank, Jochen: Anleitung zum Dialog, S.13.
[38] Ich weise daraufhin, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, den Pluralismus zu verstehen. Panikkars Idee von Pluralismus ist beispielsweise eher verständnisorientiert, als dass sie das Ziel hätte, zu einer religiösen Einheit zu gelangen (vgl. Panikkar, Raimundo: The intrareligious dialogue, S.XXVII). Sie kann deshalb eher dem polyzentrischen als dem monozentrischen Typ zugeordnet werden..
[39] Park, Young-Sik: Konvivivenz der Religionen, S. 214.
[40] Gensichen, Hans-Werner: Der Synkretismus als Frage an die Christenheit heute. In: Gensichen, Hans-Werner: Mission und Kultur. Hrsg.: Sundermeier, Theo/ Gern, Wolfgang, S.14.
[41] Freilich hat es synkretische Prozesse in den Religionen immer wieder gegeben. Man denke nur an das Weihnachtsfest, welches ursprünglich eine Festlichkeit zur Wintersonnenwende war und entsprechend christianisiert wurde. Die Verhältnisbestimmung zeichnet sich somit wesentlich komplexer als hier dargestellt. An dieser Stelle kann ich Sundermeiers Kapitel „Synkretismus und Inkulturation“ in „Sundermeier, Theo: Was ist Religion?“ empfehlen. Für diese Arbeit genügt die vereinfachte Darstellung, dass der Synkretismus - besonders von Traditionellen mit engem Begriffsverständnis - oftmals als Gefahr der eigenen Tradition betrachtet wird; dies teils zurecht, teils zu unrecht.
[42] Ich möchte deshalb im Folgenden öfters von ,Vertrauenswahrheit’ sprechen, da mir dieser Begriff liberaler erscheint als der - oft dogmatisch konnotierte - Begriff der ,Glaubenswahrheit’. Was ich genau unter Vertrauenswahrheit verstehe, werde ich versuchen, im dritten Teil dieser Arbeit exakter darzulegen.
[43] Park, Young-Sik: Konvivivenz der Religionen, S.218.
[44] Ebd., S.219.
[45] Ebd., S.219.
[46] Ich werde im dritten Teil explizit auf diese Frage eingehen, dort u.a. mit dem Fokus, inwieweit eine Distanzierung vom eigenen Absolutheitsanspruch zugunsten der Menschenrechte möglich ist. Park erkennt das Problem des Absolutheitsanspruches freilich selbst und formuliert deshalb das Ziel: „Der echte Dialog der Religionen zielt (...) nicht darauf, eine allgemeingültige Wahrheit zu begreifen, sondern gerade klar zu machen, dass es sie nicht gibt.“ (Ebd. S.231)
[47] Wrogemann, Henning: Mission und Religion in der Systematischen Theologie der Gegenwart.
[48] Da die ethisch-soziale Dimension in diesem Ansatz weitgehend ausgeklammert wird, erscheint demnach eine Ergänzung um jene notwendig zu sein. Ich weise daraufhin, dass diese Ergänzung im Rahmen meiner Arbeit allgemein auf den polyzentrischen Ansatz bezogen bleibt, d.h. nicht bewusst an Wrogemanns Gedanken anknüpfen wird. Dies scheint mir den Rahmen zu sprengen, da es mein Anliegen bleibt, zu erörtern, ob die Menschenrechte Dialogsgrundlage zwischen Christentum und Islam sein sollten, und wennja, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit auf beiden Seiten eine Universalisierung möglich wird. In dem Sinne ist der nun folgende, bewusst kurz gehaltene Abschnitt, als Exkurs zu verstehen.
[49] Vgl. Ebd., S.294.
[50] Ebd., S.295.
[51] Konvivivenz meint das (friedliche) Zusammenleben der Religionsgemeinschaften.
[52] Vgl. Ebd., S.314L
[53] Vgl. Ebd., S.297.
[54] Als Beispiel nennt Wrogemann hierfür u.a. Wachstumsmetaphern (Ebd. S.297).
[55] Vgl. Ebd., S.295ff. Als Beispiel nennt Wrogemann das spezifische Ereignis in der Offenbarung. Konsequenterweise muss angenommen werden, dass (zumindest) der Gedanke konkreter Rettung in anderen Religionen dementsprechend auf ihre individuelle Weise gelten muss.
[56] Vgl. Ebd., S.314f..
[57] Vgl. hierzu auch: Hilpert, Konrad: Menschenrechte und Theologie, S.300f..
[58] Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hrsg.: Weischedel, Wilhelm, S.61 (BA 67).
[59] Wenn ich im Folgenden den Würdebegriff mit der kantischen Auffassung begründe, bedeutet das nicht, dass dies die einzige Möglichkeit wäre, Menschenwürde säkular zu begründen. Ich möchte mich aber - nicht zuletzt aufgrund des unbedingten Gebots, den Menschen als Selbstzweck zu betrachten - innerhalb dieser Arbeit auf diese Perpektive beziehen.
[60] Ebd. S. 81; vgl. hierzu auch Höver, Gerhard: Tugendethik- Pflichtethik. In: Schwartländer, Johannes: Modernes Freiheitsethos und christlicher Glaube, S.193: „Kants Idee der Sittlichkeit begründet sich nun darin, in der Form des Willens die sittliche Grunderfahrung so thematisieren zu können, dass sie sowohl das Kriterium des sittlichen Wollens vorstellt, als auch das Wesen dieses sittlichen Wollens selbst in seiner Unbedingtheit vermittelt. Diese Form des Willens ist der kategorische Imperativ“ bzw. Martin Honecker: Das reformatorische Freiheitsverständnis und das neuzeitliche Verständnis der ,Würde des Menschen’ In: Schwartländer: Modernes Freiheitsethos und christlicher Glaube, S.268: „Kant hat die Würde, den ,inneren Wert’ des Menschen begründet in der sittlichen Autonomie“.
[61] Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hrsg.: Weischedel, Wilhelm, S.40 (BA 35).
[62] Ebd., S.59f..
[63] Das heißt nicht, dass der Säkularismus als Opposition zur Religion verstanden werden sollte. Schwartländer hat daraufhingewiesen, dass im Rahmen einer neuen Weltordnung der Dialog zwischen Säkularem und Religiösem zwar nicht immer spannungsfrei ist, allerdings durchaus fruchtbar sein kann und soll (vgl. Schwartländer, Johannes: Menschenrechte- Eine Herausforderung der Kirche, S.24,55).
[64] Es würde nämlich in das Dilemma führen, dass jegliche philosophische Begründung ihrerseits nur wieder innerhalb einer spezifischen Kultur verortet werden kann und somit erneut dem Argument ausgeliefert ist, das sie zu entkräften versucht. Wiederum stellt sich die notwendige Frage, wie das eigene Kultur/Religionsverständnis zugunsten eines universellen Verständnisses von Menschenwürde/-rechten relativiert werden kann. Allerdings begehen Kulturrelativisten meiner Ansicht nach den Fehler, dass sie die Relativierung von Menschenrechten dadurch erreichen, indem die Kulturen als in sich geschlossene Systeme betrachtet werden, d.h. indirekt eine Öffnung, Entwicklung und Diskussion innerhalb der Systeme ausgeschlossen wird, womitjene die Universalität von Menschenrechten verneinen.
[65] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (10.12.1948), S.169 (Präambel); Das Argument wird auch in der Literatur immer wieder erwähnt. So u.a. bei: Schwartländer: Freiheit der Religion, S.21; Hilpert, Konrad: Menschenrechte und Theologie, S.25; Fritzsche, K. Peter: Menschenrechte, S.20; Howard, Rhoda E.: Dignity, Community and Human Rights. In: An-Na’Im, Abdullahi Ahmed: Human Rights in Cross-Cultural Perspectives, S.97f.. Howard beschreibt deutlich, wie eine falsche Interpretation von Menschenwürde den Nationalsozialisten als Vorwand ihrer Rassenideologie dienen konnte.
[66] Grundgesetz (39. Auflage. Stand: 15. Juli 2004). Hrsg.: Deutscher Taschenbuch Verlag, S.15 (Artikel 1, Absatz 1).
[67] Vgl. Ebd., S.56f.; Hilpert, Konrad: Menschenrechte und Theologie, S.326.
[68] Vgl. Küng, Hans: Projekt Weltethos, S.81.
[69] Vgl. Ebd., S.56.
[70] Vgl. Ebd., S.77,84.
[71] Vgl. Ebd., S.77.
[72] Ich weise erneut daraufhin, dass - gerade aufgrund der Grausamkeiten der beiden Weltkriege - der kategorische Imperativ zumindest insofern ausreichend sein muss, als dass eine Auseinandersetzung mit Menschenwürde und Menschenrechten obligatorisch ist.
[73] Es ist deshalb eine besondere Chance, sowohl für die Akzeptanz der Religionen als auch für die Legitimation der Menschenrechte, in den menschenrechtlichen Diskurs einzutreten.
[74] Vgl. Ebd., S. 80-86; Auf eine detaillierte Ausformulierung der einzelnen Perspektiven soll hier verzichtet werden.
[75] Vgl. Ebd., S.89f..
[76] Vgl. Religionen, Friede, Menschenrechte. Dokumentation der ersten „Weltkonferenz der Religionen für den Frieden“. Kyoto 1970. Hrsg.: Lücker, A.. Wuppertal. 1971, S.110; zitiertnach Ebd. S.89f..
[77] Vgl. Ebd., S.127f..
[78] Vgl. Ebd., S.90.
[79] Was nicht heißt, dass ein solches Verfahren deshalb prinzipiell auszuschließen wäre. Im Gegenteil: Sollte es gelingen, wäre diesem sogar im höchsten Maße zuzustimmen. Ich halte dieses jedoch für unwahrscheinlicher als ein auf Basis allgemeiner Menschenrechte geführter Dialog.
[80] Schwartländer, Johannes: Menschenrechte- Eine Herausforderung der Kirche, S.57. Ich möchte hierbei deutlich festhalten, dass das keineswegs bedeutet, die Menschenrechten als neue Heilsbotschaft zu verstehen. Vielmehr geht es im Dialog auf Grundlage der Menschenrechte um die Wahrung elementaren irdischen Rechts. Zudem: Eine Sakralisierung von Menschenrechten würde zwangsläufig in eine monozentrische Haltung münden, diejedoch zurecht ausgeschlossen wurde.
[81] Shuc, Henry: Mcnschcnrcchtc und kulturelle Differenz, ln: Goscpath, Stefan/ Lohmann, Georg: Philosophie der Mcnschcnrcchtc, S.372.
[82] Vgl. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (10.12.1948), S. 170 (Artikel 1), S.170 (Artikel 7). In gleicher Gesinnung besteht auch die Formulierung von „allen Mitgliedern der menschlichen Familie“ (S. 169 (Präambel)) bzw. „JederMensch“ (S.170-173 (Artikel 2f., 6, 8, 10f., 13-15, 17-29)).
[83] Ebd., S. 170 (Artikel 1).
[84] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam. 1981, S.1 (Präambel).
[85] So wird seitens orthodoxer Muslime oftmals daraufhingewiesen, dass die „UN-Charta derjüdisch-christlichen und einer säkularen Tradition“ unterliege „die von den islamischen Ländern nicht ohne kulturellen Bruch befolgt werden könne“ ( Wegener, Martina: „Licht über Licht“ - Die Vernunfttradition des Islam, S.29).
[86] Schwartländer schreibt hierzu: „Erst in der Verschränkung von Menschenwürde im Sinne gleicher Freiheit aller und der Menschheit als unbedingt verpflichtender Solidargemeinschaft kann der Universalitätsanspruch der Menschenrechte voll zur Geltung kommen“ (Schwartländer, Johannes: Freiheit der Religion S.25).
[87] Vgl. König, Siegfried: Zur Begründung der Menschenrechte: Hobbes - Locke - Kant, S.316.
[88] Johannes XXIII: Enzyklika Pacem in terris (1963). URL: http://www.uibk,ac.at/theol/leseraum/texte/333.html#ch1 (Stand 12.10.2009).
[89] Erklärung über die religiöse Freiheit „Dignitatis humanae“. In: Hünermann, Peter/ Hilberath, Bernd Jochen: Herders Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Band 1, S. 436-457; Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt dieser Zeit „Gaudium et spes“. In: Hünermann, Peter/ Hilberath, Bernd Jochen: Herders Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Band 1, S.593-749.
[90] Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland: Die Menschenrechte im ökumenischen Gespräch. In: Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland: Die Denkschriften der Evangelischen Kirche in Deutschland. Band 1/2, S. 87-103.
[91] Ich gebe zu, dass diese Dokumente aufgrund ihrer Erscheinungsjahre nicht mehr ganz aktuell anmuten mögen, jedoch beanspruchen ihre Inhalte für ihre Konfessionen nach wie vor Gültigkeit. Deshalb scheint mir ihre Interpretation grundlegend sinnvoll zu sein.
[92] Die Kairoer Erklärung über Menschenrechte im Islam. 1990. In: Fritzsche, K. Peter: Menschenrechte, S.355- 361.
[93] Arab Charta On Human Rights 2004. In: Al-Midani, Mohammed Amin et al.: Boston University International Law Journal. Volume 24, Fall 2006, Number 2, S.147-164, URL: http://www.acihl.org/res/Arab Charter on Human Rights 2004.pdf (Stand 12.10.2009).
[94] Vgl. Dicke, Klaus: Die der Person innewohnende Würde und die Frage der Universalität der Menschenrechte. In: Bielefeldt, Heiner/ Brugger, Winfried/ Dicke, Klaus: Würde und Recht des Menschen, S.164, 180.
[95] D.h. so, wie sie von der UNO 1948 deklariert wurden.
[96] Johannes XXIII: Enzyklika Pacem in terris (1963), Absatz 9.
[97] Vgl. Schwartländer, Johannes: Menschenrechte- Eine Herausforderung der Kirche, S.35; Honecker, Martin: Das reformatorische Freiheitsverständnis und das neuzeitliche Verständnis der ,Würde des Menschen’. In: Schwartländer, Johannes: Modernes Freiheitsethos und christlicher Glaube, S.268.
[98] Erklärung über die religiöse Freiheit „Dignitatis humanae“, S.439 (Absatz 2).
[99] Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt dieser Zeit „Gaudium et spes“, S.611 (Absatz 15).
[100] Ebd., S. 611 (Absatz 15).
[101] Vgl. Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S.81f. (BA 98); Ich will mit dem Vergleich keinesfalls ausdrücken, dass die katholische Vernunftauffassung mit der kantischen identisch sei, sondern vielmehr, dass wichtige Übereinstimmungspunkte bestehen.
[102] Übersetzung nach Luther (Evangelische Kirche in Deutschland: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers mit Apokryphen); vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt dieser Zeit „Gaudium et spes“, S.607f. (Absatz 12).
[103] Vgl. Ebd., S.611 (Absatz 15).
[104] Vgl. Erklärung über die religiöse Freiheit „Dignitatis humanae“, S.439 (Absatz 2).
[105] Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt dieser Zeit „Gaudium et spes“, S.619 (Absatz 21); vgl. auch Ebd., S.615-617 (Absatz 19).
[106] Vgl. Bielefeldt, Heiner: Menschenwürde, S.31f..
[107] In diesem Sinne erscheint es nur allzu verständlich, wenn sich die katholische Kirche gegen die atheistische Auffassung wehrt, menschliche Autonomie sei im Grunde mit der Anerkennung Gottes als Urgrund aller Dinge unvereinbar (vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt dieser Zeit „Gaudium et spes“, S. 617-621 (Absatz 20/21)). Die Ausführungen haben ergeben, dass es durchaus möglich ist, den Menschen als eigenverantwortliches Subjekt und als von Gott begnadetes Wesen zu verstehen.
[108] Vgl. Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland: Die Menschenrechte im ökumenischen Gespräch, S.95, 99.
[109] Ebd., S.99.
[110] Deshalb sind Christen nach dieser Auffassung dazu verpflichtet „den Charakter der Menschenrechte als Schutzrechte nicht zu vernachlässigen“ (Ebd., S.100); d.h. sich stets bewusst zu sein, dass Menschenrechte auch eine Protektion des Menschen vor sich selbst sind.
[111] Dagegen betrachtet die katholische Sicht die Sünde eher als Freiheitsmissbrauch, wenn sich der Mensch aufgrund falscher Entscheidung dem Bösen zuneigt. Die Möglichkeit, sich prinzipiell dem Guten zuwenden zu können, wird dort nicht abgestritten. (vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt dieser Zeit „Gaudium et spes“, S. 608-610 (Absatz 13)).
[112] Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland: Die Menschenrechte im ökumenischen Gespräch, S.99 Auch „Pacem in terris“ erwähnt das Kreuzesgeschehen und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Menschenwürde, wenngleich dies nicht in dieser Deutlichkeit geschieht (vgl. Johannes XXIII: Enzyklika Pacem interris (1963), Absatz 10).
[113] Vgl. Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland: Die Menschenrechte im ökumenischen Gespräch, S.98f..
[114] Damit steht die Denkschrift in reformatorischer Tradition; geht aber zugleich über das reformatorische Denken des 16. Jahrhunderts hinaus. Denn nach diesem Verständnis konnte Rechtfertigung nur mit ausdrücklichem evangelischen Bekenntnis geschehen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass alle anderen Religionen und Konfessionen Irrwege sein mussten (vgl. Heckel, Martin: Die Menschenrechte im Spiegel der reformatorischen Theologie, S.15f., 22). Auch nach modern-reformatorischem Verständnis können Menschenrechte nur Basis irdischen Wohlergehens sein, nicht aber Heilsbotschaften (vgl. Ebd., S.75-79). Denn die Frage, ob Gott alle Menschen oder nur die Glaubenden durch das Kreuzesgeschehen erlöst hat, muss doch am Ende offen bleiben. Umso wichtiger erscheint es, Menschenrechte auch als Schutz- und nicht nur als Freiheitsrechte zu begreifen.
[115] Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland: Die Menschenrechte im ökumenischen Gespräch, S.95.
[116] Ebd., S.101.
[117] Dieser Vorwurf wird seitens fundamentalistischer Muslime gerne dem westlichen Menschenrechtsverständnis gegenüber gemacht. Vgl. Bielefeldt, Heiner: Menschenwürde, S.27f..
[118] Vgl. Kühnhardt, Ludger: Die Universalität der Menschenrechte, S.123.
[119] Vgl. Johannes XXIII: Enzyklika Pacem in terris (1963), Absatz 9.
[120] Vgl. Ebd., Absatz 9.
[121] Da der von ihm erstellte Menschenrechtskatalog die wichtigen Forderungen der Erklärung der Vereinten Nationen von 1948 enthält (z.B. Religionsfreiheit (Absatz 12-14)), soll dieser nicht expliziter durchleuchtet werden. Wichtig sind mir die vier allgemeinen Fragen zu den Menschenrechten, so wie ich sie am Anfang diesen Teils entworfen habe und jetzt erörtere.
[122] Ebd., Absatz 158.
[123] Ebd., Absatz 1.
[124] Vgl. Erklärung über die religiöse Freiheit „Dignitatis humanae“ S.437f. (Absatz 1); Dennoch gilt: Ein Bekenntnis zu einer absoluten Wahrheit kann nie unproblematisch sein. Gerade in Bezug auf die Menschenrechte kann dies schnell zu dem Vorwurf führen, dass es sich hierbei nur um scheinbar überkulturelle Rechte handle; diese in Wahrheit aber nichts anderes sind als säkularisierte, jüdisch-christliche Werte als Ergebnis einer geistes- und kulturgeschichtlich homogenen Entwicklung (vgl. Wegener, Martina: „Licht über Licht“ - Die Vernunfttradition des Islam, S.29 ). Ich betone erneut: Es kommt darauf an, einen Wahrheitsbegriff zu entwickeln, der viel stärker berücksichtigt, dass Religion auf Vertrauen (nicht: auf metaphysischer Letztgültigkeit) beruht (ähnliches fordert auch Young-Sik Park (vgl. Park, Young-Sik: Konvivivenz der Religionen, S.231)).
[125] Vgl. Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland: Die Menschenrechte im ökumenischen Gespräch, S.88.
[126] Ebd., S.101; Ich verweise deshalb darauf, dass der oben angesprochene Berührungspunkt zwischen Rechtfertigungslehre und Menschenwürde nicht so ausgelegt werden darf, als würde Menschenwürde hierin (unumstößlich) verankert.
[127] Die Begründung ist somit weniger theologischer, sondern viel mehr ethisch-sozialer Natur.
[128] Kühnhardt, Ludger: Die Universalität der Menschenrechte, S.120. Fairerweise muss man hinzufügen, dass dieser Widerstand zum Teil auf das aggressive Verhalten zurückgeführt werden kann, welches die französischen Revolutionäre gegenüber der Kirche vorwiesen (vgl. Heckel, Martin: Die Menschenrechte im Spiegel der reformatorischen Theologie, S.38). Aus dem Grund schien eine Annäherung zwischen Religion und Säkularismus lange undenkbar.
[129] Vgl. Heckel, Martin: Die Menschenrechte im Spiegel der reformatorischen Theologie, S.46f..
[130] Vgl. Ebd. S.40f.; Kühnhardt, Ludger: Die Universalität der Menschenrechte, S.86f..
[131] Bielefeldt, Heiner: Philosophie der Menschenrechte, S.124.
[132] Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland: Die Menschenrechte im ökumenischen Gespräch, S.95; Mit „daran“ sind die Menschenrechte; mit „sie“ die westlichen Nationen gemeint.
[133] Locke, John: Zwei Abhandlungen über die Regierung. Hrsg.: Euchner, Walter, S.203.
[134] Vgl. Heckel, Martin: Die Menschenrechte im Spiegel der reformatorischen Theologie S.33ff.; König, Siegfried: Zur Begründung der Menschenrechte: Hobbes - Locke - Kant, S.42.
[135] Erklärung über die religiöse Freiheit „Dignitatis humanae“, S.439 (Absatz 2).
[136] Ebd., S.439 (Absatz 2).
[137] Ebd., S.438 (Absatz 2).
[138] Ebd., S.448 (Absatz 10).
[139] Ebd., S.442 (Absatz 4).
[140] Ebd., S.437 (Absatz 1); Kritischerweise sollte deshalb angemerkt werden, dass die katholische Kirche Religionsfreiheit demnach zwar einfordert, dies aber primär in Abgrenzung zu staatlicher Intervention in Glaubensfragen geschieht („den religiösen Gemeinschaften steht in gleicher Weise das Recht zu, nicht durch staatliche Mittel oder durch einen Verwaltungsakt der staatlichen Gewalt behindert zu werden“ Ebd., S.442 (Absatz 4)); nur sekundär aus dem Interesse heraus, Religionswahlfreiheit für alle Menschen konstituieren zu wollen. Zwar bekennt sich das zweite Vatikanum eindeutig zur Freiheit des Gewissens. Es erscheint aber so, als ob davon ausgegangen wird, dass dies im Idealfall nur in die katholische Lehre münden kann.
[141] Dagegen ist Mitmenschlichkeit ein empirisch erfahrbares Ziel, welches der Ausrichtung der zwischenmenschlichen Beziehung auf respektvolles Miteinander dient. Es kann deshalb jenseits aller transzendental-metaphysischen Ansprüche der Erfahrung nach eingefordert werden.
[142] Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland: Die Menschenrechte im ökumenischen Gespräch, S.91.
[143] Ebd.,S.101f..
[144] Ein völliger Begründungsverzicht indessen würde mit dem Vorwurf einhergehen, dass Menschenrechte irreligiös seien. Es besteht also ein Spannungsverhältnis.
[145] Heckel, Martin: Die Menschenrechte im Spiegel der reformatorischen Theologie, S.30.
[146] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (10.12.1948), S. 170 (Artikel 1).
[147] Ansonsten würde er sich selbst dem Absolutheitsanspruch strafbar machen. Stattdessen deklariert Artikel 18 der UN-Menschenrechtserklärung offen die Freiheit von Religion und Überzeugung und bekräftigt diese durch das Diskriminierungsverbot in Artikel 2.
[148] Spinoza, Baruch de: Theologisch-politischer Traktat. Hrsg.: Gawlick, Peter, S.280.
[149] Erklärung über die religiöse Freiheit „Dignitatis humanae“, S.441 (Absatz 3).
[150] Ebd., S.451 (Absatz 11).
[151] Wie ich oben dargelegt habe.
[152] Ebd., S.457 (Absatz 15).
[153] Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass die Zeit der Abfassung von „Dignitatis humanae“ mitten in den kalten Krieg fällt. Es wird deshalb, gerade in Anbetracht der kommunistisch geführten Oststaaten, ein vornehmliches Interesse der katholischen Konfession gewesen sein, diese Freiheit einzufordern. Das Argument zielt damit auch auf Existenzsicherung.
[154] Beispiele für Bürgerkriege aufgrund der Diskriminierung religiöser Minderheiten gibt es reichlich.
[155] Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland: Die Menschenrechte im ökumenischen Gespräch, S.89.
[156] Vgl. Ebd., S.91.
[157] vgl. Ebd., S.92f..
[158] Ebd., S.93.
[159] Vgl. Würth, Anna: Dialog mit dem Islam als Konlliktprävcntion?, S.36.
[160] Vgl. Ebd., S.32f..
[161] Vgl. An-Na’Im, Abdullahi Ahmed: Toward a Cross-Cultural Approach to Defining International Standards of Human Rights: The Meaning of Cruel, Inhuman, or Degrading Treatment or Punishment. In: An-Na’Im, Abdullahi Ahmed: Human Rights in Cross-Cultural Perspectives, S.38; Aus diesem Grund finde ich es wichtig, dass der Dialog auch zwischen Vertretern der Religionen und nicht nur zwischen staatlichen Gesandten stattfindet Denn während letzte sich von politischen und damit von Machtinteressen nur schwer lossagen können, sind erste von diesem Verdacht zunächst befreit.
[162] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam. 1981, S.1 (Präambel).
[163] „Wir haben (nach Beendigung des Schöpfungswerkes) das Gut (des Heils?), das (der Welt) anvertraut werden sollte, (zuerst) dem Himmel (w. den sieben Himmeln), der Erde und den Bergen angetragen. Sie aber weigerten sich, es auf sich zu nehmen, und hatten Angst davor. Doch der Mensch nahm es (ohne Bedenken) auf sich. Er ist ja frevelhaft und töricht.“.
[164] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam. 1981, S.1 (Präambel).
[165] So wie dies dem Menschen durch das Bild der Gottesebenbildlichkeit zuteil wird.
[166] Vgl. Bielefeldt, Heiner: Philosophie der Menschenrechte, S.176.
[167] Vgl. Die Kairoer Erklärung über Menschenrechte im Islam.1990, S.355 (Artikel 1a)).
[168] Ebd., S.355 (Artikel 1a)).
[169] Arab Charta On Human Rights 2004, S.149f. (Präambel).
[170] Ebd., S.150 (Präambel).
[171] Allerdings können mit diesen nur die monotheistischen Religionen gemeint sein, da sie allein ihren Ursprung im Nahen Osten haben.
[172] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam.1981, S.1 (Präambel); Allerdings ist diese Auffassung keineswegs unumstritten, da auch der Islam auf eine ausgeprägte Vernunfttradition zurückblicken kann (vgl. Würth, Anna: Dialog mit dem Islam als Konfliktprävention?, S.32).
[173] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam.1981, S.1 (Präambel).
[174] Ebd., S.2 (Präambel).
[175] Vgl. Würth, Anna: Dialog mit dem Islam als Konfliktprävention?, S.31f..
[176] Vgl. Die Kairoer Erklärung über Menschenrechte im Islam.1990, S.361 (Artikel 24, 25); Zur Erklärung: Die Scharia ist das islamische Gesetzwerk, deren Rechtsquellen u.a. Koran und Sunna (Worte und Werke Mohammeds) sind. Sie gilt dem orthodoxen Islam als autoritatives Gesetzwerk (vgl. Kühnhardt, Ludger: Die Universalität der Menschenrechte, S.142f.); ihre Auslegung ist hingegen umstritten.
[177] Vgl. Würth, Anna: Dialog mit dem Islam als Konfliktprävention?, S.37f..
[178] Vgl. Wittinger, Michaela: Christentum, Islam, Recht und Menschenrechte, S.31; Der Vorteil der Eingrenzung von Menschenrechten besteht darin, dass Menschenrechte dadurch schneller legitimiert werden können. Dies kann aber insofern kein Argument sein, da sie dadurch ihrem ursprünglichem Ziel, nämlich Grundrechte für jedes einzelne Individuum zu verankern, enthoben werden können. Wer demnach für eine legitime Eingrenzung von Menschenrechten plädiert, akzeptiert damit elementare Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter dem Deckmantel scheinbarer Toleranz.
[179] Arab Charta On Human Rights 2004, S.150 (Präambel); Ich weise an dieser Stelle daraufhin, dass die nichtmonotheistischen Religionen somit nach wie vor keine Beachtung finden.
[180] Ebd., S.150 (Präambel).
[181] Ebd., S.151 (Artikel 1, Absatz 4).
[182] Wenngleich das nicht bedeutet, dass die ACMR der UN-Erklärung faktisch gleich käme. So spricht beispielsweise Artikel 3 davon, dass Männer und Frauen zwar gleich an Würde seien (selbiges geschieht übrigens auch in der Kairoer Erklärung, Artikel 6), beharrt jedoch auf einer „positive discrimination established in favor of women by Islamic Shari’a and other divine laws“ (Arab Charta On Human Rights 2004, S.151 (Artikel 3, Absatz 3)) und relativiert damit den Grundsatz der Geschlechtergleichheit.
[183] Ebd., S.150 (Präambel).
[184] Vgl. Dicke, Klaus: Politische Aspekte der Universalität der Menschenrechte. In: Schwartländer, Johannes: Modernes Freiheitsethos und christlicher Glaube, S.121.
[185] Beispielsweise kritisiert Spaemann den Umgang mit älteren und kranken Menschen in unserer Gesellschaft, welche, da sie nicht dem Idealbild der Spaßgesellschaft entsprechen, potentiell unter der Gefährdung stehen, als wertlos deklariert zu werden (vgl. Spaemann, Robert: Sind alle Menschen Personen? Über neue philosophische Rechtfertigungen der Lebensvernichtung In: Spaemann, Robert: Grenzen - Zur ethischen Dimension des Handelns, S.426f.). Eine solche Anschauung käme der von Huxley beschriebenen ,schönen neuen Welt’ recht nah (Huxley, Aldous: Brave New World. Hrsg.: Hamblock, Dieter). Ich wiederhole erneut: Es kommt darauf an, die Sorgen anderer Kulturen im Hinblick auf unsere eigene ernsthaft zu verstehen, bevor wir diese vorschnell verurteilen. Vielleicht entdecken wir, dass auch unsere Kultur weit davon entfernt ist, eine Idealgesellschaft zu sein.
[186] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam.1981, S.3 (Präambel); „Eine Gesellschaft, in der alle Menschen gleich sind, in der es keine Privilegierung und Diskriminierung aufgrund von (...) Religion, zwischen den einzelnen gibt.“.
[187] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam.1981, S.2 (Präambel).
[188] Ebd., S.1 (Präambel).
[189] Ebd. S.1 (Präambel).
[190] Vgl. Ebd. S.3 (Präambel), S.4 (Artikel 1, 2), S.5 (Artikel 3) etc.
[191] Ebd., S.9 (Artikel 12): „Jeder kann denken, glauben und zum Ausdruck bringen, was er denkt und glaubt (...) solange er innerhalb der allgemeinen Grenzen, die die Scharia vorschreibt, bleibt.“
[192] Die Kairoer Erklärung über Menschenrechte im Islam.1990; Die Eingrenzung ergibt sich zum einen durch den Scharia-Vorbehalt in den Artikeln 24 und 25. Zum anderen wird die Scharia-Eingrenzung der Meinungsfreiheit in Artikel 22a) ausdrücklich erwähnt.
[193] Die Kairoer Erklärung über Menschenrechte im Islam.1990, S.358 (Artikel 10).
[194] Talbi, Mohammed: Religionsfreiheit- eine muslimische Perspektive. In: Schwartländer, Johannes: Freiheit der Religion, S.58.
[195] Ich werde auf die Problematik und die Vorzüge von Begründungen aus der Offenbarung im dritten Teil dieser Arbeit noch expliziter zu sprechen kommen. An dieser Stelle genügt die Erkenntnis, dass Religionsfreiheit mit dem Islam nicht unvereinbar ist.
[196] Vgl. Mill, John Stuart: Über die Freiheit. Hrsg.: Schlenke, Manfred, S.26.
[197] Arab Charta On Human Rights 2004, S.156 (Artikel 30, Absatz 1).
[198] Ebd., S.157 (Artikel 30, Absatz 2).
[199] Ähnlich auch Wittinger, Michaela: Christentum, Islam, Recht und Menschenrechte, S.70: Wittinger kritisiert an diesem Punkt, dass die in Artikel 30, Absatz 2 erwähnte Toleranz durchaus kompatibel mit dem orthodoxen Verständnis ist, dass die Scharia bereits eine ideale Toleranzauffassung gegenüber Andersgläubigen besitze.
[200] Vgl. Wittinger, Michaela: Christentum, Islam, Rechtund Menschenrechte, S.57.
[201] Vgl. Ebd., S.66.
[202] Vgl. Schwartländer, Johannes: Freiheit der Religion, S.39.
[203] Kühnhardt, Ludger: Die Universalität der Menschenrechte, S.153.
[204] Die Kairoer Erklärung über Menschenrechte im Islam.1990, S.355 (Präambel).
[205] Vgl. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam.1981, S.8 (Artikel 10b)).
[206] Wittinger, Michaela: Christentum, Islam, Recht und Menschenrechte, S.52.
[207] An-Na’Im, Abdullahi Ahmed: Toward a Cross-Cultural Approach to Defining International Standards of Human Rights: The Meaning of Cruel, Inhuman, or Degrading Treatment or Punishment, S.35f..
[208] Ärab Charta On Human Rights 2004, S.150 (Präambel); Die anderen Offenbarungsreligionen werden zusammen mit der Scharia ausdrücklich in einer Reihe erwähnt.
[209] Ich werde im dritten Teil dieser Arbeit genauer erläutern, was ich hierunter verstehe.
[210] Vgl. Wittinger, Michaela: Christentum, Islam, Rechtund Menschenrechte, S.65.
[211] Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass auch das Christentum verschiedene Strömungen besitzt, von denen nicht alle die Menschenrechte voll akzeptieren. Das Verhältnis ist demnach auch hier nicht unproblematisch. Allerdings möchte ich mich in dieser Arbeit bewusst auf die christlichen Positionen beschränken, die ich im zweiten Teil ausführlich dargelegt habe. Diese konnten eine Akzeptanz von Menschenwürde und Menschenrechten u.a. mit dem Argument der Gottesebenbildlichkeit (Gen 1,27) erreichen.
[212] Dieser geht dann konsequenterweise mit der Einsicht einher, dass es verschiedene Ausdrücke und Lehren des Heiligen gibt.
[213] Vertrauenswahrheit darf deshalb nicht als rein subjektiver Willkürakt fehlverstanden werden. Ob eine Botschaft es wert ist, dass man ihr Vertrauen schenkt und sich somit zu ihr bekennt, muss gründlich durchdacht werden. In dem Sinne können beispielsweise die Glaubensgemeinschaft und Tradition einer Religion die Entscheidung des Individuums beeinflussen.
[214] Talbi, Mohammed: Religionsfreiheit- eine muslimische Perspektive. In: Schwartländer, Johannes: Freiheit der Religion.
[215] Vgl. Ebd., S.57.
[216] Vgl. Ebd., S.58.
[217] Ebd., S.56.
[218] Vgl. Ebd., 70.
[219] Riffat Hassan: Religiöse Menschenrechte im Koran. In: Gewissen und Freiheit. Hrsg: Verfaillie, Maurice: Jahrgang 23, Nr.46-47.1996, S.58-71.
[220] Vgl. Ebd., S.62-64.
[221] Vgl. Wielandt, Rotraud: Menschenwürde und Freiheit in der Reflexion zeitgenössischer muslimischer Denker, S.204f..
[222] Interessanterweise ist dies eins der Zitate, mit dem das zweite Vatikanum seinen Missionauftrag im Dekret „Ad gentes“ begründet (Dekret über die missionarische Tätigkeit der Kirche „Ad gentes“. In: Hünermann, Peter/ Hilberath, Bernd Jochen: Herders Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Band 1, S.466 (Absatz 5)).
[223] Vgl. Heckel, Martin: Die Menschenrechte im Spiegel der reformatorischen Theologie, S.15ff..
[224] Vgl. Ebd.,S.22.
[225] Vgl. Habermas, Jürgen: Moralbewusstscin und kommunikatives Handeln, S.73-78.
[226] Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S.51 (BA52).
[227] Habermas, Jürgen: Moralbewusstsein undkommunikatives Handeln, S.75.
[228] Ebd., S.77.
[229] Habermas, Jürgen: Erläuterungen zur Diskursethik, S.113.
[230] Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Es dürfte schwer sein, einem Muslim die letztgültige Wahrheit des Evangeliums anhand desselben zu beweisen. Es mag ihm zwar wahrhaftig erscheinen (d.h. von der eigenen Richtigkeit überzeugt), nicht jedoch im klassischen Sinne als wahr. Polemisch gesprochen: Ein Politiker, der für seine eigene Sache eintritt, mag der Bevölkerung vielleicht glaubwürdig erscheinen, dies sagt jedoch noch nichts über die Effizienz seiner Vorschläge aus. Erst durch die Legitimation Externer (z.B. Wirtschaftsprofessoren) mögen diese breiteren Anklang finden.
[231] Rendtorff, Trutz: Ethik. Grundelemente, Methodologie, und Konkretionen einer ethischen Theologie. Band I,S.29
[232] Vgl. Ebd., S.29.
[233] Darauf hat Panikkar auf der dogmatischen Ebene (Panikkar, Raimundo: The intrareligious dialogue, S.7), An- Na’Im auf der Ebene der Menschenrechte hingewiesen (An-Na’Im, Abdullahi Ahmed: Toward a Cross-Cultural Approach to Defining International Standards of Human Rights: The Meaning of Cruel, Inhuman, or Degrading Treatment or Punishment. In: An-Na’Im, Abdullahi Ahmed: Human Rights in Cross-Cultural Perspectives, S.21,28).
[234] Zaid, Nasr Hamid Abu: Mohammed und die Zeichen Gottes, S.64f..
[235] Ebd., S.65: „In ihm finden wir die Stimme der frühen muslimischen Gemeinschaft wieder, wenn sie sich bei Mohammed in bestimmten Angelegenheiten Auskunft holte, aber auch die Stimmen derer, die Mohammed verspotteten oder angriffen“.
[236] Öszoy, Ömer: Die Geschichtlichkeit der koranischen Rede und das Problem der ursprünglichen Bedeutung von geschichtlicher Rede. In: Religion und Gesellschaft. Band I. Hrgg.: Wielandt, Rotraud/ Ghadban, Ralph/ Troll, Christian, S.87.
[237] Vgl. Ebd., S.89.
[238] Zaid, Nasr Hamid Abu: Mohammed und die Zeichen Gottes, S.68.
[239] Vgl. Ebd., S.73f..
[240] Öszoy, Ömer: Die Geschichtlichkeit der koranischen Rede und das Problem der ursprünglichen Bedeutung von geschichtlicher Rede, S.94: „Der geschichtliche Ansatz sucht (...) den ursprünglichen Sinn der Stellen, die den Koran bilden, in dem geschichtlichen Kontext, zu dem sie gehören. Das natürliche Ergebnis dieses Ansatzes ist es, die festgestellten wörtlichen Hinweise auch als geschichtlich zu bezeichnen. Dies zeigt, warum Auslegung notwendig ist, um die koranische Botschaft in nachkoranische Zeit zu übertragen.“ Öszoy betont deshalb: „Mit welchem Ziel etwas im Koran vorkommt, ist deshalb entscheidender, als ob es vorkommt.“ (Ebd., S.88).
[241] Vgl. Ebd.,S.90f.; Öszoy begründet dies mit dem metaphorischen Charakter des Korans. Anhänger des übergeschichtlichen Dogmas können deshalb, unter dem Vorwand metaphorischer Offenheit, eine bestimmte ihnen zukommende Bedeutung zur letztgültigen erklären, indem sie ihre Auslegung als allein richtig deklarieren und mit der Übergeschichtlichkeit als letztgültigem Argument begründen.
[242] Vgl. Ebd., S.94f..
[243] Vgl. Ebd„S.97.
[244] Man täte Öszoy allerdings Unrecht, wenn man deswegen behaupten sollte, dass er die Gegebenheit des subjektiven Transports nicht wahrnehmen würde: „Während der erste Schritt - der Verstehensvorgang - objektiv sein kann und muss, ist der zweite - der Vorgang der Auslegung des ursprünglichen Sinnes für heute - ein vollkommen subjektiver Vorgang.“ (Ebd., S.95) Öszoy erkennt damit die Spannung zwischen notwendiger Objektivität und faktischer Subjektivität.
[245] Ich betone an dieser Stelle erneut, dass es mir nicht zusteht, darüber zu urteilen, ob dies nach pluralistischer Auffassung ,nur’ verschiedene Ausdrücke desselben Göttlichen sind oder nicht. Dies ist aber für das Verständnis von Vertrauenswahrheit nicht entscheidend. Die hierin erfahrene Wahrheit kann und darf in den Religionen völlig unterschiedlich aufgefasst werden, solange sie nicht untereinander verleugnet werden.
[246] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (10.12.1948), S.172 (Artikel 18).
[247] Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (10.12.1948), S.169 (Präambel).
[248] Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt dieser Zeit „Gaudium et spes“, S.619f. (Absatz 21); Ob dies allerdings - so wie hier postuliert wird - die einzige Möglichkeit ist, diese Fragen sinnvoll zu beantworten, darf kritisiert werden.
[249] Küng, Hans: Projekt Weltethos.
[250] Kant, Immanuel: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Hrsg.: Malter, Rudolf, S.127.
[251] Mill, John Stuart: Über die Freiheit, S.26.
[252] Ich wiederhole deshalb erneut: Die Diskussion muss offen sein und auf Gleichberechtigung aller Gesprächspartner beruhen, da ansonsten eine Frontenverhärtung erfolgen kann; die Diskussion somit kontraproduktiv wird.
[253] Das hier angeführte Liebesgebot befindet sich auch im AT unter Lev 19,18.
[254] Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise, S.82.
[255] So wie der systematische Atheismus in ,Gaudium et spes’ zitiert wird (Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt dieser Zeit „Gaudium et spes“, S.617f. (Absatz 20)).
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- Andre Dickers (Autor:in), 2009, Über die Möglichkeit eines interreligiösen Dialogs zwischen Christentum und Islam am Beispiel der Menschenrechte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149650
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