Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitende Vorbemerkung
2. Dimensionen, Prozesse und Strategien politischer Kommunikation
2.1. Begriffsklärung
2.2. Kommunikationsmodell
2.3. Entwicklungsgeschichte
2.4. Grundfunktionen
2.5. Entwicklungstendenzen
3. Akteure und Institutionen
3.1. Parlament
3.2. Regierung und Opposition
3.3. Parteien
3.4. Journalisten
3.5. Lobbyisten und Interessenverbände
3.6. Bürger
4. Probleme und Ausblick
4.1. Entwicklung zur Neue-Medien-Gesellschaft
4.2. Vermittelbarkeit von politischen Prozessen, Entscheidungen und Handlungen
5. Abschließende Stellungnahme
Literaturverzeichnis
1. Einleitende Vorbemerkung
Die vorliegende Arbeit soll einen einführenden Überblick auf das weite Feld der politischen Kommunikation bieten. Nach dem hinführenden Teil im zweiten Kapitel werden dann die Akteurskonstellationen des politischen Kommunikationsprozesses im parlamentarischen System der Bundesrepublik Deutschland dargestellt. Eine detaillierte (auch empirische) Untersuchung von Teilbereichen wird jedoch nicht geleistet, da diese den Umfang sprengen würde.
Es wird also zu analysieren sein, welche Berührungspunkte das parlamentarische (oder allgemein: politische) System und das Kommunikationssystem haben, wer die jeweiligen Akteure und Institutionen sind, und welche Wechselwirkungen zwischen ihnen bestehen. Außerdem wird untersucht, worin die Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen. Ferner sind die aktuellen Entwicklungen und die damit verbundenen Probleme zu diskutieren.
2. Dimensionen, Prozesse und Strategien politischer Kommunikation
2.1. Begriffsklärung
Es erscheint sinnvoll, die Klärung des Zentralbegriffes Politische Kommunikation an den Anfang der vorliegenden Arbeit zu stellen.
Im Sinne der anglo-amerikanischen Dreiteilung in die Komponenten policy (inhaltliche Dimension, Politikfelder, Staatsaufgaben), politics (prozessuale Dimension, Zustandekommen und Umsetzung von Entscheidungen) und polity (institutionelle Dimension, Grundnormen sowie Organisation und Arbeitsweise politischer Akteure) wird bereits das Adjektiv 'politisch' grundsätzlich sehr weit gefasst. 'Kommunikation' bezeichnet den gegenseitigen Prozess der Zeichenvermittlung zwischen verschiedenen Akteuren.
Politische Kommunikation stellt also eine auf Information bezogene Interaktion zwischen Akteuren innerhalb eines Staates (und auch mehrerer Staaten) dar und wird damit zugleich selbst Bestandteil politischen Handelns. Obwohl die politische Kommunikation zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen, wie zum Beispiel Publizistik, Rechts- , Politik-, Sprach- und Wirtschaftswissenschaften berührt, ist sie dennoch ein eher junger Untersuchungsgegenstand der jeweiligen Fachbereiche. Vor allem interdisziplinäre und hier besonders empirische Langzeitstudien sind bisher selten in der Literatur zu finden.
Der Titel der Arbeit grenzt das weite Feld politischer Kommunikation auf das parlamentarische System Bundesrepublik Deutschland ein. Damit werden einerseits die internationalen Aspekte ausgeklammert, andererseits der Untersuchungsschwerpunkt auf den parlamentarischen Aspekt politischen Agierens reduziert.
2.2. Kommunikationsmodell
Vor dieser spezifischen Auseinandersetzung soll allerdings noch eine kurze Hinwendung zu einem grundlegenden Schema erfolgen, das allgemein die Prozesse und Strukturen jeder Kommunikation beschreibt. Der Kommunikationsurheber (Sender) kodiert zunächst die zu übermittelnde Information (Kommunikationsgehalt) in ein Zeichensystem (z.B. Sprache) und schickt sie über ein Kommunikationsmittel (Kanal) zum Adressaten (Empfänger), der dann die Dekodierung vornimmt. Zwischen diesen vier Elementen bestehen zahlreiche (Wechsel-)Beziehungen, die zu einer unendlichen Vielfalt möglicher Kommunikationsprozesse führen. In demokratischen Gesellschaften zum Beispiel gehört das Feedback des Rezipienten politischer Inhalte zu den institutionalisierten Selbstverständlichkeiten, durch die Legitimation, aber gegebenenfalls auch Anregung zur Korrektur der politischen Handlung erfolgt. In autoritären Regimen hingegen wird diese Rückkopplung entweder vollständig unterdrückt oder nur streng kontrolliert und zumeist unter Ausschluss der Öffentlichkeit zugelassen.
Kommunikation findet stets im gesellschaftlichen Kontext statt, d.h. ein Kommunikationssystem steht immer auch mit anderen Systemen in Beziehung. Allerdings gibt es unterschiedliche Nuancen der Offenheit: Autoritäre Herrschaft tendiert im Zuge möglichst umfangreicher Kontrolle zur Abschottung ihres Kommunikationssystems, was dann allerdings mangels Rückkopplung auch zur Einbuße der Lernfähigkeit führen und somit langfristig insgesamt destabilisierend wirken kann. Demokratien hingegen beziehen im Idealfall das gesamte Volk oder sogar die Weltöffentlichkeit in den politischen Kommunikationsprozess mit ein. In der Bundesrepublik Deutschland hat sich aus dem tertiären Dienstleistungssektor bereits ein quartärer Informationssektor (Massenmedien, Wahlkampfmanagement, Öffentlichkeitsarbeit, Meinungsforschung, u.a.) heraus entwickelt, der zur Stabilität des politischen Kommunikationssystems aber auch des politischen Gesamtsystems beiträgt.
Wie in den Kapiteln drei und vier zu zeigen sein wird, stehen die oben vorgestellten Elemente (politischer) Kommunikation in stetigen Wechselbeziehungen zueinander und sind somit abhängig von der jeweiligen Konstellation von Sender, Empfänger, Medium und Inhalt.[1]
2.3. Entwicklungsgeschichte
Politische Kommunikation ist so alt wie die Politik selbst: Ausgebaute Bergpfade bei den Inkas oder eigens errichtete Pflasterstraßen für Botenläufe im Römischen Reich sind bereits frühgeschichtliche Zeugnisse für eine vergleichsweise leistungsfähige Infrastruktur der Politikvermittlung. Deren Vielfalt und Umfang steht jedoch in engem Zusammenhang zur technischen Entwicklung. So gilt bis heute Deutschland mit dem ab 1609 erscheinenden Nachrichtenblatt "Aviso" aus Wolfenbüttel als Ursprungsland des Zeitungswesens.[2] Mit der Entwicklung des Telegrafen durch den Amerikaner Samuel Morse im Jahr 1837 wurde einer schnellen, elektronischen Kommunikation der Weg geebnet. Massenkommunikationsmittel wie Telefon, Radio, Fernsehen und Internet, die mittels Kabel- oder Satellitentechnik heute in jedem Haushalt selbstverständlich sind, ermöglichen Nachrichtenübermittlung in Sekundenbruchteilen. Politische Information ist damit nicht mehr nur den Eliten vorbehalten, sondern grundsätzlich, beispielsweise über die Homepage einer Partei oder Nachrichtenagentur im Internet für jeden zugänglich.
Politischer Journalismus begann erst Mitte des 19. Jahrhunderts damit, sich langsam in seinem Selbstverständnis aus der engen Verklammerung zu den Regierenden zu lösen und damit eine eigene Identität als "vierte Gewalt" zu formen. Wurden die Informationskanäle bis in unser Jahrhundert hinein zunächst noch eher einseitig von staatlicher Seite zur Verbreitung eigener Politikinhalte genutzt, führten dann die zunehmende Kommerzialisierung und Privatisierung des Print-, Hörfunk- und Fernsehwesens zum stetigen Einflussverlust der staatlichen Institutionen. 1946 verabschiedeten die Vereinten Nationen (UN) eine Erklärung zur Freiheit der Information.
Dennoch bedarf es bei der rasanten Entwicklung (inter-)nationaler Kommunikationssysteme auch einer politischen Gestaltung der Rahmenbedingungen. Ost-West-Polarisierungen während des Kalten Krieges mit gezielter Installation von Rundfunksendern an den Systemgrenzen zum Beispiel, oder auch die heute vielfältige Nutzung des Internets für extremistische Propaganda durch staatsfeindliche Organisationen zeigen, dass der Informationsfreiheit auch in demokratischen Gesellschaften Grenzen gesetzt werden müssen. Dabei lassen internationale Deklarationen der UNESCO und des GATS, aber auch die nationalen Regelungen im bundesdeutschen Grundgesetz (Art. 5 Abs. 1 u. 2) sowie im Presserecht weite Spielräume, die den aktuellen Entwicklungen immer wieder durch den Gesetzgeber angepasst werden müssen.[3]
2.4. Grundfunktionen
Im Rückgriff auf die strukturell-funktionale Systemtheorie von T. Parsons[4] werden nun die vier Grundfunktionen des politischen Kommunikationssystems dargestellt.
Ein demokratischer Staat wie die Bundesrepublik muss ständig seine Anpassungsfähigkeit an die sich wandelnde nationale und internationale Umwelt aber auch an die eigenen Bürger und deren Interessen unter Beweis stellen. Ein flexibles Kommunikations- und Mediensystem mit einer vielfältigen Verarbeitungskapazität und vielfach gestaffelten Reichweiten vermeidet zum Beispiel einerseits Wissensdefizite bei den Regierenden über den tatsächlichen Zustand und die Bedürfnisse der Bürger im Staat und dient andererseits auch als Informations- und Artikulationsquelle der Regierten. Damit garantiert es die politische Meinungsbildung. Weil das Medienangebot jedoch sehr schichtspezifisch genutzt wird, bleibt auch der Grad der politischen Informiertheit immer unterschiedlich. Medien wandeln soziale, wirtschaftliche und kulturelle Sachverhalte in politische um und ermöglichen damit die Anpassung an die nationale Umwelt des politischen Systems. Die zunehmende internationale Verflechtung der Staaten (z.B. Europäische Union, Nord-Süd-Konflikt) macht allerdings künftig auch eine qualifizierte Auslandsberichterstattung nötig. Wirtschaftliche Erwägungen stehen dem Ausbau eines entsprechenden Korrespondentennetzes allerdings oft gegenüber.
Bei der Zielverwirklichung, nämlich vor allem allgemein verbindliche Entscheidungen herbeizuführen, sind Medien am politischen Prozess direkt beteiligt. Für die Glaubwürdigkeit und die Legitimation vor den Bürgern ist eine pluralistische und ausdifferenzierte Struktur des Kommunikationssystems genauso wesentlich wie die Einhaltung journalistischer Distanznormen. Das Aufzeigen politischer Gegensätze und die damit verbundene Polarisation politischer Inhalte durch Tendenzjournalismus sind einerseits zwar unumgänglich für die Meinungsbildung, andererseits stellt er auch immer eine potentielle Destabilisierung dar, betrachtet man beispielsweise die politische Macht von Wochenblättern wie "Spiegel" oder "Stern".
Die dritte Funktion ist die Integration des Bürgers durch die Schaffung einer im Idealfall nationalen politischen Gesamtöffentlichkeit. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, tendieren die Massenmedien immer stärker zu einer Zielgruppenorientierung. Durch die Ausrichtung der Programminhalte am jeweiligen Publikum werden nur noch bestimmte politische Sachverhalte zum Thema gemacht, Quotendruck und Unterhaltungswert werden zum Indikator für den Nachrichtenwert politischer Sachverhalte. Um die eigenen Inhalte dem Bürger und Wähler umfangreicher vermitteln zu können, haben deshalb Parlamente, Parteien, Regierungen und staatliche Institutionen in den vergangenen Jahren die Abteilungen für die Öffentlichkeitsarbeit und PR stetig ausgebaut.
[...]
[1] vgl.: Saxer, Ulrich: System, Systemwandel und politische kommunikation. In: Jarren, Otfried u.a. (Hrsg.): Politische Kommunikation. Opladen/Wiesbaden, 1998, S. 26-32.
[2] vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), 1998, S. 14 f.
[3] vgl.: Kleinsteuber, Hans J. und Barbara Thomass: Politikvermittlung im Zeitalter von Globalisierung und medientechnischer Revolution. In: Sarcinelli, Ulrich (Hrsg.), Bonn, 1998.
[4] vgl.: Nohlen, Dieter (Hrsg.), Bonn, 1991, S. 686f.