Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung
II. Die Särge
III. Inhaber der Särge
IV. Die Texte, Textstruktur, Textaufbau
V. Textinhalte
VI. Textgestaltung
VII. Versuch einer Textstruktur nach Barguet
1. Teil: Einleitende Texte
2. Teil: Die Bestimmung, das Los des Toten
3. Teil: Die Gefahren der anderen Welt und ihre Ausweichmöglichkeiten
4. Teil: Andere Texte
5. Teil: Das Buch der zwei Wege
6. Teil: Das Buch der zwei Wege (2. Textteil)
VIII. Rituelle Sprechhandlungen
IX. Schlussbetrachtung
X. Sprüche
XI. Bibliographie
I. Einführung
Altägyptische Jenseitsbücher1
- Pyramidentexte (ab 5. Dynastie, 2520 v. Chr.)
- Sargtexte (Mittleres Reich, 11. – 14. Dynastie, 1987 – 1640 v. Chr.)
- Totenbuch (Neues Reich, ab 18. Dynastie, 1540 – 1075 v. Chr.)
- Die Bücher vom Atmen
- Die Unterweltsbücher des Neuen Reiches
Das Amudat
Der Spruch von den zwölf Grüften Das Pfortenbuch
Das Enigmatische Unterweltsbuch Das Höhlenbuch
Das Buch von der Erde Verstreute Szenen
- Die Himmelsbücher
Das Nutbuch
Das Buch vom Tage Das Buch der Nacht
- Besondere Kompositionen
Die Sonnenlitanei
Das Buch von der Himmelskuh
Das Buch vom Durchwandeln der Ewigkeit
In der ersten Zwischenperiode, 2100 v. Chr., waren die hohen Funktionäre des Königreiches zu lokalen Oberhäuptern avanciert, und hatten eine hoch organisierte Feudalherrschaft mit Erbrecht eingerichtet. Gleich den Pharaonen, hielten sie einen luxuriösen Hofstaat, samt Handwerkern, Priestern und Ärzten.
In dieser Zeit entwickelten sich in den Provinzen Nekropolen dieser neuen Aristokratie, mit dekorierten und beschrifteten Mastaben2 und Felsengräber. Diese neue Elite liess sich in einfachen Holzsärgen bestatten, und die Grabkammern boten nicht mehr so viel Platz, um Grabtexte, wie Pyramidentexte, an den Wänden anzubringen. Daher ging man zur Sitte über, die Holzsärge selbst zu beschriften, an den Aussen-, und vor allem an den Innenseiten.
Zu diesen Texten gehörten, nebst den Pyramidentexten, welche im alten Reich ausschliesslich den Königen vorbehalten waren, auch komplett neue Textformen.
Die neuen Nekropolen lagen hauptsächlich bei Heliopolis, der alten Hauptstadt Memphis (Sakkarah, Dahschur), El-Lischt und Herakleopolis, Assiut, Beni Hassan, el-Bershk, Theben, bei Kôm el-Hisn bis Assuan, beim ersten Katarakt.
Die Texte stammten aus der ersten Zwischenzeit um 2160 v. Chr., und erhielten sich bis zur 13. Dynastie um 1700 v. Chr., was der Zeit des „Mittleren Reiches“ entsprach. Die bedeutendste Entwicklung erfolgte in der 12. Dynastie. Einige der Texte entstammten dem Ende des alten Reiches, Papyri von unbekannter Herkunft, die heute für die Forschung von speziellem Interesse sind, da sie massgeblich den Schreibern und Malern der Sarkophage als Vorlage dienten.
II. Särge
Die Definition eines Sarges ist klar, es handelt sich um eine einfach gezimmerte Holzkiste mit Deckel. Weniger definiert sind Sarkophage. Im Allgemeinen bestehen diese aus einem steinernen Sarkophag und/oder einem anthropomorph gestaltetem hölzernen Sarkophag.
Wir haben es hier mit Särgen zu tun, und dies mit recht bescheidenen Massen (ca. Höhe: 52 cm [o/Deckel] x Länge: 2 m x Breite: 48 cm).
Die Texte wurden vorwiegend im Innern des Sarges aufgemalt, in hieratischer Schrift.
Der Sarg stellte für den Ägypter ein Haus dar, ein Kosmos, in dem der verstorbene in Mitten zahlreicher bildlich festgehaltener Grabbeigaben, Symbolen, Sprüchen, Geschichten ein neues Leben leben sollte. Dieses Haus war das Abbild der Welt, in welcher der Verstorbene gelebt hatte, respektiv in welcher er gemäss dem Bestattungsritual Auferstehen sollte.
Der Deckel war als astronomischer Himmel gestaltet, der Sargboden wurde in gewissen Gegenden mit den Zwei Wegen dekoriert, und der Tote war zudem von vier Horizonten (Kopf, Fuss, und beide Längsseiten) umgeben.
Die Aussenseiten der Särge sind mit vertikalen Bändern in Sektionen aufgeteilt, und mit Dekorationen oder Bildsymbolen versehen. Auf beiden Längsseiten werden so je drei Flächen gebildet; die beiden Schmalseiten (Kopf und Fuss), bilden je eine Fläche, die ebenfalls mit vertikalen Bändern eingefasst sind.
Die mittleren Flächen der Längsseiten stehen in Verbindung mit der Gottheit Chou-Tefnout- Geb-Nout. Die äusseren Flächen sind den vier Söhnen des Horus, Amsit, Hapi, Duamutef und Qebehsenuf geweiht. Der Deckel steht in Verbindung mit Anubis und hauptsächlich mit Nut, der Gottheit des Himmels. Eine horizontale Fläche, welche über die vier Seiten gezogen ist, steht unter dem Schutz von Osiris und Anubis.
Der Sarg wurde in der Grabkammer so ausgerichtet, dass der Tote den Kopf im Norden hatte und seitlich nach Osten blickte. Der nördliche Teil stand in Verbindung mit Nephtys und Neith, die südliche Fläche mit Isis und Selket. Auf den Särgen hat man kleinere Objekte deponiert, wie Miniaturnachbildungen von Barken oder auch Papyri – für mehr war in den knapp bemessenen Grabkammern kein Platz.
Der Tote, der nun ein Osiris geworden war, stand somit im Kreise seiner spirituellen Familie.
Auf der östlichen Längsseite des Sarges, wurde eine Türe aufgemalt. Über dem Toten waren die magischen Augen, Oudjat, welche es dem Toten erlaubten, nach draussen zu sehen.
Im Innern des Sarges fallen die zahlreichen neuen Texte auf, welche vertikal auf allen vier Seiten des Sarges aufgemalt sind.
Über diesen Texten befinden sich Friese mit Objekten (Gerätefriese), wie Spiegel, Hals- und Armbänder, Stoffe, Szepter, Kannen, Keulen, Pfeil und Bogen, Kronen, Perücken, Öl-Vasen, Kopfkissen, Betten, Sandalen, Becken, Speicher. Alle Beigaben wurden speziellen Seiten des Sarges zugeordnet, wie zum Beispiel die Lebensmittelopfer, neben der aufgemalten Türe, auf der Höhe des Mundes des Toten.
Auf derselben Seite sind auch Opferlisten aufgeführt, welche detailliert Auskunft darüber geben, was dem Toten an Versorgung mit Speis und Trank mitgegeben wurde, um kraft der magischen Wirkung des geschriebenen Wortes, das Überleben im Jenseits dauerhaft zu sichern. Denn nach dem Glauben des Ägypters besitzen die Schriftbilder Wirklichkeitscharakter und die einzelnen Bezeichnungen der Opferliste können denselben Zweck wie die realen Grabbeigaben erfüllen.
So nimmt man an, dass Ort und Fläche, wo ein Text aufgemalt wurde, einen bedeutenden Symbolcharakter hatte.
III. Inhaber der Särge
Die Särge, welche bisher gefunden wurden, stammen alle von wichtigen Persönlichkeiten welche in der Region eine hohe Funktion inne hatten. Prinzen, Monarchen, Gouverneure (Gaufürsten), Minister, Priester, Richter, Schreiber, Intendanten, Chef-Ärzte, Generäle, und natürlich auch Mitglieder der königlichen Familie.
Alle waren gebildet, konnten lesen, und hatten somit Zugang zu den heiligen Texten und der Grabliteratur. Wenn auch diese Texte, insbesondere die Pyramidentexte, ursprünglich den königlichen Familien vorbehalten waren, so hatte die neue Aristokratie des mittleren Reiches diese übernommen. So auch die Abbildungen königlicher Insignien, wie Szepter, Krone, etc.. Dies geschah wohl, weil man sich in den Schutz dieser magischen Macht stellen wollte, vermutlich aber auch, um die eigene, weltliche Macht darzustellen, welche man zu Lebzeiten ausgeübt hatte, oder vielleicht auch gerne hätte.
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1 Hornung 1997
2 Mastaba (arab. "Steinbank") ist ein nach dem ägyptisch-arabischen Wort für Bank benannter Typ von Grabbauten der altägyptischen Kultur. Geometrisch entspricht der Baukörper einem flachen rechteckigen Pyramidenstumpf. Kunstgeschichtlich lassen sich Mastabas einer Entwicklungslinie zuordnen, die mit Elite- Gräbern der Thinitenzeit beginnt, im königlichen Bereich zum Bau der Pyramidengräber führt und im privaten 14.04.2010/Dominique Oppler Bereich erst am Ende der 12. Dynastie endet. Stufen dieser Entwicklung lassen sich unter anderem an Beispielen aus Abydos, Sakkara und Gizeh, aber auch an anderen Orten aufzeigen.