Die Verträge von Moskau und Warschau als Ergebnis der "neuen" Ostpolitik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen der Diplomatie
2. 1 Definition des Diplomatie-Begriffs
2. 2 Diplomatische Besonderheiten der „Neuen“ Ostpolitik

3. Die „Neue“ Ostpolitik der Regierung Brandt
3.1 Geschichtliche Hintergründe
3.2 Entscheidungsträger der Ostpolitik
3.3 Grundlegende Ziele

4. Die Verträge von Moskau und Warschau
4.1 Der Moskauer Vertrag
4.1.1 Die Vertragsverhandlungen
4.1.2 Inhaltliche Bestimmungen des Vertrages
4.1.3 Folgen des Vertrages
4.2 Der Warschauer Vertrag
4.2.1 Die Vertragsverhandlungen
4.2.2 Inhaltliche Bestimmungen des Vertrages
4.2.3 Folgen des Vertrages

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ein zentrales Anliegen zur Zeit des Neubeginns der deutschen Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg bestand in „der Sicherung des Gemeinwesens vor der militärischen und ideologischen Gefährdung aus dem Osten“ (Peckert 1990: 9), wozu der Deutschlandvertrag aus dem Jahre 1952 und der Beitritt zur NATO 1955 wesentliche Beträge leisteten. Zudem wurde damit eine Grundlage für eine eigene Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland geschaffen, so dass bereits unter der Regierung Adenauer im Jahre 1955 seitens der Bundesrepublik Deutschland erstmals diplomatische Beziehungen mit der Sowjetunion aufgenommen werden konnten und mit dieser drei Jahre später ein Wirtschafts- und Repatriierungsabkommen abgeschlossen wurde. Brandt strebte mit der Umsetzung der „Neuen“ Ostpolitik zu Beginn der siebziger Jahre eine langfristige Annäherung und eine Normalisierung der Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten an, wobei sich diese Politik nicht nur nahtlos in den internationalen Prozess der Entspannungspolitik einfügte, sondern selbst als dynamischer Faktor die Entspannung vorantrieb.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, aufzuzeigen, wie die außenpolitische Planung und Zielsetzung der Regierung Brandt in der „Neuen“ Ostpolitik und insbesondere in den Verträgen von Moskau und Warschau mit Hilfe diplomatischen Geschicks eine konkrete Umsetzung erfuhr. Zunächst sollen einige Grundlagen der Diplomatie erläutert werden, wobei ein Schwerpunkt auf die diplomatischen Besonderheiten der „Neuen“ Ostpolitik gesetzt wird. Des Weiteren gilt es, die geschichtlichen Hintergründe sowie die Zielsetzungen von Brandts Ostpolitik genauer zu beleuchten. Eine in diesem Kontext erfolgende Analyse des Einflusses bedeutender Entscheidungsträger widmet sich vor allem auch Egon Bahr und seiner Rolle bei der Konzeption der Ostpolitik. Die Verträge von Warschau und Moskau werden anschließend jeweils bezüglich ihrer Vertragsverhandlungen und - damit verbunden – der zu leistenden, diplomatischen Vorarbeit, ihrer ausgearbeiteten vertraglichen Bestimmungen sowie der aus ihnen für die jeweiligen Vertragsparteien resultierenden Konsequenzen untersucht. Im abschließenden Fazit werden schließlich die wichtigsten Ergebnisse dieser Analyse zusammengefasst und die Bedeutung des „Neuen“ Ostpolitik für die Wiedervereinigung beschrieben.

2. Grundlagen der Diplomatie

2. 1 Definition des Diplomatie-Begriffs

Lange Zeit griff man in der Politikwissenschaft zur Erklärung von Außenpolitik auf den Begriff der Diplomatie zurück, der folglich nicht nur als Gesamtheit der internationalen Beziehungen definiert wurde, sondern teilweise auch mit der Außenpolitik eines Staates gleichgesetzt wurde (vgl. Wilhelm 2006: 7). Wird Außenpolitik jedoch nur unter dem Begriff der Diplomatie zusammengefasst, so entsteht eine verengte Perspektive, da sich Diplomatie vielmehr auf die letztendliche Handhabung der internationalen Beziehungen durch beispielsweise Verhandlungen bezieht. Die Diplomatie stellt somit ein „wirkungsmächtiges, klassisches Instrument der Außenpolitik“ (Wilhelm 2006: 177) dar, das bei Verhandlungen und Absprachen zum Einsatz kommt und sich in diesem Kontext über Jahrhunderte bewährt hat. Im Laufe der Zeit hat sich die diplomatische Praxis jedoch mehrfach gewandelt und weist heute einen hybriden Charakter auf, da sie sich auf viele, facettenreiche Politikfelder bezieht.

Für Regierungen ist es zur Wahrung und Durchsetzung ihrer eigenen außenpolitischen Interessen von größter Bedeutung, Beziehungen zu anderen Akteuren dauerhaft zu pflegen, um sich schließlich den Vorteil zu erarbeiten, deren Aktionen und Ideen in eine gewünschte Richtung lenken zu können (vgl. Wilhelm 2006: 177). Demnach stellt Diplomatie einen Kommunikationsprozess zwischen politischen Aktionssystemen dar, welcher der außenpolitischen Zielverwirklichung und Interessenvertretung im außenpolitischen Rahmen dient und sich zumeist in Form von Verhandlungen mit anderen Völkerrechtssubjekten vollzieht (vgl. Schmid 1986: 196). Im Vordergrund steht dabei vor allem die Unterhaltung und Pflege der Beziehungen zwischen souveränen Staaten durch wechselseitige Repräsentation, Verhandlungen, Austausch von Informationen sowie Unterrichtung durch die diplomatischen Vertretungen wie Botschaften oder Missionen. Diese Vertretungen, die in einem gegenseitigen Einverständnis errichtet werden, haben somit zeitgleich auch eine spezifische Öffentlichkeits- und Sensorfunktion inne (vgl. Wilhelm 2006: 178).

Aufgrund des sich kontinuierlich vollziehenden, internationalen Wandels und des damit einhergehenden spezifischen Veränderungsdruck besteht für die Diplomatie eine Notwendigkeit zur Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umstände. Dadurch kann das steigende Maß an Komplexität der Diplomatie erklärt werden, das sich beispielsweise in direkteren Verbindungen zwischen Regierungen, schnelleren Kommunikationswegen aufgrund technologischer Fortschritte oder generell in einer besonderen Konstellation durch Sonderbotschafter zeigt (vgl. Wilhelm 2006: 179). Die „Neue Diplomatie des 20. und 21. Jahrhunderts“ (Wilhelm 2006: 178) lässt sich als eine offene Diplomatie beschreiben, da sie, anders als eine geheime Kabinettspolitik, vielmehr die öffentliche Transparenz der Außenpolitik betont.

2. 2 Diplomatische Besonderheiten der „Neuen“ Ostpolitik

Bereits unter Adenauer wurde deutlich, dass sich die Richtlinienkompetenz des Kanzlers auch auf die Außenpolitik erstreckt, was eine der Parallelen zwischen Adenauers Kanzlerdemokratie und der Regierungszeit Brandts darstellt. Praktisch bedeutet dies, dass sich das Auswärtige Amt bei bestimmten Interessenslagen den Vorstellungen und Zielen des Kanzlers unterordnet, wobei die Schwankungen aufgrund persönlicher Sichtweisen zwischen Kanzler und Außenminister insbesondere dann eher gering ausfallen dürften, wenn die Kooperation zwischen den beiden Seiten gut funktioniert (vgl. Fuchs 1999: 211). Zudem hatte Brandt bereits als Außenminister im Auswärtigen Amt eine große Akzeptanz erlangt, wodurch es ihm möglich war, eine große Loyalität aufzubauen, die bis ins seine Kanzlerzeit hineinreichte.

Soziale Fähigkeiten von Diplomaten lassen sich auf direktestem Weg durch Gespräche mit anderen einsetzen, so dass die Umsetzung außenpolitischer Intelligenz häufig am geeignetsten durch sogenannte „backchannels“ erfolgen kann. Es waren somit vor allem auch die privaten Beziehungen, welche die Grundlage für die Abstimmung der Ostpolitik auf höchster Ebene bildeten (vgl. Fuchs 1999: 216). So verfügte einer der herausragenden Diplomaten dieser Zeit auf deutscher Seite, Egon Bahr, über eine Vielzahl von Kanälen, unter anderem ins amerikanische Außenministerium zu Henry Kissinger, der damals als offizieller Berater für Außen- und Sicherheitspolitik tätig war. Auch die sowjetische Seite hatte ein Interesse daran, einen direkten Draht mit der Bundesrepublik zu installieren, nachdem bereits Brandt und Bahr seit Anfang der 60er Jahre mehrere Kontakte geknüpft und mehrfach eine starke Bereitschaft zu inoffiziellen Kontakten bekundet hatten (vgl. Fuchs 1999: 219). Beachtet werden muss hierbei jedoch, dass diffizile Unterschiede zwischen „Kontakt“, „Draht“ und „Kanal“ bestehen: Gemäß der Definition Egon Bahrs wurde erst im Zuge der Unterzeichnung des Moskauer Vertrags aus dem einstigen „Draht“ nach Moskau ein funktionierender „Kanal“, mit dem entscheidenden Unterschied, dass dieser informelle Kommunikationsweg nun fest etabliert war und über eine entsprechende Infrastruktur verfügte (vgl. Fuchs 1999: 220).

Bahr selbst spricht im Zusammenhang mit dem somit existierenden „geheimen Kanal“ nach Moskau von einem „Vorsprung an Informationen, Einsichten, Einschätzungsmöglichkeiten von großem politischen Wert“ (Bahr 1996: 293), den man sich gegenüber der USA in Bezug auf die Kenntnis über die sowjetische Diplomatie erarbeitet hatte. Damit einher ging auch eine erhöhte Statusmacht aufgrund der verbesserten Koalitionsmöglichkeiten für die Bundesrepublik Deutschland. Kanäle, Drähte oder verdeckte Verbindungen waren demnach kein Selbstzweck, sondern leisteten vielmehr einen erheblichen Beitrag zur Vermeidung von Missverständnissen und zu einer möglichst direkten Erreichung der Ziele von Regierungen. Sie fungieren als nichtöffentliche Mittel, die es ermöglichen, möglichst schnell Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren, und sind der Vorbereitung von Begegnungen auf hoher Ebene durchaus dienlich. Kompliziert wird es jedoch dann, wenn eben jene Kanäle oder Drähte operativ eingesetzt werden und mit ihrer Hilfe an sämtlichen Bürokratien vorbei Verträge erarbeitet werden, während die Bürokratien aufgrund ihrer daraus resultierenden Ahnungslosigkeit ihre alten Positionen beibehalten (vgl. Fuchs 1999: 225).

3. Die „Neue“ Ostpolitik der Regierung Brandt

Nur eine Woche nach seiner Vereidigung als vierter Kanzler der Bundesrepublik Deutschland vor dem Deutschen Bundestag versprach Willy Brandt am 28. Oktober 1969, mehr Demokratie zu wagen und das Verhältnis zur DDR von deren eigenem Verhalten abhängig zu machen, wobei man keinesfalls anstrebe die Menschen dort von den Vorzügen des internationalen Handels- und Kulturaustausch auszuschließen. Die jedoch vielleicht entschiedenste Aussage Brandts in seiner Regierungserklärung war, dass die DDR ein Staat sei, der gegenüber der Bundesrepublik nicht als Ausland betrachtet werde (vgl. Peckert 1990: 135). Brandts Ostpolitik, die im Grunde zu Beginn der 70er Jahre nicht mehr neu war, lässt sich zu den herausragenden Themen innerhalb der Diskussion des Kalten Krieges zählen. Der Begriff der „Neuen Ostpolitik“ entstand zu Zeiten der Großen Koalition und wurde schließlich in den 80er Jahren wieder getilgt (vgl. Fuchs 1999: 28). Einige Autoren wie beispielsweise Arnulf Baring verwendeten den Begriff in ihren politikwissenschaftlichen Werken, um damit die ostpolitische Neuorientierung seit 1966 zu kategorisieren.

3.1 Geschichtliche Hintergründe

Am Ende des Jahres 1966 kam es zur ersten Regierungsbeteiligung der SPD seit der Weimarer Republik, nachdem am 27. Oktober 1966 die Regierungskoalition zwischen CDU/CSU und FDP auseinander gebrochen war. Als das Tauziehen um eine neue Regierungsbildung einsetzte, bot sich nun für die SPD zum einen die Möglichkeit mit einer nur sieben Stimmen zählenden Mehrheit mit der FDP zu koalieren oder zum anderen eine Große Koalition mit der CDU/CSU zu bilden (vgl. Vogtmeier 1996: 96). Insbesondere die Außen- und Ostpolitik sollte während der Großen Koalition zu dem Bereich werden, in dem die SPD ihre Ideen und Zielsetzungen am wenigsten umsetzen konnte, da sich Brandt als Außenminister und der damalige Kanzler Kiesinger inhaltlich deutlich unterschieden. Dessen ungeachtet suchte Brandt stets nach Gelegenheiten, Vorstöße hinsichtlich einer wesentlich veränderten Ostpolitik zu unternehmen. Zudem war er nicht dazu bereit, aus Koalitionsloyalität seine bereits seit Anfang der 60er Jahre bestehenden Kontakte zu Ost-Diplomaten einzustellen, sondern nahm während seiner Zeit als Außenminister persönliche Gespräche mit dem sowjetischen Botschafter in Bonn, Zarapkin, und später auch wieder offizielle Kontakt zu Abrassimov, dem sowjetischen Botschafter in der DDR, auf (vgl. Fuchs 1999: 30).

Dass es schließlich im September 1969 zu einem sozialliberalen Bündnis kam, kann nicht alleine durch den Ausgang der Wahl erklärt werden, da das Ergebnis ähnlich knapp ausfiel wie bereits vier Jahre zuvor. So war die letztendliche Festlegung der SPD für ein Bündnis mit der FDP vor allem auch durch außenpolitische Zielsetzungen begründet, da Brandt sich während seiner Zeit als Außenminister stets durch Kiesinger in der Umsetzung seiner außenpolitischen Pläne eingeengt sah und folglich die CDU/CSU als dauerhaftes Hindernis für eine neue Deutschland- und Ostpolitik betrachtete (vgl. Niclauß 1988: 114). Während also zwischen SPD und CDU/CSU, die an den Grundprinzipien der Deutschlandpolitik Adenauers festhalten wollte und somit nicht bereit war, den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik und die strikte Nichtanerkennung der DDR als Staat anzutasten, erhebliche ostpolitische Differenzen bestanden, herrschte weitgehend Übereinstimmung zwischen liberalen und sozialdemokratischen Vorstellungen in Bezug auf die außenpolitischen Zielsetzungen. Die Koalition von SPD und FDP, die 1969 beschlossen wurde, lässt sich folglich als „Bündnis der Ostpolitik“ (Vogtmeier 1996: 119) interpretieren, da sie vor allem aufgrund der Übereinstimmung hinsichtlich ostpolitischer Fragen zustande kam.

3.2 Entscheidungsträger der Ostpolitik

Einer der bedeutendsten Strategen der „Neuen“ Ostpolitik der SPD/FDP-Koalition war ohne Zweifel Egon Bahr, dessen Einstieg in die formelle deutsche Diplomatie gemeinsam mit Willy Brandt im Dezember 1966 erfolgt war. Als Quereinsteiger in den Bereich der Außenpolitik war es für Bahr zunächst nicht leicht, sich in der neuen, ungewohnten Umgebung zurecht zu finden, jedoch gelang es ihm sehr schnell, durch seine Intelligenz und sein Ideenreichtum zu überzeugen (vgl. Fuchs 1999: 212). Bahr unterschied sich erheblich von sämtlichen anderen Beratern und Mitarbeitern Willy Brandts, da zwischen Brandt und Bahr seit Anfang der 60er Jahre eine enge persönliche Freundschaft bestand. Durch seine Loyalität zu Brandt resultierte schließlich auch der immense Einfluss, den Bahr auf die konzeptionellen und operativen Entwürfe einer neuen Ost- und Deutschlandpolitik hatte, die Brandt gemeinsam mit Bahr bereits während seiner Amtszeit als Regierender Bürgermeister von Berlin entwickelt hatte. Die Tatsache, dass wahrscheinlich niemand besser das politische Denken Brandts kannte als Egon Bahr, „machte ihn seit Anfang der sechziger Jahre zum mit Abstand wichtigsten Berater und Mitarbeiter des damaligen Bürgermeisters, späteren Außenministers und Bundeskanzlers“ (Schmid 1979: 222).

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Verträge von Moskau und Warschau als Ergebnis der "neuen" Ostpolitik
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Politiwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar: Einführung in die Diplomatie anhand von Dokumenten zur Deutschlandpolitik 1949-1972
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
24
Katalognummer
V150053
ISBN (eBook)
9783640616800
ISBN (Buch)
9783640616442
Dateigröße
584 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Moskauer Vertrag, Warschauer Vertrag, "Neue Ostpolitik", Egon Bahr, Willy Brandt, deutsche Diplomatie
Arbeit zitieren
Rudolf Daniel (Autor:in), 2009, Die Verträge von Moskau und Warschau als Ergebnis der "neuen" Ostpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150053

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