Behinderte und psychisch kranke Menschen gehören zu den sozio-kulturell unterprivilegierten und benachteiligten Personengruppen in gesellschaftlich randständiger und damit marginaler Position, welche aufgrund ihrer behinderungs- oder krankheitsbedingten Merkmale, da sie Normalitätserwartungen nicht erfüllen und somit den allgemeinen Vorstellungen von „Normalität“ widersprechen, von sozialen Interaktionen mehr oder weniger ausgeschlossen werden. Ihre Missachtung beruht dabei auf einem Negativurteil hinsichtlich ihres gesellschaftlichen Wertes, so dass ihr Leben vielfach durch Diskriminierungen und Stigmatisierungen gekennzeichnet ist. In diesem Kontext weist die Magisterarbeit auf teilweise erschreckende soziale Ausgliederungsprozesse hin, denen die Betroffenen oftmals hilflos ausgesetzt sind.
Wer dauernd an Grenzen in sozialen Beziehungen und Begegnungen stößt, merkt, dass er Unwohlsein bei anderen verursacht und erlebt schließlich, wie sich von ihm distanziert wird. Die Betroffenen müssen demzufolge nicht nur biographische Arbeit bezüglich der Auseinandersetzung und Bewältigung ihrer Behinderung bzw. psychischen Erkrankung, sondern in besonderer Weise auch hinsichtlich den damit verbundenen Reaktionen von Seiten der sozialen Umwelt leisten, die unweigerlich biographische Konsequenzen – unter anderem Verlust von Freunden, Partnerschaft, Arbeitsplatz etc. – nach sich ziehen. Somit verletzen Stigmatisierungs- und soziale Ausgliederungsprozesse das normative Selbstverständnis und die psychische Integrität der Betroffenen. Es soll daher verdeutlicht werden, auf welcher Grundlage Stigmatisierungen zustande kommen, wie Behinderte, psychisch Kranke sowie ihre Familien diese bewältigen und erleben, da das Leiden unter den gesellschaftlichen Ausgrenzungsmechanismen oftmals größer ist als unter den behinderungs- oder krankheitsbedingten geistigen, physischen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigungen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die historische Betrachtung stigmatisierender Kategorien
- Behinderte und psychisch kranke Menschen in Frühgeschichte und Altertum
- Der Umgang mit dem „Wahnsinn“ im Mittelalter
- Die Konstituierung der „Normalität“ und des „Irrsinns“ in der Epoche der Aufklärung
- Behinderte Menschen zwischen Förderung und Verwahrung im Zeitalter der Industrialisierung
- Vom Sozialdarwinismus zum Nationalsozialismus
- Rassenhygienische Träume von der Vervollkommnung der Art
- Zur Situation der Psychiatrie nach dem Ende des Dritten Reiches
- Stigmatisierungsprozesse
- Religiöse und kulturelle Ursprünge
- Zu den Entstehungsursachen von Stigmatisierungen
- Norm - Normalität - Anormalität
- Zur soziologischen Bedeutung von Devianz
- Zur Bedeutsamkeit von Einstellungen, Vorurteilen und Stereotypen
- Funktionen von Stigmatisierungsprozessen
- Der Stigma- und Etikettierungsansatz
- Soziologische Identitätskonzepte
- Das Identitätskonzept nach Goffman
- Das Identitätskonzept nach Krappmann
- Das Identitätskonzept nach Thimm
- Das Identitätskonzept nach Frey
- Stigmatisierungsprozesse und deren Folgen
- Stigmabewältigungsstrategien
- Zur Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen
- Die gesellschaftliche Konstruktion von „Behinderung“ - eine definitorische Annäherung aus soziologischer Sicht
- Behinderung als gesellschaftliches Defizit
- Soziale Reaktionen auf Menschen mit Behinderungen
- Einstellungsmuster gegenüber behinderten Menschen
- Verhaltenmuster gegenüber behinderten Menschen
- Die Rolle von Professionellen bei der Stigmatisierung behinderter Menschen
- Über den heutigen Wert behinderten Lebens
- Die präferenz- utilitaristische Ideologie der Ausgrenzung
- Die Ökonomisierung sozialer Werte
- Die vorgeburtliche Selektion
- Die Auswirkungen der vorgeburtlichen Diagnostik auf das Selbstbild behinderter Menschen
- Zur Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Krankheiten
- Die gesellschaftliche Konstruktion von „psychischer Krankheit“ - eine definitorische Annäherung aus soziologischer Sicht
- Die diagnostische Etikettierung
- Bedrohlich und unberechenbar? Einstellungsmuster und soziale Distanz gegenüber Menschen mit psychischen Krankheiten
- Psychische Auffälligkeiten und die Bedrohung des Familienzusammenhaltes
- Die psychiatrische Institution
- Institutionelle Machtmechanismen
- Die Rolle von Professionellen bei der Stigmatisierung psychisch kranker Menschen
- Zur Stigmatisierung der Angehörigen von Menschen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten
- Zur Situation von Familien mit einem behinderten Kind
- Die Folgen der Geburt eines behinderten Kindes
- Störungen des innerfamiliären Gleichgewichtes
- Die Rolle von Professionellen bei der Stigmatisierung von Eltern und ihren behinderten Kindern
- Zur Situation von Familien mit einem psychisch Kranken
- Die Familie zwischen Resignation und Krankheitsintegration
- Die Rolle von Professionellen bei der Stigmatisierung von Angehörigen eines psychisch Kranken
- Die Bedeutsamkeit von Selbsthilfevereinigungen für Betroffene und deren Familien
- Zur Situation von Familien mit einem behinderten Kind
- Behinderte und psychisch kranke Menschen zwischen gesellschaftlicher Integration und Ausgrenzung
- Allgemeines Begriffsverständnis von „Integration“
- Die (Des-) Integration von Menschen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten in den verschiedenen gesellschaftlichen Lebensbereichen
- Die (Vor-) Schulsituation
- Die Wohn- und Betreuungssituation
- Die Freizeitsituation
- Die Arbeitsmarktsituation
- Soziale Beziehungssysteme
- „Entstigmatisierung\" durch Integration? Ein Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit befasst sich mit Stigmatisierungsprozessen und Ausgrenzungsmechanismen gegenüber Menschen jenseits geistiger, physischer und psychischer „Normalität“. Sie untersucht, wie diese Prozesse historisch entstanden sind und wie sie sich in der heutigen Gesellschaft manifestieren. Ziel ist es, die Ursachen und Folgen von Stigmatisierung aufzuzeigen sowie Bewältigungsstrategien von Betroffenen und deren Familien zu beleuchten.
- Die historische Entwicklung von Stigmatisierungsprozessen
- Die gesellschaftliche Konstruktion von „Behinderung“ und „psychischer Krankheit“
- Soziale Reaktionen auf Menschen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten
- Die Rolle von Professionellen bei der Stigmatisierung von Betroffenen und deren Familien
- Integration und Entstigmatisierung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Stigmatisierungsprozesse und Ausgrenzungsmechanismen gegenüber Menschen jenseits von „Normalität“ ein und skizziert die Zielsetzung der Arbeit. Das erste Kapitel beleuchtet die historische Entwicklung von Stigmatisierungsprozessen, beginnend mit der Frühgeschichte und dem Altertum bis hin zur Situation der Psychiatrie nach dem Ende des Dritten Reiches. Das zweite Kapitel fokussiert die Prozesshaftigkeit von Stigmatisierungen im Allgemeinen und analysiert die Entstehungsursachen, Funktionen und Folgen von Stigmatisierung. Das dritte Kapitel untersucht die Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen, beleuchtet die gesellschaftliche Konstruktion von „Behinderung“ und analysiert die sozialen Reaktionen auf Menschen mit Behinderungen. Das vierte Kapitel befasst sich mit der Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Krankheiten und untersucht die diagnostische Etikettierung, Einstellungsmuster und die Rolle der psychiatrischen Institution. Das fünfte Kapitel widmet sich der Stigmatisierung der Angehörigen von Menschen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten, beleuchtet die Folgen der Geburt eines behinderten Kindes und die Rolle von Professionellen bei der Stigmatisierung von Familien. Das sechste Kapitel analysiert die Integration und Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten in verschiedenen gesellschaftlichen Lebensbereichen. Das siebte Kapitel bietet einen Ausblick auf „Entstigmatisierung“ durch Integration.
Schlüsselwörter
Stigmatisierung, Ausgrenzung, Behinderung, psychische Krankheit, Normalität, Devianz, soziale Reaktionen, Professionelle, Integration, Entstigmatisierung, Familien, Selbsthilfevereinigungen, historischer Kontext.
- Arbeit zitieren
- M. A. Annika Schmidt (Autor:in), 2005, Stigmatisierungsprozesse und Ausgrenzungsmechanismen gegenüber behinderten und psychisch kranken Menschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150100