Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Problemstellung
2. Grundlagen des Beschwerdemanagements
3. Ziele im Beschwerdemanagement
3.1 Allgemeine Zielsystematik
3.2 Beschwerdezufriedenheit: Entstehung und Einflussnahme
3.3 Kundenbindung durch Beschwerdezufriedenheit
4. Direkte Prozesse des Beschwerdemanagements
4.1 Beschwerdestimulierung
4.2 Beschwerdeannahme
4.3 Beschwerdebearbeitung
4.4 Beschwerdereaktion
5. Indirekte Prozesse des Beschwerdemanagements
5.1 Beschwerdeauswertung
5.2 Beschwerdemanagement-Controlling
5.3 Beschwerdemanagement-Reporting
5.4 Beschwerdeinformationsnutzung
6. Zwischen Theorie und Praxis
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Problemstellung
Jedes Unternehmen muss wohl davon ausgehen, zu irgendeinem Zeitpunkt mit Beschwerden von Kunden konfrontiert zu werden. Obwohl Beschwerden von Unternehmen zwar bearbeitet werden, werden sie jedoch eher als „notwendiges Übel“ denn als „Chance“ gesehen. Diese Feststellung von Riemer aus dem Jahr 1985 (vgl. Riemer 1985, S. 256) hat – so muss man leider betonen – bis heute kaum an Aktualität verloren. Viele Unternehmen scheinen auch heute nicht hinreichend über die aus Beschwerden resultierenden Potenziale zur Realisierung von Kundenbindung informiert zu sein (vgl. Stauss / Seidel 2007, S. 16). Dies überrascht umso mehr angesichts der Tatsache, dass Unternehmen vieler Branchen bereits seit Jahren auf niedrig wachsenden Käufermärkten agieren. Kunden lassen sich in derartigen Marktverhältnissen meist nur durch Aufwendung großer Werbekosten gewinnen, die sich erst über eine Reihe von Transaktionen und nicht über einmalige Kaufakte amortisieren lassen (vgl. Stauss 2000, S. 277). Das in den letzten Jahren zu beobachtende zunehmende Interesse der Marketingforschung und -praxis am Aufbau und der Pflege langfristiger Kundenbeziehungen trägt dieser Entwicklung Rechnung (vgl. Fürst 2005, S. 1).
Dauerhafte Kundenbeziehungen bringen eine Menge von Vorteilen mit sich. Neben den durch Wiederkäufen erzielten Umsatzzuwächsen ergeben sich Cross-Selling-Effekte, hohe Kundenweiterempfehlungsraten, Kostensenkungen und abnehmende Preissensivität der Kunden. Die Verdeutlichung des ökonomischen Potenzials bestehender Kundenstämme führt unmittelbar zur strategischen Zielgröße „Kundenbindung“. Zur Erreichung dieses Ziels bestehen im Wesentlichen zwei Ansatzpunkte: Zufriedenheitsmanagement und Beschwerdemanagement. In ersterem Fall gilt es, Unzufriedenheit zu vermeiden und durch eine Erhöhung des Leistungswertes zur Kundenbindung beizutragen. Das Beschwerdemanagement verfolgt hingegen das Ziel, bereits durch Kundenunzufriedenheit brüchig gewordene Geschäftsbeziehungen durch Problemlösungen und Wiedergutmachungen zu stabilisieren (vgl. Stauss 2000, S. 277; Davidow 2003, S. 226).
Ein professionelles Beschwerdemanagement ermöglicht es, das Zufriedenheitsniveau von Beschwerdeführern komplett oder wenigstens in größten Teilen wieder herzustellen. Ergebnisse einschlägiger Studien berichten von einer Wiederkaufsrate von 70 bis 90 Prozent bezogen auf alle zufriedenen Beschwerdeführer dieser Untersuchungen (vgl. Fürst 2005, S. 1). Es gibt also nicht nur plausible Gründe, sondern vielmehr auch empirische Belege, dass die durch ein systematisches Beschwerdemanagement erzielte Beschwerdezufriedenheit eine stärkere Kundenbindung nach sich zieht (vgl. Stauss 2003, S. 311). Dahingehend soll in Kapitel drei die Entstehung und Beeinflussung der „Beschwerdezufriedenheit“ im Blickpunkt der Betrachtung stehen. Anschließend erfolgt eine Analyse des Zusammenhangs dieses Konstrukts zur strategischen Zielgröße „Kundenbindung“. Zunächst sind jedoch in Kapitel zwei einige definitorische Grundlagen und thematische Abgrenzungen vorzunehmen, um eine widerspruchsfreie Diskussionsgrundlage zu schaffen.
Das Beschwerdemanagement ist als komplexer unternehmerischer Handlungsbereich aufzufassen, in welchem die von Kunden angeregten Unzufriedenheitsartikulationen angeregt, entgegengenommen, bearbeitet, beantwortet und ausgewertet werden (vgl. Stauss 2000, S. 277). Dabei geben Kunden durch ihre Beschwerden wichtige Auskünfte an das Unternehmen weiter. Die darin enthaltenen Informationen stellen eine kostenlose Quelle für Unzufriedenheitsgründe dar, die ansonsten vielleicht durch hohe Kosten verursachende Kundenzufriedenheitsstudien externer Anbieter erhoben werden müssten (vgl. Diller / Haas / Ivens 2005, S. 264).
Im Hinblick auf diese Problematik sollen in Kapitel vier und fünf einige Überlegungen zur zielführenden Gestaltung der Aufgaben bzw. Prozesse des Beschwerdemanagements angestellt werden.
Schließlich soll im Rahmen einer Schlussbetrachtung in Kapitel sechs analysiert werden, in welchen Bereichen des Beschwerdemanagements zum aktuellen Zeitpunkt noch Defizite bestehen. Daraus sollen in einem zweiten Schritt mögliche Implikationen für weitere Forschungsvorhaben abgeleitet werden.
2. Grundlagen des Beschwerdemanagements
Die in der Literatur vertretenen Auffassungen über den Begriff „Beschwerde“ und „Beschwerdemanagement“ scheinen recht uneinheitlich zu sein (vgl. Fürst 2005, S. 8ff.). Wimmer (1985, S. 226) etwa fasst eine Beschwerde als „eine Form der Unzufriedenheitsartikulation von Konsumenten bzw. Kunden eines Unternehmens/einer Institution [auf], die darauf gerichtet ist, die Unzufriedenheit zu beseitigen [und] das zugrunde liegende Problem zu lösen“. Eine daraufhin erfolgende „Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen, […], die ein Unternehmen im Zusammenhang mit Beschwerden ergreift“, fällt hingegen unter den weiter gefassten Begriff „Beschwerdemanagement“ bzw. „Beschwerdepolitik“ (vgl. Wimmer 1985, S. 233). Günter (2003, S. 294) vertritt eine ähnliche Sichtweise und bezeichnet Beschwerdemanagement „in einem weiten Verständnis [als] die Behandlung der geäußerten und der nicht geäußerten […] Unzufriedenheit von Kunden“. Mit Stauss (2000, S. 277) liegt ein dritter Vertreter dieser Erklärungsrichtung vor: „Beschwerdemanagement umfaßt einen komplexen unternehmerischen Handlungsbereich, in dem Unzufriedenheitsartikulationen von Kunden angeregt, entgegengenommen, bearbeitet, beantwortet und im Hinblick auf Verbesserungspotenziale ausgewertet werden“. Den von Wimmer (1985, S. 226, 233) vorgeschlagenen Definitionsversuchen kommt zugute, dass sie trotz ihrer Knappheit sehr präzise scheinen. Möglicherweise ist dies auch der Grund für die auffallend häufige Verbreitung dieser Erklärungsansätze in den einschlägigen Schriften zum Beschwerdemanagement (vgl. Pepels 2008, S. 106; Stauss / Seidel 2007, S. 49; Stauss 2003, S. 312; Hansen / Jeschke 1995, S. 527; Fürst 2005, S. 11). In der vorliegenden Schrift soll deshalb das Begriffsverständnis von Wimmer (1985, S. 226, 233) zugrunde gelegt werden.
Gelegentlich wird der Begriff Beschwerde gleichbedeutend mit dem Begriff „Reklamation“ verwendet (siehe etwa bei Meffert / Brumann / Kirchgeorg 2008, S. 304). Unter Reklamationen sind jedoch mit Pepels (2008, S. 107) und Hansen (1990, S. 449) nur jene Teilmengen von Kundenbeschwerden zu verstehen, bei denen juristisch durchsetzbare Forderungen auf Basis von Gewährleistungsrechten oder Garantiepflichten gestellt werden. Beschwerden haben hingegen keine juristisch dursetzbare Dimension. Sie sind ein emotionales Element der Anbieter-Nachfrager-Beziehung. Gerade deshalb scheinen sie jedoch für die Marktbeziehung eines Unternehmens umso bedeutsamer zu sein (vgl. Pepels 2008, S. 107). Fürst (2005, S. 10) sowie Stauss & Seidel (2007, S. 50) fordern insofern zu Recht, diese Begriffe zu trennen. Auf Basis dieser Differenzierung soll die in der vorliegenden Arbeit erfolgende Diskussion ausschließlich anhand des Beschwerdeterminus erfolgen.
Nach der erfolgten Begriffsklärung und Abgrenzung scheint es nun angezeigt, den Begriff des „Beschwerdemanagements“ in einem im Rahmen dieser Arbeit erforderlichen Umfang zu systematisieren.
Das Beschwerdemanagement ist neben dem Beschwerdeverhalten Bestandteil der übergeordneten Beschwerdeforschung (vgl. Fürst 2005, S. 12), die ihrerseits der Konsumentenverhaltensforschung zuzuordnen ist (vgl. Hansen / Jeschke 1995, S. 529). Während das Beschwerdeverhalten die Reaktion von Kunden auf ein wahrgenommenes Problem und die Beschwerdebehandlung von Unternehmen analysiert (Kundenperspektive), stehen im Beschwerdemanagement vor allem die anbieterbezogenen Aktivitäten im Zusammenhang mit Beschwerden im Blickpunkt der Betrachtung (Anbieterperspektive) (vgl. Fürst 2005, S. 12). Letzteres umfasst also primär die Gestaltung der Aufgaben bzw. Prozesse (siehe Kapitel vier und fünf), die im Beschwerdemanagement wahrgenommen bzw. durchlaufen werden (ebd.), während das Beschwerdeverhalten eher die Ziele des Beschwerdemanagements in den Blick nimmt (siehe Kapitel drei).
Teilweise wird das Beschwerdemanagement auch als Bestandteil des Total Quality Managements (vgl. Lam / Dale 1999, S. 843, 845; Meffert / Brumann / Kirchgeorg 2008, S. 304) bzw. Qualitätsmanagements (vgl. Bruhn 2001, 173) verstanden. Dies scheint insbesondere dann der Fall zu sein, wenn bestimmte Qualitätsmängel durch ein Qualitätsmanagement nicht erfolgreich vermieden werden konnten (ebd.). Interessant scheint in diesem Kontext die seit 2005 in Deutschland existierende internationale Norm zum Thema Beschwerdemanagement DIN ISO 10002:2004, welche unter der Bezeichnung „Qualitätsmanagement-Kundenzufriedenheit - Leitfaden für die Behandlung von Reklamationen in Organisationen“ zu finden ist (vgl. Stauss / Seidel 2007, S. 647). Auffallend hierbei ist die vermutlich falsch, zumindest aber ungeeignete Verwendung des Begriffs „Reklamation“ an Stelle von „Beschwerde“.
Schließlich ist das Beschwerdemanagement, wie es der Titel dieser Arbeit bereits nahelegt, auch als (operatives) Instrument des Customer Relationship Managements (vgl. Helmke / Uebel / Dangelmaier 2008, S. 17; Erlbeck 2004, S. 11; Stauss / Seidel 2007, S. 23) bzw. als Bestandteil des Kommunikations-Mix im Rahmen des Kundenbindungsmanagements (vgl. Diller 1995, S. 53; Homburg / Bruhn 2003, S. 21f.) zu verstehen.
3. Ziele im Beschwerdemanagement
3.1 Allgemeine Zielsystematik
In der Literatur wird eine ganze Reihe von Zielen des Beschwerdemanagements genannt (vgl. Günter 2003, S. 298f.; Stauss / Seidel 2007, S. 79ff.; Jeschke / Schulze, 1999, S. 407f.; Hoffmann 1991, S. 9; Bruhn 2001, S. 173). Im Folgenden soll nun versucht werden, aus dieser Vielzahl an Vorschlägen die bedeutsamsten Ziele herauszuarbeiten, um diese anschließend einer ausführlichen Diskussion zu stellen.
Nach Günter (2003, S. 298) lassen sich operative und strategische Zielsetzungen eines Beschwerdemanagement unterscheiden. Mende (2006, S. 17) nimmt hingegen in Übereinstimmung mit Hansen & Jeschke (1995, S. 542) eine Kategorisierung nach ökonomischen und vorökonomischen Zielgrößen vor. Da m. E. auch vorökonomische Ziele wie etwa der Aufbau einer Vertrauensbasis zum Kunden oder die Verhinderung einer negativen Wahrnehmung anbieterbezogener Leistungen (Hansen / Jeschke 1995, S. 542) langfristig auf die Erzielung ökonomischer Vorteile gerichtet sind, soll der Systematisierung von Günter (2003, S. 298) gefolgt werden.
Ein klassisches Beispiel für ein operatives Ziel des Beschwerdemanagements ist die Identifikation betrieblicher Schwächen (beispielsweise Mängel bei Prozessen und Produkten). Wichtige Anhaltspunkte hierfür liefern die aus den Beschwerden erhaltenen Informationen (vgl. Fürst 2005, S. 12). Vom Kunden wahrgenommene Probleme, die im Zusammenhang mit Beschwerden mitgeteilt werden, bergen insofern ein reiches Ideenpotenzial für Verbesserungen und Innovationen (vgl. Stauss 2003, S. 313; Günter 2003, S. 298). Die Stabilisierung gefährdeter Kundenbeziehungen durch Herstellung von Beschwerdezufriedenheit ist als weiteres Ziel dieser Kategorie zu nennen. Beschwerdezufriedenheit führt überdies zu einer Einstellungsverbesserung des Kunden und wirkt dadurch einer möglichen Abwanderung entgegen. Eine zufriedenstellende Beschwerdereaktion durch den Anbieter gilt außerdem als Grundlage zur Erzielung von Mehrkäufen durch Erhöhung von Kauffrequenz und Kaufintensität. Schließlich ist auf Grund der Tatsache, dass Beschwerdeerfahrungen häufig im sozialen Umfeld besprochen werden, die Schaffung zusätzlicher Akquisitionseffekte mittels Beeinflussung der Mundkommunikation als weiterer positiver Effekt der Beschwerdezufriedenheit zu nennen (Stauss / Seidel 2007, S. 79f.; Dreyer / Dehner 2003, S. 149; Jeschke 2007, S. 336f.). Neben der Beschwerdezufriedenheit leistet ein aktives Beschwerdemanagement als Ausdruck unternehmerischer Kundenorientierung einen nicht unerheblichen Beitrag zur Verbesserung des Unternehmensimages (vgl. Bruhn 2001, S. 173; Hansen / Jeschke 1995, S. 542). Weitere operative Ziele sind die Erhaltung des Umsatzes bzw. des Periodendeckungsbeitrages bezogen auf einzelne Kunden, die Vermeidung von Kosten der Wiedergewinnung verlorener Kunden, die Verminderung der Beschwerdebearbeitungskosten (vgl. Hansen / Jeschke 1995, S. 542) und die Erkennung neuer Trends (vgl. Haas / von Troschke 2007, S. 15).
Zu den strategischen Zielen zählen insbesondere Kundenbindung und die Gewinnung von Informationen über Innovations- und Marktchancen (vgl. Günter 2003, S. 298). Von Kundenbindung ist nach Diller (1995, S. 10) dann zu sprechen, wenn „innerhalb eines zweckmäßig definierten Zeitraums wiederholte Informations-, Güter- oder Finanztransaktionen zwischen zwei Geschäftspartnern stattfinden… [Hervorhebung im Original]“. Entsprechend dem Titel der vorliegenden Arbeit und insbesondere angesichts der Tatsache, dass das Beschwerdemanagement auch in der Literatur auffallend häufig als Kernbestandteil des Kundenbeziehungs- und Kundenbindungsmanagement aufgefasst wird (vgl. Hinterhuber / Handlbauer / Matzler 2003, S. 24; Stauss / Seidel 2007, S. 23ff.; Stauss 2003, S. 311ff.; Beutin 2003, S. 554; Homburg / Bruhn 2003, S. 22), soll im Folgenden das Konstrukt Beschwerdezufriedenheit hinsichtlich seiner Bindungswirkung einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden. Zunächst ist jedoch zu diskutieren, wie dieses instrumentelle Zwischenziel der Kundenbindung (vgl. Stauss 2003, S. 311) entstehen kann und welche Einflussmöglichkeiten grundsätzlich im Rahmen des Beschwerdemanagements bestehen.
3.2 Beschwerdezufriedenheit: Entstehung und Einflussnahme
Kundenzufriedenheit nimmt mittlerweile in den Zielsystemen vieler Unternehmen (vgl. Simon / Homburg 2006, S. 7) wie auch in der Marketingtheorie und -praxis insgesamt eine herausragende Stellung ein (vgl. Homburg / Stock 2003, S. 19). Dies überrascht insofern kaum, als mittlerweile durch zahlreiche Studien belegt werden konnte, dass Kundenzufriedenheit zu einer stärkeren Kundenbindung führt (vgl. Anderson / Sullivan 1993, S. 125ff.; Fornell et al. 1996, S. 7ff.; Homburg / Becker / Hentschel 2003, S. 91ff.). Für weitere dies betreffende Untersuchungen siehe auch Bruhn (2003, S. 181). Da eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Konstrukt „Kundenzufriedenheit“ (als Ausdruck von Zufriedenheit mit Produkten und Dienstleistungen) den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, muss die Diskussion auf die konkrete Ausprägungsform „Beschwerdezufriedenheit“, als „Zufriedenheit des Kunden mit der Antwort des Unternehmens auf seine Beschwerde“ (vgl. Stauss 2000, S. 278) begrenzt bleiben.
In der Frage, wie Beschwerdezufriedenheit erreicht werden kann, liefert das C/D-Paradigma eine mögliche Antwort. Es besagt im Kern, dass Zufriedenheit als Resultat eines Vergleichs der tatsächlichen Erfahrung bei der Inanspruchnahme einer Leistung (Ist-Leistung) mit einem subjektiven Vergleichsstandard des Kunden (Soll-Leistung) aufzufassen ist (vgl. Diller / Haas / Ivens 2005, S. 83; Homburg / Stock 2003, S. 19). Der subjektive Vergleichsstandard stellt die vom Kunden entwickelten Erwartungen gegenüber einem Produkt oder einer Dienstleistung dar (vgl. Mairamhof et al. 1995, S. 298; Stauss 2000; S. 278, Raab / Lorbacher 2002, S. 68). Werden diese Erwartungen durch die wahrgenommene Leistung gerade so erfüllt, so spricht man von Konfirmation (Bestätigung). In der Folge entsteht ein Gefühl der Indifferenz. Zufriedenheit entsteht hingegen erst dann, wenn durch positive Diskonfirmation die Erwartungen des Kunden übertroffen werden (vgl. Stauss 2000, S. 278). Anderer Auffassung sind Homburg, Becker & Hentschel (2003, S. 94), die davon ausgehen, dass es bereits bei einer exakten Passung von Soll- und Ist-Leistung zu Zufriedenheit kommt. Eine hinter den Erwartungen bleibende Leistung erzeugt durch negative Diskonfirmation Unzufriedenheit. Nach Stauss (2000, S. 278) hat der Kunde nun verschiedene Handlungsoptionen. Entscheidet er sich für die Handlungsalternative Beschwerde, so kommt es erneut zu einer Entwicklung von bestimmten Erwartungen im Hinblick auf die Reaktion des Unternehmens und die damit angebotene Lösung. Diese Erwartungen an die Beschwerdeantwort sind nun der Maßstab, um die tatsächliche Erfahrung mit der Unternehmensreaktion (wahrgenommene Beschwerdeantwort) vergleichen zu können. Bei einer Übererfüllung der Beschwerdeerwartungen kommt es zu Beschwerdezufriedenheit, eine unterhalb der Erwartung liegende Beschwerdeantwort führt hingegen zu Beschwerdeunzufriedenheit. Sind Beschwerdeantwort und Beschwerdeerwartung vollkommen übereinstimmend, entsteht weder Zufriedenheit noch Unzufriedenheit, sondern ein Gefühl der Indifferenz. In diesem Fall jedoch nicht, wie oben bereits beschrieben, in Bezug auf die allgemeine Leistungszufriedenheit, sondern zunächst nur im Hinblick auf die (spezielle Form) Beschwerdezufriedenheit (vgl. Stauss, 2000, S. 278f.; Stauss / Nogly 2009, S. 325).
Obwohl das C/D-Paradigma einen hilfreichen Beitrag zur Klärung der Frage, wie Beschwerdezufriedenheit entsteht leistet, so muss doch in Anlehnung an Borth (2004, S. 20) konstatiert werden, dass bis heute umstritten ist, welcher Standard von Kunden zum Vergleich von Soll- und Ist-Leistung tatsächlich verwendet wird. Die in der Literatur dominierende Auffassung geht davon aus, dass Erwartungen als Vergleichsstandard herangezogen werden. Hierzu ist allerdings zu sagen, dass Erwartungen üblicherweise mit Vorstellungen einhergehen, die bereits vor der Nutzung einer Leistung vorhanden sind. Insofern muss der Beschwerdeführer schon bei der Erwartungsbildung über ein gewisses Informationsniveau bezüglich der vom Anbieter angebotenen Dienstleistung „Beschwerdeantwort“ verfügen. Dies ist allerdings nicht zwingend der Fall, wenn der Kunde noch keinerlei Erfahrung mit dem Beschwerdemanagement eines Unternehmens sammeln konnte. Der Vergleichsstandard „Erwartung“ kann in solchen Situationen somit nur bedingt zur Erklärung von Beschwerdezufriedenheitsentstehung herangezogen werden (vgl. Borth 2004, S. 20; Homburg / Rudolph 1998, S. 40).
Darüber hinaus scheint es eine Vielzahl an Determinantengruppen zu geben, die sich auf die Erwartung eines Kunden auswirken. Hierzu zählen etwa das Rollenverständnis des Kunden, die wahrgenommene Schuld des Anbieters, explizite und implizite Reaktionsversprechen, die Mundkommunikation (vgl. Stauss 2003, S. 320f.), die Wertigkeit des aufgetretenen Problems (vgl. Meffert / Bruhn 1999, S. 104) und insbesondere die Kommunikation (z. B. Werbung) eines Unternehmens (vgl. Zeithaml / Berry / Parasuraman 1995, S. 151) Überdies unterliegen die Vorstellungen über die Beschwerdeantwort regelmäßig einem dynamischen Veränderungsprozess, da sich die genannten Determinanten im Zeitablauf ändern und fallspezifisch unterschiedliche Ausprägungen annehmen (vgl. Stauss 2003, S. 322).
Die bisherigen Ausführungen zur Beschwerdezufriedenheit waren zugegebenermaßen etwas einseitig auf die Zufriedenheitsentstehung fokusiert. Für einen Anbieter sind jedoch nicht nur die individuellen Diskonfirmationsprozesse seiner Kunden, also die Erkenntnis in welchem Umfang die Erwartungen dieser getroffen wurden, von Bedeutung. Rationale Entscheidungen zur Verbesserung eines Beschwerdemanagements können nur getroffen werden, wenn auch Hinweise über die Dimensionen der wahrgenommenen Qualität des Beschwerdemanagements vorliegen. Insofern ist zu fragen, welche Möglichkeiten zur Gestaltung der Ist-Komponente „wahrgenommene Beschwerdeantwort“ grundsätzlich bestehen (vgl. Stauss 2003, S. 322f.).
Davidow (2003, S. 226) unterscheidet hierzu sechs Dimensionen:
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