[...] „Der Hysterische leide größtenteils an Reminiszenzen“,
demnach an Erinnerungen. Aus der Namensgebung, der unter hysterischen Attacken
leidenden Protagonistin Ana Ozores, lässt sich für den, mit dem freudschen Kontext
vertrauten Leser schnell eine Verbindung zu dem Fall Ana O. (alias Bertha Pappenheim)
herstellen, ein in den „Studien über Hysterie“ 1895 in Zusammenarbeit mit Josef Breuer
beschriebener Fall. Jedoch muss an dieser Stelle eingehend betont werden, dass die
Namensgebung der Protagonistin von Clarín nicht bewusst als ein Verweis auf den Fall Ana
O. gewählt wurde und folglich auch nicht als solcher interpretiert werden darf, zumal keiner
von dem anderen zu wissen schien, obwohl Clarín und Freud zeitgenössisch lebten.
Ungeachtet dessen trifft man die pathologische Phänomenologie5 der Regenta immer wieder
in den „Studien über Hysterie“ von Freud an. So kreierte Clarín die Protagonistin Ana Ozores
„con una complicada cuestión sexual, factor que años después Freud tomó el núcleo determinante de la neurosis“. Eine Parallele zwischen beiden kann aufgezeigt werden, wenn
man die Lehren J. M. Charcots (1825-1893) in Betracht zieht, praktiziert in dem Hospital de
la Salpêtière, auf jenen Freud seine Hysterie- Theorie aufgebaute und welche „las fuentes
[darstellen] que Alas utilizó para configurar ciertos apsectos del personaje central“. So kann
die Verbindung des Falls Ana Ozores mit dem freudschen Fall Ana O., welcher 10 Jahre nach
dem Roman in die „Studien über Hysterie“ Eingang fand und veröffentlicht wurde, als eine
Form des Parallelismus zwischen dem narrativen Diskurs des realtischen und naturalistischen
Romans und dem wissenschaftlichen Diskurs des 19. Jahrhunderts angesehen werden.
Im Folgenden sollen nun weiterführend die freudsche Theorie über die
Persönlichkeitsentwicklung, die Abwehrmechanismen des psychischen Apparates und die
Anamnese, pathologischen Befunde und die psychoanalytische Behandlung der Hysterie als
Ausdruck unterdrückter Triebwünsche auf die Biographie der Protagonistin Claríns von ihrer
Geburt bis zu ihrem Eheschluss angewandt und analysiert werden. Anschließend soll in einem
Ausblick eine Voraussicht auf ihr Eheleben gegeben werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Einführung in die Psychoanalyse
- Psychoanalytische Darstellung der Kindheit und Jugend der Ana O
- Tod der Mutter
- Erziehung der Doña Camila
- Zusammenleben mit dem Vater Don Carlos
- Zusammenleben mit den Tanten in Vetusta und Eheschließung mit Don Victor
- Ausblick auf das Eheleben der Regenta
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Figur der Ana Ozores, der Protagonistin des Romans „La Regenta“, aus der Perspektive der freudschen Psychoanalyse. Sie verfolgt das Ziel, die Kindheit und Jugend der Regenta anhand von freudschen Konzepten zu analysieren und so einen Einblick in ihre psychische Entwicklung zu gewinnen. Darüber hinaus wird ein Ausblick auf ihr Eheleben gegeben.
- Die Hysterie als Krankheitsbild im 19. Jahrhundert
- Die Anwendung der freudschen Psychoanalyse auf die Figur der Ana Ozores
- Die Rolle der Kindheit und Jugend in der Entwicklung der Hysterie
- Die Bedeutung von Erinnerungen und Traumata in der Hysterie
- Der Einfluss der sozialen und familiären Umgebung auf die psychische Entwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Roman „La Regenta“ und seine Protagonistin Ana Ozores vor. Sie beleuchtet die Hysterie als Krankheitsbild und die Bedeutung des freudschen Falls „Ana O.“ für die Analyse. Anschließend wird die freudsche Psychoanalyse vorgestellt und ihre zentralen Konzepte erläutert. Im dritten Kapitel wird die Kindheit und Jugend der Ana Ozores anhand der freudschen Theorie analysiert. Es werden verschiedene Lebensabschnitte der Regenta beleuchtet, darunter der Tod ihrer Mutter, ihre Erziehung durch Doña Camila, ihr Zusammenleben mit ihrem Vater Don Carlos und ihre Eheschließung mit Don Victor. Das vierte Kapitel gibt einen Ausblick auf das Eheleben der Regenta, ohne jedoch die konkreten Ereignisse zu verraten.
Schlüsselwörter
Hysterie, Psychoanalyse, Sigmund Freud, „La Regenta“, Leopoldo Alas, Clarín, Ana Ozores, Kindheit, Jugend, Eheleben, Erinnerungen, Trauma, Abwehrmechanismen, psychische Entwicklung, soziale und familiäre Umgebung, Roman des 19. Jahrhunderts, spanische Literatur.
- Arbeit zitieren
- Nicole Breling (Autor:in), 2009, Die Hysterie der Ana O. , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150426