Humes skeptische Betrachtung des Skeptizismus


Essay, 2008

12 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Humes skeptische Betrachtung des Skeptizismus

Bibliographie

Einleitung

Die Enquiry concerning Human Understanding[1] kann zu den bedeutendsten und einflussreichsten Werken der Philosophiegeschichte gezählt werden. So exponiert Kant, dem David Humes Erkenntniskritik den "dogmatischen Schlummer unterbrach"[2], in der Einleitung zu den Prolegomena anerkennend Humes Einfluss auf die eigene spekulative Philosophie, bewertet jedoch im gleichen Zuge dessen Folgerungen als „übereilt und unrichtig“.[3] Hegel, der „in der Tat eine sehr subtile und tiefgreifende Kritik an Hume geübt hat“[4] schreibt: „Hume sieht die Notwendigkeit ganz subjektiv in der Gewohnheit; tiefer kann man im Denken nicht herunterkommen.“[5] Schopenhauer hingegen lässt Hume durch folgende Bemerkung in einem ehrenwerten Licht erscheinen: „Aus jeder Seite von David Hume ist mehr zu lernen als aus Hegels, Herbarts und Schleiermachers sämtlichen philosophischen Werken zusammengenommen.“[6]

Noch heute kann man der EHU aufgrund der Thematisierung bedeutender theoretischer und praktischer Probleme der Philosophie Aktualität und Relevanz bescheinigen.[7] Das Werk befasst sich mit erkenntnistheoretischen Gedanken, der Analyse der Willensfreiheit, dem Thema des Gottesbeweises und der Analyse der Vertrauenswürdigkeit von Wunderberichten.

Im Folgenden wird ein Teil des Klassikers aus Humes Oeuvre skizziert und reflektiert. Dabei wende ich mich hauptsächlich dem dreigliedrigen zwölften Abschnitt der EHU zu, in dem vor allem die Problematik des Skeptizismus behandelt wird. Das diesem Werk entnehmbare Skeptizismus-Verständnis Humes wird im Rahmen der vorliegenden Ausarbeitung nachgezeichnet und kommentiert. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob Hume das, was er dem extremen Skeptiker vorwirft, nicht selber praktiziert.

Humes skeptische Betrachtung des Skeptizismus

Das Schlusskapitel >Über die akademische oder skeptische Philosophie< der EHU eröffnet Hume mit der philosophisch vieldiskutierten Problematik des Beweises „für das Dasein einer Gottheit und die Widerlegung der Trugschlüsse der Atheisten “, um auf die Frage hinzuleiten: „Was versteht man unter einem Skeptiker? Und wie weit lassen sich diese philosophischen Prinzipien des Zweifels und der Unbestimmbarkeit treiben?“[8]

Indem Hume den Skeptiker in Bezug auf den Atheisten als „anderen Feind der Religion“[9] bezeichnet, trifft er scheinbar implizit eine grundlegende Unterscheidung zwischen beiden, die man, da Hume es an dieser Stelle nicht explizit macht, im Humeschen Sinne unterstellen könnte: Der Skeptiker zweifelt an der Existenz Gottes wohingegen der Atheist von der Nicht-Existenz Gottes zweifelsfrei überzeugt ist. Hier findet also eine Abgrenzung des Skeptikers vom Atheisten statt. Interessant erscheint an dieser Stelle auch der Gedankengang Feuerbachs, nachdem der spekulative Atheist - auf den Hume zu Beginn des Abschnittes auch anspielt - lediglich das Dasein Gottes leugnet und konsekutiv Gottes Wesen aufhebt, nicht jedoch vice versa.[10]

Hume gibt anstelle einer Definition des Begriffes Skeptiker eine Erklärung über verschiedene Ausprägungen des Skeptizismus ab, wobei er diese grundlegend in zwei Arten unterscheidet: „eine aller Forschung und Philosophie vorhergehende [antecedent][11] Art des Skeptizismus“[12] und eine „Art des Skeptizismus, die auf Wissenschaft und Forschung folgt[13] [consequent scepticism]. Um den antezedenten Skeptizismus zu veranschaulichen, geht er mit der diesbezüglichen Aussage Descartes, welche die „vorhergehende Art des Skeptizismus“ als überlegenen „Schutz gegen Irrtum und Vorurteil“ stark empfiehlt, kritisch ins Gericht. Der allgemeine Zweifel soll im cartesischen Sinn „nicht nur an allen unseren früheren Meinungen und Prinzipien, sondern auch an unseren Fähigkeiten selbst, von deren Glaubwürdigkeit, wie sie sagen, wir uns durch eine Kette von Denkarten überzeugen müssen, die aus einem ursprünglichen Prinzip abgeleitet sind, das unmöglich trügerisch oder falsch sein kann.“, gehegt werden.[14] Hume lehnt den Inhalt dieser Aussagen zunächst ab: „Weder gibt es ein solches ursprüngliches Prinzip, das den Vorrang vor anderen besäße, die selbstevident und überzeugend sind, noch könnten wir, sofern es ein solches gäbe, einen Schritt darüber hinausgehen ohne die Anwendung eben jener Fähigkeiten, denen wir doch schon mißtrauen wollten. Der cartesianische Zweifel wäre also, wenn überhaupt von einem Menschen erreichbar (was einfach nicht der Fall ist), völlig unheilbar, und kein Denken könnte uns jemals in den Zustand der Gewißheit und Überzeugung von irgendeiner Sache bringen.“[15] Der Autor räumt jedoch ein, dass der antezedente Skeptizismus Descartes „in einem sehr vernünftigen Sinne verstanden werden kann und eine notwendige Vorbereitung der philosophischen Forschung ist, indem sie uns eine angebrachte Unvoreingenommenheit im Urteil bewahrt und unseren Geist von allen solchen Vorurteilen abbringt, die wir durch Erziehung oder vorschnelle Meinungsbildung angenommen haben mögen.“[16] Darunter versteht der Autor, „mit klaren und selbstevidenten Prinzipien zu beginnen“[17] und ebenso die häufige und sorgfältige Prüfung der eigenen Konklusionen und aller sich daraus ergebenden Konsequenzen. Dies seien die alleinigen Methoden, auf denen die Hoffnung, zur Wahrheit zu gelangen, basiere. Hume selektiert also aus dem gedanklichen Skeptizismus-Saatgut Descartes für sich diejenigen Samen, die für seine Philosophie fruchtbar erscheinen.

Der zweiten Art des Skeptizismus - dem konsequenten Skeptizismus – widmet sich Hume deutlich ausführlicher. Diese Art des Skeptizismus folgt auf Wissenschaft und Forschung, „wenn die Menschen entweder das absolut Trügerische ihrer geistigen Fähigkeiten oder ihr Unvermögen entdeckt zu haben glauben, zu irgendeiner sicheren Bestimmung in allen jenen seltsamen Fragen des spekulativen Denkens, mit denen sie gewöhnlich befaßt sind, zu gelangen.“[18] Diese Zweifelsform umspannt nicht nur, wie Hume schon im Treatise [19] formuliert hatte, alle unsere geistigen Fähigkeiten, sondern auch die Sinne und die fundamentalsten Grundsätze des Lebens. Nach Hume tritt der konsequente Skeptizismus in Folge logischen Schließens [demonstrative reasoning] und kausalen Denkens [general operations] auf. Anders als beim antezedenten Skeptizismus ist der konsequente Skeptizismus also kein Vorrausgehendes sondern ein Folgendes. Es schließt sich eine Behandlung des [consequent scepticism] an, bei dem dieser zunächst bezüglich der Sinne und anschließend auf den Verstand Bezug nehmend diskutiert wird. Hume nimmt hier eine Differenzierung zwischen 'populären' und 'philosophischen' Argumenten vor. Die populären Argumente sind diejenigen, die bei sehr vielen „Gelegenheiten aus der Unvollkommenheit und Trüglichkeit unserer Sinne gefolgert sind.“[20] Die von Hume dafür angeführten Beispiele[21] sollen zeigen, dass „auf die Sinne allein kein unbedingter Verlaß ist“ und ihre Evidenz durch „Denken und Überlegung“ richtig gestellt werden muss. Dieses Denken und diese Überlegungen ergeben sich „aus der Natur des Mediums, der Entfernung des Gegenstandes, der Verfassung des Organs ... um die Sinne innerhalb ihres Bereiches zu geeigneten Kriterien von Wahrheit und Falschheit zu machen.“[22]

[...]


[1] EHU wird im Folgenden synonym für Enquiry concerning Human Understanding verwendet; die Seiten-angaben und Zitate beziehen sich auf die Reclam Ausgabe Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand von 1982.

[2] Kant (1979, S. 6f.).

[3] Kant (1979, S. 7).

[4] Westphal (1998, S. 4).

[5] Hegel (1971, S. 278f.).

[6] Schopenhauer (1977, II/2, S. 681).

[7] Hierzu sei auf Streminger (1995) verwiesen, der die Aktualität Humes ausführlich beschreibt.

[8] Hume (2003, S. 188).

[9] Hume (2003, S. 188).

[10] Die nähere Bestimmung des Terminus >spekulativer Atheist< erscheint mir hinsichtlich des ihn erklärenden Gedankenganges überlegungstechnisch als sinnvoll. Dafür möchte ich auf das dritte Kapitel über Atheismus in Feuerbach (1989, IV/3, S. 320). verweisen.

[11] Die Übersetzungen in den eckigen Klammern beziehen sich auf die Dover Ausgabe der EHU von

[12] Hume (2003, S. 188).

[13] Hume (2003, S. 190).

[14] Hume (2003, S. 188f.).

[15] Hume (2003, S. 189).

[16] Hume (2003, S. 189).

[17] Hume (2003, S. 189).

[18] Hume (2003, S. 190).

[19] Gemeint ist Humes A treatise of human nature (2003).

[20] Hume (2003, S. 190).

[21] Das im Wasser scheinbar gekrümmte Ruder; das verschiedenartige Aussehen von Gegenständen je nach deren jeweiliger Entfernung; die nach dem Druck auf ein Auge entstehenden Doppelbilder, usw.

[22] Hume (2003, S. 190).

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Details

Titel
Humes skeptische Betrachtung des Skeptizismus
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Der Empirismus des David Hume
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
12
Katalognummer
V150511
ISBN (eBook)
9783640618453
ISBN (Buch)
9783640618651
Dateigröße
573 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
David Hume, David, Hume, Skeptizismus, Skeptiker, skeptisch, Empirismus, An Enquiry concerning Human Understanding, Untersuchung über den menschlichen Verstand, Kant, Hegel, Schopenhauer, Westphal, Mathias Conrad, Existenz Gottes, Atheismus, Arten des Skeptizismus, Pyrrhonismus, Popkin, Sextus, Streminger, Feuerbach, Bayle
Arbeit zitieren
M.A. Mathias Conrad (Autor:in), 2008, Humes skeptische Betrachtung des Skeptizismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150511

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