Wer bekannte sich verantwortlich für diese Untaten? Gab es eine kollektive deutsche Schuld? Reichte der Verweis auf den vermeintlich unhintergehbaren Befehl des Führers, der absoluten Gehorsam im Sinne von „ein Volk, ein Reich, ein Führer“ einforderte, aus, um sich von jeglicher menschlicher Verantwortung und Schuld für den Massenmord freizusprechen? War also Adolf Eichmann „nur“ ein gefall- und ruhmessüchtiger „Schreibtischhengst“ (Wojak, S. 195.) oder in „abgründiger Dummheit“ (Arendt, S. 129.) der Vertreter der „Banalität des Bösen“ schlechthin, wie Hannah Arendt in ihrem Prozessbericht vermuten lässt
Aber, um einmal ohne Maskierung des Geschehenen zu fragen und zu argumentieren: Wer waren denn nun konkret die Deutschen, die jenen Millionen (!) jüdischen Menschen den Tod besorgten, als seien sie weniger Wert als Schlachtvieh? Handelte es sich nur um ganz normale deutsche Männer, wie Browning es vermuten lässt oder waren es, laut Goldhagen, die ganz normalen Deutschen insgesamt, die ganz normalen Deutschen, die als „mobile(n) Völkermordkohorten, (die) als Weltanschauungskrieger“ (Goldhagen, S. 321.), den bestens organisierten Mord an den jüdischen Kindern, Frauen, alten und jungen Männern begingen?
“Die beschriebene ´Unmöglichkeit, eine Geschichte zu erzählen´, bildet die psychische Realität einer extremen Terror-Handlung präzise ab“ (Reemtsma, S. 143.). Die hier zitierte extreme Terrorhandlung steht beispielhaft für die gezielte, geplante und fast vollständig durchgeführte Judenvernichtung durch Hitlers Nationalsozialismus. Reemtsma will die spezifische „Logik“ des Terrors herausstellen, eine einfache Beschreibung dessen verwehrt. Reemtsma führt daher die Wortschöpfung Terroratio ein, um „jene(n) Prozeß der ´Zerstörung von Erfahrung´ (...)“ (Reemtsma, S. 145.) zu beschreiben. „Binnenrationalität“, die den Tätern eine gewisse Sinnhaftigkeit in ihrem Tun gewähre. Denn „`die Deutschen töteten mehr als fünf Millionen Juden (...)“ indem sie diesem Massenmord „(...) einen Sinn beimaßen.´“ (Basic/Welzer, S. 79.) Sie reden in diesem Punkt, ob der Rationalität und Irrationalität, zum einen R. Hilberg das Wort, und in gewisser Weise auch H. Arendt und Reemtsma, wenn man die von ihr beschriebene „vollendete Sinnlosigkeit“ einerseits und die Terroratio Reemtsmas andererseits synonym nimmt.
Inhaltsverzeichnis
- Essay I: Die Bürokratie des Massenmords: Adolf Eichmann und die „Banalität des Bösen“
- Essay II: Ganz normale Deutsche?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay zielt darauf ab, die Rolle von Adolf Eichmann im Holocaust zu beleuchten und die „Banalität des Bösen“ zu untersuchen, wie sie von Hannah Arendt im Eichmann-Prozess beschrieben wurde. Weiterhin wird der Frage nachgegangen, wer die „ganz normalen Deutschen“ waren, die am Holocaust beteiligt waren, und ob es sich um „Herrenmenschen“ handelte, wie Daniel Goldhagen argumentiert, oder um Menschen, die einfach ihren Befehlen folgten, wie Christopher Browning vermutet.
- Die Rolle von Adolf Eichmann im Holocaust
- Die „Banalität des Bösen“ nach Hannah Arendt
- Die Frage nach den „ganz normalen Deutschen“ als Tätern
- Die unterschiedlichen Perspektiven von Daniel Goldhagen und Christopher Browning
- Die Motivation und Verantwortung der Täter
Zusammenfassung der Kapitel
Essay I: Die Bürokratie des Massenmords: Adolf Eichmann und die „Banalität des Bösen“
Dieser Essay befasst sich mit der Rolle von Adolf Eichmann im Holocaust und hinterfragt die von Hannah Arendt postulierte „Banalität des Bösen“. Der Autor analysiert Eichmanns Persönlichkeit und seine Handlungen im Kontext der „Endlösung der Judenfrage“. Es wird diskutiert, ob Eichmann lediglich ein „Schreibtischhengst“ war, der Befehle ausführte, oder ob er eine aktive und verantwortliche Rolle bei der Deportation und Ermordung von Juden spielte.
Essay II: Ganz normale Deutsche?
Dieses Kapitel untersucht die Frage, wer die „ganz normalen Deutschen“ waren, die am Holocaust beteiligt waren. Es wird auf die unterschiedlichen Perspektiven von Daniel Goldhagen und Christopher Browning eingegangen, wobei Goldhagen die Täter als „Herrenmenschen“ beschreibt, während Browning sie als Menschen sieht, die ihren Befehlen folgten. Der Essay beleuchtet die Motivation und Verantwortung der Täter und die Rolle der deutschen Gesellschaft im Holocaust.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter des Essays sind: Holocaust, Adolf Eichmann, „Banalität des Bösen“, Hannah Arendt, „ganz normale Deutsche“, Daniel Goldhagen, Christopher Browning, „Herrenmenschen“, Motivation, Verantwortung, deutsche Gesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Anton Distler (Autor:in), 2003, Ganz normale Männer? Perspektiven der NS-Täter-Forschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15067