Diese Arbeit stellt in Form eines praktischen Kompendiums dar, wie ältere Arbeitnehmer in ihrer beruflichen Kompetenzentwicklung pädagogisch unterstützt werden können. Dazu werden mögliche Maßnahmen der Personalentwicklung vorgestellt und bewertet, besonders geeignete Lern- und Arbeitsformen sowie ein innovatives Lernkonzept stehen dabei im Mittelpunkt. Um die gesellschaftliche Dringlichkeit und Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Thematik zu verdeutlichen, wird zunächst auf die Auswirkungen des demographischen Wandels auf den Arbeitsmarkt und das Weiterbildungssystem eingegangen.
Im Anschluss geht es um die zukünftig steigenden Arbeitsanforderungen für ältere Arbeitnehmer und deren immer noch problematische Situation in den Betrieben. Es wird lerntheoretisch dargestellt, in welcher Weise und aus welchen Gründen ältere Menschen lernen und ihre Kompetenzen entwickeln. Besonders die Entstehung von Lernwiderständen wird dabei beleuchtet. Aufgrund dieser Erkenntnisse werden pädagogische Fördermöglichkeiten im Rahmen von Personalentwicklung und beruflicher Weiterbildung dargestellt und bewertet. Die Arbeit ist übersichtlich gegliedert; zum schnellen Verständnis gibt es vor jedem Kapitel einen Inhaltsüberblick sowie am Kapitelende eine Zusammenfassung der Ergebnisse.
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Demografischer Wandel und gesellschaftliche „Baustellen“
1.2 Thema und Aufbau der Diplomarbeit
2 Der demografische Wandel in Deutschland und Europa
2.1 Definition des demografischen Wandels
2.1.1 Ursachen und Bedingungen des demografischen Wandels
2.1.2 Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitswelt
2.2 Die Beteiligung älterer Arbeitnehmer am Erwerbsleben
2.3 Folgerungen für das Bildungssystem und Weiterbildungsmaßnahmen
2.4 Fazit und Ausblick
3 Die Situation älterer Arbeitnehmer
3.1 Eingrenzung der Gruppe der älteren Arbeitnehmer
3.2 Die betriebliche Sicht auf Leistungs- und Lernfähigkeit älterer Arbeitnehmer
3.2.1 Das Defizitmodell des Alterns
3.2.2 Kritik an den Vorurteilen und dem Defizitmodell des Alterns
3.3 Das Kompetenzmodell des Alterns: Potenziale statt Defizite
3.4 Die Situation älterer Arbeitnehmer in den Betrieben
3.5 Individualisierung und Globalisierung: Veränderung der sozialen 26 Bedingungen
3.6 Die Entwicklung der Arbeits- und Lernanforderungen
3.7 Das Lebenslange Lernen
3.8 Fazit und Ausblick
4 Lernen, Lernmotivation und Kompetenzentwicklung älterer Arbeitnehmer
4.1 Begriffsbestimmung: Kompetenzen und Lernen
4.2 Anforderungen an eine Lerntheorie für Erwachsene
4.3 Kritik an behavioristischen und kognitiven Lerntheorien
4.4 Die subjektwissenschaftliche Lerntheorie von Klaus Holzkamp
4.5 Die Beteiligung älterer Arbeitnehmer an Weiterbildungsangeboten
4.6 Selbstaktualisierung und Selbstwirksamkeitserwartung
4.7 Lernwiderstände und Lernmotive älterer Arbeitnehmer
4.8 Fazit und Ausblick
5 Aufgaben pädagogischer Förderung älterer Arbeitnehmer in der beruflichen Weiterbildung und Personalentwicklung
5.1 Die Struktur und die Grundformen pädagogischen Handelns
5.2 Begriffsbestimmung: Berufliche Weiterbildung und Personalentwicklung
5.3 Förderung von Lernkompetenz und Lernmotivation
5.3.1 Lernförderliche Arbeitsgestaltung
5.3.2 Entwicklungsmöglichkeiten Älterer im Betrieb
5.3.3 Lern- und Weiterbildungsberatung
5.4 Berufliche Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer
5.4.1 Geeignete Lernformen
5.4.2 Das Lernkonzept „Erfahrungsbasierte Qualifizierung“ (EQUA)
5.4.2.1 Methodik und Aufbau
5.4.2.2 Ziele des Lernkonzeptes
5.4.2.3 Beschreibung der Workshops
5.4.2.4 Die Rolle der Moderatoren
5.4.2.5 Nutzen und Eignung des Konzeptes für ältere Arbeitnehmer
5.5 Fazit und Ausblick
6 Fazit der Arbeit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einführung
Im ersten Kapitel werden das Thema dieser Arbeit sowie dessen gesellschaftliche und pädagogische Bedeutung dargelegt. Das Kapitel dient auch dazu, die Aufgabenstellung zu erläutern und einzugrenzen. Weiterhin erfolgt eine Information über den Aufbau und die Systematik der Arbeit; die Kapitel werden kurz beschrieben und in ihrer Funktion für die Bearbeitung der Fragestellung dargelegt.
Wenn von Pädagogen oder älteren Arbeitnehmern die Rede ist, so sind selbstverständlich auch Pädagoginnen und ältere Arbeitnehmerinnen gemeint. Der besseren Lesbarkeit wegen wird die männliche Form verwendet.
1.1 Demografischer Wandel und gesellschaftliche „Baustellen“
Zeitungsartikel, Fernsehbeiträge, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Forschungsprojekte sowie Tagungstitel von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften zeigen es: Die Gesellschaft beschäftigt sich mit dem Phänomen des demografischen Wandels. Dieses Thema berührt eine Vielzahl gesellschaftlicher Bereiche. Kernfragen sind mögliche Konsequenzen und erforderliche Handlungsstrategien für das jeweilige Feld. Einige Beispiele aus jüngerer Zeit: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung titelte im Frühjahr 2009 „Damit die Belegschaft nicht vergreist“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 02.03.2009), Welt-Online schrieb „Demografischer Wandel - So entwickeln sich die Einwohnerzahlen der Städte“ (Welt-Online vom 29.05.2009). Landesregierungen und Bundesregierung initiieren und fördern Forschungsprojekte, die Probleme aufdecken und Lösungsansätze hervorbringen sollen. So untersucht das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Menschen- und alternsgerechte Gestaltung der Arbeit“, welche zukünftigen Herausforderungen die Alterung der Belegschaft in Bezug auf die berufliche Leistungsfähigkeit mit sich bringt. Das vom europäischen Sozialfond und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte Projekt „Alternsgerechte Qualifizierung“ entwickelt und erprobt neue Lernformen, um ältere Mitarbeiter stärker in die betriebliche Weiterbildung einzubinden.
Warum ist der demografische Wandel von so grundlegender Bedeutung für unsere Gesellschaft? Die Antwort: Der zunehmende Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft stellt das Bildungs-, Arbeits-, Gesundheits- und Sozialsystem vor große Herausforderungen. Bisher haben sich diese Systeme an einer Bevölkerungsstruktur orientiert, die es in ihrer ursprünglichen Form heute nicht mehr gibt.
Anfang des 20. Jahrhunderts stellten Kinder und Jugendliche den größten Bevölkerungsanteil. Es gab weniger Menschen im mittleren Erwachsenenalter und noch weniger Menschen höheren Alters. Die sozialen Sicherungssysteme, der Arbeitsmarkt, das Bildungswesen und das Gesundheitssystem hatten sich mit ihrem Leistungsspektrum auf diese Gegebenheiten eingestellt.
Seit Ende der 1960er Jahre findet ein Wandel im Bevölkerungsaufbau statt, der die Funktionen dieser Systeme grundlegend beeinträchtigt. Die Auswirkungen dieses Wandels sind heute schon spürbar, werden sich in ihrer vollen Wirkung aber erst in einigen Jahren zeigen. Bis vor etwa zehn Jahren fand das Thema kaum Beachtung in der öffentlichen Diskussion. Mittlerweile wird auch dank wissenschaftlicher Studien deutlich, dass gerade im Arbeits- und Bildungssektor einschneidende Veränderungen anstehen. Es zeichnet sich seit Jahren ab, dass in Zukunft mehr ältere Menschen einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollen und müssen. Von ihrem Engagement und ihrer Beteiligung wird die produktive und innovative Kraft der deutschen Wirtschaft in starkem Maße abhängen. Dabei ist es wichtig, die vorhandenen Potenziale dieser Gruppe zu erweitern und weniger entwickelte Kompetenzen pädagogisch zu fördern. Ebenso wichtig ist die Nutzung der vielfältigen Erfahrungen, die die meisten älteren Arbeitnehmer im Laufe ihres Erwerbslebens ansammeln konnten. Die Mitarbeiter dürfen aber nicht auf ihre Produktivkraft reduziert werden. Ziel pädagogischer Bemühungen ist die Unterstützung der persönlichen Entfaltung des einzelnen Menschen. Pädagogische Förderung darf sich nicht in den Dienst fremdbestimmter Ziele (wie z. B. ökonomische Verwertbarkeit) stellen lassen.
Die Erwachsenenbildung ist beim Thema „Demografischer Wandel“ besonders gefordert. Ihre Forschungsgebiete umfassen unter anderem die berufliche Weiterbildung und Kompetenzentwicklung von Erwachsenen, also deren Lernprozesse. Bekannte Autoren der Erwachsenenbildung wie Faulstich, Tippelt und Dohmen forschen und veröffentlichen zu pädagogischen Bewältigungsmöglichkeiten des demografischen Wandels.
Die Relevanz des demografischen Wandels, seine Auswirkungen auf pädagogische Handlungsfelder und das Interesse an pädagogischen Lösungsansätzen haben zur Wahl dieses Diplomarbeitsthemas inspiriert.
1.2 Thema und Aufbau der Diplomarbeit
In dieser Arbeit soll dargestellt werden, welche Auswirkungen der demografische Wandel auf den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem haben wird. Weiterhin geht es um die zukünftigen Arbeitsanforderungen für ältere Arbeitnehmer und ihre aktuelle Situation in den Betrieben. Es wird thematisiert, wie und aus welchen Gründen ältere Menschen lernen und ihre Kompetenzen entwickeln. Damit zusammenhängend geht es um die Entstehung von Lernmotiven und Lernwiderständen. Aufgrund dieser Erkenntnisse werden pädagogische Fördermöglichkeiten im Rahmen von Personalentwicklung und beruflicher Weiterbildung dargestellt und bewertet. Von großer Wichtigkeit sind geeignete Lernformen für lernentwöhnte ältere Arbeitnehmer, da über Lernen Kompetenzentwicklung stattfindet.
Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird vor jedem Kapitel ein Inhaltsüberblick gegeben. Die Kapitel schließen mit einem Fazit und einer Überleitung zum Folgekapitel. Die Kapitel zwei bis sechs werden nachfolgend kurz beschrieben:
Das zweite Kapitel „Der demografische Wandel in Deutschland und Europa“ beschreibt das genannte Phänomen näher, erläutert Bedingungen und Ursachen und stellt die Entwicklung der Struktur des Arbeitskräfteangebots dar. In diesem Zusammenhang wird auch darauf eingegangen, in welchem Maße ältere Arbeitnehmer am Erwerbsleben beteiligt sind. Ebenso werden Folgerungen für das Bildungssystem und Weiterbildungsmaßnahmen dargelegt. Das dritte Kapitel „Die Situation älterer Arbeitnehmer“ rückt diese als Subjekte in den Vordergrund. Hier werden zunächst die Sicht von Personalverantwortlichen, gängige Vorurteile und die gesellschaftliche bzw. betriebliche Sicht auf die Lebensphase „Alter“ dargestellt. Nachfolgend geht es dann um die Entstehung dieser Sichtweisen, dazu wird das so genannte Defizitmodell erläutert. Sodann werden die tatsächliche Kompetenzentwicklung im Alter und die Besonderheiten und Potenziale von älteren Arbeitnehmern dargestellt. In diesem Zusammenhang geht es um die wechselseitigen Abhängigkeiten von Kompetenzentwicklung und betrieblichen Arbeitsbedingungen und -anforderungen. Als wichtige Einflussfaktoren in Bezug auf die Arbeitsbedingungen gelten Individualisierung und Globalisierung. Diese Faktoren werden vorgestellt und ihr Einfluss auf ältere Arbeitnehmer dargelegt. Außerdem geht es um die Entwicklung der Lern- und Arbeitsanforderungen, denen ältere Arbeitnehmer ausgesetzt sind. Als Antwort auf diese Entwicklungen wird am Ende des Kapitels das Konzept des Lebenslangen Lernens vorgestellt.
Das vierte Kapitel „Lernen, Lernmotivation und Kompetenzentwicklung älterer Arbeitnehmer“ geht auf das menschliche Lernen im Erwachsenenalter ein. Hierzu wird eine geeignete Lerntheorie für das Lernen von Erwachsenen vorgestellt und Kritik an behavioristischen und kognitiven Lerntheorien geübt. In diesem Teil sollen die Besonderheiten der Lernprozesse Erwachsener deutlich werden. Ausgehend von diesen Erkenntnissen wird die Beteiligung älterer Arbeitnehmer an Weiterbildungsangeboten thematisiert, der Einfluss von Selbstwirksamkeitserwartung und Selbstaktualisierung dargestellt und die Entstehung von Lernmotiven und Lernwiderständen beschrieben.
Das fünfte Kapitel schließlich stellt dar, welche Möglichkeiten der pädagogischen Förderung älterer Arbeitnehmer die Personalentwicklung und berufliche Weiterbildung bieten. Zunächst werden Personalentwicklung und berufliche Weiterbildung als Begriffe definiert und ihre Ziele dargelegt. Sodann geht es um Möglichkeiten, die Lernkompetenz und Lernmotivation älterer Mitarbeiter durch lernförderliche Arbeitsgestaltung, Laufbahngestaltung und Weiterbildungsberatung zu fördern. Die berufliche Weiterbildung ist für die Erhaltung und Weiterentwicklung von Kompetenzen älterer Arbeitnehmer besonders wichtig. An dieser Stelle der Arbeit wird dargelegt, welche Lernformen am geeignetsten für ältere Arbeitnehmer sind. Im Anschluss daran wird ein praktisches Beispiel vorgestellt, nämlich das Lernkonzept „Erfahrungsbasierte Qualifizierung“ (EQUA). Dessen Aufbau, Ziele und Eignung für ältere Arbeitnehmer werden erörtert und kritisch hinterfragt. Am Ende der Arbeit werden die gesammelten Erkenntnisse zusammengetragen und reflektiert.
2 Der demografische Wandel in Deutschland und Europa
Dieses Kapitel stellt das Phänomen des demografischen Wandels dar. Zunächst wird der Begriff definiert und erläutert, wie sich die deutsche Bevölkerungsstruktur verändert. Sodann werden die Ursachen und Bedingungen in den Mittelpunkt gestellt und erörtert, welche Konsequenzen der demografische Wandel für die Altersstruktur der Arbeitnehmerschaft in Deutschland hat. In diesem Zusammenhang geht es um die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen. Im Anschluss werden die Folgen für das deutsche Bildungssystem und Weiterbildungsmaßnahmen dargestellt. Die wesentlichen Ergebnisse werden abschließend in einen Fazit zusammengefasst.
2.1 Definition des demografischen Wandels
„Mit dem Begriff „demografischer Wandel“ wird die Veränderung (…) der Altersstruktur einer Gesellschaft bezeichnet.“ (Faulstich 2007: 9). Demografie (griechisch: Bevölkerungswissenschaft) ist „die Lehre von der Struktur und Entwicklung einer Bevölkerung sowie von den dafür verantwortlichen Ursachen und den daraus möglicherweise erwachsenden künftigen Wirkungen“ (Meyers Lexikon Online, 2008). Deutschland unterliegt in seiner Bevölkerungsstruktur seit einigen Jahrzehnten einem deutlichen Wandel. Vorausberechnungen sind, mit gewissen Ungenauigkeiten, auf heutiger Datenbasis bis zum Jahr 2050 möglich (vgl. DESTATIS 2006: 9). Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der Bevölkerungszahlen von 1910 bis 2050.
Abbildung 1: Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland von 1910 bis 2050
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: DESTATIS 2006: 16
Im Jahr 1910 waren die jüngeren Altersgruppen zahlenmäßig stark vertreten, die älteren dagegen deutlich geringer. Die Form der Grafik erinnert an eine Pyramide, daher der Begriff „Bevölkerungspyramide“. Bereits 1950 hatte sich die Form verändert. Gründe dafür waren die hohen Bevölkerungsverluste durch den ersten und zweiten Weltkrieg und die sinkenden Geburtenzahlen während der Weltwirtschaftskrise ab 1929. Der Baby-Boom der 1950er und 1960er Jahre sorgte für einen Ausgleich bzw. leichten Anstieg der Bevölkerungszahl. Im Jahr 2005 erinnert die Form der Grafik eher an einen Baum. Die Gruppe der 35 bis 85-Jährigen ist überproportional vertreten, während die jüngeren Altersgruppen eine abnehmende Tendenz aufweisen. Die Vorausberechnung bis 2050 offenbart das Ausmaß der Entwicklung: Die Bevölkerungszahl in Deutschland wird sich bis 2050 insgesamt verringern, die geburtenschwachen Jahrgänge befinden sich dann im Rentenalter, machen aber dennoch den größten Anteil der Bevölkerung aus. Die große Gruppe der „Baby-Boom-Generation“ wird 2050 verstorben sein. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene werden zahlenmäßig die geringste Gruppe darstellen. Die Frage in diesem Zusammenhang ist, welche Folgen der demografische Wandel für das deutsche Arbeits- und Weiterbildungssystem haben wird.
2.1.1 Ursachen und Bedingungen des demografischen Wandels
Folgende Faktoren beeinflussen den demografischen Wandel: Der Geburtenrückgang, die erhöhte Lebenserwartung und die Zu- und Abwanderung. Dazu im Detail: Um den Geburtenrückgang zu erklären, muss zunächst der Begriff der Geburtenrate erläutert werden. Die so genannte Geburtenrate weist die durchschnittliche Zahl der Geburten bei Frauen im gebärfähigen Alter aus. Der berücksichtigte Altersrahmen der Frauen bewegt sich dabei von 15 – 49 Jahren, Erfassungszeitraum ist das Kalenderjahr (vgl. DESTATIS 2006: 77). Es gab in der früheren Bundesrepublik Deutschland in den 1950er und frühen 1960er einen „Baby-Boom“ (vgl. Fuchs 2005: 264), die Geburtenrate lag damals bei durchschnittlich 2,5 Kindern pro Frau (vgl. DESTATIS 2006: 27). Günstige Bedingungen hierfür waren die Euphorie und Aufbruchstimmung nach dem zweiten Weltkrieg. Die Menschen waren heiratswilliger, Kinder gehörten selbstverständlich zum Lebensentwurf und die Familie hatte einen hohen Stellenwert (vgl. Roloff 2004: 15). Seit Ende der 1960er Jahre ist die Geburtenrate stark rückläufig und liegt aktuell bei 1,4 Kindern pro Frau. Die Entstehungsbedingungen hierfür sind unter anderem in der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung, Zukunftsängsten, einem veränderten Bindungsverhalten, besseren Verhütungsmöglichkeiten und veränderten Familienverhältnissen zu sehen. Viele junge Erwachsene möchten sich zunächst selbst verwirklichen, bevor sie eine Familie gründen. Der Kinderwunsch wird häufig auf die späteren Lebensjahre verschoben oder teilweise gar nicht mehr umgesetzt. Insgesamt ist eine Individualisierung und Pluralisierung der Lebensentwürfe zu verzeichnen. Deutschland belegt mit seiner Geburtenrate weltweit einen der letzten Plätze, geringere Geburtenraten in der Europäischen Union weisen nur Italien, Spanien, Griechenland, Österreich, Polen, Lettland, Tschechien und Ungarn auf (vgl. DESTATIS 2006: 31). Die höchsten Geburtenraten gibt es dagegen in Frankreich, Irland, Schweden und den Niederlanden. Um den aktuellen Bevölkerungsstand Deutschlands von 82 Millionen Menschen dauerhaft zu halten, wäre seit den 1970er Jahren eine Geburtenrate von konstant 2,1 Kindern notwendig gewesen. Diese Kennzahl wird seit vierzig Jahren nicht mehr erreicht. Diese Entwicklung hat Folgen: Deutschlands Bevölkerung wird schrumpfen und diese Entwicklung ist auf lange Sicht unumkehrbar. Selbst wenn ab sofort wesentlich mehr Kinder in Deutschland zur Welt kämen, bräuchten diese Kinder etwa zwanzig Jahre, um als Erwerbspersonen zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands beitragen und selbst Kinder zeugen zu können. Dieses Szenario ist unwahrscheinlich, daher sind die Weichen für die Jahre bis 2050 bereits gestellt. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, warum die Bevölkerungszahl Deutschlands bei seit langem sinkenden Geburtenzahlen nicht schon längst rückläufig ist; ein wesentlicher Grund hierfür ist in den folgenden beiden Faktoren des demografischen Wandels zu sehen.
Bei der gestiegenen Lebenserwartung spielt die so genannte Sterbeziffer eine wichtige Rolle. Die Sterbeziffer gibt an, wie viele Menschen in einem Kalenderjahr in Deutschland verstorben sind. Bezieht man diese Sterbeziffer auf die Gesamtbevölkerungszahl Deutschlands, so ergibt sich die Sterberate. Bucher (2003) bemerkt dazu, dass die Sterblichkeit weiterhin kontinuierlich sinke, die Lebenserwartung von Neugeborenen dagegen noch steige (Bucher 2003: 9). Diese Entwicklung wird von verschiedenen Bedingungen beeinflusst. So hat sich zum Beispiel die medizinische Versorgung verbessert, das Gesundheitssystem ist ausgebaut und verfeinert worden und die Lebensumstände der Bevölkerung in Deutschland haben sich positiv entwickelt. Weiterhin ist es gelungen, die früher hohe Sterblichkeitsrate bei Säuglingen drastisch zu reduzieren. So überlebten um das Jahr 1900 ungefähr 20 Prozent der Säuglinge nicht das erste Lebensjahr, während sich deren Zahl heute nur noch auf 0,5 Prozent beläuft (vgl. DESTATIS 2006: 38).
Die reduzierte Sterberate führt zu einem Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung in Deutschland. Die Lebenserwartung ist definiert als die Zahl an Lebensjahren, die ein neugeborenes Kind durchschnittlich erwarten kann (vgl. Roloff 2004: 12). Ein Vergleich verdeutlicht die Entwicklung: Im Jahr 1901 lag die Lebenserwartung eines neugeborenen Mädchens bei 48 Jahren (hier muss allerdings die hohe Säuglingssterblichkeit zu dieser Zeit berücksichtigt werden). Im Jahr 2001 war die Lebenserwartung auf 81 Jahre gestiegen. Auch die so genannte „spätere“ Lebenserwartung hat sich erhöht. Eine heute 60-Jährige kann durchschnittlich noch 24 Jahre leben, vor etwa einhundert Jahren waren dies nur 14 Jahre. Auch die Zahl der Frauen, die tatsächlich älter als 60 Jahre werden, ist gestiegen. Um das Jahr 1900 vollendeten ungefähr 50 Prozent der weiblichen Bevölkerung das 60. Lebensjahr, heute sind es mit 93 Prozent fast alle Frauen eines Jahrgangs. Ein Phänomen soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben: Männer hatten und haben eine deutlich geringere Lebenserwartung als Frauen. Dieser Unterschied beginnt jedoch seit einigen Jahren geringer zu werden.
Festzuhalten bleibt bis hierhin, dass die Zahl der Geburten in Deutschland seit Jahren rückläufig ist. Dieser Bevölkerungsverlust konnte größtenteils durch die erhöhte Lebenserwartung ausgeglichen werden. Es spielt aber noch ein weiterer Faktor eine wichtige Rolle, der in der Vergangenheit sogar zu einem Bevölkerungsanstieg geführt hat.
Deutschland hat sich zu einem Einwanderungsland entwickelt (vgl. Dickmann 2004: 20). Es sind wesentlich mehr Menschen nach Deutschland gezogen als Menschen ins Ausland gegangen sind, man spricht von einem positiven Wanderungssaldo.
Diese Entwicklung ergab sich unter anderem durch die Anwerbung von Arbeitskräften aus Spanien, Italien, Griechenland und der Türkei in den 1950er und 1960er Jahren. Viele dieser ehemaligen „Gastarbeiter“ sind in Deutschland geblieben und haben hier Familien gegründet. Weiterhin stellen politisch Verfolgte aus dem Ausland Asylanträge, auch Kriegsopfer werden aufgenommen (z. B. aus den Krisengebieten des ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren). Es hat nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auch einen erheblichen Zuzug von so genannten „Auslandsdeutschen“ gegeben, also Menschen deutscher Abstammung, die in der ehemaligen Sowjetunion beheimatet waren. Diese Menschen waren bei der Einreise im Durchschnitt relativ jung (im Alter von zwanzig bis Mitte dreißig), befanden sich also in der Phase der Familiengründung. Die Kinderzahl bei diesen Frauen ist höher als bei in Deutschland geborenen Frauen. Die Zuwanderung hat dazu beigetragen, junge Menschen nach Deutschland zu bringen und damit den Bevölkerungsschwund abzufedern.
Für die Zukunft ist der Wanderungssaldo aber nicht vorhersagbar, da die Wanderungsbewegungen überwiegend in wirtschaftlichen und politischen Krisenzeiten erfolgen. Die Zahl der Zuwanderer war schon in der Vergangenheit nicht ausreichend, um den demografischen Wandel aufzuhalten. Nur durch das Zusammenwirken mit der gestiegenen Lebenserwartung konnte die Bevölkerungszahl leicht gesteigert werden. In der Zukunft ist eher zu erwarten, dass weniger Menschen nach Deutschland kommen. Klös (2003) konstatiert: „(…) durch Zuwanderung lässt sich weder das demografische Problem noch das Problem fehlender Arbeitskräfte lösen.“ (Klös 2003: 9). Letztlich vermag auch der Zuzug aus dem Ausland den demografischen Wandel nicht aufzuhalten, sondern mildert und verzögert lediglich die Folgewirkungen.
2.1.2 Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitswelt
Die Bevölkerungszahl Deutschlands wird durch zu wenige Geburten und unzureichende Zuwanderung sinken, gleichzeitig erhöht sich durch die gestiegene Lebenserwartung der Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung. Im Zusammenhang mit beruflicher Weiterbildung und Personalentwicklung stellt sich die Frage, wie sich die demografische Entwicklung auf die altersmäßige Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft auswirken wird. Fuchs (2005) stellt fest: „Die demographische Entwicklung wirkt sich (…) sowohl direkt über die Bevölkerungszahl als auch indirekt über die Bevölkerungsstruktur auf das Erwerbspersonenpotenzial aus.“ (Fuchs 2005: 265). Das Erwerbspersonenpotenzial umfasst in der Regel Personen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 64 Jahren, deren Zahl 2006 in Deutschland ungefähr 50 Millionen betrug. Bis 2030 wird diese Zahl deutlich abnehmen und sich strukturell verändern. Heute gehören noch 50 Prozent der Personen im erwerbsfähigen Alter zur Gruppe der 30 bis 49-Jährigen, 30 Prozent zur älteren Gruppe der 50 bis 64-Jährigen und 20 Prozent zur jüngeren Gruppe der 20 bis 29-Jährigen. Im Jahre 2020 wird es 42 Prozent 30 bis 49-Jährige geben, die ältere Gruppe der 50 bis 64-Jährigen dagegen wird mit vierzig Prozent fast gleich stark vertreten sein. Für den Arbeitsmarkt der Zukunft wird es auf die älteren Arbeitnehmer genauso ankommen wie auf die Arbeitnehmer der mittleren Altersklassen (vgl. DESTATIS 2006: 21-22). Auch der Anteil der Älteren an der Zahl der Erwerbstätigen wird steigen, da wesentlich weniger junge Arbeitnehmer nachrücken.
Dadurch entsteht ein Fachkräftemangel, der in einigen Bereichen bereits heute spürbar ist. Um diese Lücke annähernd zu schließen und die Rentenkassen zu entlasten, werden die Arbeitnehmer länger im Arbeitsleben verbleiben (müssen). Die Anhebung des Renteneintrittsalters in Deutschland von 65 auf 67 Jahre verdeutlicht dies. Doch wenn Ältere in Deutschland in Zukunft länger im Arbeitsleben verbleiben (müssen), wie ist es um die Beteiligung der Älteren am Erwerbsleben bestellt?
2.2 Die Beteiligung älterer Arbeitnehmer am Erwerbsleben
Wie sieht die aktuelle Situation der Älteren auf dem Arbeitsmarkt aus? Hier geben die Beschäftigungs- und die Arbeitslosenquote Auskunft. Auch der europäische Vergleich zeigt ein interessantes Bild. Zur Definition: Die Beschäftigungsquote bezeichnet die abhängig beschäftigten Personen einer bestimmten Altersgruppe. Die Arbeitslosenquote gibt den Anteil der als arbeitslos gemeldeten Personen an. Deutschland tut sich im europäischen Vergleich mit den Älteren schwer. Im Jahr 2005 lag die Beschäftigungsquote der 50 bis 64-Jährigen lediglich bei 45 Prozent, vor 2004 sogar relativ konstant bei nur 38 Prozent. Wesentliche Gründe für diese niedrigen Quoten sind politische Entscheidungen der Vergangenheit. So haben sich viele Unternehmen mit staatlicher Förderung ihrer älteren Arbeitnehmer entledigt und diese in den vorzeitigen Ruhestand entlassen.
Beabsichtigtes Ziel der staatlichen Förderung war, jüngere Menschen schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Viele Unternehmen dagegen haben dies als Rationalisierungsmaßnahme missbraucht. Mit Deutschland vergleichbare Länder wie Schweden oder Norwegen liegen seit Jahren deutlich über 60 % bei der Beschäftigungsquote Älterer; ein Grund dafür ist in den Ergebnissen der dortigen so genannten „Work-Line“ Politik zu sehen, die verhindert, dass ältere Menschen allzu schnell in die vorzeitigen Ruhestand entlassen werden. Es verwundert nicht, dass sich die deutsche Arbeitslosenquote der genannten Altersgruppe mit 12,7 Prozent im Jahr 2005 als die höchste im Ländervergleich darstellt. Die Europäische Union hat bereits vor einigen Jahren begonnen, Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung älterer Arbeitnehmer zu initiieren. So wurde 2001 vom Europäischen Rat die so genannte Lissabonstrategie beschlossen, die besagt „(…) dass bis 2010 die Hälfte der EU-Bevölkerung im Alter von 55 bis 64 Jahren in Beschäftigung sein soll.“ (Bosch/Schief 2005: 275). Von diesem Ziel sind die meisten EU-Mitgliedsstaaten weit entfernt. Die deutschen Durchschnittswerte verschleiern allerdings die Tatsache, dass die Quoten je nach Beschäftigungszweig stark variieren können. Die Streuung der jeweiligen Branchen ist in Deutschland besonders ausgeprägt. Relativ viele ältere Arbeitnehmer finden sich in der Land- und Forstwirtschaft, im staatlichen Sektor und in der Industrie (vgl. Clemens/Künemund/Parey 2003: 53), unterdurchschnittlich wenige dagegen in Dienstleistungsberufen (vgl. Bäcker 1999: 55). Da sich Deutschland immer mehr zu einem Dienstleistungsland entwickelt, erklären sich die niedrigen Beschäftigungswerte und die hohe Arbeitslosenquote älterer Arbeitnehmer. Pädagogisch interessant ist vor diesem Hintergrund, dass auch der Grad der schulischen und beruflichen Bildung für die Beschäftigungsfähigkeit Älterer eine Rolle spielt. Bosch und Schiefer (2005) stellen fest: „Eine gute schulische und berufliche Bildung ist mittlerweile nicht nur zum „Eintrittsticket“ und – was zur Erklärung der Beschäftigungsquoten noch wichtiger ist – auch zur Voraussetzung der Verlängerung der „Aufenthaltsberechtigung“ auf dem Arbeitsmarkt geworden. In allen Ländern der EU (…) steigen die Beschäftigungsquoten sowohl der 25 bis 44-Jährigen als auch der 55 bis 64-Jährigen Männer und Frauen mit dem Qualifikationsniveau.“ (Bosch und Schiefer 2005 : 275 ff.)
2.3 Folgerungen für das Bildungssystem und Weiterbildungsmaßnahmen
In Zukunft wird es in Deutschland mehr ältere Menschen geben, die einer bezahlten Beschäftigung nachgehen wollen und müssen. Zudem wird die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft in starkem Maße davon abhängen, wie gut diese älteren Arbeitnehmer aus- und weitergebildet sind. Um deren Beschäftigungsfähigkeit zu gewährleisten und die Innovationsfähigkeit zu erhalten, bedarf es regelmäßiger beruflicher Weiterbildung. Für das Bildungssystem ergibt sich daraus die Konsequenz, dass Bildung nicht nach dem Schulabschluss bzw. der Ausbildung aufhören darf. Im Gegenteil: Eine kontinuierliche berufliche Weiterbildung muss gewährleisten, dass Arbeitnehmer aller Altersgruppen sich weitgehend selbstständig auf den aktuellen Stand ihres Berufes bringen und ihre Kompetenzen weiterentwickeln können. Weiterbildungsinstitutionen müssen sich darauf einstellen, dass immer mehr ältere Arbeitnehmer Weiterbildungsmaßnahmen nachfragen werden. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Weiterbildung in Deutschland heute auf die speziellen Bedürfnisse von älteren Arbeitnehmern eingestellt ist. In welchem Maße nehmen ältere Arbeitnehmer schon an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teil? Wie lässt sich das Lernen älterer Erwachsener theoretisch fassen, welche Ressourcen und Herausforderungen gibt es? Diese Fragen werden im dritten Kapitel beantwortet.
2.4 Fazit und Ausblick
Das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland wird sich künftig verringern und strukturell verändern. Die Gruppe der 50 bis 64-Jährigen wird mit vierzig Prozent im Jahr 2020 einen großen Teil der Arbeitnehmer stellen. In Deutschland steigt die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer zwar seit ein paar Jahren an, liegt aber immer noch auf einem niedrigen Niveau; die Arbeitslosenquote dagegen ist mit 12,7 Prozent im Vergleich zu vergleichbaren europäischen Ländern sehr hoch. Außerdem spiegelt diese Quote nur den Anteil der potenziell dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden älteren Arbeitslosen. Frührentner sind dabei nicht berücksichtigt. Bedeutsam ist, dass höher qualifizierte und damit besser gebildete ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen haben. Gerade ältere Geringqualifizierte werden vom Erwerbsleben relativ früh ausgeschlossen, sei es durch Frühverrentung oder Arbeitslosigkeit. Das Bildungssystem in Deutschland muss sich darauf einstellen, mehr ältere Menschen in Weiterbildungsmaßnahmen beschäftigungsfähig halten zu müssen. Weiterbildung in jedem Alter wird zur Anforderung an jeden Arbeitnehmer. Fraglich ist, inwieweit die Weiterbildungsmaßnahmen heute den Lernanforderungen von Älteren entsprechen.
Fraglich ist, warum ein großer Teil der Gruppe der älteren Arbeitnehmer so früh aus dem Arbeitsmarkt gedrängt wird. Um hier Antworten zu finden, gilt es die Sichtweise der betrieblichen Personalverantwortlichen in Bezug auf ältere Arbeitnehmer und deren Leistungsfähigkeit und Kompetenzentwicklung im Verlaufe des Erwerbslebens zu ergründen.
3 Die Situation älterer Arbeitnehmer
In diesem Kapitel rücken ältere Arbeitnehmer als Subjekte in den Vordergrund. Zunächst wird anhand der einschlägigen Literatur definiert, wer altersmäßig zur Gruppe der älteren Arbeitnehmer gehört. Sodann wird die betriebliche und gesellschaftliche Sicht auf diese Gruppe dargelegt. In diesem Zusammenhang wird das so genannte Defizitmodell des Alterns vorgestellt und kritisiert. Danach wird erläutert, wie sich die arbeitsrelevanten Kompetenzen tatsächlich über den Lebenslauf entwickeln, welche Faktoren dabei Einfluss ausüben und welche Potenziale ältere Arbeitnehmer besitzen. Anhand der Darstellung der Situation von älteren Beschäftigten in den Betrieben soll deutlich werden, wie die Unternehmen durch ihre Personalpolitik den geistigen und körperlichen Alterungsprozess sowie die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft ihrer Mitarbeiter beeinflussen. Speziell die Lernfähigkeit und Lernmotivation als wichtige Eigenschaften sind hier von Wichtigkeit. Sodann geht es um den steigenden Einfluss von Individualisierung und Globalisierung auf das Leben älterer Arbeitnehmer sowie damit zusammenhängend um die sich verändernden Lern- und Arbeitsanforderungen. Im Anschluss wird das Konzept des lebenslangen Lernens als Antwort auf diese Entwicklungen dargestellt.
3.1 Eingrenzung der Gruppe der älteren Arbeitnehmer
Wer sind nun „die“ älteren Arbeitnehmer? Wer gehört dazu, ab welchem Alter?
Es gibt in der Literatur unterschiedliche Einschätzungen, ab wann ein Mitarbeiter als „älter“ bezeichnet werden kann. Die Varianz reicht vom 40. bis zum 64. Lebensjahr. Grundsätzlich ist fraglich, ob eine solche Eingrenzung überhaupt sinnvoll ist, da sie letztlich Menschen über ihr kalendarisches Alter kategorisiert. In der Gerontologie (griechisch: Alterswissenschaft) herrscht Einigkeit darüber, dass das kalendarische Alter allein nicht ausreicht, um einen Beschäftigten der Gruppe der älteren Arbeitnehmer zuordnen zu können. Menschen „altern“ sehr unterschiedlich, auch bei Beschäftigten gibt es große Unterschiede in Bezug auf die Kompetenzentwicklung. Dennoch stellt als Beispiel die von der Europäischen Union initiierte „Lissabonstrategie“ auf das kalendarische Alter der Beschäftigen ab, indem der Beschluss vorsieht, bis zum Jahr 2010 mindestens 50 Prozent der 55 bis 64-Jährigen in Arbeit zu bringen (vgl. Bosch; Schiefer 2005: 1). In Branchen mit hohen körperlichen Anforderungen, wie zum Beispiel der Stahlindustrie, gelten Arbeitnehmer bereits ab 40 Jahren als älter, ein Beschäftigter im Bergbau ab 45 Jahren. Es ist in Deutschland für die meisten Arbeitssuchenden schon ab dem 40. Lebensjahr schwierig, auf dem Arbeitsmarkt eine neue Anstellung zu finden. In den meisten deutschen Unternehmen werden über 50-Jährige als ältere Arbeitnehmer definiert (vgl. Naegele 2004: 9 f.).
Die Definitionen, wer zur Gruppe der älteren Arbeitnehmer gehört, variieren also. Dies ist bereits ein Hinweis darauf, dass allein das kalendarische Alter von Menschen kein leistungsrelevantes Merkmal ist. Es kommt vielmehr auf die konkreten Arbeitsanforderungen und die biografische Kompetenzentwicklung an, also individuelle, soziale und gesellschaftliche Faktoren. Um allerdings empirische Forschungsergebnisse gewinnen zu können, ist eine Altersgruppeneingrenzung notwendig. In Anbetracht der Unterschiedlichkeit der Eingrenzungen in den verschiedenen Bereichen der Arbeitswelt ist es sinnvoll, für wissenschaftliche Untersuchungen eine Art Durchschnitt zu wählen, also einen Wert, dem sich die meisten Festlegungen annähern. Diese Grenze kann bei einem Lebensalter von 50 Jahren gezogen werden, wobei diese Festlegung nicht starr ist. Hier müssen im konkreten Forschungsfeld auch stets andere die berufliche Leistungsfähigkeit beeinflussende Faktoren berücksichtigt werden. Für diese Diplomarbeit, die keine empirische Arbeit darstellt, werden Arbeitnehmer ab 50 Jahren einbezogen. Diese Entscheidung erscheint sinnvoll, um möglichst alle Arbeitnehmer, die in ihrer Branche als älter eingestuft werden, in den Fokus nehmen zu können.
3.2 Die betriebliche Sicht auf Leistungs- und Lernfähigkeit älterer Arbeitnehmer
Die betrieblichen Personalverantwortlichen entscheiden über die Einbindung von älteren Arbeitnehmern in Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung. Sie entscheiden auch über die Einstellung neuer älterer Mitarbeiter und geben die Laufbahnentwicklungsmöglichkeiten vor. Da Einstellungen und (Vor-)Urteile das Handeln von Menschen bestimmen, ist es von großer Wichtigkeit zu erkennen, welche Meinung in den Betrieben über die Gruppe der älteren Arbeitnehmer vorherrscht. Aus der Literatur ist zu ersehen, dass es den Personalverantwortlichen in erster Linie um die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter geht. Auch die Kosten spielen eine Rolle.
Vielfach herrscht die Meinung vor, ältere Arbeitnehmer seien nicht mehr so leistungsfähig und weniger belastbar als jüngere (vgl. Gaugler; Oechsler; Weber 2004: 86). Auch mangelnde Flexibilität, geringeres Wahrnehmungstempo, Starrheit, Abnahme von Kraft und Beweglichkeit, geringere psychische Belastbarkeit und mangelnde Lernmotivation werden älteren Arbeitnehmern unterstellt (vgl. Pack 1999: 12 ff.). Hiltl und Hormel haben in ihrer Untersuchung herausgearbeitet, dass betriebliche Entscheidungsträger häufig zu der Annahme neigen, jüngere Mitarbeiter seien kostengünstiger zu beschäftigen (vgl. Hiltl; Hormel 2005: 18 f.). Diese Annahmen führen in der Konsequenz zu Frühverrentungen und Langzeitarbeitslosigkeit von älteren Arbeitnehmern, denn viele Betriebe entledigen sich dieser „Last“ so früh wie möglich. Natürlich herrschen in den unterschiedlichen Branchen sehr unterschiedliche Anforderungen und Belastungen vor. Im Bergbau zum Beispiel sind Beschäftigte über Jahre hinweg körperlich stark belastenden Bedingungen ausgesetzt, die ihre Spuren in der physischen Leistungsfähigkeit hinterlassen. Eine Verallgemeinerung des Bildes von nachlassender beruflicher Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter ist allerdings eine falsche Annahme. So ein pauschales Vorurteil wirkt sich äußerst schädlich aus, wie im Verlauf dieser Arbeit noch deutlicher wird. Den Vorurteilen liegen meist Alltagsbeobachtungen und gesellschaftliche Rollenbilder zugrunde, die eine verzerrte Wahrnehmung von Älteren erzeugen. Auch die Wissenschaft hat zunächst die These von den nachlassenden Fähigkeiten älterer Menschen gestützt, und zwar mit dem so genannten Defizitmodell des Alterns. Dieses Modell wird im Folgenden vorgestellt und kritisiert.
3.2.1 Das Defizitmodell des Alterns
Das Defizitmodell des Alterns entstand in den 1930er Jahren. In dieser Zeit erfolgten die ersten psychologischen Studien zur Intelligenzentwicklung des Menschen. Dafür wurden Personen aller Altersklassen auf relevant erachtete geistige Fähigkeiten hin getestet, unter anderem auf die Gedächtnisleistung und die Schnelligkeit bei der Lösung unbekannter Probleme. Es stellte sich heraus, dass jüngere Probanden im Durchschnitt eine bessere Gedächtnisleistung aufwiesen und schneller Probleme lösen konnten als ältere. Die so genannte Adoleszenz-Maximum-Hypothese war geboren.
Nach dieser Hypothese bildet der Mensch in der Jugendzeit seine Fähigkeiten aus, im jungen Erwachsenenalter (ca. Mitte zwanzig) erreichen diese ihren Höhepunkt und fallen dann im Laufe des Lebens wieder ab. Je älter ein Mensch wird, umso mehr verfallen demnach seine in der Jugend angesammelten Fähigkeiten (vgl. Gallenberger; Zieschang 2005: 212). Diese These sagt aus, dass zwischen dem kalendarischen Alter und der Leistungsfähigkeit ein kausaler Zusammenhang besteht. Da für die berufliche Leistungsfähigkeit zumeist das geistige Potenzial von herausragender Bedeutung ist, ergibt sich aus der vorgenannten These, dass mit fortschreitendem Alter eine unumgängliche und natürliche Leistungsminderung eintritt (vgl. Naegele 2004: 353).
Neben diesen frühen psychologischen Studien gab es auch Untersuchungen zur Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit während des Lebenslaufes, die je nach Branche eine unterschiedliche Relevanz für die berufliche Leistungsfähigkeit hat. Es gilt als gesichert, dass Fähigkeiten wie Ausdauer, Kraft, Koordination, Flexibilität und Schnelligkeit mit dem Alter nachlassen können. Allerdings gibt es auch hier für ältere Menschen die Möglichkeit, diese Fähigkeiten zu trainieren und damit Defiziten entgegenzuwirken und sie auszugleichen. Das gilt aber nur für gesunde Menschen, nicht berücksichtigt sind hierbei degenerative Erkrankungen und Behinderungen. Geht man von einer durchschnittlichen Erwerbsbiografie aus, so nimmt die körperliche Leistungskurve zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr ab, allerdings in sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit. Seh- und Hörfähigkeit verschlechtern sich bei den meisten Menschen im Alter, diese Fähigkeiten sind in einigen Berufen (zum Beispiel Fluglotse) sehr relevant. Die Hörfähigkeit zeigt ab dem 40. Lebensjahr bei vielen Menschen deutliche Einbußen, gerade im Bereich des Wahrnehmens höherer Frequenzen. Das Sehen wird ab dem 45. Lebensjahr beeinträchtigt; das Fokussieren auf nahe Gegenstände wird schwieriger, da die Linse im Auge starrer wird.
Betrachtet man die möglichen körperlichen und geistigen Einbußen im Alter, so wird klar, dass das kalendarische Alter eine untergeordnete Rolle spielt. Nicht alle Einbußen können auf einen natürlichen und unumgänglichen Alterungsprozess zurückgeführt werden (vgl. Maintz 2003: 45). Vielmehr kommt es bei der Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit auf die Beeinflussung durch individuelle, motivationale, soziale und tätigkeitsbezogene Faktoren an (Naegele 2004: 27). Damit ist gemeint, dass der persönliche Lebensstil, das Bildungsverhalten und die Arbeitsbedingungen großen Einfluss auf die Entwicklung eines Arbeitnehmers haben. Eine monotone Arbeitstätigkeit, geringe Grundbildung, wenig Weiterbildungsbeteiligung und eine ungesunde Lebensweise beschleunigen die Alterungsprozesse von Körper und Geist.
3.2.2 Kritik an den Vorurteilen und dem Defizitmodell des Alterns
Zu den frühen Intelligenzstudien ist anzumerken, dass die Testparameter in den folgenden Jahrzehnten wesentlich verändert und verfeinert wurden. Die Konstrukte hinter den Parametern waren zunächst zu allgemein gehalten. In den 1950er und 1960er Jahren wurden zwei wesentliche Kategorien für die geistigen Leistungen geschaffen, die so genannte fluide und die kristalline Intelligenz. Die fluide Intelligenz umfasst Fähigkeiten wie das Lösen von Problemen und die Reaktionsgeschwindigkeit, die kristalline Intelligenz umfasst Fähigkeiten wie den Wortschatz und das Erfahrungswissen. Durch diese Differenzierung wurde bei Untersuchungen der kognitiven Leistungen ein Unterschied zwischen jüngeren und älteren Menschen festgestellt: Bei jüngeren Menschen waren die durchschnittlichen fluiden Intelligenzleistungen besser ausgeprägt als bei den älteren. Bei der kristallinen Intelligenz dagegen schnitten die älteren Probanden etwas besser ab als die jüngeren.
Allerdings waren die Leistungsunterschiede innerhalb der Altersgruppen immer noch hoch. Das bedeutet, dass ein älterer Mensch und ein jüngerer durchaus die gleichen Testwerte aufweisen konnten, viele ältere Menschen wiesen sogar höhere Werte als die jüngeren auf. Die frühen Intelligenzstudien hatten noch ein Problem: Sie waren als Querschnittsuntersuchung angelegt. Das bedeutet, dass zu einem Zeitpunkt Teilnehmer verschiedenen Alters untersucht wurden, aber kein Teilnehmer wurde zu unterschiedlichen Zeitpunkten in seinem Lebenslauf getestet. Somit wurden kohortenspezifische Unterschiede wie der Bildungsstand oder andere biografische Besonderheiten nicht berücksichtigt. Hinweise auf weitere die geistige Leistungsfähigkeit beeinflussende Faktoren waren schon damals darin zu sehen, dass es in jeder getesteten Altersgruppe große individuelle Unterschiede gab. Das Defizitmodell gilt mittlerweile in der Wissenschaft als widerlegt. Es gibt keinen signifikanten Verfall der kognitiven Leistungsfähigkeit bei älteren Menschen (vgl. Maintz 2003: 52 und Hofmann; Werding 2002: 76 f.).
Zwischen dem kalendarischen Alter und einer Leistungsminderung älterer Arbeitnehmer besteht kein kausaler Zusammenhang. Das Defizitmodell berücksichtigte auch nicht ansatzweise die Möglichkeit, durch sozial-, betriebs- oder arbeitsmarktpolitische Maßnahmen die Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer fördern zu können. Dies verwundert nicht, da das Modell Leistungsminderungen als naturgegeben und unveränderbar darstellte (vgl. Naegele 2004: 353). Heute gilt in der Erwachsenenbildung und den Nachbardisziplinen ein anderes Modell als etabliert, nämlich das so genannte Kompetenzmodell. Nach Maintz (2003) tritt an die Stelle des Defizitmodells die „(…) Annahme eines differenziellen Alterns, die besagt, dass sich mit dem Alter unterschiedliche Leistungs- und Persönlichkeitsbereiche unterschiedlich stark und in unterschiedliche Richtungen verändern können.“ (Maintz 2003: 50).
Auch das Vorurteil, dass die Beschäftigung älterer Mitarbeiter wegen höherer Lohnkosten und erhöhter Fehlzeiten unökonomisch sei, kann größtenteils widerlegt werden. Richtig ist: Ältere sind dann teurer, wenn sie nur aufgrund ihres Alters nach einer höheren Stufe der Lohngruppe bezahlt werden. Dies gilt aber nur für Betriebe mit einem starren Entgeltsystem, wie früher der öffentliche Dienst. Heutzutage zählen für die Vergütung nicht nur Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit, sondern in besonderem Maße auch die Qualifikation und die Leistung (vgl. Staehle; Conrad; Sydow 1999: 283). Insofern verursachen ältere Mitarbeiter nicht automatisch höhere Personalkosten. Ältere Mitarbeiter erkranken nicht häufiger arbeitsunfähig als jüngere, im Gegenteil. Wenn sie allerdings erkranken, so weisen sie durchschnittlich längere Fehlzeiten auf. Die Beschäftigung älterer Mitarbeiter erweist sich für die Unternehmen in den meisten Fällen als Gewinn. Durch den großen Erfahrungsschatz langjähriger Mitarbeiter können sie Arbeitsabläufe qualitativ besser und in kürzerer Zeit bewältigen. Wo jüngere Arbeitnehmer probieren müssen und mehr Fehler machen, können ältere aufgrund ihrer Erfahrung häufig schneller und qualitativ hochwertig arbeiten. Viele Betriebe unternehmen bereits jetzt Anstrengungen, um die reichhaltigen Erfahrungen ihrer älteren Belegschaft für die jüngeren Kollegen nutzbar zu machen, zum Beispiel mit betrieblichen Mentoring-Systemen. In solchen Systemen beraten die erfahrenen älteren Mitarbeiter die jüngeren Kollegen und geben so ihr Wissen weiter. So kann ein „Know-how“-Verlust vermieden werden.
Ältere Mitarbeiter zu beschäftigen hat noch einen weiteren Vorteil, der im Defizitmodell keine Beachtung findet. Denn nicht nur die Belegschaften altern zusehends, sondern auch die Kundschaft. Ältere Mitarbeiter wissen am besten, wie alternsgerechte Produkte beschaffen sein müssen, welche Beratung ein älterer Kunde braucht.
Nachdem nun das Defizitmodell des Alterns und gängige Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmern dargestellt und kritisiert wurden, soll nun der Blick stärker auf die vorhandenen Kompetenzen und Potenziale älterer Arbeitnehmer gelenkt werden.
3.3 Das Kompetenzmodell des Alterns: Potenziale statt Defizite
Das Kompetenzmodell bestätigt einen bewährten pädagogischen Grundsatz: Zur Förderung einer Person sollte man nicht deren Defizite, sondern die gut ausgebildeten Kompetenzen in den Vordergrund stellen und darauf aufbauend die weitere Kompetenzentwicklung voranbringen. So können die Motivation und Veränderungsbereitschaft erhalten werden. Nachfolgend sollen einige Kompetenzen dargelegt werden, die älteren Arbeitnehmern im Besonderen zugeschrieben werden. Lehr (1998) stellt fest, dass ältere Arbeitnehmer komplexe Sachverhalte und deren Zusammenspiel in größeren Gesamtkonzepten weitaus besser als jüngere Kollegen erfassen können. Dadurch können sie weitreichender in die Zukunft planen (vgl. Lehr 1998: 79). Bedingt durch eine langjährige Erwerbstätigkeit (vielfach in demselben Beruf) hat sich bei den meisten älteren Arbeitnehmern ein gut entwickeltes Erfahrungswissen gebildet. Dadurch sind sie Experten auf ihrem Gebiet, was für die älteren Arbeitskräfte wie auch deren Arbeitgeber einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil darstellt (vgl. Schemme 2005: 168). Naegele (2004) nennt als weitere Qualitäten die hohe Zuverlässigkeit, Sorgfalt und Gründlichkeit bei der Erledigung von Arbeitsaufgaben. Vielfach zeigen ältere Arbeitnehmer auch ein erhöhtes Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein, als auch positive Eigenschaften wie Gewissenhaftigkeit und Besonnenheit (vgl. Naegele 2004: 26). Durch diese Eigenschaften arbeiten viele ältere Arbeitnehmer ökonomischer und erreichen also mit geringerem Aufwand ihre Arbeitsziele. Tatsächlich scheinen auch einige Personalverantwortliche zu erkennen, welches Potenzial in ihren älteren Arbeitnehmern steckt bzw. welche Fähigkeiten sie bereits ihr Eigen nennen. In Betriebsbefragungen werden Erfahrung, Reife, Motivation, Stabilität und Zuverlässigkeit als positive Eigenschaften genannt (vgl. Baigger 2005: 43 f.). Allerdings arbeiten derartig beurteilte Arbeitnehmer laut Baigger meist in Tätigkeiten mit höherem Qualifikationsniveau, die Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein erfordern. Hier hat bereits eine Selektion stattgefunden. Die niedrig qualifizierten Arbeitnehmer befinden sich meist schon in Frührente, wahrscheinlich als Folge von belastenden Arbeitstätigkeiten und betrieblichen Verdrängungsprozessen.
3.4 Die Situation älterer Arbeitnehmer in den Betrieben
Hier sollen einige Risiken in Bezug auf die Kompetenzentwicklung dargestellt werden, denen ältere Beschäftigte in ihrem betrieblichen Arbeitsleben ausgesetzt sein können. Im Unterschied zu heutigen Schulabgängern verfügen die meisten älteren Arbeitnehmer über ein relativ geringes Ausgangsqualifikationsniveau. Ein wesentlicher Indikator dafür ist die Verteilung der Schulabschlüsse. In der Gruppe der heute 50 bis 59-Jährigen haben fast 50 Prozent die Schule mit dem Hauptschulabschluss verlassen, bei den 60 bis 65-Jährigen sind es sogar 58 Prozent. Zum Vergleich: Die heute 30 bis 39-Jährigen weisen ein wesentlich höheres Ausgangsqualifikationsniveau auf, von ihnen besitzen fast 51 Prozent mindestens den Realschulabschluss. Bei der Verteilung der Hochschulabschlüsse wird die Situation noch deutlicher. Hier besitzen 28 Prozent der Jüngeren einen Hochschulabschluss, dagegen lediglich neun Prozent der Älteren (vgl. DESTATIS 2005: 128). Angesichts der föderalen Struktur des deutschen Schulwesens kann der Schulabschluss nicht als alleiniger Indikator für das Qualifikationsniveau gesehen werden, dennoch ergeben sich meist qualitative Unterschiede zwischen Älteren und Jüngeren. Die den Jüngeren vermittelten Inhalte sind nicht nur aktueller, sie sind meist auch weitreichender. Von daher ergibt sich für Ältere ein deutlicher Nachteil in der Ausgangssituation gegenüber Jüngeren, besonders wenn aktuelle Qualifikationen verlangt werden (vgl. Barkholdt; Frerichs; Naegele 1995: 427).
Bedenkt man zudem, dass viele Ältere aufgrund ihres niedrigen Schulabschlusses ihr Arbeitsleben mit relativ anforderungsarmen und wenig abwechslungsreichen Tätigkeiten zugebracht haben, ergibt sich ein weiteres Risikopotenzial. Durch jahrzehntelanges Ausüben von gleichartigen Tätigkeiten und Verfahrensabläufen verkümmern Qualifikationen und Kompetenzen vielfach, weil diese nicht mehr genutzt werden. Es setzt der so genannte „Disuse-Effekt“ (engl. Nichtgebrauchs-Effekt) ein, der die Dequalifikation der älteren Arbeitnehmer beschleunigt. Durch die berufliche Unterforderung vertrauen diese selbst nicht mehr ihren Fähigkeiten und verharren in der anforderungsarmen Tätigkeit. Ein Wechsel auf eine berufliche Position mit herausfordernden Aufgaben wird so unwahrscheinlich, da sich diese älteren Arbeitnehmer gehemmt fühlen. Auch die Inhalte und Qualifikationen der Berufsausbildung, sofern eine absolviert wurde, liegen bei älteren Arbeitnehmern meist schon weit in der Vergangenheit. Viele ältere Beschäftigte sind der Gefahr ausgesetzt, dass ihre einmal erworbenen Qualifikationen veralten. Die Wissenschaft spricht hier von sog. Vintage-Faktoren (engl. veralten). In den Unternehmen findet vielfach keine Weiterbildung statt, die ein kontinuierliches Lernen (im Sinne von Lebenslangem Lernen) ermöglicht, also eine beständige Weiterentwicklung und Aktualisierung vorhandener Kompetenzen. Stattdessen werden viele ältere Arbeitnehmer bei der Einführung beispielsweise einer neuen Technologie vor die Wahl gestellt, sich diese entweder rasch anzueignen oder einen so genannten Schonarbeitsplatz zu bekleiden. Diese Schonarbeitsplätze zeichnen sich meist durch ein noch niedrigeres Anforderungsniveau aus. Eine derartige Behandlung senkt die Lernmotivation und Selbstwirksamkeitserwartung (wird im Verlauf noch erläutert) älterer Beschäftigter noch weiter. Viele sind nach jahrelanger Weiterbildungsabstinenz auch nicht mehr in der Lage, sofort wieder an das alte Lerntempo anzuknüpfen bzw. stehen den Inhalten ablehnend gegenüber, da diese nicht selbstgewählt, sondern aufgezwungen sind.
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