Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Integration von Frauen in die Bundeswehr
3 Effekte der Integration
4 Bundeswehr, Gender und Systemtheorie
4.1 Die Bundeswehr und ihre Soldaten in der Gesellschaft
4.1.1 Einfuhrung
4.1.2 Die Bundeswehr als Organisationssystem des Politiksystems
4.1.3 Entscheidungskommunikation in der Bundeswehr
4.1.4 StrukturelleKopplung
4.1.5 Rollen, Motivation und Selbstbeobachtung
4.2 Gender in der Systemtheorie - ein allgemeiner Uberblick
4.3 Frauen und Bundeswehr - eine Irritation des Systems?
4.3.1 GenerelleAspekte
4.3.2 Differente Kommunikationsmuster als Irritationsgrund
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Neues bei der Bundeswehr.
Abbildung 2: Soldatinnen in der Bundeswehr 1975-2006.
Abbildung 3: Anzahl weiblicher Soldaten nach Dienstgradgruppen und Teilstreitkraften.
Abbildung 4: Entscheidungskommunikation.
1 Einleitung
,,Die Erfahrungen aus der Truppe belegen eine problemlose Aufnahme und Akzeptanz der Frauen."[1]
Die Bundeswehr hat im Januar 2001 alle Verwendungsbereiche fur Frauen geoffnet. Dabei sind die Differenzen zwischen Frauen und Mannern in vielen Menschen verankert: seien es die korperlichen Voraussetzungen oder das unterschiedliche Kommunikationsverhalten. Manner gelten allgemein als sehr sachlich, rationell und direkt, Frauen dagegen eher als phantasievoll, Gefuhls betonend und intuitiv. Wie passen diese Gegensatze in einer Armee, welche uber Jahrzehnte hinweg ausschließlich fur Manner offen war, zusammen? Zunachst klingt dieser Gegensatz als großes Problem fur den Dienstalltag, wo doch generellen Meinungen Glauben schenkend Frauen und Manner so verschieden sind und Waffen uberhaupt nicht zu Frauen passen. Die Betrachtungsweise in dieser Arbeit wird aber klaren, inwiefern dieser Differenzglauben Gultigkeit hat.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Neues bei der Bundeswehr.[2] (Aus urheberrechtlichen Grunden entfernt.)
Der Dienst an der Waffe ist ausnahmslos fur Soldatinnen und Soldaten[3] in allen Bereichen der Streitkrafte moglich. Doch wie kam diese Integration zustande und welche Effekte hat dies auf die Bundeswehr? Ist die Akzeptanz und Aufnahme des weiblichen Geschlechts in das ,,Organisationssystem Bundeswehr" wirklich so problemlos, wie das oben aufgefuhrte Zitat dies offeriert? Kann die Bundeswehr uberhaupt mit weiblichen Kameraden operieren Oder wird das System dadurch zu stark irritiert? Dies sind Fragestellungen, welche die nachstehende Arbeit aus dem Betrachtungspunkt der Systemtheorie analysiert. Sie soil klaren, inwieweit das ,,Organisationssystem Bundeswehr“ die Fahigkeit besitzt, das weibliche Geschlecht effektiv und zielfuhrend in ihre Reihen zu integrieren.
Dazu wird im zweiten Abschnitt zunachst die Integration von Frauen in die Bundeswehr beschrieben, um die Aspekte in den Gesamtkontext einordnen zu konnen. Anhand dieser Ausfuhrungen werden daran anschließend im dritten Abschnitt einige Folgen dieses Prozesses kurz anhand einer reprasentativen Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr ausgefuhrt, um die grundlegenden Probleme zu analysieren und eine Basis der Betrachtung herzustellen.
Der vierte Abschnitt wird darauf folgend systematisch zunachst die Bundeswehr und ihre Soldaten in einen systemtheoretischen Kontext stellen und die Genderproblematik aus entsprechender Sicht betrachten. Die Verknupfung dieser beiden Kapitel wird dann im anschließenden Kapitel stattfinden, in dem aufgezeigt wird, ob die Integration das System Bundeswehr irritiert, wie Kommunikation der beiden Geschlechter stattfindet und welche Schlussfolgerungen und „Nebenwirkungen“ daraus entstehen konnen. Dabei kann die Arbeit keinen Anspruch auf Vollstandigkeit erheben, da die Ausfuhrungen Luhmanns zur Systemtheorie um ein vielfaches facettenreicher sind, als es diese Arbeit in ihrem Themenschwerpunkt abdecken kann.
2 Die Integration von Frauen in die Bundeswehr
„Die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Mannern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschaftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen steht der Anwendung nationaler Bestimmungen entgegen, die wie die des deutschen Rechts Frauen allgemein vom Dienst mit der Waffe ausschlieBen und ihnen nur den Zugang zum Sanitats- und Militarmusikdienst erlauben.‘[4]
Das aufgefuhrte Zitat ist ein Auszug aus dem Urteil des Europaischen Gerichtshofes im Fall Tanja Kreil versus Bundesrepublik Deutschland vom Januar2000. Es impliziert die vollstandige Offnung der Streitkrafte fur das andere, vermeintlich schwachere Geschlecht unserer Gesellschaft. Kreil, die sich 1996 fur eine Laufbahn bei der Waffeninstandsetzung beworben hatte und abgelehnt wurde, klagte gegen den Ausschluss der Frauen fur den Dienst außerhalb der Sanitats- und Militarmusikkrafte. Dort namlich war es auch den Frauen erlaubt ihren Dienst zu versehen. Im Urteil bekam sie vom Gerichtshof Recht zugesprochen, dass das Grundgesetz der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Mannern und Frauen im Arbeitsleben widerspricht.[5] Deutschland stellt in dieser Reform eher einen Nachzugler im Vergleich anderer verbundeter Staaten dar, die bereits fruher den Zugang fur Frauen ermoglicht haben. In den USA sind beispielsweise bereits seit den 70iger Jahren Frauen partizipierend.[6]
Im Dezember 2000 stimmten Bundestag und -rat jeweils mit der erforderlichen Zwei- Drittel-Mehrheit der Anderung des Grundgesetz-Artikels 12a zu, sodass nun Frauen ihren Dienst an der Waffe leisten durfen, dazu aber nicht verpflichtet werden. Ab Januar 2001 trug das Bundesministerium der Verteidigung (im folgenden BMVg genannt) dem Urteil Rechnung und offnete samtlich Verwendungsbereiche ohne Ausnahme fur Frauen. Seit dem hat sich der Frauenanteil in der Bundeswehr stetig erhoht und steht nun im Vergleich anderer NATO-Staaten etwa im Durchschnitt. Der gegenwartige Anteil betragt etwa sieben Prozent bei allen Zeit- und Berufssoldaten. Den Anstieg und die Verteilung der weiblichen Kameraden veranschaulichen die nachstehenden Grafiken:
Die Abbildung 2 legt den deutlichen Anstieg an weiblichen Soldaten besonders seit dem Jahr 2001 dar. Mit der Offnung der Streitkrafte fur Frauen hat sich die Anzahl sprunghaft von 4554 im Jahr 2000 auf 12250 Soldaten bis zum Jahr 2006 erhoht, was einem prozentualen Anstieg von 269% entspricht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Soldatinnen in der Bundeswehr 1975-2006[7]
Die folgende Grafik veranschaulicht nun die Aufteilung in die entsprechenden Dienstgradgruppen und Teilstreitkrafte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Anzahl weiblicher Soldaten nach Dienstgradgruppen und Teilstreitkraften. [8]
Hier ist festzustellen, dass der GroBteil an Frauen Laufbahnen aller Teilstreitkrafte mit anschlieBenden Vorgesetztenfunktionen anstrebt oder bereits ausubt. Somit sind prozentual hohere Aufkommen von Frauen in Fuhrungspositionen bei Unteroffizieren und Offizieren, als bei der Laufbahn der Mannschaften. Wenn Frauen in die Bundeswehr eintreten, wollen sie folglich eher Fuhrungsaufgaben wahrnehmen. Welche Folgen dies auf das Meinungsbild der Manner und das Verhalten der Frauen hat, wird im dritten Abschnitt grob skizziert.
Die Umstrukturierung des Militardienstes in dieser Hinsicht stellt eine groBe Herausforderung dar. Seien es weibliche Gegebenheiten hinsichtlich ihrer korperlichen Differenzen und kognitiven Fahigkeiten im Lernprozess, die Mannerbastion der Streitkrafte oder generelle Probleme mannlicher Kameraden mit Frauen. Diese und weitere Unterschiede bestimmen das Bild der Organisation Streitkrafte mit und mussen peu a peu integriert werden.[9]
3 Effekte der Integration
Die Meinungen von Mannern zu weiblichen Kameraden sind in Untersuchungen nicht einheitlich und teilweise sehr ambivalent. Gegenstande wie Vertrauen, die Frau als Vorgesetzte und korperliche Robustheit werden sehr unterschiedlich bewertet. Demnach ist keineswegs von einer problemlosen Akzeptanz von Frauen in den Streitkraften zu sprechen, sondern eher von Stabilisierungstendenzen. Vielmehr ist eine weitere Verbesserung des Integrationsklimas essenziell, um die Gender- problematik in den Streitkraften zu losen. Entgegen der mannlichen Meinung sind die Frauen durchaus leistungsmotiviert und integrationsbreit. Anlehnend an die dominante Organisationskultur der Manner passen sie sich dabei in ihrem Verhalten eher an und ubernehmen dabei Sicht- un]d Verhaltensweisen ihrer mannlichen Kameraden.[10] Meuser (1998) fasst das Ergebnis m. E. treffend zusammen: ,,Das Geschlechterverhaltnis scheint wie keine andere Organisationsform sozialer Beziehungen resistent zu sein gegen eine allgegenwartige Individualisierung."[11] In den Arbeitspapieren und Veroffentlichungen von verteidigungspolitisch Verantwortlichen ist die Genderthematik der Bundeswehr eher als Verschleierung reeller Tatsachen zu sehen, da diese Schriften nur marginale Nachteile in der Frauenpartizipation (Freundlichkeit statt militarischer Umgangston, Gefuhle statt Rationalitat) enthalten, anstatt auf wirkliche Probleme (sexuelle Belastigung, Mobbing, Vorgesetztenverhalten realer Situationen etc.) hinzuweisen. Diese Ergebnisse finden sich lediglich alle funf Jahre in einer Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Instituts wieder; die Resonanz in Weisungen und Vorschriften fallt eher mager aus.
[...]
[1] Vgl. Kummel, 2008, S.7.
[2] Vgl. Tomicek, 2000, online.
[3] Der besseren Lesbarkeit halber wird fur mannliche und weibliche Ausfuhrungen, insofern sie nicht entsprechend anders gekennzeichnet sind, nur die mannliche Form verwendet.
[4] Vgl. Bender, 2005, S.46.
[5] Vgl. Zentrum Innere Fuhrung, 2000, Anlage 2 S.1.
[6] Vgl. Jennerjahn, 1999, online.
[7] Vgl. Kummel, 2008, S.12.
[8] Vgl. Kummel, 2008, S.14.
[9] Vgl. Kummel, 2008, S.11.
[10] Vgl. Kummel, 2008, S.105.
[11] Meuser, 1998, S.303.