Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Grundlagen der Waldorfpädagogik.
2.1. Zur Person Rudolf Steiner
2.2. Die Anthroposophie
2.3. Die Dreiheit des Menschen
2.4. Die vier Wesensglieder
2.5. Die Jahrsiebte
3. Der Waldorfkindergarten
3.1. Die Erziehung im Waldorfkindergarten
3.2. Die Raumgestaltung, Kleidung und Ernährung
4. Schlussfolgerungen
5. Literaturverzeichnis
6. Internetquellen
1. Einleitung
In der gegenwärtigen Zeit ist in Deutschland der Besuch eines Kindergartens zu einem selbstverständlichen Ereignis geworden und für die Kinder bedeutet dies der Beginn eines neuen Lebensabschnitts, in dem sie viel Neues lernen, neue Erfahrungen sammeln und den Umgang mit Gleichaltrigen lernen. In dieser Zeit erwerben die Kinder viele Kompetenzen. Die Eltern akzeptieren neben ihrer eigenen privaten Erziehung auch eine öffentliche durch verschiedene Einrichtungen, wie zum Beispiel Krippen, Kindergärten oder Tagesmüttern.
Heutzutage ist die Welt schnelllebig, modernisiert und die technischen Fortschritte wachsen von Tag zu Tag. So erhalten auch neue Medien und Techniken Einzug in die Kinderzimmer und Kindergärten und gewinnen immer mehr an Bedeutung. In früheren Zeiten verbrachten Kinder ihre Zeit zum Spielen im Freien und nutzten Naturalien wie Blätter, Holz, Matsch, Sand, Steine oder Zweige. Insbesondere Aktivitäten wie toben, bauen, laufen, herumbalgen, sich verstecken, hüpfen, klettern, fallen und balancieren standen auf dem Tagesplan. In der heutigen Zeit sind die Video- oder Computerspiele im Vormarsch oder das Fernsehen wird zur Tageshauptbeschäftigung. Dies könnte unter anderem ein Grund sein, warum immer mehr Eltern vermehrt nach alternativen Einrichtungen für ihr Kind suchen und die Nachfrage nach Waldorfkindergärten steigt.
Vor meinem Studium hatte ich keine genaueren Vorstellungen von Kindergärten und Schulen, an denen nach der Waldorfpädagogik erzogen, unterrichtet und ausgebildet wird. Auch während des Studiums wurde dieser Themenkomplex immer nur angerissen, aber nicht intensiver drauf eingegangen. Vorurteile wie „Dort lernt man doch nichts!“ oder „Die Kinder dürfen den ganzen Tag machen was sie wollen!“ waren in meinem Umfeld verbreitet und hörte man immer wieder, wenn ein Gespräch auf die Waldorfpädagogik zustande kam. Der Erfolg dieser Einrichtungen und die lange Lebensdauer widersprechen allerdings diesen voreingenommenen Denkweisen. Um mehr über die Waldorfpädagogik zu erfahren und gegebenenfalls endlich die Vorurteile entkräften zu können, habe ich mich entschieden, eine Hausarbeit zu diesem Thema im Rahmen des Seminars „Curricula in der Elementarpädagogik“ zu schreiben.
Das Ziel meiner Hausarbeit ist es, einen Überblick zu der Thematik Waldorfpädagogik darzustellen. Allerdings erhebt die Arbeit keinen Anspruch auf eine vollständige Ausarbeitung zu diesem Inhalt, da allein die anthroposophische Lehre sehr komplex und vielschichtig ist und ich weiterhin nicht auf die Waldorfschulen und die dortigen Entwicklungen des Kindes eingehen werde. Eine Darstellung der Waldorfpädagogik an Schulen bedarf einer eigenständigen Hausarbeit und würde den Umfang meiner Ausarbeitungen mehr als sprengen.
Die Ausführungen zu dieser Thematik beginnen zunächst mit den Grundlagen der Waldorfpädagogik. Dabei werde ich auf die Biographie Rudolf Steiners eingehen und weiterhin die anthroposophischen Grundlagen vorstellen. Des Weiteren werde ich die Dreiheit des Menschen, die vier Wesensglieder und die Jahrsiebte darstellen. In dem nächsten Kapitel setze ich mich mit dem Waldorfkindergarten auseinander. Dabei werde ich die Erziehung in den Kindergärten erläutern. Abschließend befasse ich mich mit der Raumgestaltung, der Kleidung und der Ernährung in dieser Einrichtung.
Susanne Lippert, Ludger Kowal-Summek und Xenia Kucirek sind Autoren, auf die ich mich insbesondere für meine Erarbeitungen beziehe.
2. Die Grundlagen der Waldorfpädagogik
Rudolf Steiner ist der Begründer der Waldorfpädagogik, einer reformpädagogischen Strömung. Grundlage dieser Strömung ist die anthroposophische Weltanschauung, welche ebenfalls von Steiner entwickelt wurde. Im Folgenden werde ich auf die Person Steiners und auf die grundlegenden Elemente der Waldorfpädagogik eingehen.
2.1. Zur Person Rudolf Steiner
Rudolf Steiner gilt als Begründer der Anthroposophie und des anthroposophischen Erziehungskonzeptes, der Waldorfpädagogik.
Steiner wurde am 25. oder 27. Februar 1861 in Kraljevec, im heutigen Kroatien, als Sohn eines Eisenbahnbeamten, geboren. Er entstammte aus einfachen Verhältnissen, sein Umfeld war von Technik geprägt und er war naturverbunden. Im Alter von acht Jahren soll Steiner seine erste übernatürliche, okkultistische Erfahrung gemacht haben, die einen entscheidenden Wendepunkt in seinem Leben darstellt und seitdem war er sich, so heißt es, der geistigen Welt bewusst (vgl. Lippert 2001, S. 11f). Weiterhin zeigte der junge Steiner großes Interesse an der Geometrie. Er besuchte bis 1872 die Dorfschule und anschließend in der Wiener Neustadt die Realschule, welche ein naturwissenschaftliches Gymnasium war. Nach dem Abitur 1879, das er mit Auszeichnung bestand, nahm er an der Technischen Hochschule in Wien sein Studium auf und belegte Fächer wie zum Beispiel Mathematik, Naturwissenschaften, unter anderem Chemie, Psychologie, Philosophie und Medizin. Zusätzlich befasste er sich mit Naturbetrachtungen, Experimenten und den naturwissenschaftlichen Schriften Goethes (vgl. ebd., S. 13-16).
Im Verlauf seines Studiums war Steiner als Hauslehrer bzw. Erzieher tätig und nahm sich einem zehnjährigen Jungen an, der an Hydrocephalie, einem Wasserkopf, litt und als nicht beschulbar galt, da er zur Zeit Steiners Einstellung kaum schreiben, lesen und rechnen sowie nur sehr langsam und gemächlich denken konnte. Steiner übernahm die alleinige Erziehung des Jungen und baute eine Beziehung zu ihm auf. Durch eine strikte Einteilung des Tagesablaufes und nach zwei Jahren Unterricht, konnte der Junge in seine altersgerechte Klasse eingeschult werden, das Abitur ablegen und später wurde er Arzt (vgl. Lippert 2001, S. 17f). In diesem Zeitraum sammelte Rudolf Steiner seine ersten pädagogischen Erfahrungen, die in der späteren entstandenen Waldorfpädagogik eine Rolle spielen.
Im Jahre 1890 zog Steiner nach Weimar. Er veröffentlichte Goethes naturwissenschaftliche Werke. Ein Jahr später promovierte er an der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock zum Doktor der Philosophie und war lange Zeit als Herausgeber tätig (vgl. ebd. S. 19-22). Im Jahre 1987 siedelte er nach Berlin über und 1902 wurde Generalsekretär der deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft. Elf Jahre später, 1913, kam es zu einer Krise innerhalb der Theosophischen Gesellschaft, zum Ausschluss der Sektion und zur Trennung der Mitglieder. Ein Großteil dieser Mitglieder gründete die Anthroposophische Gesellschaft. Noch im selben Jahr entstand nahe Dornach das erste so genannte Goetheanum, eine Tagungsstätte für die Anthroposophische Gesellschaft. 1922 wurde in der Silvesternacht dieses Goetheanum durch Brandstiftung zerstört. Fortan bereitete Steiner den Bau eines zweiten Goetheanums vor, den Bau erlebte er nicht mehr. Rudolf Steiner verstarb am 30. März 1925 nach anhaltender Krankheit in Dornach (vgl. Lippert 2001, S. 22-33).
Rudolf Steiner beschäftigte sich mit vielen unterschiedlichen Lebensbereichen und beeinflusste so unter anderem die Medizin, Kunst, Naturwissenschaften und die Pädagogik. Auf letztes werde ich im weiteren Verlauf dieser Arbeit insbesondere genauer eingehen.
2.2. Die Anthroposophie
Es gibt zahlreiche verschiedene Definitionen und Erklärungen, was unter dem Begriff Anthroposophie zu verstehen ist.
Der Begriff ist griechischen Ursprungs. Anthropos bedeut der Mensch und Sophia heißt übersetzt das Wissen oder die Weisheit. Demnach bedeutet Anthroposophie: Das Wissen vom Mensch (vgl. Lippert 2001; S. 39).
Die Definitionen haben gemeinsam, dass die Anthroposophie einen Erkenntnisweg verkörpert und nicht eine in sich geschlossene Weltanschauungslehre, kein Theorienbündel ist. Die Anthroposophie soll ein Weg sein,
der es grundsätzlich jedem Mensch ermöglichen soll, durch Studium, Schulung, Mediation und andere Übungen Kenntnisse zu erlangen von der tatsächlich existierenden geistigen Welt und damit die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln. […] Die Anthroposophie versteht sich als Wissen vom Menschen für Menschen. Dabei geht sie […] vom Menschen selbst aus. […] Entscheidend ist für Anthroposophen, dass der Mensch seine Existenz nicht durch die eine oder andere Weltanschauung oder Religion zubegreifen sucht, sondern durch Wissen gewinnt. Ein solches Wissen kann nach Steiner nur durch den besonderen anthroposophischen Erkenntnisweg erlangt werden. Dieser Erkenntnisweg ist letztlich das, was die Anthroposophie ihrem Wesen nach sein will. (Lippert 2001, S. 40; Auslassungen: J.H.).
Diese gut verständliche Definition fasst alle wesentlichen Punkte zusammen, was mit Anthroposophie gemeint ist. Sie will letztendlich nicht bestimmen, welche Fragen gelöst werden müssen und wie dies zu tun ist und es ist auch keine abstrakte Theorie, sondern etwas, was in jedem Menschen vorhanden ist.
Weiterhin möchte ich die Anthroposophie ein Verbindungsstück zwischen der geistigen Ebene des Menschen und der geistigen Ebene der Welt sein. Es herrschen geistige Gesetzmäßigkeiten und diese sollen in das tägliche Leben integriert werden. Dies ist ein künstlerischer Prozess und Steiner nannte diesen Vorgang die Erziehungs- oder Heilkunst (vgl. www.waldorfkindergarten.org).
Des Weiteren vertritt Rudolf Steiner die Lehre von der Reinkarnation und dem Karma. Der Mensch gehört, so lange er auf der Erde lebt, der physischen, geistigen und seelischen Welt an. Dabei wird der Leib mit dem Geist von der Seele verbunden. Diese leitet Ereignisse und Erfahrungen aus der Vergangenheit an den Geist weiter. Dieser wiederum wandelt die Geschehnisse um. Jeder Mensch hat seinen eigenen individuellen Geist und dieser hat für den jeweiligen Menschen eine charakteristische Gestalt. Dadurch hat jeder seine eigene Biographie. Steiner geht davon aus, dass jeder Mensch mit seelischen Anlange geboren wird und somit schon vor der Geburt als eine Art geistiger Mensch dagewesen sein muss. Es ist als das Schicksal (Karma) eines jeden Menschen, dass die vorangegangenen seelischen Anlagen das jeweilige gegenwärtige Leben bestimmen, denn die Seele unterliegt dem Karma (vgl. Kucirek 1994, S. 37f).
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