Training zur interkulturellen Kommunikation

Jochen Rehbeins `cultural apparatus`


Studienarbeit, 2008

25 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. „The cultural apparatus“ (Jochen Rehbein)

3. `Cultural apparatus` in der Praxis

4. Denkstrukturen und Vorstellungsformen im Konflikt

5. `Cultural apparatus` als inneres Regelsystem

6. Mentale Prozesse (Technai)

7. Cultural apparatus als Schritt zu einer transkulturellen Kommunikation?

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„[…] überall ist Konstruktion eines endlichen Bestimmten aus dem unendlichen Unbestimmten. Die Sprache ist ein Unendliches, weil jedes Element auf eine besondere Weise bestimmbar ist durch die übrigen. Ebenso aber auch die psychologische Seite. Denn jede Anschauung eines Individuellen ist unendlich. Und die Einwirkungen auf den Menschen von außen sind auch ein bis ins unendlich Ferne allmählich Abnehmendes. Eine solche Konstruktion kann nicht durch Regeln gegeben werden […].[1]

In einer Welt wie heute, deren innergesellschaftliche Kommunikationsform auf Grund weltweiter Migration von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig geworden ist, in der es inzwischen unverzichtbar ist, nicht nur vom eigenen Kenntnisstand auszugehen, sondern mindestens genauso umfassend die Hintergründe anderer Kulturen zu erkennen und zu respektieren, sollte eine Sensibilität für `ein Dahinter` gewonnen werden: Eine Sensibilität, die sich nicht nur an Fakten orientiert, sondern mit der man sich in seine Mitmenschen einfühlen kann, mit denen man seinen Alltag teilt und die genauso wie man selbst bestimmte Beweggründe für ihr jeweiliges Handeln haben, auch wenn diese nicht immer den eigenen entsprechen.

Eine wichtige Voraussetzung, um fremde Handlungsweisen nachvollziehen zu können, ist das Interesse an anderen Kulturen sowie die Bereitschaft, diese kennen lernen zu wollen.

Indessen beginnt der Mensch meist zunächst mit Vorbehalten und Vergleichen. Er kann sein Gegenüber schlecht in dessen Eigenheit bestehen lassen, sondern er setzt sich selbst zum Anderen in Beziehung, dadurch wird er sich als eigenständige Person bewusst und kann sich in einer modernen und komplexen Welt besser orientieren. Der Mensch zieht seine Schlüsse meist aufgrund eigener Erfahrungen, und auf dieser Grundlage folgert er aus Gesprochenem oder Gesehenem. Dabei bedient er sich oft stereotyper Muster oder Vorurteile und wird seinem fremden Gegenüber in einer Kommunikation nicht gerecht, weil sich der Fremde nicht einfach in vorgefertigte Muster stecken lässt. Daraus resultieren Probleme, die Begegnungen mit anderen Mitmenschen erschweren können und im besonderen Maße bei interkulturellen Begegnungen zu Missverständnissen führen können. Deshalb ist es notwendig, den Dialog zu einem friedlichen Miteinander zu finden.

Alle kulturellen Entwicklungen haben ihre eigene Berechtigung. Diese Berechtigung sollte keiner in Frage stellen oder gar für ungültig erklären, sondern im Gegenteil, wir sollten uns heute, da sich viele ursprünglich separate Kulturgruppen zu einer großen Mischkultur verflochten haben, in der wir weder auf einzelne Ortschaften noch auf eine eigene Sprache beschränkt sind, daran gewöhnen, dass wir inzwischen alle zu einer übergeordneten globalen Weltkultur gehören. Trotz allem Plädoyer für eine solche Transkultur, lässt sich nicht leugnen, dass diese Weltkultur aus unterschiedlichen Kulturgruppen besteht und bestehen wird.

Das Entscheidende zur Verwirklichung dieser gemeinsamen Weltkultur ist das Bewusstsein, dass diese Unterschiede dazu beitragen, ein- und dieselbe Information auf unterschiedliche Weisen zu verarbeiten, und dass man diese Unterschiede innerhalb des gemeinsamen Rahmens bestehen lassen und akzeptieren sollte.

In dieser Arbeit wird versucht, zu einer `Mischgesellschaftsmoderne` beizutragen, indem angeregt wird, Sprachbarrieren zu überwinden und festgefahrene Vorstellungsmuster möglichst aufzulösen. Anhand von der folgenden Reflexion zu Jochen Rehbeins Überlegungen für eine geschulte interkulturelle Kompetenz soll gezeigt werden, dass Offenheit, Einfühlungsvermögen und Respekt gegenüber Anderen unerlässliche Voraussetzungen sind, um eine faire Kommunikation möglich zu machen.

2. „The cultural apparatus“ (Jochen Rehbein)

Rehbein versucht in seinem Konzept `cultural apparatus`, das man auch einen `kulturellen Mechanismus` nennen könnte, herauszufinden, was sich hinter kulturellen Missverständnissen verbirgt. Damit bietet er gleichzeitig eine mögliche Alternative für interkulturelle Kommunikation an. Rehbein geht davon aus, dass interkulturelle Kommunikation nicht allein durch Missverständnisse konstituiert wird, sondern dass manche Missverständnisse durch interkulturelle Kommunikationen erst hervorgerufen werden. Deshalb versucht er, den Hintergründen und der Entstehung von Missverständnissen auf den Grund zu gehen. Erst wenn diese klar sind, könnte der Weg zu einer wirklichen Interaktion verschiedener Handlungspartner begehbar werden. Das Problem sieht Rehbein darin, dass auf Grund unterschiedlicher mentaler Prozesse der Handelnden mit unterschiedlichen Zielvorstellungen Missverständnisse entstehen, die zu Konflikten und im schlimmsten Fall sogar zum Zusammenbruch des gesamten erwünschten Handlungssystems führen können. Im Grunde entstehen diese Missverständnisse, weil jeder Handlungspartner bestimmte Standardvorstellungen mitbringt, die durch sein jeweiliges Umfeld geprägt worden sind. Diese Vorstellungen bezeichnet Rehbein als Vorannahmen, die jeweils unreflektiert vorausgesetzt werden, weil man sie jeden Tag lebt und sie deshalb für selbstverständlich hält. Solche Vorannahmen führen aber dazu, dass interkulturelle Kommunikation wie ein `cultural filter` gehandhabt wird.[2]

Die Bezeichnung ` Cultural filter ` (Kultureller Filter) steht dafür, dass man Handlungsweisen, Worte oder auch Texte aus einer anderen Kultur in die eigene Kultur übernimmt, diese aber nicht in ihrem ursprünglichen Verständnis betrachtet, sondern dahingehend verändert, dass man sie im eigenen Kulturverständnis gebraucht.[3] Innerhalb interkultureller Begegnungen werden die Handlungsweisen des Anderen durch die eigenen Normvorstellungen `gefiltert`. Man nimmt den Anderen aus seinem eigenen Wissenshorizont heraus wahr. Vorurteile beruhen auf ungefragten und unreflektierten Vorannahmen (presuppositions), die innerhalb einer kulturellen Handlung zur Geltung kommen. Eine scheinbare Bestätigung dieser Vorurteile führt bei Wiederholung zur Verfestigung der Vorannahmen. Man deutet die Reaktionen des Gegenübers im Sinne eigener Erwartungen und sieht diese deshalb oft bestätigt. Jeder hat Normalitätsannahmen, die nicht in Frage gestellt werden, weil man mit ihnen im eigenen Umfeld seinen Alltag gestaltet. In Begegnungen mit Fremden können eigene Normalitätsannahmen zum Vorurteil werden, weil nicht bedacht wird, dass für Fremde ein anderer Alltag existiert. Paradoxerweise sind die scheinbare Bestätigung von Annahmen und die Festigung von Vorurteilen deshalb oft auf kulturelles Handeln selbst zurückzuführen, obwohl gerade hier eher `Brücken geschlagen` werden sollten. Zu einem interkulturellen Verständnis gehören demnach nicht nur innere Schemata und Wissen, sondern auch die Bereitschaft und die Fähigkeit, diese zu reflektieren.

„Interkulturelle Kompetenz zeigt sich in der Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflußfaktoren in Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren, zu würdigen und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung, von Toleranz gegenüber Inkompatibilitäten und einer Entwicklung hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens und handlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation und Weltgestaltung.“[4]

Das Prinzip des cultural apparatus bietet ein konkretes Modell, neue Formen interkultureller Kommunikation zu finden, und orientiert sich dabei an den Analysen authentischer Szenarien. Vorausgesetzt wird, dass zumindest einer von zwei Handlungspartnern, sollte es zu Verständigungsproblemen kommen, die jeweils gemachten Vorannahmen reflektiert und diese zur Sprache bringt, um das Gespräch erneut zu organisieren. Standardisierte Handlungsweisen sollen dadurch aufgebrochen und innovative Möglichkeiten für eine interkulturelle Interaktion geschaffen werden. Erreicht werden soll dadurch eine so genannte `mentale Synthese´ aller Kommunikationsteilnehmer. Im Kontrast zum `cultural filter`, durch den Symbole einer anderen Kultur in die eigene übernommen werden, aber eben auch im Sinne der eigenen Kultur, ist es das Ziel der Idee des cultural apparatus, bestehende Kommunikationsstrukturen zu rekonstruieren und zu reflektieren und damit ein Zurückfallen in alte festgefahrene Denkweisen unmöglich zu machen.

Rehbein nimmt davon Abstand, Kultur als solche zu definieren, und sucht stattdessen nach grundsätzlichen Formen kultureller Handlungsweisen. Er konzentriert sich dabei auf die verbale Ebene und möchte durch authentische Beispiele den Zusammenhang zwischen Sprache und Kultur verdeutlichen.

Hinter identischen sprachlichen Zeichen können sich durchaus kulturspezifisch unterschiedliche Konzepte verbergen. Beispielsweise wird mit dem Wort `team` in Japan eher eine Gesamtgruppe verbunden, in Deutschland dagegen wird von einer Sammlung einzelner Individuen ausgegangen. Zum Tragen könnte diese Differenz in bestimmten Situationen, beispielsweise bei Schuldzuweisungen, kommen. Bei den Japanern müsste die gesamte Gruppe für das Verschulden eines Mitgliedes haften, während in Deutschland der Einzelne schuldfähig wäre. Auch wenn Rehbein sich vordergründig an der sprachlichen Ebene orientiert, ist diese doch nur Ausdruck der inneren Vorgänge und hängt eng mit sozial geprägten Handlungsmustern zusammen. Neben der verbalen Ebene spielen während einer Interaktion auch die soziale und die materiale Ebene als beobachtbare Faktoren kulturellen Handelns eine Rolle. Als unbeobachtbarer Einflussfaktor wird die mentale Ebene bezeichnet. Zu den beobachtbaren Faktoren gehören soziale Strukturen, Institutionen sowie Bauwerke, Bilder, Texte und andere kulturelle Artefakte einer Gesellschaft. Auf der unbeobachtbaren, der mentalen Ebene, spielen sich Denkweisen, Gefühle und Handlungsmuster ab. Diese inneren Muster sind für andere nicht sichtbar, nehmen aber dennoch Einfluss auf das Interaktionsverhalten. In der Interaktion mit kulturell fremden Menschen neigt man dazu, auf Grund von Beobachtbarem, also aus dem sozialen Verhalten und anderen sichtbaren Faktoren des Gegenübers, Rückschlüsse auf dessen unbeobachtbare Denk- und Handlungsmuster zu ziehen. Sichtbare wie nicht-sichtbare Prozesse sind eng miteinander verbunden. Man beobachtet die anderen Handlungsmuster aber meist durch einen `cultural filter` (s.o.) und zieht deshalb leicht falsche Rückschlüsse auf die kognitiven Ideen des Kommunikationspartners.[5]

[...]


[1] Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Mit einem Anhang sprachphilosophischer Texte Schleiermachers. Hrsg. Manfred Frank, Frankfurt 1977, S. 80-81

[2] Vgl.: Rehbein, Jochen.: The cultural apparatus. Thoughts on the relationship between language, culture and society. In: Bührig, K.&ten Thije, J. (eds) Beyond misunderstanding. The linguistic reconstruction of intercultural discourse. Benjamins, Amsterdam u.a.: S. 43-96

[3] Vgl.: House, Juliane: Zum Erwerb interkultureller Kompetenz im Unterricht des Deutschen als Fremdsprache. In: Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht (ZIF) 1/3. http://zif.spz.tu-darmstadt.de, 1997, S. 97 ff

[4] Thomas, Alexander: Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Band 1: Grundlagen und Praxisfelder. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, S.143

[5] Vgl.: Bolten, Jürgen: Interkulturelle Kompetenz. Landeszentrale für Politische Bildung, Erfurt 2003, S. 17

Vgl.: Erll, Astrid/Gymnich Marion: Interkulturelle Kompetenzen. Klett Lernen und Wissen GmbH, Stuttgart 2007, S. 23 ff

Vgl.: Rehbein, Jochen.: The cultural apparatus. Thoughts on the relationship between language, culture and society. In: Bührig, K.&ten Thije, J. (eds) Beyond misunderstanding. The linguistic reconstruction of intercultural discourse. Benjamins, Amsterdam u.a.: S. 45

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Training zur interkulturellen Kommunikation
Untertitel
Jochen Rehbeins `cultural apparatus`
Hochschule
Universität Kassel
Note
1
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V150909
ISBN (eBook)
9783640633029
ISBN (Buch)
9783640632909
Dateigröße
666 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kultur, Transkultur, interkulturell, multikulturell, interkulturelle Kommunikation, Kommunikation, Training, interkulturelles Lernen, Vorurteile, Missverständnisse, Stereotypen, Klischees, Kommunikationsform, Verständnis, Handlungsweisen, Gesellschaft, Deutschland, Rehbein Jochen, Begegnungen, Muster, Voraussetzung, kennen lernen
Arbeit zitieren
Corinna Baspinar (Autor:in), 2008, Training zur interkulturellen Kommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/150909

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