Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Narrative Therapieansätze aus der systemisch- lösungsorientierten Therapie
2.1 Familie als System
2.2. Homeostase
2.3. Wechselwirkungen
2.4. Konstruktivismus
2.5. Lösungsorientierung
2.6. Vier Fragetypen in der systemischen Therapie [nach Tomm 1994]
3. Die Erzählung und das Erzählen
4. Der narrative Wert in Kinderzeichnungen nach Widlöcher
5. Methoden der narrativ- therapeutischen Kunsttherapie
5.1. Gesprächsübung: Biografische Erkundungen
5.2. Künstlerisch- praktische Übung: „Linienland“
6. Schlussbemerkung
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
1. Einleitung
„Angenommen, heute Nacht, während wir alle schlafen, geschieht ein Wunder. Eine gute Fee kommt und schwingt ihren Zauberstab und die Probleme, über die wir gerade gesprochen haben, sind verschwunden. Aber niemand weiß, dass dieses Wunder geschehen ist, Sie nicht, ich nicht, niemand. Woran werden Sie in der nächsten Zeit erkennen, dass da ein Wunder geschehen sein muss?“ (Vogt- Hillmann/ Burr 2005, S. 51)
So lautet die Wunderfrage aus der systemisch- lösungsorientierten Therapie.
Die narrativ- orientierte Kunsttherapie entnimmt ihre Therapieansätze aus der Systemtheorie; d.h. sie wirft ihren Blick auch auf die Bezüge, in denen der Klient sich befindet und stellt nicht alleine den Klienten, sondern das gesamte System Familie; bzw. die Schulklasse etc. in den Vordergrund der Therapie.
Inspiriert an der systemisch- lösungsorientierten Therapie, steht auch bei der narrativ- orientierten Kunsttherapie die Lösungsorientierung im Mittelpunkt.
Wie an der „Wunderfrage“ zu erkennen ist provoziert der Therapeut „Lösungsdenken“ bei seinen Klienten. Er regt den Klienten dazu an, nicht an Beschwerdesituationen aus der Vergangenheit festzuhalten, sondern Lösungen für die Gegenwart und Zukunft zu finden.
Die Aufgabe des Therapeuten besteht bei diesem Ziel darin, festgefahrene Muster, bestimmte Kommunikationsformen und Verhaltensweisen innerhalb eines Systems durch Verstörungen aufzubrechen, um Veränderungen herbeizuführen (Vogt- Hillmann/ Burr 2005, S. 46). Verstörungen werden verbal durch gezielte Fragetypen der systemischen Therapie herbeigerufen, durch Gesprächsübungen und durch künstlerisch- praktische Übungen.
Die narrativ orientierte Kunsttherapie eignet sich für Kinder und Jugendliche als auch für erwachsene Menschen. In der Hausarbeit werden zunächst in Kapitel zwei die narrativen Therapieansätze aus der systemisch- lösungsorientierten Therapie beschrieben. Ich gehe dabei auf unterschiedliche Aspekte systemischen Denkens ein und beziehe mich bei den allgemeinen Informationen über die Systemtheorie auf jeden Altersbereich. Die Literatur von Wirtz gibt u. a. Informationen über die Familie als System, über die Lösungsorientierung dieser Therapieform, über die Wechselwirkungen innerhalb der Systeme und über das Gleichgewicht, das jedes System anstrebt. Die allgemeinen Informationen über diese Aspekte systemischen Denkens sind die Grundlage für die Therapie mit Erwachsenen als auch mit Kindern und Jugendlichen. In der Praxis müssen dann Aussagen altersgerecht formuliert werden.
Weitere Grundlagen der systemisch- lösungsorientierten Therapie sind der Konstruktivismus und die speziellen Fragetypen der systemischen Therapie nach Tomm, auf die in der Hausarbeit eingegangen wird.
In der narrativ orientierten Kunsttherapie haben verbale Erzählungen als auch Aussagen über die Bildsprache einen sehr hohen Stellenwert. Demnach wird im nächsten Kapitel auf das Thema „Erzählung und Erzählen“ eingegangen. Der Leser erhält hierbei Definitionen von dem Begriff „Erzählen“ und erfährt den Sinn, den das Erzählen, einer Person geben kann.
Kapitel vier beschreibt dann den narrativen Wert einer Kinderzeichnung nach Widlöcher und liefert praktische Beispiele der Interpretation eines Kinderbildes.
Im letzten Kapitel der Hausarbeit werden die zwei unterschiedlichen Methoden „Biografische Erkundungen“ und „Linienland“ der narrativ- therapeutischen Kunsttherapie aufgeführt. Bei der ersten Übung stehen hierbei verbale Erzählungen im Vordergrund. Bei der zweiten Übung liegt der Schwerpunkt auf der künstlerisch- praktischen Arbeit.
In der Hausarbeit verwende ich an einigen Stellen den Begriff „falsch“. Ich verwende diesen Begriff im Zusammenhang mit falschem Verhalten, falschen Mustern, falschen Lösungen, falscher Kommunikation etc.
Verwende ich den Begriff „falsch“, so beziehe ich mich auf die Situation der Person, die das falsche Verhalten, die falsche Kommunikation etc. ausübt: in der Gegenwart ist das Verhalten für die Person von Nutzen, doch langfristig gesehen, würde das falsche Verhalten die Person einschränken und behindern. Zum Beispiel ein aggressiver Junge bekommt kurzfristig Aufmerksamkeit durch sein aggressives Verhalten. Langfristig gesehen jedoch würde ihn das Verhalten nicht weiterbringen, denn er würde damit auf Unverständnis stoßen.
Auch falsche Kommunikation ist für die Person, die sie ausübt, zwar in dem jeweiligen System kurzfristig von Nutzen, doch wendet die Person die falsche Kommunikation in anderen Systemen an, so stößt sie damit auf Unverständnis. Zum Beispiel wird einer Tochter in der Familie zugehört, sobald sie schreit. Wendet die Tochter die laute Methode in dem System Schulklasse an, so bekommt sie für dasselbe Verhalten eine Strafe.
Wird in der Hausarbeit von „dem Therapeuten; bzw. dem Klienten“ gesprochen, so bezieht sich die Aussage immer auf männliche als auch auf weibliche Therapeuten; bzw. Klienten.
2. Narrative Therapieansätze aus der systemisch- lösungsorientierten Therapie
Die narrativen Therapieansätze kommen aus der Systemtheorie. Es werden unter anderem theoretische und methodische Aspekte aus der lösungsorientierten (Familien-) Therapie [nach Weakland 1974 und de Shazer 1999] und aus der systemischen Kurzzeittherapie [u. a. de Shazer 2001] integriert. Die Grundlage der erwähnten Therapieformen sind folgende, unterschiedliche Aspekte systemischen Denkens:
2.1. Familie als System
Die Familie wird als System betrachtet, in dem sich wiederum Subsysteme wie zum Beispiel Geschwister- oder Elternsubsysteme bilden. Das Verhalten jedes Familienmitgliedes hat Auswirkungen auf die anderen Familienmitglieder; also das System ist gekennzeichnet durch viele wechselseitige Beeinflussungen. Die Familie insgesamt ist Bestandteil eines gesellschaftlichen Systems, von dem sie „Aufträge erhält, Unterstützung oder Ablehnung erfährt“ (Wirtz in Badry/ Buchka/ Knapp 2003, S. 420) und das [dem zur Folge] zur Entstehung von Ängsten und Erwartungen beiträgt (vgl. Wirtz in Badry/ Buchka/ Knapp 2003, S. 420).
Systemisches Denken bedeutet demnach, das einzelne Individuum nicht losgelöst von zwischenmenschlichen Beziehungen und Verhältnissen zu sehen, sondern eingebettet in persönliche, familiäre, und gesellschaftliche Strukturen. Als Systemiker blicke ich auf das Umfeld und die Kommunikation des Klienten mit seiner Umwelt: In welchen Bezügen lebt der Betroffene(vgl. ebd., S. 420)?
„Als Hauptmerkmal des Systemmodells kann [also M.L.] gelten, dass sich die Aufmerksamkeit nicht auf das einzelne Objekt, sondern auf die Beziehungen [und die damit verbundenen Erwartungen und Regelungen M.L.], die zwischen den Objekten existieren, konzentriert.“ (Goldbrunner 1992, zit. nach Badry/ Buchka/ Knapp 2003, S. 419).
Es steht nicht das Problemkind; also der Symptomträger im Vordergrund, sondern der Fehler liegt im System; also in der gesamten Familie, der Schule, in einem Geschwister- Subsystem etc Systemiker wissen, dass es für jede Verhaltensweise einen nachvollziehbaren Grund gibt, der in der Kommunikation und dem Handeln eines Systems des Betroffenen zu finden sein kann.
2.2. Homeostase
Wirtz versteht unter „Homeostase“ das Gleichgewicht eines Systems, das jedes Mitglied anstrebt, aufrecht zu erhalten; also die Aufrechterhaltung der Organisation in einem System (Wirtz in Badry/ Buchka/ Knapp 2003, S. 420). Menschen neigen dazu, Gewohntes aufrecht zu erhalten, um ein System im Gleichgewicht zu halten (vgl. Wirtz in Badry/ Buchka/ Knapp 2003, S. 419f.).
Burr beschreibt nun, dass Menschen als autonome Lebewesen zur Aufrechterhaltung ihrer Organisation in einem System „Strukturveränderungen“ (Vogt- Hillmann/ Burr 2005, S. 46) unterschiedlichster Art vornehmen (vgl. Vogt- Hillmann/ Burr 2005, S. 45f.).
[Ein Kind kann beispielsweise wahrnehmen, dass sich die Organisation des Systems „Familie“ durch häufige Probleme zwischen den Eltern verändert und zeigt diese Veränderung unbewusst durch plötzlich auftretendes aggressives oder zurückgezogenes Verhalten an. Das auffällige Kind stellt somit eine Art Signallampe für die Probleme des Systems dar].
Therapeutische Interventionen können in diesem Zusammenhang nun als [Ver]-Störungen des Systems dienen, um Veränderungen herbei zu führen (vgl. Vogt- Hillmann/ Burr 2005, S. 46), die das Gleichgewicht des System wieder herstellen, so dass das auffällige Verhalten eines Mitglieds nicht mehr notwenig ist.
Verändert sich ein Teil in einem System, so führt das zur Veränderung des gesamten Gleichgewichts; also nicht nur das aggressive Kind wird wieder „ganz“ gemacht, sondern der Fehler des gesamten Systems „Familie“ wird aufgedeckt.
So zum Beispiel stellt es eine Schwierigkeit dar, wenn ein ehemaliger Alkoholiker nach einem Klinikaufenthalt in sein altes System „Familie“ zurückkehrt. Er passt mit seinen neuen Verhaltensweisen nicht mehr in das alte System rein und das System muss neu eingestellt werden (vgl. Wirtz in Badry/ Buchka/ Knapp 2003, S. 419f.).
2.3. Wechselwirkungen
In der systemischen Therapie stehen Ursache- Wirkungs- Zusammenhänge nicht im Vordergrund. Das systemische Denken hebt die Kausalität “…wenn…, dann… auf (vgl. Wirtz in Badry/ Buchka/ Knapp 2003, S. 419).
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