Das Aufkommen des Soldkriegswesens im Hochmittelalter hatte den Berufskrieger hervorgebracht. Dieser diente für Geld, erwarb zunehmende Fertigkeit im Umgang mit Waffen und stand im Gegensatz zu den Angehörigen von Miliz und Aufgebot langfristig bei der Fahne. Der Berufscharakter förderte eine gewisse handwerkliche Ausrichtung des Söldnerdaseins: Er ließ die Vorstellung von der Form- und Berechenbarkeit der Kriegsmittel und von der Lehrbarkeit der Kriegskunst entstehen. Nachdem bis in das 17. Jahrhundert hinein Reglements für die Führung und Ausbildung unbekannt gewesen waren, beschäftigten sich nun Theorien und Lehrbü¬cher — oftmals unter Rückgriff auf die Antike — mit der Formung, Ausbildung und Führung der Truppen; Gliederung und Ausbildung der verschiedenen Truppen glichen sich zunehmend an. Dem Zeitalter des Rationalismus, wie das 18. Jahrhundert mit seinem Streben nach verstandesmäßiger Einordnung aller Lebensbereiche genannt wird, entsprach die Vorstellung der Kriegskunst als eines Systems wissenschaftlich fundierter Regeln. Den Grundsatz einer Vernichtung des Gegners kannte man noch nicht .
Der taktische Führer kämpfte nach den Lehren der Lineartaktik, die lineare Formen verlangten und die Soldaten in vier, später drei Gliedern hintereinander ordneten, die im Takt knieten, schossen und luden. Bewegungen erfolgten im Gleichschritt. Eine eiserne Disziplin hatte sicherzustellen, dass diese auch im Feindfeuer nicht ins Stocken gerieten. Nur durch sie war einheitliche hohe Feuergeschwindigkeit mit Hilfe genormter, im Drill perfektionierter Ladegriffe garantiert. Die wichtigsten Elemente der Taktik dieser Zeit waren Gleichschritt und Gleichtakt. Der operative Führer stützte sich beim Dislozieren, im Kräfteansatz und bei der Verschiebung von Truppenkörpern sehr stark auf die Regeln der Mathematik, vor allem der Geometrie. Zentrale Bedeutung hatte das Manö¬vrieren um geographische Punkte und Positionen. Dieses Manövrieren ist das Hauptcharakteristikum operativer Führung der Zeit. Zu ihm führte die Überlegung, statt der enorm blutigen Schlachten zumindest partiell die gegenseitige Erhaltung der schönen und teuren Heere zu ermöglichen, verbunden mit der militärischen Zielsetzung, die gegnerischen Truppen von ihren Versorgungs- und Bewegungslinien abzuschneiden: Man entwickelte gleichsam indirekte Methoden der Kriegführung. Die »Strategie« war nahezu gleichbedeutend mit »Ermattungsstrategie«.
Inhaltsverzeichnis
- Die Entwicklung der Operationsart Verteidigung
- Hochentwickelte Manövrierkunst
- Karree zur Rundumverteidigung
- Napoleons Taktik
- Erzherzog Carls Exerzierreglement
- Scharnhorsts Infanterie-Reglement 1812
- Neue Gedanken durch Carl v. Clausewitz
- Wieder Unterordnung der Verteidigung
- Detaillierte Vorschriften für die Verteidigung
- Angriff und Verteidigung noch nicht gleichwertig
- Erstmals 1906: »Hinhaltendes Gefecht«
- Tendenz zur Linie
- >>Stützpunkte<<
- Neue Vorschriften zum Stellungskrieg
- Zusammenfassung der Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg
- Abbrechen des Gefechts
- Grundsätze der Verteidigung in der Bundeswehr
- »Verteidigungsraum«
- >>Schlüsselgelände<<
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text verfolgt das Ziel, die Entwicklung der Operationsart Verteidigung im Laufe der Militärgeschichte zu untersuchen und darzulegen, wie sich die Taktiken und Strategien von der Antike bis zur modernen Bundeswehr verändert haben. Dabei werden insbesondere die Einflüsse der Lineartaktik, des Stellungskrieges und der verschiedenen Denkschulen innerhalb der Militärstrategie betrachtet.
- Entwicklung der Verteidigungstaktik
- Einfluss von militärischen Denkern und Reglements
- Bedeutung von Manövrierkunst und Bewegung im Krieg
- Verschiebung von Angriffstaktiken zu defensiven Strategien
- Transformation der Verteidigung im 20. Jahrhundert
Zusammenfassung der Kapitel
Der Text beleuchtet die Entwicklung der Verteidigungstaktik von der Antike bis zur Bundeswehr. Zunächst werden die Anfänge des BerufsKriegers und die Entwicklung von Reglements zur Führung und Ausbildung von Truppen beschrieben. Anschließend wird die Lineartaktik des 18. Jahrhunderts mit ihren Schwerpunkten auf Gleichschritt, Gleichtakt und Manövrieren um geografische Punkte und Positionen näher beleuchtet. Das Karree als Form der Rundumverteidigung sowie die Entwicklung von flexibleren Verteidigungstaktiken durch Persönlichkeiten wie Friedrich II. von Preußen und Wilhelm Graf zu Schaumburg-Lippe werden behandelt. Die Auswirkungen der Französischen Revolution und der Einführung der »levée en masse« auf die Kriegsführung werden erläutert. Schließlich werden die Grundsätze der Verteidigung in der Bundeswehr vorgestellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Schlüsselbegriffen Verteidigung, Militärgeschichte, Taktik, Strategie, Lineartaktik, Stellungskrieg, Manövrierkunst, Bewegung, Angriff, Reglements, Friedrich II. von Preußen, Scharnhorst, Bundeswehr.
- Arbeit zitieren
- Stefan Erminger (Autor:in), 2005, Truppenführung: Operationsart Verteidigung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151437