Ein Überblick über die Energiewirtschaft Indiens und ihre Herausforderungen

Chancen zur Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energiebedarf


Masterarbeit, 2010

73 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Entkopplungstheorie bezüglich Wirtschaftswachstum und Energiebedarf
2.1 Einführung in die Entkopplungstheorie
2.2 Entkopplung der Entwicklung von Bruttoinlandsprodukt und Primärenergiebedarf.

3 Energiewirtschaft in Indien – Status quo und Perspektiven
3.1 Überblick über Indiens wirtschaftliche Entwicklung, Energiewirtschaft, Energiepolitik und ihre Reformen
3.1.1 Das Land Indien
3.1.2 Indiens wirtschaftliche Entwicklung
3.1.3 Indiens Energiewirtschaft
3.1.4 Indiens Energiepolitik und die Reformen des Energiesektors
3.2 Überblick über ausgewählte, zukünftig prognostizierte Energieträgermixe und Energiebedarfe
3.3 Überblick über die kommerziellen und nicht-kommerziellen Primärenergieträger im indischen Kontext
3.3.1 Kommerzielle Energieträger – Steinkohle und Braunkohle
3.3.2 Kommerzieller Energieträger – Erdgas
3.3.3 Kommerzieller Energieträger – Erdöl
3.3.4 Kommerzielle Energieträger – Atomenergieträger
3.3.5 Nicht-kommerzielle Energieträger
3.4 Zukünftige Versorgungssicherheit Indiens mit fossilen Primärenergieträgern.
3.5 Zwischenfazit

4 Energiewirtschaft in Indien – Entkopplungsansätze im indischen Kontext
4.1 Verbesserung der Energieeffizienz
4.2 Nutzung der Erneuerbaren Energien
4.2.1 Wasserkraft
4.2.2 Solarenergie
4.2.3 Windkraft
4.2.4 Geothermie

5 Praktische Umsetzung der Entkopplungsansätze – Chancen und Risiken
5.1 Ausgewählte Chancen und Lösungen
5.1.1 Effizienzsteigerung durch Markt- und Verwaltungsreformen
5.1.2 Finanzierung von Effizienzmaßnahmen durch den Clean Development Mechanism
5.2 Ausgewählte Risiken und Probleme
5.2.1 Verbreitung von Kleinbiogasanlagen
5.2.2 Verbreitung effizienterer Kochöfen
5.2.3 Marktöffnung für effizienzsteigernde Privatinvestitionen

6 Schlussbetrachtung

Anhang

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Indien ist ein demokratischer Staat in Südostasien und zählt zu den größten sowie bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. In den vergangenen Jahren wies die indische Wirtschaft ein starkes Wachstum auf. Diese beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung bewirkt, dass das ehemalige Entwicklungsland zum Global Player aufsteigt. So wuchs das Bruttoinlandsprodukt in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt um 8,8 %1 pro Jahr. In diesem Zusammenhang, steht das Land vor unzähligen wirtschaftlichen, sozialen, finanziellen und ökologischen Herausforderungen denen Wirtschaft und Politik gemeinsam begegnen müssen.

“By 2020, India’s demand for commercial energy is expected to increase by more than 2.5 times (IEA World Energy Outlook 2000). Underpinning this trend will be the ongoing growth in population, urbanization, income, industrial production and transport demand.”2 Zu dieser prognostischen Aussage kommt die International Energy Agency.

Der Trend im ökonomischen Wachstum Indiens bewirkt, dass das Land weiter gegenüber den Industrienationen aufholen wird und stellt es gleichzeitig vor große Chancen aber auch Risiken. Die bisher schwach ausgeprägte infrastrukturelle Basis, besonders im Energiesektor, schränkt das jährliche Wirtschaftswachstum Schätzungen zufolge um zwei Prozentpunkte ein.3 Um dieses Defizit zu verringern, sind verstärkt Entwicklungsmaßnahmen im Energiesektor erforderlich, denen ein beschleunigter Umsetzungsprozess folgen muss. In Indien ist ein entsprechender adaptiver Ausbau der Bereitstellungskapazitäten für Energie, verursacht durch die schnell wachsende Wirtschaft ebenso notwendig, wie das Aufholen in der Vergangenheit versäumter Aufbaumaßnahmen, um bestehende große Angebotslücken zu schließen. Dieser Tatsache steht eine stetige Untererfüllung der Erweiterungspläne der Regierung entgegen.4

Besonders im Hinblick auf die oben zitierte bevorstehende Entwicklung des Energiebedarfs Indiens, erscheint es relevant, diese gemessen an der Entwicklung des geschöpften Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu reduzieren. Dieser Prozess wird als Entkopplung bezeichnet und soll dazu dienen, den Zwang zum Kapazitätsausbau zu senken und die mit dem stetig wachsenden Energiebedarf einhergehenden Probleme zu reduzieren. Das betrifft sowohl die hohen Ausbaukosten als auch Umweltbelastungen, die steigende Importabhängigkeit, die logistischen Grenzen der Breitstellung von Primärenergieträgern, etc.

Das seit den 1980er Jahren stetig angestiegene Energiedefizit ist ein entscheidender limitierender Faktor für das Wirtschaftswachstum, da die Entwicklung der Energienachfrage in Indien von Letzterem noch nicht abgekoppelt ist.5 Ein Ziel der Arbeit ist es, anhand der näheren Betrachtung der indischen Energiewirtschaft ursächliche bzw. begünstigende Faktoren des gekoppelten Energiewachstums und damit verbundene Probleme aufzuzeigen. Die Energiewirtschaft umfasst im Rahmen der Arbeit alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bereitstellung und Verwendung von Energieträgern. Weiterhin soll die Entkopplungsnotwendigkeit herausgearbeitet und die zwei wesentlichen Optionen eine Entkopplung herbeizuführen hinsichtlich ihres Potentials analysiert werden. Diese sind die Verbesserung der Energieeffizienz und die Nutzung Erneuerbarer Energien. Dazu wird auch ein Einblick in die diffizile Chancen- und Risikostruktur bei der praktischen Umsetzung und Implementierung jener Optionen gegeben.

Das folgende Kapitel zwei beschäftigt sich mit dem theoretischen Grundgerüst der Entkopplungstheorie mit besonderem Bezug auf Wirtschaftswachstum und Energiebedarf. In Kapitel drei erfolgt ein kurzer Überblick über das Land Indien und seine wirtschaftliche Entwicklung, seine Energiewirtschaft und die Energiepolitik mit den Reformen des Energiesektors. Anschließend werden mehrere Entwicklungsmöglichkeiten für den Energiebedarf und Energiemix vorgestellt. Nach der detaillierten Erörterung eines jeden Primärenergieträgers im indischen Kontext, wird gesondert auf die Problemstellung der zukünftigen Versorgungssicherheit mit fossilen Energieträgern eingegangen. Im vierten Kapitel werden verschiedene Möglichkeiten die Energieeffizienz zu verbessern aufgezeigt und die Nutzung der einzelnen Erneuerbaren Energien nach ihrem potentiellen Entkopplungsbeitrag untersucht. Abschließend werden im fünften Kapitel zwei Beispiele für Chancen und drei für Risiken hinsichtlich der praktischen Umsetzung der Entkopplungsbemühungen dargestellt.

2 Die Entkopplungstheorie bezüglich Wirtschaftswachstum und Energiebedarf

Im Folgenden soll ein Überblick über die Theorie der Entkopplung und die Bildung von diesbezüglich aussagefähigen Indikatoren gegeben werden. Anschließend erfolgt in Kapitel

2.2 die Darstellung des speziellen Entkopplungsverhältnisses von BIP und Primärenergiebedarf allgemein und abschließend mit Bezug auf Indien.

2.1 Einführung in die Entkopplungstheorie

„Decoupling environmental pressures from economic growth is one of the main objectives of the OECD Environmental Strategy for the First Decade of the 21st Century.”6 Diese Aussage der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) verdeutlicht, welche Bedeutung das Konzept der Entkopplung besitzt. Ein wichtiger Faktor ist dabei der gesamte Energieverbrauch, der auf die Umwelt erheblichen Einfluss ausübt und mit dem Wirtschaftswachstum kausal verbunden ist. Dieser beinhaltet den kumulierten Energieaufwand von der Primärenergieträgergewinnung bis hin zur letztlichen Energieverwendung. Prinzipiell sind die Entkopplungsbetrachtungen sowohl auf Mikro- als auch auf Makroebene interessant. Der Fokus der Arbeit soll jedoch ausschließlich auf die Volkswirtschaft gerichtet werden.

Unter dem Begriff der Entkopplung wird das Aufbrechen des statischen Entwicklungsverlaufs eines erwünschten Faktors, im Verhältnis zur Entwicklung eines damit kausal zusammenhängenden unerwünschten, verstanden.7 Die Entkopplung ist dabei mit den Elastizitäten im Sinne der zeiträumlichen Veränderung der Mengen innerhalb dieser Relation befasst, wohingegen Effizienz- und Intensitätsbetrachtungen üblicherweise mit den absoluten Werten der Verhältnisse zu einem Zeitpunkt, wie bspw. Ressource pro Einheit BIP arbeiten.8

Zur Analyse der Entwicklungen, welche die jeweils gewünschte Wechselbeziehung beschreiben, werden Entkopplungsindikatoren gebildet. Bedingende Faktoren, wie bspw. Bevölkerungswachstum, Wirtschaftswachstum oder Einkommenswachstum werden als Treiber bezeichnet, da sie mit ihrer eigenen Entwicklung aufgrund kausaler Zusammenhänge eine entsprechende Entwicklung des von ihnen abhängigen Faktors induzieren. Treiber und abhängiger Faktor werden zur Bestimmung des Ausmaßes der Abhängigkeit gegenübergestellt.9

Zur Veranschaulichung und Entkopplungsanalyse erfolgt die mehrperiodische Darstellung der Wachstumsraten, der abhängigen Variable und des Treibers im Zeitverlauf in einem Diagramm. Es kann auch die Bestimmung des Entkopplungsverhältnisses und -faktors wie folgt durchgeführt werden:

Entkopplungsverhältnis =

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Entkopplungsfaktor = 1 – Entkopplungsverhältnis

Ist das dargestellte Entkopplungsverhältnis kleiner Eins, hat innerhalb des Betrachtungszeitraums Entkopplung stattgefunden. Der Entkopplungsfaktor ist größer oder gleich Null, falls Treiber und abhängige Größe noch gekoppelt sind. 10

Wenngleich Entkopplung allgemein bedeutet, dass die positive Wachstumsrate des abhängigen Faktors im Verhältnis zum Treiber kleiner ist, so ist im Speziellen zwischen absoluter und relativer Entkopplung zu unterscheiden. Von relativer Entkopplung wird gesprochen, wenn die positive Wachstumsrate des Treibers größer ist, als jene des abhängigen Faktors. In Anhang 1 trifft dies bei der dargestellten Entwicklung von BIP und dem davon abhängenden Verlauf der CO2-Emissionen zwischen den Jahren 1990 und 2000 zu. Im Gegensatz dazu meint absolute Entkopplung, dass die Wachstumsrate des abhängigen Faktors null oder negativ ist, während jene des Treibers im positiven Bereich liegt. In Anhang 1 ist das ab dem Jahr 2000 der Fall. Negatives Wachstum des Treibers findet hinsichtlich Entkopplung keine Berücksichtigung. Es ist zu konstatieren, dass es trotz erfolgreicher relativer Entkopplung weiterhin zum absoluten Anwachsen des abhängigen Faktors und den damit eventuell verbundenen negativen Auswirkungen kommt. Deshalb sollte dies sinnvollerweise nur einen Zwischenschritt darstellen.11

Während abhängige Faktoren bei ähnlicher Beschaffenheit oder Auswirkung aggregiert werden können, werden Entkopplungsindikatoren bei Bedarf in verschiedene, durch eine Ursache-Wirkungs-Beziehung miteinander verbundene Zwischenindikatoren zerlegt und multiplikativ verknüpft, um ein näheres Verständnis für die Art der Wirkzusammenhänge zu bekommen.12

Ein Beispiel für den Stromsektor:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um Ansatzpunkte für eine Veränderung des aggregierten Indikators auf der linken Gleichungsseite zu finden, ist eine Zerlegung wie auf der rechten Gleichungsseite hilfreich. Hierbei beschreibt der erste Zwischenindikator die Produktionseffizienz der Stromgestehung aus Primärenergieträgern und der zweite die Nutzungseffizienz bei der Stromverwendung in Hinblick auf die wirtschaftliche Wertschöpfung.13

2.2 Entkopplung der Entwicklung von Bruttoinlandsprodukt und Primärenergiebedarf

Für den weiteren Fortgang der Arbeit soll der Einfachheit halber ein Indikator zugrunde gelegt werden, der das Verhältnis von Wirtschaftswachstum und Energiebedarf in vollem, aggregiertem Umfang beschreibt. Dieser soll die theoretische Grundlage für eine Analyse der Energiewirtschaft Indiens bezüglich dessen Entkopplungspotentials sein.

Als klassischer Indikator für das Wachstum der Wirtschaftsleistung wird in der volkswirtschaftlichen Theorie die Entwicklung des BIP gesehen. Als Repräsentant für den Energiebedarf wird der Primärenergiebedarf angenommen, welcher den gesamten kumulierten Energieaufwand einer Volkswirtschaft beinhaltet. Hierbei wird der Primärenergieverbrauch je kWh Strom, entsprechend des thermischen Wirkungsgrades des produzierenden Kraftwerkes, errechnet. Somit verbraucht ein Kohlekraftwerk mit einem Wirkungsgrad von 33 % dreimal so viel Primärenergie, wie es Strom produziert. Der Primärenergieverbrauch der Erneuerbaren Energien wird jedoch, gemäß den statistischen Auffassungen, der erzeugten Energiemenge gleichgesetzt und damit theoretisch ein Wirkungsgrad von 100 % angenommen.14

Als Indikator wird also der spezifische Primärenergieeinsatz pro BIP-Einheit und dessen Entwicklung verwendet. Im Sinne der Entkopplung soll demgemäß der spezifische Primärenergieeinsatz verringert werden. Erwünscht ist dies aus unterschiedlichen Gründen: Zur Verringerung negativer Umweltwirkungen durch die Energieerzeugung; zur Senkung der Importabhängigkeit bei unzureichender Selbstversorgung mit Primärenergieträgern; zur Reduktion aller notwendigen Kapazitäten, die für die Energieproduktion erforderlich sind; zur Verringerung der Außenhandelsbelastung durch den Import von Energieträgern; usw.

Üblicherweise besteht eine Kopplung von Primärenergieeinsatz und BIP in der Art, dass mit jedem Zuwachs des BIP eine relativ gleiche Mehrmenge an Primärenergie benötigt wird. Dieses Verhältnis ist ohne Beeinflussung des Primärenergieeinsatzes statisch. Es existieren jedoch verschiedene Gründe bzw. Ansätze zur Veränderung und damit relativen oder gar absoluten Entkopplung des Primärenergieeinsatzes pro BIP-Einheit. Hansen (1990) unterscheidet fünf Ansatzpunkte aus dem Bereich der Makroumwelt mit seinen technologischen, politischen, ökonomischen und sozio-kulturellen Aspekten:

- technical advancements (conversion and end-use technologies, etc.)
- structural changes (shifts between industrial sectors, new products, processes, etc.)
- economics (price elasticities, optimum allocation of production factors, etc.)
- behavioral (energy saving in homes, driving habits, etc.)
- government policies (standards, taxes and subsidies, etc.).15

Eine wesentliche Differenzierung kann hinsichtlich Wirkungsverzögerungen einzelner Maßnahmen vorgenommen werden. Während Verhaltensänderungen theoretisch sofort umgesetzt werden können und deren Resultate schnell sichtbar sind, müssen neue Technologien erst entwickelt und infrastrukturell eingepasst werden. Wie Hansen selbst einräumt, lässt sich nicht immer einfach zwischen den einzelnen Punkten unterscheiden. Vielmehr verursacht die Veränderung einer Komponente vielfältige Wirkungen. Wenn der Energiepreis bspw. durch Steuerhebung steigt, wird neben einer Auswirkung auf das Verbrauchsverhalten auch der Anreiz zur Entwicklung energieeffizienterer Technologien erhöht.16

Im Analyseteil der Arbeit wird keine Betrachtung hinsichtlich des Einflusses und der Möglichkeiten eines wirtschaftlichen Strukturwandels unternommen. Allgemein ist der Industriesektor wesentlich energieintensiver als der Dienstleistungssektor mit Bezug auf die Wirtschaftsleistung. Ein diesbezüglicher Strukturwandel würde daher einen respektablen Entkopplungsbeitrag leisten. Allerdings ist die gegebene Wirtschaftsstruktur von vielen anderen Faktoren bestimmt und innerhalb dieses Kontextes nicht einfach und nur über einen langen Zeitraum veränderbar. Energiepolitische Überlegungen können daher nur eine untergeordnete Rolle spielen und sich darauf beschränken, im Rahmen der gegebenen Wirtschaftsstruktur eine Entkopplung von BIP und Primärenergiebedarf zu bewirken.

Die tatsächliche Entwicklung des Entkopplungsindikators Primärenergieeinsatz pro BIP-Einheit für Indien im Speziellen ist in Anhang 2 dargestellt und verdeutlicht die Aktualität und Relevanz des Themas. Hier wird veranschaulicht, dass in Indien seit Beginn der 1970er Jahre der Primärenergieeinsatz pro BIP-Einheit gestiegen ist und im Vergleich zu China und den OECD-Staaten wesentlich höher liegt. Seit Ende der 1990er Jahre hat ein Sinken dieser Energieintensität begonnen. Die genaue Analyse der Ursachen der Intensitätsentwicklung in Indien gestaltet sich unter anderem aufgrund einer unzureichenden statistischen Datenlage als schwierig. Es kann allgemein angenommen werden, dass sowohl strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft, als auch Steigerungen der Energieeffizienz hierfür verantwortlich sind.17

Dennoch hat Sengupta (2009) anhand der vorhandenen Daten eine Aufschlüsselung der Ursachen für die Entwicklung vorgenommen. Seinen Berechnungen zufolge, ist das Sinken des Primärenergiewachstums zwischen 1990 und 2005 in Höhe von rund 29 % in Relation zum Wachstum des BIP nahezu ausschließlich auf technologische Verbesserungen und Reformen im Energiesektor zurückzuführen. Strukturelle Veränderungen spielen dabei kaum eine Rolle. Hingegen war das vormalige Anwachsen in der Periode zwischen 1971 und 1990 wesentlich durch strukturelle Veränderungen bedingt.18

Im nächsten Kapitel soll aufgezeigt werden, welche Faktoren Indiens den derzeitig noch hohen Energieeinsatz begünstigen bzw. noch steigen lassen und weshalb eine Entkopplung von BIP und Primärenergiebedarf notwendig ist.

3 Energiewirtschaft in Indien – Status quo und Perspektiven

Im Rahmen des dritten Kapitels erfolgt eine kurze Vorstellung des Landes Indien und seiner bisherigen wirtschaftlichen Entwicklung. Anschließend erfolgt ein Überblick über die indische Energiewirtschaft der Gegenwart mit ihren Schwachpunkten sowie der Energiepolitik mit ihren Reformansätzen. Danach werden beispielhaft vier verschiedene, der Literatur entlehnte Entwicklungsmöglichkeiten des Energiebedarfs und Energiemix kurz dargestellt, um die Problematik der Zukunftsplanung und die damit verbundenen Schwierigkeiten im Rahmen der zu erwartenden Größenordnungen mit dem entsprechend unterschiedlichen Entkopplungsdruck zu verstehen. Anschließend werden die einzelnen nach indischer Diktion als kommerziell bezeichneten Primärenergieträger sowie die Gruppe der nicht-kommerziellen im indischen Kontext vorgestellt. Hierbei werden die Probleme bezüglich der Primärenergiebereitstellung im Energiemarkt aufgezeigt. Im abschließenden Gliederungsunterpunkt erfolgt die Darstellung der zukünftigen Versorgungssicherheit mit fossilen Primärenergieträgern in Indien als zentraler, wichtiger Aspekt einer Energiewirtschaft, mit dementsprechend großem Einfluss auf den Entkopplungsbedarf. Die in jedem Bereich vorhandenen Probleme und deren Vernetzung zeigen auf, weshalb eine Entkopplung des Energiebedarfs vom weiteren Wirtschaftswachstum zu deren Behebung notwendig ist.

3.1 Überblick über Indiens wirtschaftliche Entwicklung, Energiewirtschaft, Energiepolitik und ihre Reformen

3.1.1 Das Land Indien

Das auf dem südasiatischen Subkontinent gelegene Indien ist ein sehr vielfältiger Staat, welcher strukturell hinsichtlich seiner geografischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Spezifika sowie regional stark differenziert ist. Die Landesfläche beträgt 3.288.000 km², womit es das siebtgrößte Land der Welt ist.19 Mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 1,17 Mrd. Menschen ist Indien hinter China weltweit das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung. Diese wächst jährlich um etwa 1,5 %20. Aufgrund der differenzierten Geografie ist ihre Verteilung sehr unterschiedlich, sodass durchschnittlich 355 Menschen pro km² leben. Die Urbanisierungsquote liegt bei 29 % und das Durchschnittsalter ist mit 25 Jahren sehr niedrig.21

3.1.2 Indiens wirtschaftliche Entwicklung

Seit der Unabhängigkeit von 1947 wurde die wirtschaftliche Entwicklung mit sowohl markt- also auch planwirtschaftlichen Elementen favorisiert. Im Rahmen Ersterer existieren eher marktwirtschaftlich orientierte Industriezweige, in denen Investitionen der Privatindustrie erwünscht sind, bspw. die chemische Industrie und konsumgüterintensive kleine bis mittlere Unternehmen mit privatwirtschaftlichem Schwerpunkt. Die planwirtschaftliche Seite manifestiert sich in staatlich entworfenen Fünfjahresplänen, die Grundlagen der wirtschaftlichen Entwicklung sind. Weiterhin wurden sicherheits- und stabilitätspolitisch relevante Wirtschaftssektoren, wie Schwer- und Atomindustrie sowie die Elektrizitätsversorgung verstaatlicht.22 Niedrige Produktivität und Produktqualität sind neben der problematischen Planwirtschaft Folge der sozialistisch gefärbten Selbstversorgungsstrategie Indiens und der damit verbundenen Abschottung vom internationalen Wettbewerb des Weltmarktes.23 Deshalb wurde in den 1980er Jahren mit der Liberalisierung und Deregulierung begonnen. Jedoch war dies nicht ausreichend und die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich weiter, bis sie sich 1991 zur Zahlungsbilanzkrise Indiens zuspitzte. Dies war Anlass den Strategiewechsel mit Reformen hin zur Marktwirtschaft weiter zu forcieren. Dadurch wurde die starke Stimulierung des Wirtschaftswachstums auf bis zu 9,4 % in 2006/2007 ermöglicht und die wirtschaftliche Lage verbessert.24

Global agierende Unternehmen mit modernsten Technologien auf der einen und eine Subsistenzwirtschaft mit handwerklichen, oft veralteten Produktionsmethoden auf der anderen Seite, bestimmen auch heute weiterhin das wirtschaftliche Erscheinungsbild des Landes und unterstreichen auch in der Wirtschaft die inhärente Mannigfaltigkeit Indiens.25 Letztere ist auch in der Dichotomie der Wertschöpfungssektoren zu finden, die das Auswärtige Amt (2009) wie folgt kommentiert: „Zu den Hauptcharakteristika der indischen Volkswirtschaft gehört das Missverhältnis zwischen BIP- und Beschäftigungsanteil bei Landwirtschaft und Dienstleistungen (mit umgekehrten Vorzeichen) und eine vergleichsweise geringe Bedeutung der verarbeitenden Industrie.“26

[...]


1 Auswärtiges Amt 2009.

2 International Energy Agency o. J., S. 1.

3 Vgl. Döhler 2008.

4 Vgl. Botschaft New Delhi 2007, S. 3.

5 Vgl. Kaufmann et al. 2006, S. 25.

6 Organisation for Economic Co-operation and Development 2002, S. 9.

7 Vgl. Organisation for Economic Co-operation and Development 2002, S. 11.

8 Vgl. Organisation for Economic Co-operation and Development 2002, S. 16.

9 Vgl. Organisation for Economic Co-operation and Development 2002, S. 11.

10 Vgl. Organisation for Economic Co-operation and Development 2002, S. 19f.

11 Vgl. Environment Waikato 2007, S. 6f.

12 Vgl. Organisation for Economic Co-operation and Development 2002, S. 16 & 20.

13 Vgl. Organisation for Economic Co-operation and Development 2002, S. 16.

14 Vgl. AG Energiebilanzen e.V. 2008, S. 9.

15 Vgl. Hansen 1990, S. 633.

16 Vgl. Hansen 1990, S. 633.

17 Vgl. International Energy Agency o. J., S. 1.

18 Vgl. Sengupta 2009, S. 20.

19 Vgl. Gröne 2009, S. 33.

20 Vgl. Index Mundi 2008.

21 Vgl. Central Intelligence Agency 2009.

22 Vgl. Müller 2006, S. 60f.

23 Vgl. Wamser/Sürken 2005, S. 23.

24 Vgl. Gröne 2009, S. 35.

25 Vgl. Auswärtiges Amt 2007.

26 Auswärtiges Amt 2009.

Ende der Leseprobe aus 73 Seiten

Details

Titel
Ein Überblick über die Energiewirtschaft Indiens und ihre Herausforderungen
Untertitel
Chancen zur Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energiebedarf
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Internationale Wirtschaftsbeziehungen)
Note
2,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
73
Katalognummer
V151475
ISBN (eBook)
9783640636495
ISBN (Buch)
9783640636372
Dateigröße
1548 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Indien, Energiepolitik, Energiewirtschaft, Erneuerbare Energien, Entkopplung, Nachhaltigkeit
Arbeit zitieren
Master of Science André Schröter (Autor:in), 2010, Ein Überblick über die Energiewirtschaft Indiens und ihre Herausforderungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151475

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