„Jede Nation ein Staat – jeder Staat eine Nation“ hiess der Schlachtruf im 19. Jahrhundert. Auf den ersten Blick irritiert diese Aussage und scheint in der heutigen Zeit beinahe völlig absurd. Wieso? Es scheint mir offensichtlich, dass es unmöglich ist, jeder Nation einen Staat zu ermöglichen oder jeden Staat mit nur einer Nation zu konzipieren. Wie also ist diese 'veraltete' Aussage zu verstehen und in die Moderne umzusetzen? Gibt es vielleicht nicht doch eine Möglichkeit, diese sich ausschliessenden Punkte zu vereinen? Worin also liegt die Spannung zwischen diesen beiden Punkten und was ist ihr Einfluss auf die Entwicklung nationaler Identitäten? Die Geschichte zeigt uns auf, dass der Term Nation sowohl im Alltag, als auch in politischen und moralischen Diskussionen von grosser Wichtigkeit ist. Denn gerade in der heutigen Welt, die einen grossen Trend zur Globalisierung ausweist, zwingt sich meines Erachtens eine Erneuerung der Gedankengänge zum Nationen-Begriff auf. Lassen sich denn heute Staaten wirklich noch auf Nationen zurückführen? Ist der Trend von National-Staaten hin zu Multinationalen Staaten wirklich sinnvoll? Auch die meisten aussenpolitischen Diskussionen seit dem Ende des Kalten Krieges werden von einer Reihe von Regionalkonflikten bestimmt. Besonders hervortraten der Irak (Golfkrieg 1991, Irakkrieg 2003), Somalia, die Auflösungskriege des ehemaligen Jugoslawiens (vorwiegend Bosnien und Kosovo), Afghanistan und die Kriege und Gewaltexzesse in Afrika (Rwanda, Burundi, Kongo, Liberia und andere). Seit den frühen 90er Jahren hatte sich jedoch die Perspektive verschoben, denn nicht mehr jeder Konflikt konnte ins Schema vom Kalten Krieg gepresst werden. Interne Konfliktursachen, wie kulturalistische Interpretationen oder die Zuschreibung ethnischer Ursachen, sind seit dieser Zeit stärker ins Blickfeld gerückt. Die Erfahrungen der internationalen Gemeinschaft in Ländern wie Afghanistan, Somalia, auf dem Balkan oder im Irak haben unseren Blick dafür geschärft, dass sowohl der Trend hin zu multinationalen Staaten als auch die Fragmentierung von Gesellschaften (Staatszerfall) Gewaltkonflikte auslösen oder unlösbar machen können. Solche Situationen bringen meistens soziale, politische und wirtschaftliche Entwicklungen längerfristig zum Scheitern, was ganze Regionen destabilisieren kann und humanitäre Katastrophen nach sich zieht. Dies berührt schlussendlich auch weit entfernte Ziele und stellt die Politik und unser Denken vehement in Frage...
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG
- 1.1 AUSGANGSÜBERLEGUNGEN
- 1.2 GEGENSTAND DER ARBEIT
- 1.3 FRAGESTELLUNG & GLIEDERUNG
- 2. BEGRIFFSBESTIMMUNGEN
- 2.1 NATION & STAAT
- 2.2 NATION & ETHNIE
- 2.3 INDIVIDUUM & KOLLEKTIV
- 2.4 NATIONALISMUS & LIBERALISMUS
- 2.4.1 Ethischer Partikularismus & Universalismus
- 3. DAS PRINZIP DER NATIONALITÄT (PdN) NACH DAVID MILLER
- 3.1 PRINZIP DER NATIONALITÄT
- 3.2 NATIONALE IDENTITÄT
- 3.3 NATIONEN ALS ETHISCHE GEMEINSCHAFTEN
- 3.4 POLITISCHE SELBST-BESTIMMUNG
- 3.5 KULTURELLER PLURALISMUS
- 3.6 ZUSAMMENFASSUNG
- 4. LIBERALER NATIONALISMUS (LN) NACH YAEL TAMIR
- 4.1 PERSÖNLICHE IDENTITÄT
- 4.2 NATIONALITÄT & KULTUR
- 4.3 NATIONALE SELBST-BESTIMMUNG
- 4.4 LIBERALER NATIONALISMUS
- 4.5 PRAKTISCHE IMPLIKATIONEN
- 5. ZUSAMMENFASSUNG UND WEITERFÜHRENDE GEDANKEN
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Möglichkeit eines praktischen und moralischen liberalen Nationalismus. Sie analysiert die Theorien von David Miller und Yael Tamir, die unterschiedliche Ansätze zur Verbindung von nationaler Identität und liberalen Werten vertreten. Die Arbeit zielt darauf ab, die Argumente für einen liberalen Nationalismus zu rekonstruieren und zu verteidigen.
- Das Prinzip der Nationalität und seine Rolle in der modernen Welt
- Die Verbindung von nationaler Identität und liberalen Werten
- Die Bedeutung von ethischen Gemeinschaften für den liberalen Nationalismus
- Die Herausforderungen und Chancen eines liberalen Nationalismus
- Die praktische Umsetzbarkeit des liberalen Nationalismus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die aktuelle Debatte um Nationalismus und Globalisierung, stellt den Gegenstand der Arbeit vor und definiert die Fragestellung. Das zweite Kapitel analysiert die zentralen Begriffe Nation, Staat, Ethnie, Individuum, Kollektiv, Nationalismus und Liberalismus, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Das dritte Kapitel präsentiert David Millers Prinzip der Nationalität und analysiert seine Elemente wie nationale Identität, ethische Gemeinschaften und politische Selbstbestimmung. Das vierte Kapitel untersucht Yael Tamirs Konzept des liberalen Nationalismus und zeigt, wie es mit Millers Theorie verbunden werden kann.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Nationalismus, Liberalismus, nationale Identität, ethische Gemeinschaften, Prinzip der Nationalität, liberaler Nationalismus, politische Selbstbestimmung, kultureller Pluralismus, praktische Implikationen.
- Arbeit zitieren
- Liz. Phil. Michael Eugster (Autor:in), 2009, Liberales Denken auf der Basis nationaler Identitäten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151540