Der historische Spielfilm im Geschichtsunterricht

Lewis Milestones "Im Westen nichts Neues"


Hausarbeit, 2010

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Film im (Geschichts)unterricht

3. Lewis Milestones „Im Westen nichts Neues“

4. „Im Westen nichts Neues“ im Geschichtsunterricht
4.1 Verortung in den Richtlinien
4.2 Einsatzmöglichkeiten

5. Literatur

Anhang

1. Einleitung

Bodo von Borries leitet seinen Aufsatz Geschichte im Fernsehen – und Geschichtsfernsehen in der Schule mit dem Satz „Das Fernsehen beeinflußt historisches Interesse, Wissen, Verständnis und Bewußtsein mehr als die Schule, erst recht mehr als der Geschichts- und Politikunterricht“[1] ein. Wenn man nun bedenkt, dass der Einsatz von Filmen in der Schule eher selten geschieht[2], wird es verständlich, warum sich die vorliegende Arbeit mit den Einsatzmöglichkeiten des Films Im Westen nichts Neues (IWNN) von Lewis Milestone aus dem Jahr 1930 im Geschichtsunterricht beschäftigt.

Somit bewegt sie sich im Bereich der Didaktik, jedoch nicht nur eine mediendidaktische, sondern auch eine geschichtsdidaktische Perspektive muss eingenommen werden. Daher geht es zunächst darum die Chancen eines Einsatzes des Mediums Film im Unterricht allgemein herauszustellen und dann den Fokus auf die Besonderheiten, die der Film als Quelle und als Medium für den Geschichtsunterricht hat, zu legen.

In einem weiteren Schritt wird der Film selbst zum Gegenstand der Analyse. Hierbei stehen neben der Handlung und der eingesetzten filmischen Mittel, vor allem der Entstehungskontext und die Rezeptionsgeschichte des Films im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Daran anschließend ist es das Ziel, auf Grundlage der bis dahin gewonnenen Ergebnisse, die Einsatzmöglichkeiten im Unterricht von IWNN darzustellen. Nach einer kurzen Verortung in den Richtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen für den Geschichtsunterricht in der gymnasialen Oberstufe, wird ein konkreter Unterrichtsvorschlag skizziert.

Dessen Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern Methoden und Wissen für den Umgang mit in Filmen gezeigter Geschichte an die Hand zu geben. Dadurch sollen sie befähigt werden, selbst kritisch über, in Spielfilmen oder Dokumentation dargestellter Geschichte, zu reflektieren.

2. Der Film im (Geschichts)unterricht

Es geht weder darum den Film unter bewahrpädagogischer Perspektive zu betrachten, noch den Film als Belohnung einzusetzen. Vielmehr soll ein handlungsorientierter Umgang mit den Medien und ein kritisch-reflexiver Zugang zum Film gewählt werden.

Im Rahmen der Handlungsorientierung soll an die von Bernd Schorb formulierten Ziele angeknüpft werden. Er sieht als erstes Lernziel die „Erweiterung der Handlungsfähigkeit“[3] der Lernenden durch einen reflexiven Umgang mit den Medien, der über die reine Rezeption hinaus geht und durch die Eigenproduktion von Medienprodukten geprägt ist. Zweitens erscheint das „Erfahren und Erlernen bewusster Kommunikation“[4] als wichtig. Dies soll dadurch garantiert werden, dass die Medienproduktion in Gruppenarbeit abläuft, was einen ständigen Austausch der Gruppenmitglieder über das zu schaffende Endprodukt garantiert. Als Drittes führt Schorb die „Befähigung, die eigenen Interessen selbstkritisch zu erkennen und kreativ umzusetzen“[5] an. Dieses Lernziel ist darauf ausgerichtet, dass die Schülerinnen und Schüler (SuS) ihrem Medienprodukt ein Konzept zugrundelegen, worin Entscheidungen über Inhalt und Intention des Produzierten getroffen wurden. Weiterhin sieht er den „Erwerb von Verhaltenssicherheit in unterschiedlichen sozialen Situationen“[6] als zu erlernende Kompetenz an. Das bedeutet konkret, dass die SuS sowohl während des Herstellungsprozesses, als auch in der Präsentationsphase in ständiger Interaktion mit anderen Individuen stehen und sich auf die jeweilige Kommunikationssituation einstellen müssen. Das fünfte und letzte Lernziel bezieht sich auf den Schaffensprozess selbst, der den SuS es ermöglicht ihr „eigenes Erleben und eigene Problemsichten in Bild, Wort und Schrift umzusetzen.“[7]

Neben diesen konkreten Lernzielen steht beim Umgang mit Medien auch der Erwerb von Medienkompetenz im Vordergrund. Nach Wolfgang Maier lässt sich die Medienkompetenz in drei unterschiedliche Bereiche teilen: „Technische Befähigung“[8], „Semantische Kompetenz“[9] und „Pragmatische Kompetenz“[10]. Dahinter verbergen sich die Fähigkeiten Geräte und Medien bedienen zu können, die Inhalte der Medien zu verstehen und in Kommunikationssituationen über die Medien zu treten. Diese Gliederung entspricht der Unterteilung in Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz, auf deren Förderung in Kapitel 4 genauer eingegangen wird, wenn es um den konkreten Einsatz von Medien geht.

Wie in der Einleitung bereits erwähnt, soll sich dem Medieneinsatz aus mediendidaktischer Perspektive, die „sich mit der Nutzung von Medien für Lernprozesse und der Gestaltung mediengestützter Lernangebote“[11] beschäftigt, genähert werden. Nach einer allgemeinen medienpädagogischen und kompetenztheoretischen Betrachtung, folgt nun eine eher praxisorientierte Untersuchung des Filmeinsatzes im Unterricht. Dabei wird nach der Lehrfunktion, dem Zeitpunkt und dem Mehrwert des Medieneinsatzes gefragt.

Medien können einerseits eine unterstützende Funktion und andererseits eine steuernde Funktion übernehmen. Der Film ist im Unterricht als Leitmedium zu sehen, da er über einen längeren Zeitraum Lehrfunktionen übernimmt und der Lehrer lediglich mit der Integration und Auswertung des Films beauftragt ist und das Unterrichtsziel im Medium bereits impliziert ist. Somit hat das Medium Film eher eine steuernde als eine unterstützende Funktion im Unterricht.[12]

Als Einsatzzeitpunkt bietet sich grundsätzlich jede Unterrichtsphase an, je nachdem welche Funktion der Film erfüllen soll, also für welchen Zweck er didaktisiert wird. Maier unterscheidet dazu sieben unterschiedliche Anlässe der Filmvorführung:

Abbildung in dieserLeseprobenichtenthalten

Tabelle 1: Medien im Unterrichtsverlauf[13]

Für die weitere Arbeit sind besonders die Phasen Motivation, Wiederholung und Vertiefung, sowie Kontrolle relevant, was es im vierten Kapitel zu zeigen gilt.

Die vermeintlich wichtigste Frage ist jedoch, welche Vorteile beziehungsweise welchen Mehrwert der Einsatz von Filmen im Unterricht hat. Hierbei verweise ich auf die Arbeiten von Maier[14] und Kerres[15] und thematisiere lediglich die für diesen Kontext relevanten Aspekte. Besonders für den ansonsten wenig plastischen Geschichtsunterricht bietet der Film durch seine Anschaulichkeit, seinen multimedialen Charakter und seine Emotionalität Vorteile. Den SuS wird eine mögliche historische „Wirklichkeit“ präsentiert und anstatt einer abstrakten schriftlichen Quelle sind handelnde, sprechende und fühlende Personen zu sehen. Die Chancen, die sich durch die Emotionalität des Films ergeben sind lernpsychologisch zu begründen. Durch die Anschaulichkeit und Einfühlbarkeit wird es den SuS ermöglicht den abstrakten historischen Prozess auf die im Film gezeigten Bilder zurückzuführen, wodurch eine bessere Verankerung des Wissens geschehen kann.[16]

Problematisch ist jedoch, dass Spielfilme eine hohe Informationsdichte besitzen und die Inhalte einer „individuellle[n] Selektion“[17] der SuS unterliegen. Desweiteren ist es möglich, dass der Film und das anschließende Filmgespräch mit den Mediengewohnheiten und den Erwartungen der SuS an das Medium bricht. Statt eines unterhaltenden oder eskapistischen Medienkonsums, wird im Unterricht ein analytisch-kritischer Umgang mit dem Film gefordert, was dazu führen kann, „dass der zum Lernen notwendige ‚mental effort‘ – die geistige Anstrengung – […] nicht erbracht und somit auch weniger gelernt wird.“[18]

Somit hat sich bereits gezeigt, dass der Filmeinsatz diverse Chancen für den Geschichtsunterricht in sich birgt, jedoch muss er aus geschichtsdidaktischer Sicht auch kritisch betrachtet werden.

Wenn man über den Einsatz von Filmen im Geschichtsunterricht redet, erscheint es zunächst sinnvoll verschieden Gattungen des Films herauszuarbeiten. Schneider schlägt dazu folgende Kategorien vor: Kommentierter Dokumentarfilm, Filmdokument und historischer Spielfilm.[19] Sauer übernimmt diese Unterscheidung, fügt aber noch den Unterrichtsfilm als Gattung hinzu.[20] Dabei muss jedoch bedacht werden, dass weder eine der Gattungen noch irgendein bestimmter Film Vorzüge für die Verwendung im Unterricht hat. Vielmehr kommt es darauf, wie das Vorhandene didaktisiert beziehungsweise für den Unterricht fruchtbar gemacht wird.[21]

In unserem Fall haben wir es bei IWNN mit einem historischen Spielfilm zu tun. Dieser Film ist zum einen als Quelle seiner Entstehungszeit und zum anderen als Darstellung der Zeit, in der die Handlung spielt zu sehen. Da er auf dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque basiert, handelt es sich sowohl um eine fiktionale Quelle, als auch um eine fiktionale Darstellung. IWNN kann sogar als „historischer Geschichtsfilm“[22] bezeichnet werden, da er ein Film aus früherer Zeit ist, der einen noch weiter zurückliegenden Stoff behandelt.

Daran zeigt sich bereits die erste Problematik im Umgang mit Filmen im Geschichtsunterricht; die Zeit. Im vorliegenden Fall sind unterschiedliche Zeitpunkte oder Zeiträume für die Betrachtung von Interesse. Zum einen die Zeit, in der die Handlung spielt (1914-1918), der Zeitpunkt des Erscheinens des Romans (1928/1929), der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Films (1930)[23], und die unterschiedlichen Phasen seiner Rezeptionsgeschichte.[24] Diese Phasen mögen mit Einschränkungen auf andere Quellen auch zutreffen, spezifisch für den Film, beispielsweise in Abgrenzung zu einem Feldpostbrief ist, dass „historische Spielfilme […] Geschichte zum zweiten Mal“[25] erzählen. Da IWNN auf einer Romanvorlage basiert, wird Geschichte in diesem Fall sogar dreimal erzählt und auch dreimal rezipiert.[26] Somit zeigt sich, dass der Inhalt – man denke hierbei an das Kinderspiel „Stille Post“ – in Bezug auf seine Faktizität eingeschränkt sein kann, jedoch nicht muss. Weitaus problematischer, was das Verhältnis von Fiktionalität und Faktizität betrifft, ist jedoch, dass aufgrund der Dramaturgie und somit auch in Hinblick auf den ökonomischen Erfolg des Films eine Verschiebung zugunsten der Fiktionalität geschehen kann.[27] In diesem Kontext ist auch die Problematik mit der Multiperspektivität zu sehen. Um ein möglichst objektives Abbild von Geschichte zu bekommen, ist es unerlässlich, denselben Sachverhalt aus unterschiedlichen Positionen zu betrachten. Dies kann der historische Spielfilm im Regelfall nicht leisten. Der Zuschauer bekommt oftmals die Ereignisse aus der Sicht einer Person oder Gruppe, also dem Protagonisten oder dem Milieu, geschildert.[28]

Zwölfer schlägt für den konkreten Ablauf des Filmeinsatzes ein „doppeltes Verfahren“[29] vor. Mit dem Ziel die Authentizität und Faktizität des Filmdokuments zu prüfen, soll nach dem Schauen des Films dieser an Quellen überprüft werden. Daran anschließend – das ist der zweite Schritt des Verfahrens – erfolgt erst die Bewertung des Gesehenen.

Somit lässt sich abschließend festhalten, dass der Filmeinsatz im Geschichtsunterricht sowohl Chancen als auch Probleme mit sich bringt. Einerseits gibt es kein vergleichbares Medium, das historische Ereignisse derart lebensnah und greifbar darstellen kann. Andererseits können sich Probleme beim Verstehen des Films ergeben, da im Film mehrere Zeitebenen vereint sind, die Handlung oftmals nur aus der Sicht einer Person erzählt wird und die Ebenen Fiktionalität und Faktizität sehr stark miteinander verschränkt sein können. Wenn der Filmeinsatz nicht ausreichend vorbereitet wird, kann es dazu kommen, dass die SuS der Bilderflut erliegen und das Produkt unkritisch konsumiert wird.

[...]


[1] Borries, Bodo von, Geschichte im Fernsehen – und Geschichtsfernsehen in der Schule, in: Geschicht-

didaktik 3/8 (1983), S. 221.

[2] Sauer, Michael, Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Stuttgart 2007,

S. 218.

[3] Schorb, Bernd, Handlungsorientierte Medienpädagogik, in: Sander, Uwe, u.a. [Hgg.], Handbuch Me-

dienpädagogik, Wiesbaden 2008, S. 81.

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Ebd.

[7] Ebd.

[8] Maier, Wolfgang, Grundkurs Medienpädagogik/Mediendidaktik. Ein Studien- und Arbeitsbuch, Wein-

heim 1998, S. 28.

[9] Ebd.

[10] Ebd.

[11] Kerres, Michael, Mediendidaktik, in: Sander, Uwe, u.a. [Hgg.], Handbuch Medienpädagogik, Wiesba-

den 2008, S. 117.

[12] Maier, Grundkurs, S. 25.

[13] Ebd., S. 26. Vgl. auch Schneider, Gerhard, Filme, in: Ders., Hans-Jürgen Pandel [Hgg.], Handbuch

Medien im Geschichtsunterricht, Schwalbach 2007, S. 377ff., der einen Filmeinsatz zur

Differnzierung/Intensivierung, Illustration, Konfrontation/Motivation, Problematisierung, Zusammen-

fassung/Festigung/Vertiefung, zum Kenntniserwerb oder in ideologiekritischer Absicht vorschlägt.

[14] Maier, Grundkurs, S. 84 ff.

[15] Kerres, Mediendidaktik, S. 118 f.

[16] Zwölfer, Norbert, Filmische Quellen und Darstellungen, in: Günther-Arndt, Hilke [Hg.], Geschichts-

Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2005, S. 127 ff.

[17] Maier, Grundkurs, S. 86.

[18] Ebd. Eine Gegenposition findet sich bei Schneider, Filme, S. 366: „Mit der Verwendung des Films im

Geschichtsunterricht wird überdies an vertraute Beschäftigungen der Schüler in der Freizeit und an

gängige Muster der Informationsaneignung im Alltag angeknüpft.“

[19] Schneider, Filme, S. 367 f.

[20] Sauer, Geschichte unterrichten, S. 219. Borries nimmt eine noch detaillierte Unterscheidung vor, die in

diesem Rahmen keine weiteren Vorteile bietet. Vgl. dazu Borries, Geschichte im Fernsehen, S. 231 f.

[21] Vgl. Schneider, Filme, S. 369.

[22] Ebd. Dort ebenfalls ein Vorschlag zur weiteren Kategorisierung von Filmen.

[23] Bei diesem Beispiel liegen Literaturvorlage und Verfilmung sehr nah beieinander, sodass hier die Un-

terscheidung nicht zwingend gemacht werden müsste.

[24] Vgl. Borries, Geschichte im Fernsehen, S. 226 ff.

[25] Schillinger, Jens, Kronzeugen der Vergangenheit? Historische Spielfilme im Geschichtsunterricht, in:

Praxis Geschichte 5/19 (2006), S. 5.

[26] Vgl. ebd., S. 7.

[27] Vgl. ebd., S. 5 ff.

[28] Vgl. ebd.

[29] Zwölfer, Filmische Quellen, S. 130.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Der historische Spielfilm im Geschichtsunterricht
Untertitel
Lewis Milestones "Im Westen nichts Neues"
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Medienpädagogik - Vertiefung
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
27
Katalognummer
V151649
ISBN (eBook)
9783640630479
ISBN (Buch)
9783640630134
Dateigröße
1013 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Unterricht, Geschichtsunterricht, Im Westen nichts Neues, Lewis Milestone, Film, Spielfilm, historisch, Geschichtsfilm, Erster Weltkrieg, Medienpädagogik, Rezeption, Unterrichtsentwurf, Krieg, Kriegsfilm, Anti-Kriegsfilm, Remarque, Remark
Arbeit zitieren
Bachelor Daniel Hitzing (Autor:in), 2010, Der historische Spielfilm im Geschichtsunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151649

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