Der Mensch - ein gutes oder böses Wesen?


Seminararbeit, 2010

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. Die Problematik des „Guten“ und „Bösen“
2.1.l. Das „Böse“
2.1.2. Das „Schlechte“ (Egoismus)
2.1.3. Das „Gute“ (Altruismus)
2.2. Der Mensch in der Philosophie von Meng-tse und Xun-tse
2.2.l. Meng-tse
2.2.2. Xun-tse
2.3. Das Menschenbild des Meng-tse und Xun-tse in unserer Kultur
2.4. Der Mensch – ein „gutes“ oder „böses“ Wesen?

3. Schluss

4. Anhang
4.1. Que lenverzeichnis
4.2. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Was ist die Aufgabe der philosophischen Anthropologie? Diese Frage stellte sich mir, als ich mich im Sommer 2009 dafür entschieden hatte, dieses Modul an der Universität Leipzig zu belegen. Bei näherer Betrachtung des griechischen Namens áv0qmnoZoyía (anthropología) wird bereits ersichtlich, dass es sich um eine Art „Menschenkunde“ handelt. Im Mittelpunkt dieser noch relativ jungen philosophischen Disziplin stehen Erkenntnisse über die Natur des Menschen. Sie versucht, das Allgemein-Menschliche zu bestimmen und soll dem Menschen zur Selbstbesinnung und Verortung in der Welt dienen. Dies kann zum Beispiel durch einen Vergleich mit der übrigen belebten Natur erreicht werden. Die eigentlichen Aufgaben der Anthropologie liegen jedoch im Praxisbereich. Sie soll einer sinnvollen Selbstverwirklichung dienlich sein, die Gesellschaft menschenwürdiger gestalten1 und damit verbunden gibt die philosophische Anthropologie der Ethik und Pädagogik eine Grundlage für ihre Arbeit. Um diesem Praxisanspruch gerecht zu werden, bedarf es zunächst einer Wesensbeschreibung des Menschen. Dies soll die Aufgabe meiner Hausarbeit sein. Selbstverständlich kann ich aufgrund der geforderten Kürze kein komplettes System des menschlichen Wesens entwerfen, sondern muss mich auf ein Wesensmerkmal beschränken. Ich möchte hier der Frage nachgehen, ob der Mensch von Natur aus ein „gutes“ oder „böses“ Wesen ist.2 Zuvor muss jedoch der Versuch erfolgen, das „Gute“ und das „Böse“ genauer zu definieren. Ich werde unter diesem Aspekt die Metaphysik vernachlässigen, da diese versucht, Erkenntnisse außerhalb unserer sinnlichen Erfahrung zu ziehen und dies für unseren Themenkomplex nicht ergiebig ist. Ich möchte danach nicht mehr der abendländischen Philosophie und Tradition folgen, sondern einen eher ungewöhnlichen Weg einschlagen. Ich werde unter dem Blickwinkel des „Guten“ und des „Bösen“ das Menschenbild der beiden chinesischen Philosophen Meng-tse (Mencius) und Xun-tse (Xunzi) darlegen, um dieses dann in die heutige Zeit und in unsere Kultur zu transformieren und an Beispielen zu prüfen.

Wenn sich dieses Menschenbild an unserer Kultur nachweisen lässt, dann muss man davon ausgehen, dass es allgemeingültig und somit ansatzweise richtig ist. Denn die chinesische Philosophie ist nicht durch unser abendländisches Denken kontaminiert und folgt einer eigenen geschichtlichen Tradition. Letztendlich sollten wir dann in der Lage sein, die Frage nach dem „guten“ oder „bösen“ Wesen im Menschen zu beantworten.

2. Hauptteil

2.1. Die Problematik des „Guten“ und „Bösen“

Grundlegend stellt sich zunächst die Frage, was überhaupt das Gute und das Böse ist? Dies ist eine Thematik, mit der sich die abendländische Philosophie seit jeher auseinandersetzt. Man muss jedoch sagen, dass man nie zu einer allgemeinen und einheitlichen Lösung kam. Hauptsächlich lassen sich die Definitionen in zwei Bereiche der Philosophie aufteilen. Die Metaphysik mit ihrem unempirischen Ansatz (zumeist durch eine überweltliche Instanz wie Gott) oder die Ethik, welche versucht, diese Thematik empirisch und über die Moral zu lösen. Ich werde hier versuchen, dem Pfad der Ethik zu folgen, um die Begrifflichkeiten zu klären. Der bisherige Dualismus von Gut und Böse reicht jedoch für unsere Untersuchung nicht aus. Aus diesem Grund werden wir unsere Termini um einen Begriff nach Schopenhauers Vorstellungen erweitern3. Dem zufolge gibt es das Gute, welches mit dem Altruismus gleichzusetzen ist, darauf folgt das „Schlechte“, welches dem Egoismusprinzip folgt und als Erweiterung des Schlechten, das „Böse“. Leid und Zerstörung sind beim Bösen nicht nur Mittel, sondern Zweck der Handlung. Weiterhin lassen sich böse Menschen nicht so leicht durch Sanktionen (also Strafen) von ihrem falschen Tun abbringen, wie Schlechte. Der Böse ist gar dazu in der Lage, auf eigene Vorteile zu verzichten, um andere zu quälen oder im Extremfall sogar sein Leben aufs Spiel zu setzen, nur um anderen zu schaden. Der Schlechte hingegen ist nur auf seine eigenen Interessen und Vorteile fixiert und handelt nach einem individuellen Nutzungskalkül. Aus diesem Grunde können wir ihn in der Folge auch als Egoist bezeichnen. Der Gute ist das komplette Gegenteil dessen, er stellt das Wohl der Allgemeinheit über sein eigenes und verzichtet aus diesem Grund auf persönliche Vorteile.

Für schlecht und böse gab es in der antiken Philosophie nur ein Wort: griechisch nanóç und lateinisch malum.4 Nach der klassischen Definition, die auf Platon und Aristoteles zurückgeht ist das Gute jenes, wonach alle streben. Platon hielt den Menschen noch für durchaus gut, er sei immer bestrebt, nur das Gute zu tun, jedoch wenn er dennoch was Schlechtes bzw. Böses tat, dann ist dies als Fehlschluss zu deuten, denn eigentlich war es das Gute, was er anstrebte.5

In der christlichen Weltanschauung beginnt das Böse bereits im Paradies. Adam sündigt, indem er wissentlich gegen ein Verbot handelte und somit beginnt der Sündenfall der Menschheit, denn die Sünde des Adams setzt sich in jeder Seele fort.6 Es tritt erstmals in der Bibel auf, dass der Mensch willentlich das Böse für seine Handlung wählt. So spricht Paulus im Römerbrief:

„Das Gute, w as ich will, d as tue ich nicht, und d as Böse, w as ich nicht will, d as tue ich doch! “ 7

Die Intention dieses Gedanken ist, dass sich kein Mensch aus der Anziehungskraft der Sünde befreien kann, aber spätestens seit Kant wissen wir, dass dem nicht so ist. Der Mensch ist ein freies Wesen und kann frei und eigenmächtig handeln, aber dennoch seien dem Menschen die Anlagen zum bösen Handeln angeboren. Kant meint, das menschliche Wesen habe einen dreifachen Hang zum Bösen. Als erstes führt er die Gebrechlichkeit an. Dies bedeutet, dass der Mensch nachgibt, mit dem Wissen etwas Falsches bzw. Böses zu tun. Ihm ist es somit zu mühsam und zu unbequem, nach moralischen Maximen und der praktischen Vernunft zu handeln. Den zweiten Hang bezeichnet Kant mit Unlauterkeit. Der Mensch handelt zwar nach den allgemeingültigen Maximen, aber aus einem niederen Grund und nicht um des Guten willen, sondern aus Eigennutz. Der letzte Hang ist für Kant die Bösartigkeit und für uns das eigentliche Böse.8 Hier handelt der Mensch ganz bewusst gegen die guten Maxime und erwählt sich so gesehen böse Maxime zu seiner Handlungsgrundlage, um so bewusst Böses zu tun.9 Somit liegt der Hang zum Bösen in unserer eigenen Freiheit zwischen Gut und Böse entscheiden bzw. wählen zu können.

Im 20. Jahrhundert gerät die Betrachtung des Bösen in der Anthropologie, durch die neuen wissenschaftlichen Ansätze in den Hintergrund und anstatt vom Bösen wurde nun von Aggressionen und Gewalt gesprochen. Jedoch dies ist unzureichend, denn Aggressionen und Gewalt können nur dem Bösen zugesprochen werden, wenn es um ihrer selbst willen geht. Zumal man durch Gewalt auch versucht, das Gute durchzusetzen10 und das Böse braucht keinen aggressiven Hintergrund, um zu bestehen.

Ich möchte an dieser Stelle noch bemerken, dass es sich bei den Begrifflichkeiten Böse, Schlecht und Gut in der Ethik lediglich um kognitive Wertbegriffe handelt, welche von einer Gesellschaft geschaffen wurden. Somit beschreiben Gut und Böse die Willensqualität. Gut als verallgemeinerbare Regel und Böse als Regel zum alleinigen Eigennutz auf Kosten Anderer, dabei ist der Urheber von Gut und Böse der menschliche Wille und somit durch das Handeln des Menschen, selbst geschaffen.11

2.1.1. Das „Böse“

Um besser verstehen zu können, was das Böse eigentlich ist, greifen wir die vierfache Einteilung von Thies auf.12 Als erste Form nennt er das affektive Böse. Dieses offenbart sich im Massaker oder Amoklauf und somit in sinnloser Grausamkeit, welche in jeder Kultur und Religion zu finden ist.13 Es handelt sich bei solchen Taten um eine Art Blutrausch, ohne jegliche Regeln und Moral. Die Gewalt kann hier den Platz einer berauschenden Droge einnehmen und gibt der Person letztendlich das Gefühl von absoluter Weltmacht und Herrschaft.14 Man könnte diese Form auch als das leidenschaftliche oder emotionale Böse bezeichnen. Die zweite Form ist das kalkulierte rationale Böse. Hier kommt der Intellekt mit ins Spiel. Die größte Lust wird durch die Erzeugung fremder Unlust erschaffen. Man kann diesen Menschen auch als Sadist bezeichnen, der nicht sofort töten möchte, sondern sich zunächst an den Qualen seiner Opfer erfreuen will. Im Gegensatz zum affektiven Bösen ist hier keine Willkür und Regellosigkeit, sondern eine Art Ordnung in Form von systematischer Quälerei und das darauf folgende gleichgültige Töten zu verzeichnen. Als Beispiel par excellence kann man die Arbeits- und Vernichtungslager des Naziregimes heranziehen. Besonders in Auschwitz lag das kalkulierte systematische Quälen und Töten, somit das kalkulierte Böse vor.

Die dritte Form wird als das banale Böse bezeichnet. Erstmals geprägt wurde diese Begrifflichkeit von Hannah Arendt, um eine Abgrenzung zum radikalen Bösen zu erreichen.15 Im banalen Bösen sind in der Regel überhaupt keine Motive, wie zum Beispiel Eigennutz, Hab- und Machtgier, zu finden. Als Beispiel dient wiederum in Verbindung mit Arendt das Naziregime und dessen „Schreibtischtäter“ im Judenvernichtungsprozess. Sie wussten zwar sehr genau was sie taten und unterschrieben, aber ihnen fehlte der direkte Bezug und somit lag es außerhalb ihres genauen Vorstellungsvermögens. Ich denke, dass sie nicht die selbe Form des Bösen ausübten, wie die Totenkopf-SS, welche die Gefangenen auf grausame Art und Weise quälte und tötete. Die Banalität liegt in der Bewilligung dieses Mordens ohne direkten Bezug zu den Opfern. Somit ist diese Form durch eine Abgegrenztheit und eine dadurch bedingte Entfernung zur Tat gekennzeichnet. Die Täter waren keine psychotisch gestörten Menschen oder hatten sonstige krankhafte Neigungen. Sie waren ganz normale Menschen, welche sich die Hände selbst nie schmutzig gemacht hatten. Aber diese Schreibtischtäter erteilten die Befehle zu den bösartigen Handlungen, gegenüber Menschen, die sie nie gesehen hatten oder gar kannten. Somit ist das Böse in dieser Form als banal zu bezeichnen. Thies ist sogar der Überzeugung, dass sich diese Handlungen in Form von Unterschriften auf eine Art von Pflichtbewusstsein und Gesetzestreue zurückführen lassen.16 Als letzte Form des Bösen folgt das sogenannte heilige Böse. In erster Linie sind dies Opferrituale, in denen Sündenböcke getötet werden. Als Beispiel für diese Art können die Kreuzzüge der Christen im Mittelalter oder der Dschihad der Muslime gezählt werden. In diesen religiösen Handlungen befindet sich gar der Befehl zum Morden von Ungläubigen und somit das Böse, da die Vernichtung aller Ungläubigen das Ziel war und ist.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Böse eine bewusste Handlung ist, um Anderen zu schaden. Das böse Schaffen ist dabei nicht nur Mittel, sondern zugleich auch Zweck einer jeden Handlung.

2.1.2. Das „Schlechte“ (Egoismus)

Das Schlechte drückt sich speziell im anthropologischen Egoismus aus, das heißt, das Verfolgen von eigennützigen Absichten ohne Rücksichtnahme auf die Bedürftigkeit Anderer. Der Mensch strebt ständig nach materiellem Wohlstand in Form eines kalkulierten Egoismus. Auf kleine Erfolge kann dabei teilweise verzichtet werden und man gibt sich nach außen hin „gut“ und tugendhaft, jedoch verfolgt man im Geheimen umso größere Vorteile für sich selbst.17 Hier stellt sich jedoch die Frage, ob jedes Handeln egoistisch motiviert ist. Folgt man den Gedanken der abendländischen Philosophen, dann stellt sich heraus, dass dies der Fall ist. Einheitlich wird von der Antike bis ins 20. Jahrhundert davon gesprochen, dass der Mensch ein egoistisches Wesen sei. Jedoch dabei ist zu bedenken, dass nicht alles was ich erstrebe, von egoistischer Natur sein muss bzw. dass das Erstreben von gewissen Zielen nicht immer auf Kosten Anderer passieren muss. Nach Thies kann man nicht schlussfolgern, dass wir reine Egoisten sind, nur weil das oberste Handlungsziel generell die Lust ist. Er ist der Überzeugung, dass nicht alles, woran man sich erfreut, zum eigenen Vorteil und auf Kosten Anderer geschieht.18

[...]


1 V gl.: B urkard, Franz-Peter; K unzmann, Peter; W iedmann, Franz. Dtv -Atlas Philosophie (l4. Aufl.). München 2009. S. l3.

2 Im Hinblick auf eine natürlichen Veranlagung von Gut und Böse im Menschen.

3 Schopenh auer , Arthu r . Die beiden Grundprobleme der Ethik: Behandelt in zwei akademischen Preisschriften. Leipzig² l860. S. 265 ff.

4 Simonis, W alter . Schmerz und Menschenwürde: Das Böse in der abendländischen Philosophie. Würzburg 200l. S. 255 ff.

5 Menon 77c. ; Timaios 86 e/d.

6 V g.: Simonis. 200l. S. ll5-l27.

7 Röm. c. 7, l9.

8 Die ersten beiden sind nach unsere r Definition dem „Schlechten“ zuzuordnen. Denn was Kant noch als Böses beschrieb, ist eigentlich das Schlechte und was er mit teuflisch meinte, ist das eigentliche Böse.

9 Vgl. Kant, Immanuel. Die Religion innerhalb de r Gr enzen der bloßen Vernunft. Königsberg l793. über „das radikale Böse“ ab S. 3.

10 Als Beispiel soll hier der Kampf gegen den Te rror in Afghanistan und I ra k dienen, zumindest wird er als Gutes propagandiert, ob dies de r Realität entspricht ist f ür mich jedoch zweifelhaft.

11 Vg l.: Pieper , Annemarie. Gut und Böse. München l997. S 79.

12 Vgl.: Thies, Christian. Einführung in die philosophische Anthropologie. Darmstadt 2004. S. l27.

13 V gl.: Girard, René. Das Heilige und die Gew alt. Frankfurt am Main³ l999. S . 33l.

14 Als Beispiele für die Machtbestrebungen im Menschen kann man das Stanly-Milg ra m-Experiment und das Stanfo rd-Prison-E xperiment heranziehen.

15 Arendt, Hanna h. Eichmann in Jerusalem: Ein B ericht von der B a n alität des Bösen. Leipzig l990.

16 Vgl.: Thies. 2004. S. l27.

17 Vg l.: Bohlken, Eike (H rsg .). Handbuch A nthr opologie : Der Mensch zwischen Natur , Kultur und Technik. S tuttgart u. We imar 2009. zu „homo oeconomicus “ und ethischen Egoismus S. 344-348.

18 V gl.: Thies. 2004. S. l29. wir werden uns am Ende nochmals m it dieser T hematik beschäftigen s. Kap. 2.4.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Der Mensch - ein gutes oder böses Wesen?
Hochschule
Universität Leipzig
Note
2,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
25
Katalognummer
V151722
ISBN (eBook)
9783640633173
ISBN (Buch)
9783640633333
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anthropologie, Meng-tse, Xun-tse, Menschenbild
Arbeit zitieren
Pierre Köckert (Autor:in), 2010, Der Mensch - ein gutes oder böses Wesen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151722

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