Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Autor und seine Region
3. Räumlichkeit
3.1 Raum im literarischen Bezug
3.2 Raum im zeitlichen Bezug
3.3 Raum im Text
4. Fazit
5. Bibliographie
1. Einleitung
Der 1955 veröffentlichte Roman Pedro Páramo ist viel gelesen und interpretiert worden. Die Lesarten beziehen sich zumeist auf zwei Themenstränge, entweder auf das Motiv der Vatersuche oder auf die Thematik der Großgrundbesitzer in Mexiko und die Revolution. Natürlich sind beide Themenkomplexe sehr weitläufig und schließen sich nicht gegenseitig aus. Zudem das Motiv der Vatersuche sich nicht ausschließlich auf Pedro Páramo und Juan Preciado bezieht, sondern es läßt sich auf fast alle Personen im Buch übertragen.
In meiner Textanalyse geht es um verschiedene Aspekte der Raumkonzeption in Rulfos Roman. Zur Verdeutlichung werde ich einzelne Textstellen heranziehen. Dabei wird es insbesondere um die Wirklichkeit des Handlungsortes Comala gehen. Eine Betrachtungsweise ist eine Vermischung aus einem paradiesischen Comala, das von Dolores Preciado beschrieben wird und einem höllenartigen Comala, das sich aus den Erfahrungen Juan Preciados ergibt. Bei den unterschiedlichen Arten von Räumlichkeit im Roman werde ich mich vor allem auf die Grundlage des Werkes Imaginar Comala von Gustavo C. Fares stützen.
2. Der Autor und seine Region
Der Bundesstaat Jalisco liegt im Südwesten Mexikos und erstreckt sich vom Pazifik ins Landesinnere. Aus dieser Region stammt auch Juan Rulfo, der 1918 dort im Distrikt Sayula geboren wurde. Das Gebiet umfasst ca. 80 000 qkm und grenzt südlich an die Cordillera Neovolcánica mit dem Volcán de Colima und den Lago de Chapala, im Norden an die Sierra Madre Occidental und das Zentrale Hochland. Wirtschaftlich stützt sich die Region vor allem auf Ackerbau, Viehzucht und Erzgewinnung. Die Hauptstadt Guadalajara ist die zweitgrößte Stadt Mexikos und bildet ein ökonomisches und kulturelles Zentrum. Zu Zeiten der spanischen Kolonie war Jalisco eine bedeutende Provinz. 1576 wurde sie von den Conquistadoren entdeckt und gehörte dann dem Königreich Nueva Galicia an. Erster Herrscher der Region war der grausame Nuno Guzmán. Er ließ die indianische Bevölkerung und ihre „pueblos“ weitgehend vernichten. Bereits 1561 wurde Guadalajara mit Sitz des Bischofs und der Audiencia gegründet. Später im 19. Jahrhundert erlebten Stadt und Region einen wirtschaftlichen Aufschwung durch die Verbindung mit dem Hafen San Blas. Eine regionale Neugliederung von 1910 beendete jedoch den lukrativen Handel. In der Folgezeit bewirkten die mexikanische Revolution (1910-1917) und der Cristeros-Aufstand (1926-1928) einen allgemeinen Niedergang[1].
Persönliche Erlebnisse Rulfos im Roman sind nicht direkt auszumachen. Dennoch ist der biographische Hintergrund vorhanden. In dem Roman tauchen belegbare Namen aus der Gegend auf, in der Rulfo seine Kindheit verlebte[2]. So sind die erwähnten Ortsnamen, wie Apango, Comala, Contla, La Andrómeda oder Sayula[3] real und befinden sich ebenfalls im Bundesstaat Jalisco[4]. Auch der Name des Latifundiums Pedro Páramo´s „La Media Luna“ lässt sich belegen . Der Autor Luis González beschreibt einen Teil aus dem Umfeld Juan Rulfos, der so einen persönlichen Bezug zur Namensgebung des Großgrundbesitzes im Roman herstellt: “Seguido había desavenencias. Unas veces las provocaban los de la Media Luna; otras, los de San José “[5]. Rulfo selbst sagt:“Comala existe, pero no es el mismo pueblo, es un nombre simbólico. Comala es un pueblo muy próspero, no coincide con la realidad. “[6].
Es handelt sich also um einen realen Ort zur Beschreibung fiktiver Zustände. Comala verkörpert den mörderischen Anachronismus einer Gesellschaft, die in ihrer Entwicklung gehemmt ist und in den Strukturen des alten Mexikos gefangen ist. Natürlich ist der Text weit mehr als eine landschaftsgebundene Dichtung. Mit gleichem Recht kann man auf die existentialistischen Themen verweisen, Angst, Einsamkeit, Gewalt, enttäuschte Hoffnungen, die in ihrer archetypischen Darstellung eine fast philosophische Interpretation nahelegen . Außerdem gilt der Roman als ein Antimythos zum Revolutionsmythos der gängigen Revolutionsromane. Er führt eine kritische Auseinandersetzung älterer Autoren fort und radikalisiert sie. Denn die mexikanische Revolution hat den „campesinos“ nicht das gebracht, was sich die großen Führer Villa und Zapata von ihr versprochen hatten. Die Gewinner waren die Militärs und Politiker, die die Latifundien und das beste Land unter sich aufteilten[7].
3. Räumlichkeit
Der Raum im Text des Romans ist eines der wichtigsten strukturellen Elemente, die sich in der mexikanischen Literatur finden lassen. Der Roman ist nicht in einzelne Kapitel unterteilt, sondern besteht aus einzelnen Fragmenten, die weder in einer schlüssigen noch chronologischen Reihenfolge angeordnet sind. Diese Textstruktur ist nicht nur komplex, sondern auch noch einzigartig. Rulfo benutzt diese Elemente nicht, um sie nachzuahmen, sondern mittels einer Serie von Brüchen und Nebeneinanderstellungen einen neunen Raum heraufzubeschwören. Es gibt völlig unterschiedliche Interpretationen dazu. Die Fragmente weisen mittels der einzelnen Paragraphen auf einen doppelten Raum hin. Die Zerstückelung des Textes wurde oft mit der Technik der Montage verglichen, in der sich die Bilder in einer Art Nebeneinanderstellung zeigen, um eine neue dritte Ebene zu öffnen, dessen Sinn ein anderer ist. Eine dritte Bedeutung aus so einer Gegenüberstellung zweier verschiedener Elemente zu erzeugen, bildet die wesentliche Idee einer solchen Montage. Rulfo tut dies, in dem er den Roman in eine Anzahl von Fragmenten zerlegt hat und ihm somit die Struktur genommen hat, die nun einem Mosaik gleicht[8]. Bei einer Lesart, in der man die Fragmente verbindet und nicht in einem zeitlichen oder räumlichen Bezug sieht, konstruiert man eine neue Ebene. Unabhängig davon, welche Lesart man jedoch wählt, bleibt das Besondere, dass es diese Möglichkeit der räumlichen Neukomposition, die dieses Werk bietet, überhaupt gibt.
3.1 Raum im literarischen Bezug
Der Leser könnte durch die Namen vorgewarnt sein, denn „páramo“ bedeutet Ödland und „Pedro“ könnte für „piedra“ (der Stein) stehen. Das würde zu seinem Tod passen, denn es ist beschrieben wie er in einen Haufen Steine zerfällt[9]. „Comal“ bezeichnet in Mexiko eine Tonschale, auf der man Tortillas bäckt. Comala stünde so für eine Wüste und irdische Hölle[10]. Abgesehen von der wüstenartigen Landschaft, verleiht Rulfo mit der Verlagerung des Handlungsortes auf seine ihm vertraute Gegend dem Werk eine positive Wertung. Er unterzieht den Staat Jalisco durch die kreierten Bilder eines neuen Raumes einer Transformation. Der literarische Raum mit Bezug auf den realen Raum, läßt einen völlig neu erschaffenen Raum entstehen, der vom Leser verlangt dieses zu strukturieren.
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[1] Vgl.: www.phil.uni-sb.de/projekte/imprimatur/2000/imp000808.html: 19.11.2007
[2] Vgl.: Sommers, Joseph, 1974: 19ff
[3] Vgl.: Rulfo, Juan, 1993: z.B. 58
[4] Vgl.: Fares, Gustavo C., 1991:114
[5] Vgl.: Fares, Gustavo C., 1991:114
[6] Vgl.: Rulfo, Juan, 2007: 250
[7] Vgl.: Veas Mercado, Luis Fernando, 1984: 22ff
[8] Vgl.: Fares, Gustavo C., 1991: 118f
[9] Rulfo, Juan, 1993: 122
[10] Vgl.: Garcia Perez, David, 2000: 12f