Leseprobe
Gliederung:
I. Malaysia
1.1. Allgemeine Daten zu Malaysia
1.2. Einleitung S
1.3. New Economic Policy und New Development Policy (NEP und NDP)
1.4. Das “flying geese”- Modell
1.5. Die 1980er Jahre
1.6. Gründe/ Erklärungsansätze für den Erfolg der malaiischen WirtschaftspolitikS.
1.7. Regionale Disparitäten
1.8. Malaysia und die Asienkrise
1.9. Vision 2020 und der Multimedia Super Corridor (MSC)
1.10. Der Bundesstaat Penang
1.10.1. Einleitung
1.10.2. Wirtschaft
1.10.3. Transport und Verkehr
1.10.4. Landnutzung
1.10.5. Lebensbedingungen
1.11. Ausblick
II. Vietnam
11.1. Allgemeine Daten zu Vietnam
11.2. Einleitung
11.3. Die Doi- Moi Politik des 6. Parteikongresses von 1986
11.4. Sektorale Zusammensetzung ausländischer Direktinvestitionen
11.5. Regionale Disparitäten
11.6. Ausblick
III. Literaturverzeichnis
I. MALAYSIA
I.1. Allgemeine Daten zu Malaysia:
GEOGRAFIE,BEVÖLKERUNG
Fläche: 329 733 km2. Malaysia befindet sich im Südchinesischen Meer und ist zweigeteilt in das kontinentale Westmalaysia, südlich von Thailand auf einer Halbinsel gelegen, und das insulare Ostmalaysia im nördlichen Drittel von Borneo.
Hauptstadt: Kuala Lumpur (1 145 300 Einwohner)
Regierungssitz: Putrajaya (geplant für 330 000 Einwohner)
Mitgliedschaften: Asean, Uno
Verwaltung: 13 Bundesstaaten (davon 9 Sultanate) und 2 Bundesterritorien
Bevölkerung: 23,270 Mio. Einw., davon 58 % Malaien, 27 % Chinesen, 8 % Inder
Urbanisierungsgrad:57 %
unter 15 Jahren sind 34 % der Bevölkerung
Bevölkerungsdichte: 71 Einw./km2 Bevölkerungswachstum: 1,72 %
Landessprachen: Malaiisch (Amtssprache); Englisch ist weit verbreitet, Chinesisch (Min Nan, Hakka, Mandarin), Tamil
Religionen: mehr als 50 % Sunniten, außerdem Buddhisten, Hindus und Christen. Der Islam ist Staatsreligion.
Die größten Städte
Kuala Lumpur 1 145 300
Ipoh 382 900
Johor Baharu 328 400
GESUNDHEIT, SOZIALES, BILDUNG Öffentliche Gesundheitsausgaben (am BIP): 1,4 %
Öffentliche Ausgaben für Bildung und Erziehung (am BSP): 4,9 % ÖffentlicheAusgaben für Altersversorgung (am BIP): 6,5 % Kinderunterernährung: 20 %
Armutsrate: 16 % (nationale Rate)
Frauenanteil an den Beschäftigten: 37,9 %
Zugang zu sauberem Trinkwasser haben 94 % der ländlichen Bev., zu sanitären Anlagen 98 % Lebenserwartung: Männer 70 Jahre, Frauen 75 Jahre Analphabetenrate: Männer9 %, Frauen 17 %
Universitäten: 9 WIRTSCHAFT
Währung: 1 Malaysischer Ringgit (RM) = 100 Sen Kurs (Mitte 2002): 1 RM = 0,28 e
BSP: 78,7 Mrd. US$
Wachstumsrate des BIP: 8,3 %
BSP/Kopf: 3380 US$
Anteile am BIP: Landwirtschaft 11 %, Industrie 45 %, Dienstleistungen 44 %
Forschung+Entwicklungsausgaben (am BSP): 0,42 %
Arbeitslosenquote: 3 %
Inflationsrate: 1,4 %
Einkommensteuer: max. 29 %
Körperschaftsteuer: 28 %
Haushaltsüberschuss (am BIP): 2,9 %
Schuldendienst (am BSP): 7,2 %
ADI: 1,66 Mrd. US$
Börse (Marktkapitalisierung am BIP): 130,4 %
Energie: Produktion 73,41 Mio. t ÖE, Verbrauch 42,65 Mio. t ÖE.
Anteile am Verbrauch: Kohle 5,7 %, Öl 44,2 %, Erdgas 46,1 %
Landwirtschaft, Rohstoffe, Industrie:
Nutzfläche 23,1 %, von der Anbaufläche sind 4,8 % bewässert Produkte: Reis, Palmkerne, Zuckerrohr, Kautschuk, Hühnerzucht Bewaldet: 193 000 km2, jährliche Rodung: 2377 km2 Rohstoffe: Erdöl, Zinn, Bauxit, Kupfer, Eisen, Gold, Kohle
Wichtige Industriezweige: Nahrungsmittelindustrie, Reifenindustrie, Elektronik, Haushaltsgeräte
Außenwirtschaft:
Handelsbilanzüberschuss 20,853 Mrd. US$
Export: 98,429 Mrd. US$, davon 7,6 % industrielle Vorprodukte, 62,3 % Maschinen und Transportmittel, 8,2 % Fertigwaren, 5,7 % tierische und pflanzliche Öle und Fette Hauptausfuhrländer: USA (21,9 %), Singapur (16,5 %)
Hightech-Exporte: 39,964 Mrd. US$
Import: 77,576 Mrd. US$, davon 11,5 % industrielle Vorprodukte, 61,9 % Maschinen und Transportmittel, 7,5 % Chemikalien
Hauptlieferländer: Japan (20,8 %), USA (17,4 %), Singapur (14 %) fwww.spieael.de)
I.2. Einleitung:
Während der zweiten Hälfte des 20. Jh. kam es zu der Entstehung eines dritten weltwirtschaftlichen Konzentrationsraums in SOA, innerhalb dessen auch Malaysia eine besondere Rolle zukommt. Während Malaysia zum Zeitpunkt seiner Unabhängigkeit im Jahre 1957 ein klassisches Beispiel eines Entwicklungslandes darstellte, dessen Industrie vornehm auf dem Export von Naturressourcen (Zinnbergbau [a] und Kautschukplantagen [b] entlang der Westküste; Anteil an den Exporterlösen (1957): [a] 25%; [b] 40%) aus dem sogenannten „rubber and tin belt“ gründete, konnte Malaysia im Zeitraum zwischen 1977 und 1995 für sich eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 8,3% verbuchen. Mit einem PKE von 3.890US$ (1995) gehört es heute zur Gruppe der Schwellenländer der 2. Generation, der „Newly Industrializing Countries“ (NIC). Die erzielten Fortschritte drücken sich z. B. in einer Reduzierung der Säuglingssterblichkeit von 45/1000 (1970) auf 12/1000 (1995), der Analphabetenrate von 40% (1975) auf 17% (1995) oder der Haushaltsausstattung (KFZ je 1.000 Einw. 1970: 65; 1995: 339) aus. (Kulke 1998:191). Das in Malaysia vorherrschende Politikmodell bezeichnet Johnson (1982) im Gegensatz zu dem in traditionellen Industrieländern praktizierten „market-rational state“ als „plan-rational state“. Dabei zeichnet sich das „plan-rational state“ Politikmodell dadurch aus, dass the government will give greatest precedence to industrial policy, that is, to a concern with the structure of domestic industry and with promoting the structure that enhences the nation’s international competitivness. The very existence of an industrial policy implies a strategic, or goal-oriented, approach to economy ” (Johnson 1982: 20; In: Wessel 1998: 165)
I.3. New Economic Policy und New Development Policy
Gesellschaftliches Ziel der malaiischen „New Economic Policy“ (NEP) war die Verwirklichung einer nationalen Einheit des multiethnischen Staates. Zur Umsetzng dieses ehrgeizigen Zieles bediente man sich zweier Instrumente, den „two prongs“.
Prong 1 betraf die Bekämpfung der Armut durch Einkommenssteigerung und gleichzeitiger Verbesserung der Beschäftigungschancen ohne ethische Bevorzugung.
Wie eine Untersuchung ergab, lebten 1970 50% der malaiischen Haushalte unter der Armutsgrenze (180M$/ Monat). Ca. zwei Drittel der Malaien, 39% der Inder und 26% der Chinesen bezogen ein Einkommen, das nach offiziellen Angaben unter der Armutsgrenze lag. 86% der Armen waren in der Landwirtschaft tätig; 44% der betroffenen Haushalte gehörten zur Gruppe der Reisbauern und Kautschukpflanzer. Auf die untersten 20% der Bevölkerung entfielen lediglich 3,3% des Gesamthaushaltseinkommens; auf die obersten 20% hingegen 56,6%. Ziel war es, bis 1990 den unter der Armutsgrenze lebenden Bevölkerungsanteil auf 16% zu reduzieren. (Schwinghammer 1997: 117f.; Kulke 1998: 192)
Prong 2 betraf die Umstrukturierung der Gesellschaft mit dem Ziele des Ungleichgewichtsabbaus zwischen den verschiedenen malaiischen Ethnizitäten. Bis dato dominierten einzelne Ethnien in bestimmten Berufssektoren. Mit Prong 2 wollte man erreichen, dass die Beschäftigtenstruktur in allen Wirtschaftsbereichen der ethnischen Bevölkerungszusammensetzung entspräche, d. h. auf die heutige Situation übertragen ca. 60% Bumiputras (= Söhne des Landes), 30% Chinesen und 10% Inder. Des weiteren wollte man die Beteiligung der Malaien, die bisher vornehmlich in der Landwirtschaft tätig waren, im urbanen und industriellen Bereich steigern, und dies sowohl als Arbeiter, als auch als Mitbesitzer. Die Ausgangssituation im Jahr 1970 war, dass die Malaien nur ca. 1,9% des Nominalkapitals von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die Chinesen ca. 22, 5%, die Inder ca. 1% und die Ausländer ca. 60, 7% besaßen. Bis 1990 sollten die Bumiputras 30%, die Chinesen 40% und die Ausländer 30% aller Kapitalanteile an Unternehmen besitzen (Schwinghammer 1997: 118f.).
Im Rahmen der „New Development Policy“ (NDP) kam es zu einer Anpassung der Ziele des NEP. Einerseits protestierten die Nicht- Malaien ständig gegen die praktizierte Politik, welche ihrer Meinung nach die Malaien zu stark berücksichtigte, während den Interessen der Nicht- Malaien in zu geringem Ausmaße genüge getan wurde; andererseits war die wirtschaftliche Rezession der 1980er Jahre verantwortlich. Vorrangiges Ziel war nun: „[...] to attain balanced development in order to create a more united and just society.“ (Schwinghammer 1997: 123) Mit der NDP wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die verteilungspolitischen Ziele der NEP nur mit einem angemessenen Wirtschaftswachstum erreichbar sind. Während bei der NEP der gesellschaftsinternen Umverteilung Vorrang vor einem möglichst hohen Wirtschaftswachstum eingeräumt wurde, so betont die NDP stärker das Wirtschaftswachstum als notwendige Bedingung einer gesellschaftlichen Umverteilung.
Seit der Einführung der NEP ist Planung in Malaysia ein starkes politisches Instrument staatlicher Intervention, um ungleichmässige Entwicklungen auszugleichen, ethnische Bedürfnisse zu befriedigen und politische Stabilität zu erhalten. Planung erfolgte dabei nicht nur unter rein wirtschaftlich-ökonomischen Gesichtspunkten, sondern wurde in einen politischen, gesellschaftlichen und sozialen Rahmen eingebettet. Dabei stellte die malaiische Regierung langfristige wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ziele auf (bis 1990 20 a; seit 1990 10 a), die in einem sogenannten „Outline Perspective Plan“ (OPP) festgehalten wurden. Um die hierin formulierten Ziele zu erreichen, wurden jeweils Fünfjahrespläne mit konkreten Massnahmen zur nationalen Entwicklung ausgearbeitet.
Die wirtschaftspolitischen Massnahmen zur Industrialisierung Malaysias umfassten (endogene Faktoren):
- einer - weitgehend dem Listschen Merkantilismus entsprechenden - Strategie der selektiven Weltmarktintegration (Schutz der Infant- Industrien vor der Weltmarktkonkurrenz, Auswahl von Wachstumsindustrien zum Beispiel durch die Vergabe von Industrielizenzen oder Exportförderung) insbesondere in der Anfangsphase der Industrialisierung, wobei mit fortschreitender Entwicklung eine abnehmende Eingriffsintensität des Staates und eine zunehmende Liberalisierung feststellbar ist.
- Enge Kooperation zwischen Wirtschaft und Politik, die es erlaubt, schnell und flexibel auf Veränderungen der nationalen oder internationalen Wirtschaftslage zu reagieren;
- Konzentration der staatlichen Ausgaben auf die Bereiche Infrastruktur, Kommunikation und Bildung sowie mit fortschreitender Entwicklung auch auf den Bereich Forschung und Entwicklung (Wessel 1998: 165)
- Parallele Verfolgung einer Exportdiversifikations- und Importsubstitutionsstrategie (Kulke 1998: 192)
Zudem betrieb der malaiische Staat eine antizyklische, phasenangepasste Wirtschaftspolitik indem er sich bei einem Wirtschaftsrückgang verstärkt einschaltete (z. B. durch Investitionen, direkte und indirekte Subventionen, Infrastrukturprojekte) und bei starkem wirtschaftlichen Wachstum eher zurückhaltend agierte. In einer ersten Phase der Wirtschaftspolitik, die von Beginn der Siebziger bis Mitte der Achtziger Jahre dauerte, bemühte sich der Staat um eine Diversifikation der inländischen Ressourcenausnutzung, eine Weiterverarbeitung der Rohstoffe sowie um den Aufbau einer arbeitsintensiven Industrie (Textil- und Bekleidungsindustrie; Montage von Elektrogeräten). Zudem gelang es, eine Intensivierung und Ertragssteigerung in der Landwirtschaft zu erreichen und die Produktpalette zum Export bestimmter Primärgüter zu diversifizieren (Ölpalmenplantagen, Tropenholzeinschlag, Erdgas und Rohölförderung im Südchinesischen Meer). Bei einem insgesamt starken Zuwachs der Exporte gelang es, den Anteil des Zinn am Gesamtvolumen von 19,6% (1970) auf 3,0% (1984) und den von Kautschuk von 33,4% auf 9,5% zu senken, während gleichzeitig derjenige von Palmöl von 5,1% auf 7,3% und der von Rohöl von 3,2% auf 13,9% angehoben werden konnte. Gleichzeitig verringerte sich auch der Gesamtanteil der Primärgüterexporte von 77,6% auf 40,9%, während der der Industriegüter an den Gesamtexporten im gleichen Zeitraum von 20,6% auf 45% anstieg und 1995 gar 71,4% betrug. Die Produkte „Maschinen und Fahrzeuge“ erzielten dabei die höchsten Wachstumsergebnisse (von 18,6% auf 53,9% Exportanteil). Die Zahl der Beschäftigten stieg von 2,8 Mio. (1970) auf 5,8 Mio. (1987). (Kulke 1998: 192f./195). Ab Mitte der 1980er Jahre forcierte der Staat dann den Aufbau einer technologie- und humankapitalintensiven Produktion (u.a. durch Errichtung von Exportförder- und Freihandelszonen sowie Industrieparks) und eines unternehmensorientierten Dienstleistungssektors (Versicherungen; Management; Marketing; Werbung; technische, juristische und organisatorische Beratung e.t.c.). In diesem Bereich zeigten folgerichtig auch die Beschäftigtenzuwächse die höchsten Raten, sie lagen zwischen 1980 und 1996 bei 10,3%. (Kulke 1998: 196)
I.4. Das „flying geese“- Modell:
Das „flying geese“- Modell beschreibt einen Entwicklungsansatz nachholender Industrialisierung. Dabei fungiert jeweils das am weitesten entwickelte Land einer Region (in diesem Falle Japan) als Leitgans, als Impulsgeber und Entwicklungsmotor für die weniger entwickelten Länder der Region, welche dabei verschiedene Elemente der Wirtschafspolitik übernehmen und auf ihren eigenen landestypischen Charakteristika übertragen. Das entwickelte Land gibt dabei bestimmte, vorrangig arbeits- und wenig sachkapitalintensive, Produktzyklen ab. Durch den Import aus den entwickelten Ländern kommt es in der Folge in den nachfolgenden Ländern zu einer gesteigerten Binnennachfrage bis zu dem Punkt, an welchem es sich als rentabel erweist, eine eigenständige Produktion aufzunehmen. Da es sich i. d. R. um standardisierte Produkte handelt, kann der Zugang zu der notwendigen Produktionstechnologie durch ein sogenanntes „reverse engineering“, d. h. über Lizenzen und ausländische Direktinvestitionen erfolgen: Technologie wird importiert, kopiert, gegebenenfalls auch modifiziert. Die Nutzung von „economies of scale“ (Massenproduktion) führen zu Produktionssteigerungen, die dann im Laufe der Zeit auch eine Phase des Exports einleiten können. Mit fortschreitender Entwicklung verringern sich jedoch die jeweiligen komparativen Kostenvorteile (Lohnkostenanstieg; Währungsaufwertungen; steigende Boden- und Mietpreise) und die Produktion wird wiederum in weniger entwickelte Nachbarstaaten ausgelagert. Die Exportphase geht sodann in eine neue Importphase über, in welcher ein neuer Produktzyklus durch den Import höherwertiger Produkte einsetzt. Dieser fortwährende sektorale Wandel der Industrieproduktion führt auch zu einer räumlichen Restrukturierung.
I.5. Die 1980er Jahre:
Nachdem es in Malaysia während der 1960er und 1970er Jahre zunächst zu einer Ausweitung arbeitsintensiver Produktionen, verbunden mit einer Politik der Importsubstitution kam und Malaysia zudem von den hohen Weltmarktpreisen für Rohstoffe profitieren konnte, schwenkte Malaysia in den 1980er Jahren nach ersten Preiseinbrüchen für Rohstoffe und einer relativen Auslastung des Binnenmarktes nach japanischem Vorbild zu einer mehr exportorientierten Industriepolitik um, wobei jedoch Elemente der Importsubstitution nicht vollends aufgegeben wurden. Mit einher ging ein verstärkter Einsatz mobiler Produktionsfaktoren, erhöhter Kapitaleinsatz, die Ausbreitung neuer Technologien sowie eine verstärkte Produktdiversifizierung. Erdgas- und Erdölfunde im Südchinesischen Meer ermöglichten Malaysia zudem den Aufbau neuer Industriezweige, verbunden mit einer Zulieferer- und Folgeindustrie. Die seit Ende der 1970er Jahre verfolgte Politik des industriellen Aufbaus in den Bereichen Kraftfahrzeugbau, Textilindustrie sowie Elektroindustrie, wurde weiter intensiviert, wobei besonders kleine und mittlere Unternehmen bevorzugt gefördert wurden. Mitte der 1980er Jahre wurde der Wirtschaftsboom in Malaysia durch die Umstrukturierung der internationalen Arbeitsteilung und der zeitgleichen Aufwertung des japanischen Yen verstärkt, wodurch es unter Einbeziehung komparativer Kostenvorteile zu einer Verlagerung der arbeitsintensiven Fertigungsindustrie, vorwiegend aus Japan sowie den „vier kleinen Tigern“ (Taiwan, Hong Kong, Südkorea und Singapur), nach Malaysia kam. Zwei Industriebranchen, die Automobilherstellung und die Mikroelektronik, wurden als Schlüsselbereiche der zukünftigen industriellen Entwicklung angesehen und dementsprechend stark gefördert. Der grösstenteils mit inländischen finanziellen Mitteln und ausländischem know-how (Mitsubishi/Japan) in Angriff genommene Aufbau einer eigenen Automobilbranche (mit der Marke Proton Saga) galt als Projekt nationaler Bedeutung, wobei nach japanischem und südkoreanischen Vorbild die umfangreiche Zuliefererindustrie zu Multiplikationseffekten führen sollte. Gleichzeitig sollten durch die Eigenproduktion Importe reduziert und somit die Aussenhandelsbilanz verbessert werden. Zum Erreichen dieser ehrgeizigen Ziele ergriff der Staat flankierende Massnahmen: Importierte Automobile wurden mit Zöllen bis zu 250% belegt, so dass die nationale Marke. quasi konkurrenzlos war und Mitte der 1990er Jahre bereits einen Marktanteil von 65% erreichte. Zudem stammten Ende der 1990er Jahre bereits 70% der Vorprodukte aus der eigenen Nationalökonomie und man begann das Auto auch nach Bangladesh und Grossbritannien zu exportieren. Mittlerweile folgten dem Proton weitere malaysische Pkw’s und Lkw’s, ein Motorrad, ein Flugzeug und ein Satellit; Entwicklungen die belegen, dass der Umstrukturierungsprozess, hin zu einer Schwerindustrie, in der Erfolgsspur liegt. Im Bereich der Mikroelektronik gelang es Malaysia durch seine Standortvorteile (gute Infrastruktur; Industrial Estates; Freihandelszonen; relativ gut ausgebildete, leistungswillige Arbeiterschaft; Möglichkeit, den Anteil ausländischem Eigentums an Unternehmen auf 100% zu erhöhen; stabile politische Verhältnisse; Investitionszulagen e.t.c.) ausländische Direktinvestitionen und Technologietransfer, vorwiegend aus Japan und den USA, an sich zu binden und gleichzeitig Überschüsse durch den Export zu erzielen. Zwischen Mitte der 1980er und Mitte der 1990er Jahre war dies der Schwerpunktbereich von ADI (Ausländische Direktinvestitionen). Heute ist Malaysia nach Taiwan der zweitgrösste Exporteur von elektronischen Bauteilen. Die steigenden ausländischen Direktinvestitionen sowie die zunehmende Einbindung in die globale Wirtschaft führten zu einer weiteren Marktöffnung (Kraas 1998: 142f.; Kulke 1998: 194).
I.6. Gründe/ Erklärungsansätze für den Erfolg der malaiischen Wirtschaftspolitik:
- eine günstige Ressourcenausstattung (Erdgas, Erdöl, Zinn, Holz, Kautschuk, Kupfer,
Bauxit)
- koloniale Vorprägung (Infrastukturausbau, Bildungssystem, Englischkenntnisse)
- Exportorientierung und liberale Wirtschaftspolitik sorgen für ein gutes Investitionsklima auch für ausländische Investoren
- Gezielte staatliche F&E- Politik (Forschung und Entwicklung) begünstigt den Aufbau technologieorientierter Industrieproduktion und eines tertiären Dienstleistungssektors
- Innenpolitische Stabilität und Kontinuität
- Infrastrukturausbau unter Einbeziehung des privaten Sektors
- Forcierte Landeserschliessung durch extensive flächenhafte Nutzungsausweitung
- Gute Verbindungen zum ehemaligen britischen Kolonialreich und innerhalb des Commonwealth
- Hoher Alphabetisierungsgrad, überdurchschnittlich hohe Lebenserwartung und ein gut ausgebautes Gesundheits- und Versorgungssystem
- Expansion des Tourismus (bewirkt regionalen Infrastrukturausbau, höhere Deviseneinnahmen und Imageförderung)
- Über 40 Arbeitsstunden/ Woche (Kraas 1998: 143f., verändert).
I.7. Regionale Disparitäten
Obwohl während der ersten Industrialisierungsphase (1970-1985) regionale Ausgleichstendenzen zu beobachten waren, so bestehen doch weiterhin starke regionale Unterschiede, sowohl in sozialer, als auch in wirtschaftlicher Hinsicht; einerseits zwischen dem kontinentalen und dem insularen Malaysia, andererseits innerhalb des festländischen Malaysias zwischen den weniger entwickelten nördlichen Regionen, dem zentralen Bergland und der Ostküste (z.B. Kelantan mit 52% des Pro-Kopf-BIP Malaysias) gegenüber der Zentralregion (Kuala Lumpur/ Selangor mit 180% des Pro-Kopf-BIP Malaysias) (Kulke 1998: 197) und dem Bundesstaat Penang, welcher innerhalb der malaiischen Wirtschaft durch seine Konzentration an Elektro- und Elektronikunternehmen eine Sonderstellung einnimmt. Auch der Bundesstaat Johor an der Westküste konnte überdurchschnittliche Wachstumsraten erzielen, wohingegen der stark reliefierte Zentralbereich der malaiischen Halbinsel (Bergland bis zu > 2.500 m ü. NN) bisher verkehrstechnisch und in bezug auf Infrastrukturmassnahmen im landesweiten Durchschnitt unterentwickelt ist und in den Deltabereichen der Ostküste der Grossteil der Bevölkerung nach wie vor vom subsistenzorientierten kleinbäuerlichen Reisanbau und der Fischerei lebt. Eine Industrialisierung erfolgte in den peripheren Regionen vornehmlich durch eine Ansiedlung von rohstofforientierten Weiterverarbeitungsbetrieben (Palmölraffinerien, Sägewerk, Reismühlen). Was die sozialen Indikatoren betrifft (medizinische Versorgung, Ausbildungssituation, Haushaltsausstattung), so konnte die Regierung durchaus Fortschritte erzielen, in dem Sinne, dass sich in dieser Hinsicht auch die gering entwickelten Regionen dem nationalen Standard annähern. Allerdings war die Regierung Mitte der 1980er Jahre nach Eintritt der wirtschaftlichen Krise vornehmlich an einem möglichst hohen nationalen Wachstum gelegen und konzentrierte sich verstärkt auf die in der Zentralregion und entlang der Westküste gelegen Zukunftsindustrien, welche die besten Standortvoraussetzungen (u.a. Agglomerationsvorteile) boten.
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