Französisch als Universalsprache vom 17. bis zum 19. Jahrhundert


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Geschichte der französischen Sprache

3. Gründe für den Aufstieg des Französischen
3.1 Politische Gründe
3.2 Kulturell und literarisch bedingte Gründe
3.3 Linguistische Gründe

4. Der Status des Französischen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert
4.1 Die geografische Verbreitung
4.1.1 Französisch in West- und Mitteleuropa
4.1.2 Französisch in Südeuropa
4.1.3 Französisch in Osteuropa
4.1.4 Französisch in außereuropäischen Gebieten
4.2 Die Rolle des Französischen in der Übersetzungspraxis

5. Der Rückgang des Gebrauchs des Französischen
5.1 Politische Veränderungen
5.2 Veränderungen in der Literatur
5.3 Sprachpolitik
5.4 Die Sprache des Adels
5.5 Der Aufstieg des Englischen

6. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Internetquellenverzeichnis

1. Einleitung

Im Zeitalter des „All-English“ ist es schwer vorstellbar, dass Europa einst in einer anderen Sprache kommunizierte. Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert war jedoch Französisch die Verkehrssprache der europäischen Eliten. Verträge wurden in Französisch ausgehandelt und zu Papier gebracht, der Adel führte seine Konversationen auf Französisch und das Lesen französischer Werke im Original gehörte ebenso zu einer guten Erziehung wie ein Aufenthalt in Paris. Erstaunlicherweise schien niemand diese Vormachtsstellung des Französischen in Frage zu stellen. Doch wie kam es dazu, dass aus der Sprache eines Staates die Sprache eines Kontinents wurde? Und wie konnte eben diese Sprache ihren Status wieder einbüßen?

Bereits im 18. Jahrhundert beschäftigten sich Philosophen und Wissenschaftler mit der erstgenannten Frage. Ihre Ideen werden in dieser Arbeit aufgegriffen, müssen jedoch aus heutiger Sicht kritisch betrachtet werden, da die weitere Entwicklung des Französischen damals noch nicht abzusehen war. So kann heute auch die zweite der oben genannten Fragen untersucht werden.

Zur Terminologie der Arbeit ist zu sagen, dass die Begriffe „Verkehrssprache“ und „Universalsprache“ synonym verwendet werden. Zwar wird „Universalsprache“ auch im Zusammenhang mit der Idee einer künstlich konstruierten Sprache zur internationalen Kommunikation (wie zum Beispiel Esperanto) verwendet, doch diente dieser Begriff (frz. „langue universelle“) Philosophen und Wissenschaftlern v. a. des 18. Jahrhunderts zur Beschreibung der Vormachtsstellung des Französischen. Darum wird er in dieser Bedeutung auch hier gebraucht.

Die vorliegende Arbeit gibt zunächst einen Überblick über die Geschichte der französischen Sprache, bevor danach die Gründe für den rasanten Aufstieg des Französischen untersucht werden. Gegenstand des vierten Kapitels ist der Status dieser Sprache vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, das heißt ihre geografische Verbreitung und, im Hinblick auf das Seminarthema, die Rolle des Französischen in der Übersetzungspraxis jener Zeit. Abschließend sollen Gründe für den Rückgang des Gebrauchs der französischen Sprache erläutert werden, bevor das Schlusskapitel eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit und einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Französischen gibt.

2. Die Geschichte der französischen Sprache

La nation française est de toutes les nations celle qui a produit le plus de ces ouvrages. Sa langue est devenue la langue de l’Europe […]. L’esprit de société est le partage naturel des Français ; c’est un mérite et un plaisir dont les autres peuples ont senti le besoin. La langue française est de toutes les langues celle qui exprime avec le plus de facilité, de netteté et de délicatesse, tous les objets de la conversation des honnêtes gens ; et par là elle contribue dans toute l’Europe à un des plus grands agréments de la vie.

(Voltaire in „Siècle de Louis XIV“, zit. n. Chaurand 1999: 254)

Seit der Errichtung und Ausbreitung des Römischen Reiches wurde im Großteil Europas Latein als Verkehrssprache genutzt (vgl. zum Folgenden Bauske 2007/2008). Der Aufstieg des Französischen ist also unzertrennbar mit dem Niedergang des Lateinischen verbunden. Das Latein des römischen Imperiums war unterteilt in eine standardisierte Schriftsprache und eine stark abweichende mündliche Sprache, das so genannte Vulgärlatein. Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert n. Chr. blieb die lateinische Schriftsprache als lingua franca in Europa erhalten, als Sprache der Gelehrten sowie des Klerus, vor allem jedoch im schriftlichen Gebrauch. Durch das Wegfallen der zentralistischen Struktur, die das Römische Reich ausgezeichnet hatte, entstanden parallel zu diesem Gebrauch des Lateinischen als Schriftsprache jedoch neue regionale Sprachzentren, um die herum sich aus dem Vulgärlatein unterschiedliche Volkssprachen entwickelten, die sich immer weiter voneinander entfernten.

Der Bevölkerung dieser Regionen war zunächst überhaupt nicht bewusst, dass die romanischen Volkssprachen sich zu vom Latein getrennten Sprachen entwickelten. Erst unter Karl dem Großen (ca. 800 n. Chr.) kam es zum Bruch des Französischen mit Latein im Zuge der Karolingischen Renaissance: Der Kaiser beschloss eine Wiederherstellung des „guten“ (also klassischen) Latein, das im Laufe der Zeit sehr verändert worden war und trennte im Zuge dieser Reinigung der Sprache das klassische Latein von den gesprochenen Volkssprachen. So entstand das Bewusstsein, dass sich tatsächlich neue Sprachen entwickelt hatten. Latein wurde dadurch zur mündlich toten Sprache erklärt und lebte nur noch im schriftlichen Gebrauch fort, während die Volkssprachen jetzt als eigene Sprachen gesprochen wurden – die „endgültige Geburtsstunde“ des Französischen.

Auch im beginnenden Mittelalter blieb das Latein jedoch als Überdachung über die unterschiedlichen regionalen Sprachen erhalten. Der Aufstieg des Französischen hing nun vor allem mit der zunehmend zentralistischen Sprachpolitik in Frankreich zusammen. Nach dem Konzil von Tours 813, auf dem festgelegt wurde, dass an Stelle von Latein eine dem Volk verständliche Sprache in den Predigten verwendet werden sollte, entwickelte sich in Frankreich eine Vielzahl von Dialekten und Regionalsprachen. Im Laufe des Mittelalters kristallisierte sich die Region Île-de-France (Paris) immer mehr als politisches und kulturelles Zentrum des Landes heraus und demzufolge nahm der dort gesprochene Dialekt, das Franzische (Francien), auch eine immer bedeutendere Stellung ein. Über Jahrhunderte hinweg betrieben die französischen Herrscher eine sehr zentralistische Sprachpolitik, so dass die anderen in Frankreich verbreiteten Dialekte und Regionalsprachen immer weiter zurückgedrängt wurden und aus dem Franzischen Stück für Stück „die französische Sprache“ wurde. 1539 erließ König Franz I. (François Ier) das Edikt von Villers-Cotterêts, in dem Französisch als Urkunden- und Verwaltungssprache festgelegt wurde, ein Platz, den bisher noch Latein innegehabt hatte. So wurde Französisch zur Amtssprache in Frankreich erhoben und Latein war endgültig aus dem öffentlichen Gebrauch verdrängt worden.

1635 gründete Kardinal Richelieu die Académie française, deren Aufgabe es sein sollte, sich mit der Festlegung von Regeln der Französischen Sprache zu beschäftigen und sie so zu einer einheitlichen und allen verständlichen Sprache werden zu lassen: La mission qui lui fut assignée dès l’origine était de fixer la langue française, de lui donner des règles, de la rendre pure et compréhensible par tous. (Onlinequelle 1a). Diese so festgelegte Amtssprache Frankreichs wurde im Laufe des 17. Jahrhunderts zur lingua franca des Adels in Europa und die aufstrebende Kolonialmacht Frankreich sorgte außerdem dafür, dass ihre Sprache in der ganzen Welt verbreitet wurde, vor allem in Afrika, aber auch in Nord- und Südamerika sowie in Asien. Die Gründe für diesen rasanten Aufstieg des Französischen sollen im folgenden Kapitel näher betrachtet werden.

3. Gründe für den Aufstieg des Französischen

Die Gründe für den Aufstieg des Französischen zur Verkehrssprache wurden bereits im 18. Jahrhundert kontrovers diskutiert. Im Jahr 1784 stellte die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin die Preisfrage: „Qu’est-ce qui a fait de la Langue françoise la Langue universelle de l’Europe ? Par où mérite-t-elle cette prérogative ? Peut-on présumer qu’elle la conserve ?“ (zit. n. Chaurand 1999: 261). Auffällig ist, dass der Status des Französischen als „Universalsprache“ offensichtlich als unbestrittene Tatsache galt. Die zahlreichen Teilnehmer des Wettbewerbs führten nun viele unterschiedliche Gründe an, warum das Französische zur lingua franca Europas geworden war.

Es lässt sich grob eine Einteilung dieser Gründe in drei verschiedene Bereiche vornehmen: politisch, kulturell und sprachlich bedingt. In den politischen Bereich fallen die politische Vormachtsstellung Frankreichs im 17. und 18. Jahrhundert und die hohe Anzahl von sich im Ausland niederlassenden Franzosen, zu den kulturell bedingten Gründen zählen die fortschrittliche Position Frankreichs in Kultur und Philosophie sowie der große Einfluss der französischen Literatur und unter den linguistischen Gründen wurden besondere Eigenschaften der französischen Sprache angeführt. Diese Bereiche sollen im Folgenden näher erklärt werden.

3.1 Politische Gründe

Der Aufstieg des Französischen hing eng mit der politischen Entwicklung Frankreichs im 17. bis 19. Jahrhundert zusammen und war durch mehrere starke Persönlichkeiten begründet: Kardinal Richelieu sorgte für den Beginn einer rigiden Sprachpolitik, die das Französische erst dazu befähigte, zu einer Universalsprache zu werden. Kardinal Mazarin erreichte große Territorialgewinne für Frankreich und warf zudem den Aufstand der Fronde nieder. Ludwig XIV., absolutistischer Herrscher, führte Frankreich zu einer kulturellen und politischen Vormachtstellung in Europa. Auf dies und mehr soll im Folgenden eingegangen werden.

Unter der Leitung von Kardinal Mazarin, dem Vormund des minderjährigen Ludwig XIV., erreichte Frankreich bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden, der 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendete, große territoriale Zugewinne. Im elf Jahre später unterzeichneten Pyrenäenfrieden zwischen Frankreich und Spanien wurden Frankreich ebenfalls große Gebiete zugesprochen. Der Pyrenäenfriede führte denn auch dazu, dass Frankreich seine Vorherrschaft in Europa auszubauen begann, während Spaniens Stern sank. Nach der Niederwerfung der Fronde (einer Serie von Aufständen in Frankreich zwischen 1648 und 1653) war die Stellung der Monarchie in Frankreich zudem stark und unangefochten, so dass der König sich auf die Außenpolitik konzentrieren konnte (Onlinequelle 2).

Unter Ludwig XIV. besaß Frankreich großen politischen Einfluss und große Macht in Europa. Der als „Sonnenkönig“ (Roi Soleil) bekannte Monarch kam 1643 auf den Thron, übernahm die Regierungsgeschäfte jedoch erst 1661 nach dem Tod seines Vormunds, des Kardinals Mazarin, und regierte bis 1715 (Onlinequelle 2). Sein Finanzminister, Jean-Baptiste Colbert, baute die französische Marine zur leistungsfähigsten Flotte Europas aus. Zudem führte Ludwig XIV. mehrere Kriege und festigte so seine Machtposition. Diese politische Vormachtstellung Frankreichs im 17. und 18. Jahrhundert und bis ins 19. Jahrhundert hinein führte dazu, dass das Französische Stück für Stück Latein als Verkehrssprache ablöste. Es kam zu einer „évolution de la pratique internationale de la langue française“ (Chaurand 1999: 250). Französisch wurde zur Diplomatensprache, die bei Treffen von Staatsmännern etc. verwendet wurde (Picoche/Marchello-Nizia 1998: 149). Verträge wurden in Französisch ausgehandelt und verfasst, selbst wenn Frankreich gar nicht zu den Vertragsparteien gehörte, z. B. nach Ende des Russisch-Türkischen Krieges 1774, oder unterlegen war, z. B. beim Versailler Vertrag 1871 (Stein 2002: 141).

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Französisch als Universalsprache vom 17. bis zum 19. Jahrhundert
Veranstaltung
Hauptseminar "Übersetzen und Dolmetschen für internationale Organisationen"
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
22
Katalognummer
V152125
ISBN (eBook)
9783640638710
ISBN (Buch)
9783640639113
Dateigröße
515 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Adel, Sprachpolitik, Literatur, Belles infidèles, Übersetzung, Russland, Deutschland, England, Polen, Italien, Ludwig XIV., Kardinal Richelieu, Versailles, Trafalgar, Französische Revolution, Napoleon, Kultur, Politik, Österreich
Arbeit zitieren
B.A. Damaris Englert (Autor:in), 2010, Französisch als Universalsprache vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152125

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