Work - Life! Balance? Alleinselbständige in Kulturberufen prototypisch für die neue Tätigkeitsgesellschaft?

Eine vergleichende Darstellung mit dem Dienstleistungssektor


Magisterarbeit, 2009

111 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG DER ARBEIT

2 DEFINITIONEN
2.1 Kultur und Arbeit
2.2 Atypische Beschäftigung
2.3 Work Life Balance
2.4 Alleinselbständige in Kulturberufen
2.5 Arbeit vs. Tätigkeit
2.6 Prototyp

3 FORSCHUNGSMETHODOLOGIE
3.1 Leitfadeninterview
3.1.1 Entwicklung der Fragestellungen
3.1.2 Auswahl der Interviewpartner
3.1.3 Transkription und Auswertung

4 VON DER INDUSTRIE- ZUR WISSENS- UND KULTURGESELLSCHAFT
4.1 Sektorentheorie vs. Kondratjewzyklus
4.2 Gesellschaftlicher Wandel
4.2.1 Wertewandel
4.2.2 Menschenbild
4.2.3 Demografischer Aspekt
4.2.4 Rollenverständnis und Bevölkerungszahl.
4.3 Epochen- und Paradigmenwechsel
4.3.1 Agrargesellschaft
4.3.2 Industrialisierung und Normalarbeit
4.3.3 De-Industrialisierung und Post-Fordismus
4.4 Arbeitsmarktentwicklung
4.4.1 Bildungsniveau
4.4.2 Arbeitszeit
4.4.3 Das Teilzeitphänomen
4.4.4 Arbeitsteilung
4.4.5 Selbständigkeit im Kulturberuf
4.4.6 Kultur als Jobmotor
4.5 Entgrenzung und Subjektivierung
4.5.1 Prekarisierung und Flexibilisierung
4.5.2 Diskontinuierliche und multiple Beschäftigung
4.5.3 Mobiles Raum-Zeit Verständnis

5 WORK-LIFE-BALANCE
5.1 Leitmotiv und Gattungsbegriff
5.2 Beziehungskontext der Arbeitsakteure
5.2.1 Unternehmenskultur
5.2.2 Flexible Führung und Hierarchien
5.2.3 Betriebliche Work-Life-Balance Massnahmen
5.2.4 Entkollektivierung
5.2.5 Interessenvertretungen
5.3 Nivellierung persönlicher Balance
5.3.1 Zeitbewusstsein und Zeitwohlstand
5.3.2 Multidimensionalität nach Kastner
5.3.3 Identität und Identifikation
5.3.4 Lebensziel und Zufriedenheit
5.3.5 Familiale Rahmenbedingungen
5.3.6 Life Balance nach dem Erwerbsleben

6 FAZIT UND AUSBLICK

ANLAGENVERZEICHNIS

ANLAGEN

LITERATURVERZEICHNIS

EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG

Abbildungsverzeichnis

ABBILDUNG 1: AUSWAHL DER FORSCHUNGSMETHODE (FLICK, S.177)

ABBILDUNG 2: ERWERBSTÄTIGE NACH WIRTSCHAFTSZWEIGEN (BPB II, 2009, S.14)

ABBILDUNG 3: WORK LIFE BALANCE MASSNAHMEN(EIG.DARST. NACH (KLIMPEL/SCHÜTTE, 2006)

ABBILDUNG 4: BEANSPRUCHUNG/ENTSPANNUNG IN ARBEITS- UND PRIVATBEREICH (KASTNER, 2004, S.2)

ABBILDUNG 5: WORK LIFE BALANCE MULTIDIMENSIONALITÄTS WÜRFEL (KASTNER, 2004,S:6)

Tabellenverzeichnis

TABELLE 1: PARAMETER DER STICHPROBE (EIGENE DARSTELLUNG)

TABELLE 2 :KONDRATJEWZYKLEN (EIGENE DARSTELLUNG)

TABELLE 3: WOCHENARBEITSZEIT ALLEINSELBSTÄNDIGER (BETZELT, 2006, S.20)

TABELLE 4: EINSCHRÄNKUNGEN DURCH FOKUS AUF ARBEIT (EIG.DARST. NACH: KLIMPEL/SCHÜTTE, 2006, S.23)

1 Einleitung und Zielsetzung der Arbeit

Wir leben in einer Welt, in der auf Grund globalisierter Märkte und einer fortschreitenden Technologisierung, in der die Grenzen von Raum und Zeit faktisch aufgehoben sind. Entwicklungen wie das Internet haben dazu geführt, dass Daten in Echtzeit an sämtlichen Plätzen der Welt be- und verarbeitet werden können. Betrachtet man das Phänomen, dass sich die Erde nach wie vor um die Sonne dreht und auch die Zeitzonen weiter bestehen, so liegt nahe, dass unterschiedliche Personen an verschiedenen Orten an ein und demselben Projekt arbeiten können, und dies somit 24 Stunden am Tag bearbeitet werden kann. Was impliziert das für das von uns empfundene hier und jetzt?

Auf dem Weg in die Wissens- und Kulturgesellschaft werden sich die Gesellschaft, Fertigungsmethoden und Arbeitsweisen ändern. Unternehmen arbeiten auf andere Art mit wechselnden Beziehungen. Die Entwicklungszyklen im Allgemeinen werden drastisch verkürzt, so dass die Hersteller gezwungen sind, in jeglicher Hinsicht flexibler zu werden. Diese Anforderungen werden auf alle Lebens- und Arbeitsbereiche durchschlagen und sich somit auf unser aller Leben auswirken. Die Frage, die wir uns permanent stellen müssen lautet: Wie können wir dies schaffen, und gleichzeitig ein ausgeglichenes, erfülltes Leben führen?

Selbständige gelten gemeinhin als Unternehmer. Im Kulturbereich gibt es eine steigende Anzahl an Ein-Personen-Selbständigen, welche sich am Markt behaupten müssen. Auf Basis einer breiten theoretischen Grundlage und mittels eines Leitfadeninterviews wird das Befinden von Alleinselbständigen in Kulturberufen und das von Angestellten im Dienstleistungssektor analysiert. Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden herausgearbeitet und die Frage erläutert, ob die Lebens- und Arbeitsweise von Alleinselbständigen in Kulturberufen prototypisch für eine neue Tätigkeitsgesellschaft ist.

2 Definitionen

Um das Grundverständnis dieser Arbeit zu erläutern, werden in diesem Kapitel Interpretationen der Begriffe gegeben, welche wesentlich sind. So wird als erstes der Zusammenhang von Kultur und Arbeit aufgezeigt. Es besteht in gewissem Masse ein Regelkreis, da Kultur sich durch Arbeit im weitesten Sinne entwickelt hat und aus der Summe der kulturellen Beziehungen zugleich das Ergebnis dieses Arbeitseinsatzes deuten lässt.

Als zweites wird der Begriff der „atypischen Beschäftigung“ erläutert, welcher alle anderen Arbeitsverhältnisse beschreibt, die nicht der normierenden Normalarbeit entsprechen.

Danach erfolgt die Klärung der Herkunft des Work Life Balance Konzeptes. Das eng gefasste Konzept zur familienfreundlichen Personalpolitik und die weiter gefasste Definition von Opaschowskis als Balance zwischen diversen Einflussfaktoren werden genannt.

Nachdem die Alleinselbständigkeit im Kulturberuf beschrieben wurde, wird auf die Differenzierbarkeit von „Arbeit“ und „Tätigkeit“ eingegangen. Zuletzt wird dann erläutert dass es viele Arten von Prototypen geben kann und damit auch die Relevanz dieses Begriffs für die Entwicklung des Arbeitsmarktes hervorgehoben.

2.1 Kultur und Arbeit

Das Wort Kultur beschreibt nach Hejl sowohl den Prozess, als auch das Ergebnis. Sie ist also Ursprung und Ziel zugleich. Kultur wird weiterhin „bei den Enzyklopädisten, im Sinne der Aufklärung als Höherentwicklung zu Selbständigkeit, Freiheit, Frieden, Abschaffung der Sklaverei und Sieg über Armut verstanden“ (Hejl, S.357).

Hansen beschreibt in Zusammenhang mit der Erklärung des Begriffs Kultur, Kultur bedeute, dass „Gewohnheiten (...) für eine bestimmte Gruppierung oder einen bestimmten Bereich typisch sind“ (Hansen, 1995, S.11). Kultur meine weiterhin eine „Veränderung der äußeren und inneren Natur durch Arbeit“. Mit „innerem“ meint er die Natur im Menschen selbst. Zudem die „Zähmung der Leidenschaften oder, moderner formuliert, die Disziplinierung der Triebe und Egoismen“ (Hansen, 1995, S.13). Dies stimmt insoweit mit den Formulierungen Hejls überein, als auch zur eigenen Disziplinierung gewisse altruistische Ziele nötig sein können.

In der Zeit von 1850 bis 1880 wurde der Begriff durch Pestalozzi synonym mit Zivilisation verwendet. Dies geschah, als man die Industrialisierung noch positiv bewertete. Als sich jedoch negative Konsequenzen in Deutschland bemerkbar machten und die Industrialisierung kriselte und dadurch Menschen in Armut gestürzt wurden, wurden die beiden Begriffe als Antithesen gefasst. Heute werden beide Begriffe wieder synonym verwendet. Jedoch wird der Kulturbegriff von Geisteswissenschaftlern teilweise auf Kunst und Literatur beschränkt. Hejl zufolge werde man damit dem wissenschaftlichen Kulturbegriff nicht gerecht. So müssten Bereiche wie Bildung, Wissenschaft oder Technik, ebenso aber auch die Gestaltung von Städten oder Produkten eingeschlossen werden (Hejl, S.358). Kultur umgibt uns permanent, ist Basis unseres Handelns und zugleich kann unser Tun die Kultur beeinflussen und ändern. Auch bei der Arbeit stehen die Subjekte in einer kulturellen Beziehung zueinander.

Vereinfachend spricht Hansen in Zusammenhang mit der Definition des Kulturbegriffs von der „Gesamtheit der Gewohnheiten eines Kollektivs“. Er sieht diese als grenzen- und zeitlos an. Denn die Gesellschaft würde immer mehr zersplittert und es entstünden ständig neue Kollektive und „neue Arten des lifestyle“, da alles schnellebiger werde (Hansen, 1995, S.15). Diese Veränderungen sind auch am Arbeitsmarkt spürbar. Daher wird nun das Phänomen der atypischen Beschäftigung definiert.

2.2 Atypische Beschäftigung

Unter „atypischer Beschäftigung“ versteht Schäfer sämtliche Beschäftigungsverhältnisse, die nicht einem Normalarbeitsverhältnis entsprechen. Dies seien (Schäfer, 2001, S.6ff.):

- Teilzeitarbeit
- Selbständigkeit
- Befristete Beschäftigung
- Zeitarbeit

Bei der obigen Nennung spricht Schäfer von „freiwillig Selbständigen“, die auch Unternehmer sein könnten. Unfreiwillige Selbständige, also solche, die aus der Not heraus eine Selbständigkeit annehmen, oder Scheinselbständige schliesst er hiervon kategorisch aus (Schäfer, 2001, S.13).

Ein Normalarbeitsverhältnis ist, der Definition nach, eine unbefristete Vollzeitstelle, die nicht als selbständige Tätigkeit ausgeführt wird (Schäfer, 2001, S.19). Mückenberger ergänzt noch, dass dieses Arbeitsverhältnis nicht nur unbefristet und unselbstständig sei. Es definiere sich auch darüber, dass „ein Angestellter“ einen geregelten Lohn für eine Tätigkeit bei „einem Arbeitgeber“ erhalte, bei dem er abhängig beschäftigt sei. Damit unterliege er dessen alleiniger Weisungsgewalt und gliedere sich in die betrieblichen Strukturen ein. Walwei fügt dem noch hinzu, dass Normalarbeitsverhältnisse der Sozialversicherungspflicht unterliegen müssen, um als solche zu gelten. Sie müssen von Stabilität und längerer Dauer gekennzeichnet sein, weil für viele Arbeitnehmer das Normalarbeitsverhältnis die einzige Einkommensquelle darstellt und sie daher vom Arbeitgeber besonders abhängig sind (Mückenberger, 2004, S.247ff.). Im Folgenden wird der Begriff Work Life Balance definiert, welcher sich in erster Linie in Zusammenhang mit einer abhängigen Beschäftigung entwickelt hat.

2.3 Work Life Balance

Das Konzept der Work Life Balance, oder auch „Work-Life-Balance“ hat seinen Ursprung in den USA (Asgogom, 2002, zit. nach: Klimpel/Schütte, 2006, S.24). Vor dem Hintergrund der Globalisierung und demografischer Entwicklungen, dem Faktor der erhöhten Anzahl gut ausgebildeter Frauen, die in den Arbeitsmarkt drängten, sowie dem höheren Grad der Individualisierung der Lebensentwürfe (Single- Haushalte, Kinderlose Doppelverdiener, Kind betreuende Väter) entstand anfangt der 1990er Jahre die Notwendigkeit zur Entwicklung eines „Work-Life-Balance-Konzeptes“. Damit war „familienbewusste Personalpolitik“ und Frauenförderung der Weg in die Unternehmen geöffnet worden (Badura/Vetter, 2004, zit. nach: Klimpel/Schütte, 2006, S.24). Opaschowski definiert, dass hiermit eine Balance zwischen „Arbeit und Leistung“, „Gesundheit und Wohlbefinden“, „Familie und Soziales“, „Sinn und Kultur“ gegeben sein müsse (Opaschowski, 2004, S.444). Im Gegensatz zu einem im Unternehmenskontext eingebundenen Angestellten wird im Folgenden die Gruppe derer betrachtet, die auf selbständiger Basis in Kulturberufen tätig sind.

2.4 Alleinselbständige in Kulturberufen

In unserer heutigen Welt besteht eine grosse Anzahl an Kleinstunternehmen, die in Netzwerken zusammenschlossen agieren. Darüber hinaus sind, gerade im Kunst- und Kultursektor, viele Ein- Personen-Unternehmer tätig. Filme werden beispielsweise in der Form hergestellt, dass in einem Projekt viele Alleinselbständige (also Regisseur, Kameraleute, Produzent, Schauspieler, Beleuchter, etc.) für die Realisierung etwa eines Kinofilmes oder Fernsehstücks zusammenkommen. Nach dessen Fertigstellung gehen sie wieder auseinander und finden in einer neuen Konstellation wieder zusammen (Malone, 1998, S.12). Diese Form der Arbeitsteilung beschreibt Malone als in anderen Industriezweigen ebenfalls geläufig und mit hoher Ausdehnungswahrscheinlichkeit.

Berufliche Selbständigkeit lässt sich aus dem § 7 Abs. 1 des vierten Sozialgesetzbuchs herleiten (SGB IV). In diesem sind Definitionen enthalten, wodurch sich eine abhängige Beschäftigung zu einer selbständigen Tätigkeit abgrenzen lässt. Wird eine selbständige Tätigkeit aufgenommen, spricht man auch von Existenzgründung (o.V. I, 2009, ohne Seite).

Selbständige Arbeit definiert sich über die Festlegung des Gegenteils der abhängigen Beschäftigung. Es sind in den Jahren 1961, 1977, 1981 beispielhaft Gerichtsurteile ergangen, um eine Abgrenzung zu bestätigen. So bestehe ein „typisches Merkmal eines Beschäftigungsverhältnisses“ darin, dass der Arbeitgeber eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Arbeitnehmer innehat. Ihm obliegt „ein Direktionsrecht, aufgrund dessen der Beschäftigte seine Tätigkeit nicht im wesentlichen selbst bestimmen kann, sondern hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeit einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt“ (o.V. I, 2009, ohne Seite). Details werden im Allgemeinen im Arbeitsvertrag geregelt. Letzterer kann von Rahmenvereinbarungen, wie etwa Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, o.ä., tangiert sein.

Ein Alleinselbständiger hat die Sicherheit des Angestellten nicht. Er kann sich nicht auf Rahmenbedingungen und -vorgaben zurückziehen. Das bedeutet auch, dass er allein die Verantwortung für seine Entscheidungen und sein Handeln trägt. Mit all den wirtschaftlichen und andersartigen Vor- und Nachteilen.

2.5 Arbeit vs. Tätigkeit

Begrifflich stammt Arbeit vermutlich aus dem Mittelhochdeutschen: „arebeit, arbeit = Mühe, Beschwernis, Leiden“. Eine gemeinsame Herkunft wird angenommen im Altkirchenslawischen. Dort beschreibe pa6owa (rabota: Mühsal, Sklaverei)“ (o.V. III, 2009, ohne Seite). Das Altkirchenslawisch ist die älteste slawische Schriftsprache und entstand um das Jahr 860 hauptsächlich als sakrale Sprache und Schrift. (o.V. IV, 2009, ohne Seite). Die Bedeutung der Arbeit als Tätigkeit, die der Erzielung eines Entgeltes dient, war also in den frühen Zeiten noch nicht bedeutsam.

Übertragen in unsere Zeit beschreibt das Bertelsmann Lexikon wie folgt: Arbeit wird als „jede zweckbestimmte Tätigkeit zur Befriedigung materieller oder geistiger Bedürfnisse des Einzelnen oder der Gemeinschaft“ beschrieben. Zugleich beschreibt das Wort das Ergebnis dieser. (Lexikographisches Institut München I, S.532). Differenziert man die Bedeutung des Wortes nach dem Verständnis der Sozialwissenschaften, so wird Arbeit in „bezahlte Erwerbstätigkeit“ und „Reproduktionsarbeit“ unterschieden (o.V. II, 2009, ohne Seite). Unter letzterer, die auch als „personenbezogene Eigenarbeit“ bezeichnet wird, versteht man die Haus- und Familienarbeit (Erziehung der Kinder, Planung- und Organisation des Familienlebens, Pflege älterer Familienmitglieder), welche zu einem Grossteil auch heute noch von Frauen erledigt wird. Gleichgültig, ob diese berufstätig sind, oder nicht. Man müsse diese Art von unbezahlter Tätigkeit gesellschaftlich aufwerten, zu der auch noch das „gemeinschaftsbezogene, bürgerschaftliche Engagement“ als dritte Grösse neben Erwerbs- und Eigenarbeit gezählt werden müsse (Mutz, 1998, S.89).

Durch Zielsetzung und Planmässigkeit unterscheide sich die Arbeit etwa von Sport und Spiel. Im Geschichtsverlauf verachteten die antiken Völker insbesondere körperliche Arbeit und übertrugen sie Sklaven. Mit der Entwicklung des christlichen Abendlandes wurde die Arbeit zur wesentlichen Grundlage sittlicher Lebensführung. In der Renaissance wurde die Arbeit nach wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Nutzen für die Gesellschaft bewertet. Im Kapitalismus wird hauptsächlich der ökonomische Wert einer Arbeit für deren Bewertung herangezogen. (Lexikographisches Institut München I, S.531f.). Soziologisch gesehen gelte die Arbeit als grundlegendes Element des gesellschaftlichen Lebensprozesses und als ein Hauptfaktor seiner Entwicklung (Lexikographisches Institut München I, S.532).

Bourdieu formulierte in dem Zusammenhang seine Habitus Theorie. Demnach sei dieser ein Vermittler zwischen der Struktur und der Praxis. Eine Struktur präge bestimmte Dispositionen, welche bei Gruppen oder Individuen zu praktischen Handlungen führten. Daraus würde eine „strategische Praxis“. Bourdieu lehnt sich an die Schriften von Marx an und sieht letztlich sämtliches Handeln einem wirtschaftlichen Ziel unterworfen. Er formuliert es wie folgt: „alle Handlungen, und selbst noch jene, die sich als interesselose oder zweckfreie, also von der Ökonomie befreite verstehen, [sind] als ökonomische, auf die Maximierung materiellen oder symbolischen Gewinns ausgerichtete Handlungen zu begreifen" (Bourdieu, 1979, S.357). Demnach gäbe es also keine Differenzierung zwischen Arbeit und Tätigkeit, weil letztlich alles einem ökonomischen Ziel unterworfen ist.

Für diese Arbeit ist die frühe Erkenntnis Marx‘ und die Interpretation Bourdieus insoweit interessant, als dass bei einem selbständig Tätigen eine klare Trennung von ökonomisch relevanten und irrelevanten Handlungen nicht in dem Masse gegeben ist, wie dies bei einem Angestellten der Fall ist.

2.6 Prototyp

In der Technik stellt ein Prototyp (v. griech.: nqmıoç protos = der erste) ein für die jeweiligen Zwecke funktionsfähiges, oft auch vereinfachtes Versuchsmodell eines geplanten Produktes oder Bauteils dar. Ein Prototyp dient oft als Vorbereitung einer Serienproduktion, kann aber auch als Einzelstück konzipiert und darauf beschränkt bleiben. Der Begriff Prototyp wird für ein seriennahes Gerät verwendet, welches in Form, Gestalt und Bedienung (Form, Fit, Function) einem Endprodukt weitgehend ähnlich ist. Da die Entwicklung und Herstellung eines einzigen Gegenstandes deutlich teurer ist als ein Serienbauteil, wird heute auch vieles durch Simulation und Berechnung digital erprobt. Auch Dienstleistungen und bestimmte Kommunikationsmassnahmen können in Form von Prototypen getestet werden, z.B. im Rahmen eines so genanten „Service Design Projektes“. (o.V. VIII, 2009, ohne Seite).

Daran anbindend gab es auch in Hinblick auf soziologische Aspekte immer wieder eine Art Prototyp für gesellschaftliche und ökonomische Aspekte. Vorreiter bei der Industrialisierung war beispielsweise England mit der Entwicklung der Dampfmaschine. Durch Adaption und Weiterentwicklung der Technik hielt auch in Deutschland die Technisierung Einzug und eine andere Epoche brach an. Auf die heutige Situation übertragen bedeutet dies, dass im Zeitalter der Wissens- und Kulturgesellschaft ebenfalls bestimmte Sachverhalte als prototypisch angesehen werden können.

3 Forschungsmethodologie

Es gibt eine breite Anzahl an wissenschaftlichen Methoden, sich einem Forschungsgegenstand anzunähern. Flick beschreibt deren Auswahl als „Forschungsdesign“, welches „stimmig“ sein sollte (Flick, 2007, S136). Er verweist auf den Zuschnitt der Fragestellung unter anderem unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen. Flick schreibt dazu „Forschungsdesigns lassen sich als Mittel beschreiben, Studien sinnvoll zu planen und deren Ziele zu erreichen. Darin werden Theorierahmen, Fragestellung, Forschungs-, Generalisierungs-, und Darstellungsziele mit den verwendeten Methoden und verfügbaren Ressourcen unter dem Fokus der Zielerreichung zusammengebracht“ (Flick, 2007, S136). Die Umsetzung ist also eine Summe der Abwägung der Faktoren, um das Thema methodisch richtig zu erschliessen. Nachstehende Abbildung zeigt die Faktoren, welche bei der Entscheidung für einen Forschungsansatz eine Rolle spielen können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Auswahl der Forschungsmethode (Flick, S.177)

Bezogen auf diese Arbeit war die Zielsetzung, eine qualitative Aussage zu der Fragestellung „Sind Alleinselbständige in Kulturberufen prototypisch für die neue Tätigkeitsgesellschaft?“ Dafür wurde ein Vergleich dieses Personenkreises mit solchen, die im Dienstleistungssektor arbeiten, angestrebt. Ein Anspruch auf Generalisierung der These spielte für die eigenen Untersuchungen nur eine untergeordnete Rolle. Um dies zu leisten, hätte eine grössere, repräsentative Stichprobe gewählt werden müssen.

Unter Kenntnis der Methoden und mit der auf eine Person beschränkten Ressourcenlage ist die Auswahl der angewendeten Interviewmethodik erfolgt. Zunächst erfolgt eine Beschreibung der Methode „Leitfadeninterview“. Sodann wird auf die Entwicklung der Fragestellungen eingegangen und der Fragebogen vorgestellt, welcher als Basis für die Interviews diente. Nach dem Abschnitt zur Auswahl der Interviewpartner wird unter „Transkription und Auswertung“ beschrieben, wie das Datenmaterial für die Auswertung vorbereitet wurde.

3.1 Leitfadeninterview

Das Interview ist die häufigste angewandte Methode zur Gewinnung von Informationen (Reinecke, 1991, S.11). Dies ist jedoch schon der kleinste gemeinsame Nenner, den alle Sozialwissenschaftler vertreten. Aus den Überlegungen über das „richtige“ Interview hat sich eine Vielzahl von Darstellungen, Techniken und Stilen des Interviews herausgebildet. Grund dieser Diversifikationen ist - auch indirekt - der Umgang mit dem Problem des Interviews als sozialer Beziehung. Wie jede Art der Kommunikation birgt auch das Interview einige Fehlerquellen, so dass der Forscher nicht zu der Information kommen könnte, die er eigentlich haben möchte. Zwar ähnelt die Interviewsituation einem Alltagsgespräch, bleibt aber nie frei von einer gewissen Künstlichkeit (Scholl, 1993, S.13). Dabei könne das Leitfadeninterview einen Trumpf ausspielen. Denn es strukturiert die Interviews und macht sie inhaltlich vergleichbar. Wenn „konkrete Aussagen über einen Gegenstand“, hier die Frage nach der persönlich empfundenen Balance von Beruf und (Frei-) Zeit „Ziel der Datenerhebung sind, ist ein Leitfadeninterview der ökonomischere Weg“ (Flick, 2007, S.224).

Ein weiterer Vorzug eines Leitfadeninterviews wird von Flick deutlich gemacht. So sei die Gestaltung der Interviewsituation wesentlich freier, als bei standardisierten Interviews auf Basis von Fragebögen. Die eigene Sichtweise des befragten Interviewpartners kämen so eher zur Geltung (Flick, 2007, S.194). Eben diese persönliche Perspektive der Interviewten ist als Schwerpunkt dieser Ausarbeitung definiert worden.

Zwar sollte bei einem Leitfadeninterview die Situation möglichst darauf verwendet werden, dass der „Leitfaden flexibel gehandhabt wird“, um den Interviewten in der freien Darlegung seiner Sichtweisen zu unterstützen. Der Leitfaden solle aber auch dazu dienen, dass im Verlauf des Gesprächs nicht tiefgreifend erörterte Themen durch den Interviewer wieder aufgegriffen werden können. Dabei solle dem interviewten Subjekt genügend Freiraum für die Adressierung eigener Themen gegeben werden. Dadurch würde die Akzentuierung des Inhalts personenbezogener. Zudem würde vermieden, dass „die Breite des Spektrums“ des abgefragten Inhaltes zu sehr ausgedehnt würde und „durch Oberflächlichkeit ersetzt wird“. Die erfolgreiche Durchführung solcher Interviews hänge im Wesentlichen von der situativen Kompetenz des Interviewers ab. Eine Sicherheit darin könne durch Probeinterviews oder Interviewtrainings erhöht werden (Flick, 2007, S.196ff.). Die Durchführung von Probeinterviews wurde für diese Arbeit als nicht erforderlich angesehen.

3.1.1 Entwicklung der Fragestellungen

Der Formulierung der Fragestellungen wird ein hoher Wert beigemessen. So sei dies ein „zentraler Schritt, von dem der Erfolg qualitativer Forschung wesentlich abhängt“ (Flick, 2007, S.132f.). Dabei sei neben der Theorie und den Hypothesen der Forschungsarbeit auch die Person des Forschers wichtig. Dessen Biografie, sein sozialer und historischer Kontext und persönliche Interessen beeinflussten die Schwerpunkte in der Fragestellung.

Die Fragen, welche als Grundlage und Leitfaden des Interviews dienen, sollten sowohl offene Fragen, als auch hypothesengeleitete Fragestellungen enthalten. Bei ersteren wird dem Interviewten die Chance gegeben, sein „unmittelbar verfügbares Wissen“ (Flick, 2007, S.203) zu der Fragestellung abzurufen und entsprechend zu antworten. Der zweite, Fragenkomplex solle auf der Theorie basieren und entsprechende Vorannahmen des Forschers beantworten. Dadurch würde das „implizite Wissen“ (Flick, 2007, S.204) des Befragten abgerufen und protokollierbar.

Der Interviewleitfaden ist im Anhang enthalten.

3.1.2 Auswahl der Interviewpartner

Ein Interview erfordert ein hohes Mass an Aufeinanderzugehen, oder, wie Flick es bezeichnet „Sich-Einlassen vom untersuchten Objekt und Forscher“ (Flick, 2007:S142). Daher ist die Wahl der Interviewparter auch davon abhängig, inwiefern dies gegeben ist. Weiterhin soll der Interviewte dem „zu untersuchenden Feld“ entstammen, also aus einer Personengruppe kommen, für welche die Fragestellung relevant ist. Bei der persönlichen Fragestellung nach dem Empfinden der erlebten Work- Life-Balance kann man hier von „Biographieträgern“ (Schütze, zit. nach Flick, 2007, S.143) als zu befragende Subjekte sprechen. Beim „Zugang zu Einzelpersonen“ erweist sich zunächst „das Problem der Erreichbarkeit“ (Flick, 2007, S.148). Als weiteren Punkt gilt es zu beachten, dass nicht nur die Bereitschaft bestehen muss, sondern dass sich daraus auch „konkrete Interviews“ ergeben müssen, welche dann zu auswertbaren Daten führten (Flick, 2007, S.143). In der vorliegenden Arbeit waren ähnliche Phänomene zu beschreiben. Von den angefragten Personen zeigten sich letztlich nur drei bereit, ein Interview zu geben.

Von einer Person wurden die Fragen des Interviewleitfadens per eMail beantwortet und entsprechend eingearbeitet.

Zwei Interviewpartnerinnen haben einen kulturwissenschaftlichen Abschluss und arbeiten auch im Kulturbereich. Dabei ist eine abhängig beschäftigt, die andere freiberuflich tätig; letztere erfüllt also die Kriterien der Alleinselbständigkeit. Ein Interviewpartner arbeitet in einemmittelständischenLogistikunternehmen.Dieser Dienstleistungsbereich, der von hoher Leistung und geringer gewerkschaftlicher Organisation gekennzeichnet ist, ähnelt in gewissem Masse einem möglichen, zukünftigen Profil eines angestellt Tätigen.

Die vierte befragte Person, welche den Interviewleitfaden kommentiert zurücksandte, arbeitet als Angestellter in einem grossen Unternehmen der Werberbranche. Auch diese ist von hoher Flexibilität gekennzeichnet.

Die Parameter der Stichprobe stellen sich wie folgt dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Parameter der Stichprobe (eigene Darstellung)

Nachdem die Auswahl der Interviewpartner dargelegt wurde, erfolgt nun die Beschreibung der Verschriftlichung der Mini-Disc Tonbandaufzeichnungen als Basis für die spätere Auswertung.

3.1.3 Transkription und Auswertung

Transkription bezeichnet in der qualitativen Sozialforschung das Verschriftlichen von gesprochener Rede, die auf Video- oder Tonträgern aufgezeichnet wurde. Für die spätere Kodierung und Inhaltsanalyse ist es nötig, das vorliegende Datenmaterial aus ihrem auditiven bzw. audio- visuellen Urzustand in Schriftform zu überführen. Dafür gibt es unterschiedliche Transkriptions-Verfahren, um auch non-verbale Informationen - wie zum Beispiel Tonfall und Sprechlautstärke - zu erhalten. Abhängig vom Transkriptions-Verfahren werden dabei immer auch Informationen vernachlässigt. Die Transkription bedeutet somit auch schon eine Interpretation der Daten. Je nach geplanter Auswertungsmethode kann die Transkription beispielsweise eher sinngemäss erfolgen oder aber auch sehr präzise, d. h. unter Berücksichtigung von Versprechern, Verzögerungslauten, Pausen etc. (Mayring, 1990, S.63ff.). Flick weist darauf hin, dass bei der Transkription der Interviews ein Vielfaches der eigentlichen Interviewzeit eingeplant werden müsse. Sicherheitshalber rät er zu einer Versechsfachung, was einen grossen Einfluss auf die Projektplanung der Forschungsarbeit hat. Auch die Wahl des Aufzeichnungsgerätes sei entscheidend für die Durchführbarkeit und Auswertbarkeit eines Leitfadeninterviews (Flick, 2007, S.176). Wie bereits in Kapitel 3 beschrieben, war die Ressourcenlage ein ausschlaggebender Faktor für die Wahl der Leitfadeninterviews als Methode und die Begrenzung der Interviewanzahl. Dadurch wurde die nachgelagerte Transskriptions- und Auswertungszeit optimiert.

Ziel der Interviews war es, eine möglichst freie Meinungsäusserung der Interviewten abbilden zu können. Für diese Arbeit wurden Personen- und Unternehmensdaten zum Schutz der Interviewpartner anonymisiert. Als Befragende habe ich meine Initialen (JS) vor die Fragen geschrieben. Aus der fortlaufenden Nummerierung der Interviews ergibt sich für die Antworten die Benennung I1 bis I3. Die vierte befragte Person hat den Fragebogen per eMail zugesandt. Daher entfällt hier eine Nummerierung mittels Ix. Allerdings wurde die Nomenklatur insoweit beibehalten, als dass auch hier von einem Interviewpartner gesprochen wird. Dies spiegelt sich auch in den Verweisen so wider. Die Transkriptionen der Interviews und der beantwortete Fragebogen liegen der Verfasserin vor, sind jedoch in der veröffentlichten Ausgabe nicht anhängend.

4 Von der Industrie- zur Wissens- und Kulturgesellschaft

Wir befinden uns seit einigen Jahren auf dem Weg zur Wissens- und Kulturgesellschaft. Die Globalisierung ist die weltweite Rahmenbedingung für die Beschleunigung der Veränderung. Liedtke schrieb bereits in 1998, dass „bereits heute (...) die Buchungen von großen Luftfahrtgesellschaften in Indien vorgenommen [werden, oder] (...) internationale Auskunftsdienste von kontinentaleuropäischen Firmen ihren Sitz in Irland [haben]“. Die Spitze der Aufgabenteilung und Virtualisierung bilde eine Ein-Personen-Unternehmung, welche für jeden Wunsch eines Kunden erneut eine virtuelle Organisation aufbaue (Liedtke, 1998, S.62). Im Folgenden soll zunächst die Sektorentheorie der zyklischen Betrachtungsweise Kondratjews gegenübergestellt werden. Die sektorale Betrachtung scheint eindeutiger und um daher auch für statistische Zwecke herangezogen zu werden. Die zyklische Analyse Kondratjews stellt anhand von Basisinnovationen die gesellschaftliche und kulturelle Veränderung heraus. Daher wird Kondratjew bei vielen sozial- und kulturwissenschaftlichen Untersuchungen zitiert. Dann erfolgt die Darstellung des gesellschaftlichen Wandels anhand von Faktoren wie Wertewandel, Menschenbild, des demografischen Aspekts und den Auswirkungen eines geänderten Rollenverständnisses. Damit einhergehend wird der Übergang von der Agrargesellschaft zum Post-Fordismus erläutert. Sodann werden die resultierenden Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt dargestellt und belegt, dass die Kultur durchaus als Jobmotor zu bezeichnen ist. Zuletzt wird das Phänomen der Entgrenzung und Subjektivierung der Arbeitswelt beschrieben.

4.1 Sektorentheorie vs. Kondratjewzyklus

Die Benennung der einzelnen Abschnitte der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung wurde und wird zumeist ex post festgeschrieben. Denn erst nach mit weitem Fortschritt oder nach Abschluss einer Periode stehen die Inhalte, Hauptziele und Erkenntnisse zur Verfügung. Für die vorliegende Arbeit sollen zwei bedeutende Theorien beleuchtet werden. Einige Wissenschaftler beziehen sich auf die sektorale Einordnung, andere, wie etwa Kastner, Genkova, und weitere, stützen sich auf die zyklische Wellentheorie Kondratjews.

Die Sektoralisierung der Wirtschaft. Zunächst wurde diese in den 1930er Jahren als Drei-Sektoren-Hypothese von den britischen Wirtschaftswissenschaftlern Fisher und Clark entwickelt. Diese stützten sich auf die Aussagen William Pettys, welche dieser bereits im Jahr 1690 tätigte. In Deutschland wurde Clarks und Fishers Theorie durch die Übersetzung Jean Fourastiés bekannt.

Demnach sei eine Volkswirtschaft zunächst in drei Sektoren differenzierbar (o.V. VII, 2009, ohne Seite):

1.Primärsektor (Rohstoffgewinnung / Urproduktion)
2.Sekundärsektor (Rohstoffverarbeitung / Industrieller Sektor)
3.Tertiärsektor (Dienstleistung)

Das statistische Bundesamt arbeitet nach wie vor nach der Drei-Sektoren- Hypothese. Es beschreibt weiterhin das Vorgehen einer Subsummation der weiteren Sektoren unter dem Tertiären nach dem „Prinzip der Ähnlichkeit“ welches in 2003 als „Klassifikation der Wirtschaftszweige“ dokumentiert wurde (bpb II, 2009, S.16).

Im weiteren Verlauf kann eine weitere Ausdifferenzierung vorgenommen werden (o.V. VI, 2009, ohne Seite):

4. Quartärsektor (Informationssektor)
5. Quintärsektor (N.N.)

Eine weitere Möglichkeit, die vorherrschenden Entwicklungen einzuordnen, hat der russische Wissenschaftler Nikolai Kondratjew im Jahr 1926 in der Berliner Zeitschrift „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ im Rahmen seines Aufsatzes „Die langen Wellen der Konkjunktur“ vorgestellt. Er beschreibt darin, dass sich die Konjunktur in 40 bis 60 Jahren dauernden Wellenbewegungen unterzieht. Dafür belegte er empirisch Daten aus Deutschland, England, Frankreich und den USA. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung konnte Kondratjew zweieinhalb solcher Wellenbewegungen feststellen. Er ging davon aus, dass sich beginnend mit den 1920er Jahren eine weitere Welle in Richtung Abschwung neigte. Dies traf mit dem Börsenzusammenbruch und der Weltwirtschaftskrise auch zu. (o.V. XI, 2009, ohne Seite)

Schumpeter hat die empirischen Analysen Kondratjews aufgegriffen und die langen Zyklen erstmals als Kondratjew-Zyklen benannt. In Angleichung an westliche Schreibstile nannte er diese jedoch Kondratjeffzyklen (Stiller, 2005, S.62). Auch in den zyklischen Analysen werden die Veränderungen von Rohstoffgewinnung und -verarbeitung, Gold- und Geldfluss, Wirtschaftsleistung, Beschäftigungsformen oder auch Kriege widergespiegelt. Durch die weit gefassten Analyseumfänge ordnet Schumpeter die Kondratjew-Zyklen als „gesamtgesellschaftliche Vorgänge“ beschreibend ein. Schumpeter sieht bedeutende Innovationen als Auslöser für neue Wellen an. (Stiller, 2005, S.63f.). Im Folgenden sind die Zyklen tabellarisch aufgeführt (Stiller, 2005, S.69ff.), (Kastner, 2004, S.7)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2 :Kondratjewzyklen (eigene Darstellung)

Neigt sich ein Zyklus dem Ende zu und es ist noch keine Basisinnovation vorhanden, welche für einen neuen Auftrieb sorgt, sind Kennzeichen wie Arbeitslosigkeit, Überkapazitäten, Preisdruck und hoher Wettbewerbsdruck deutlich (Stiller, 2005, S.97). Übertragen auf den noch andauernden fünften Kondratjewzyklus kann man diese Entwicklung im Markt der Telekommunikation oder etwa der Computerhersteller beobachten. Ständig sinkende Preise und ein hoher Wettbewerb geht hier zusammen mit Abbau von Arbeitsplätzen, meist bei etablierten Unternehmen, etwa der Deutschen Telekom. Gleichzeitig wurden die Gewinne durch gesunkene (Personal-) Kosten immens gesteigert. Und das trotz der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Lage (o.V. XIII, 2009, ohne Seite).

Bezogen auf den fünften Zyklus müsse die Entwicklung der Informationstechnologie als Basisinnovation verstanden werden, welche als Mittel dazu eingesetzt werden, die Fertigungs- und Produktionstechniken und -prozesse zu verbessern. Damit stiegen die Produktivität der Erzeugerbetriebe, wodurch die Veränderung zum Informationszeitalter erreicht würde (Stiller, 2005, S.103).

Die Entwicklung hin zur Wissens- und Kulturgesellschaft im sechsten Kondratjew (vgl auch Kapitel 4.4.1 Bildungsniveau) hat weitreichende Wirkungen auf den Arbeitsmarkt sowie die damit verbundenen Qualifikationsanforderungen und erfordert daher eine ganzheitliche Betrachtungsweise des gesamten Wirtschaftssystems (Stiller, 2005, S.108). Die Wechselwirkungen werden durch Mangold beschrieben als „zwischen wissenschaftlichen, technischen, psychologischen und geistigen Veränderungen“ welche synergetisch aufträten. Und weiter „Das Ganze wirkt wie ein aufschaukelnder Regelkreis, als Ergebnis entsteht die Informationsgesellschaft (Wissensgesellschaft)“ (Mangold, K., zit. nach: Stiller, 2005, S.108). Technologisch gesehen seien mehrere Felder entscheidend. So werden Bio-, oder auch Nanotechnologie für Innovationsschübe sorgen (Stiller, 2005, S.116). Aber auch Themen wie Umwelt, Gesundheit und Lebensqualität erlangten zunehmend Bedeutung (Kastner, 2004, S.7). Kastner bezieht sich, ähnlich wie Genkova darauf, dass wir uns derzeit im sechsten Kondratjew-Zyklus befinden, der geprägt ist von neuen Arbeitsbeziehungen und - bedingungen (Genkova, 2007, S.227). Der Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft ist von strukturellem Wandel begleitet. Die daraus entstehende Wissens- und Kulturgesellschaft ist bestimmt durch neue Arbeitsbedingungen, woraus neue Anforderungen an Unternehmen und Mitarbeiter hervorgehen (Henning/Sanders zit. nach: Genkova, 2007, S.237). Allerdings sind die Auswirkungen auch für diejenigen präsent, die etwa als Selbständige in den gemeinsamen Wettbewerb mit den abhängig Beschäftigten und Dienstleistern treten; alle können ein ähnliches Leistungsspektrum anbieten. Die Rahmenbedingungen sind jedoch verschieden.

4.2 Gesellschaftlicher Wandel

Wohin driftet die Gesellschaft? könnte man in Anlehnung an den Buchtitel von Senghas-Knobloch die Fragestellung formulieren. Denn es gibt seit Ende der 1990er Jahre wieder ein verstärktes Interesse an kulturwissenschaftlicher Untersuchung der vorherrschenden Phänomene.

Im Folgenden soll zunächst der Wertewandel beschrieben werden, der in der Nachkriegszeit vorherrschte. Dann wird im Kapitel Menschenbild aufgezeigt, wie durch die Human-Relations-Bewegung ein Mentalitätswechsel eingeleitet wurde. Abschliessend soll die demografische Entwicklung angerissen werden und der Zusammenhang mit einem geänderten Rollenbild dargelegt werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 111 Seiten

Details

Titel
Work - Life! Balance? Alleinselbständige in Kulturberufen prototypisch für die neue Tätigkeitsgesellschaft?
Untertitel
Eine vergleichende Darstellung mit dem Dienstleistungssektor
Hochschule
Universität Bremen
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
111
Katalognummer
V152232
ISBN (eBook)
9783640641604
ISBN (Buch)
9783640642182
Dateigröße
1463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Work, Life, Balance, Alleinselbständige, Kulturberufen, Eine, Darstellung, Dienstleistungssektor, Entfremdung, Dienstleistungsgesellschaft, Tätigkeitsgesellschaft, Selbständigkeit, Flexibilisierung, Arbeitsmarkt, Normalarbeit, Wissensgesellschaft, Arbeitsmarktentwicklung, Beschäftigung, Berufung, Prototyp, Work-Life-Balance, Thema Work-Life-Balance
Arbeit zitieren
Jessica Scheffold (Autor:in), 2009, Work - Life! Balance? Alleinselbständige in Kulturberufen prototypisch für die neue Tätigkeitsgesellschaft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152232

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Im eBook lesen
Titel: Work - Life! Balance? Alleinselbständige in Kulturberufen prototypisch für die neue Tätigkeitsgesellschaft?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden