Eine Analyse von Hölderlins "Nachtgesängen"


Hausarbeit, 2010

20 Seiten


Leseprobe

Inhalt

Hölderlin, Leben und Werk

Hölderlin – Deutschland – Griechenland

Odenform

Nachtgesänge – allgemein

Nachtgesänge – Inhalt

Nachtgesänge – Schlussfolgerung

Hälfte des Lebens – allgemein

Hälfte des Lebens – Form und Inhalt

Hälfte des Lebens – Schlussfolgerung

Rezeption in der Musik – allgemein

Rezeption in der Musik – in den Niederlanden

Empfehlungen für weitere Studien

Literatur

»Einer ging im Schwunge noch über Schiller hinaus, Goethe meinte, er ginge zu weit, ... doch war es nicht so, es war nur ein Hinüber, ein neuer, unbefahrener Ozean, sein eigenes Gemüt. Ich rede von Hölderlin und seinem Hyperion ...«

Hugo von Hofmannstal.

Hölderlin, Leben und Werk

Friedrich Hölderlin wurde am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar geboren. In 1772 stirbt sein Vater und in 1779 sein Stiefvater. Das alles hat Hölderlin tief beeindruckt; noch in 1799 schrieb er seine Schwermütigkeit dem täglichen Verdruss seiner Mutter zu. Seine Mutter war die Tochter eines Pfarrers und der Junge wurde religiös erzogen. Die Familie bestimmte ihn zum Pfarrer und er besuchte das Priesterseminar in Maulbronn.

1786 Verlobt sich mit Luise Nast; diese Bindung wurde drei Jahre später gelöst.

1788 – 1793 Studiert am Tübinger Stift, Zentrum des evangelischen Pietismus in Deutschland und ist mit F.W.J. von Schelling und G.W.F. Hegel befreundet.

1793 – 1794 Hauslehrer bei Charlotte von Kalb in Waltershausen auf Empfehlung von Schiller, weil Hölderlin sich nicht zum Pfarrer berufen fühlte. Wegen einer Liebesbeziehung musste er das Haus verlassen.

1794 Besuch der Universität in Jena.

1796 – 1798 Hauslehrer bei dem Bankier Gontard in Frankfurt. Er verliebt sich in die Ehefrau Susette Gontard, die zwei Jahre älter als Hölderlin ist. Er widmet ihr Gedichte (mit Diotima in seinen Gedichten wird Suzette gemeint). Das Liebesverhältnis führt zu einem Bruch, und Hölderlin wird entlassen. Die Beziehungen mit Susette bleiben aber bis Ende 1799 heimlich bestehen.

1797 Begegnet Johann Wolfgang von Goethe.

1798 – 1800 Lebt in Homburg vor der Höhe und befreundet sich mit Isaac von Sinclair. In dieser Zeit entsteht Der Tod des Empedokles.

1800 Arbeitet in Stuttgart und Nürtingen und in der Schweiz als Hauslehrer. 1802 hält sich Friedrich Hölderlin in Bordeaux auf.

1802 Susette Gontard stirbt im Alter von 34 Jahren.

1802 Das seelische Leiden von Hölderlin steigert sich zu einer ernsten Krankheit; die ersten Anzeichen einer geistigen Umnachtung zeigen sich.

1802 – 1804 Lebt bei seiner Mutter, die den Kranken pflegt.

1804 – 1806 Arbeitet durch die Vermittlung seines Freundes Isaac von Sinclair als Hofbibliothekar in Homburg.

1806 Erneutes Aufflackern, Verschlimmerung der psychischen Krankheit, er wird in die Heilanstalt in Tübingen eingeliefert.

1807 Hölderlin ist so krank, dass er ständige Pflege braucht. Vom 37. Lebensjahr bis zu seinem Tod wird er aufopferungsvoll und liebevoll von der Familie des Tischlers Zimmer in Tübingen gepflegt.

1843 Am 7. Juni 1843 stirbt Friedrich Hölderlin im Alter von 72 Jahren in Tübingen.

Ganz für sich steht Hölderlins einsame Gestalt in der Literaturgeschichte. Sein Leben war von tiefer Tragik erfüllt. Tragisch ist auch die seiner Dichtung zugrunde liegende Lebensanschauung, die ewige Spannung zwischen Göttlichkeit und Menschendasein, zwischen Ideal und Wirklichkeit. Mit diesem tragischen Bewusstsein hängt Hölderlins hohe Auffassung des Dichterberufs und der Sprache eng zusammen. Der Dichter soll das Göttliche in sich erfahren und verkünden: er soll Prophet sein. Der Dichter soll die Sprache als ein Heiligtum hüten: er soll Priester sein. Wie die alten Griechen erlebt Hölderlin die Natur als beseelt; die Naturmächte, Äther und Gewitter, Meer und Strom, Gebirge und Wald werden ihm zu mythischen Lebewesen[1].

Friedrich Hölderlin ist vor allem Lyriker. Seine Gedichte werden von einer großen Schönheit und Intensität der Sprache und von einem musikalischen Rhythmus gekennzeichnet. Erhabenes Pathos ist der Grundton dieser Gedichte, Natur und Liebe sind die bevorzugten Themen.

Hölderlin ist beeinflusst von Klopstock, Schiller und Goethe. Die Ausdruckskraft seiner Lyrik ist gewaltig und klingt in einem ganz eigenen Stil. Seine produktivsten Dichterjahre liegen zwischen 1796 und 1805. Anfangs verfasst er Hymnen in Reimform, dann schreibt er in den Versmaßen der antiken Ode. Später verfasst er Elegien und am Ende arbeitet er mit freien Rhythmen in gedrängter, dunkler Bildersprache. Er beschäftigt sich mit der Bestimmung des Menschen und den göttlichen Mächten.

Für Hölderlin ist die Schönheit die höchste Idee. In der Schönheit herrscht eine fast vollständige Harmonie, in der Glückseligkeit, Wahrheit und Güte die wichtigsten Elemente sind. Seine zahlreichen Naturgedichte sind durchdrungen von der Sehnsucht nach der verloren gegangenen Verbindung zwischen Mensch und Natur. Seine Ideen versucht er anderen durch seine Gedichten deutlich zu machen, denn in seinem Lebensbild müsste die Poesie Lehrerin der Menschheit sein. Leider konnten seine Zeitgenossen nur wenig Verständnis für Hölderlins Dichtung aufbringen.

Aus der griechischen Philosophie übernimmt Hölderlin die Theorie der „Wechsel der Töne“:

Das Tragische, Lyrische und Epische sind die drei Weisen der Dichtung. Der tragische Dichter tut wohl, den Lyrischen, der Lyrische den Epischen, der Epische den Tragischen zu studieren. Denn im Tragischen liegt die Vollendung des Epischen, im Lyrischen die Vollendung des Tragischen, im Epischen die Vollendung des Lyrischen[2].

Er bildet daraus die drei „Töne“: Wirklichkeit (naiv), Notwendigkeit (heroisch) und Möglichkeit (idealisch). Diese „Töne“ sind für ihn Modellkategorien des menschlichen Charakters, die dann wechselnd im Gedichtverlauf eingesetzt ein lebendiges Ganzes verwirklichen müssen und der ganze Mensch in wechselnder Konfiguration aus mehreren Perspektiven beansprucht wird. Zugleich ist aber in jedem „Ton“ eine entsprechende „Grundstimmung“ mitzuhören; diese Anforderung an die poetische Wahrnehmung kann man vergleichen mit Akkorden auf einer Tonika (Grundton) in der tonalen europäischen Musik[3].

Auch der Briefroman Hyperion lebt von Hölderlins lyrischen Sprache. Das Gefühl, nicht die Handlung steht hier im Mittelpunkt. Hyperions Sehnsucht nach der Schönheit (Diotima), der Wunsch nach dem Einssein mit der Natur und das Verlangen nach Freiheit sind Mittelpunkte des Romans. In seiner Fragment gebliebenen Tragödie Der Tod des Empedokles reflektiert Hölderlin die Entfremdung der Menschen untereinander und von der Natur. Empedokles, in dessen Figur Hölderlin seine eigene Stellung als Dichter verarbeitet hat, will durch seinen Opfertod im Ätna ein Zeichen setzen und „bessere Tage“ vorbereiten helfen[4]. Es entstehen auch sehr eigensinnige Übersetzungen von Pindar und Sophokles’ Ödipus und Antigone[5].

Hölderlins Leben und Werk sind von drei großen schockartigen Ereignissen stark beeinflusst worden[6]:

- Susette Gontards Liebe und Tod:

Nach der endgültigen Trennung Ende 1799 entsteht eine ganze Reihe von Gedichten, die der Diotima-Thematik verpflichtet sind: Diotima (Leuchtest du…), An Diotima (Komm und siehe…), An Diotima (Schönes Leben!...), Diotima (Komm und besänftige …), Diotima (Du schweigst und duldest …), das Gedicht an ihren Genius und die Kurzoden Abbitte, Der gute Glaube, Ihre Genesung, Das Unverzeihliche und Die Liebenden[7].

- Der Zeitgeist nach der Französischen Revolution:

Die Mächte des Schicksals, der Zeitgeist und der Geschichte erheben auch Anspruch auf hymnische Verehrung. Die poetische Unschuld ist vorüber und das zeigt sich in Hölderlins Werken. Es fängt mit Empedokles an, die Tragödie im alten griechischen Stil. Man kann annehmen, dass Hölderlin sich selbst in diesem Empedokles widerspiegelt gesehen hat, nicht nur wegen ihrer beider pantheistischen Weltanschauungen, sondern auch wegen der möglichen Folgen: Das Verlangen frei und ungebunden zu sein. Hölderlin kommt aber nicht zu einem endgültigen Abschluss dieses Werks. Eine Reihe von nationalistischen Gedichten folgen, die nur in dem historischen Kontext, im Sinne der Ideale der Französische Revolution richtig zu deuten sind.

Anfangs waren die Deutschen zwar sehr begeistert von der Französischen Revolution, die eine Umwertung der alten feudalischen Gesellschaft und deren Philosophie bedeutete. Bald aber wurde deutlich, dass Deutschland politisch nicht für eine solche Revolution geeignet war, weil es keine politische Einheit war, wie Frankreich, sondern in viele verschiedenen Staaten verteilt war. Die Deutschen waren nicht ein Volk, das sich aktiv auflehnen konnte gegen die politische Macht. Sie waren eher interessierte Zuschauer der Französischen Revolution, die gerne bereit waren, deren Ideen in ihre eigene Philosophie einzuarbeiten oder ihre eigene Philosophie der Französischen Revolution zu leihen, so wie Hölderlin es im Gesang des Deutschen formuliert in der ersten Strophe:

[…] Wenn schon aus deine

Tiefe die Fremde ihr Bestes haben!

- Hölderlins psychische Krankheit:

Dass Hölderlin in 1802 unterwegs von Frankreich nach Deutschland etwas Ernstliches passiert ist, muss als ausgemacht angenommen werden. Es könnte einen schweren Sonnenstich oder etwas Ähnliches gewesen sein, wir wissen es aber nicht. Vermutlich ist dieses Geschehen die Quelle seiner psychischen Krankheit, woran er während seines restlichen Lebens gelitten hat[8]. Der Hochverratsprozess gegen seinen Freund Sinclair, worin Hölderlin nur deshalb nicht geriet, weil er laut ärztlichem Attest vernehmungsunfähig war, könnte seine Geisteskrankheit noch verschlimmert haben.

Hölderlin – Deutschland – Griechenland

In Deutschland war man in Hölderlins Zeiten sehr an der Kultur der griechischen Antiken und an den modernen Freiheitskämpfen der Griechen gegen das Türkische Reich, das sich seit circa 1700 in Verfall befand und den europäischen Teil seines Reiches allmählich aufgeben musste, interessiert. Interesse an der antiken griechischen Kultur fand man durch ganz Europa, aber in den deutschen Staaten gab es einen extra Grund: Das antike Griechenland war, wie Deutschland um 1800 keine staatliche Einheit, sondern eine bunte Sammlung vieler Staaten, die bald miteinander, bald gegeneinander kämpften oder zusammenarbeiteten. Dieser Mangel an einer zentralen politischen Macht in Griechenland führte zu einem großen Bedarf an interne Energie der Griechen im eigenen Gebiet. Demzufolge blieb zu wenig Macht und Energie übrig, um ein Weltreich instand zu halten. Diese politische Lage war ein wichtiger Grund für den Aufstieg des Römischen Reiches und den Untergang des griechischen Reiches. Die deutschen Staaten waren immer befürchtet für ähnliche Schwierigkeiten mit Frankreich, eine Drohung, die mit Napoleons Aufstieg Wirklichkeit wurde. Wie im antiken Griechenland waren die Faktoren, die den deutschen Staaten eine gewisse Einheit über die gegenseitigen staatlichen Differenzen besorgen könnten, eine gehobene Kultur, die Philosophie, die (Dicht)Kunst und die Wissenschaft.

Im idealisierten Griechenland fand Hölderlin den Orientierungspunkt für seine Humanitätskonzeption. Die Verwendung antiker Strophenformen war keine äußerliche Übernahme tradierter Formen, sondern Ausdruck inniger Verbundenheit mit der Antike und deren rückerinnernder Aktualisierung. Neben den strengen antiken Versformen stehen die späten, zu freien Rhythmen übergehenden Hymnen und Elegien, in denen die Sehnsucht nach dem verlorenen Griechenland zum Ausdruck kommt[9].

Odenform

Bei den Griechen ist die Ode die Bezeichnung für strophische, meist zur Musik vorgetragene metrisch geregelte Vierzeiler ohne Endreim, die sich in beliebiger Zahl strophisch wiederholen. Die Zahl der Sprechsilben ist pro Strophe genau festgelegt. Sie gehört zu den Grundformen des lyrischen Sprechens, (Skandieren, bzw. Singsprechen) und steht in nächster Verwandtschaft zum „Lied“ und zur „Hymne“, wobei die Grenzen zwischen diesen Formen fließend sind. Als odenspezifisches Merkmal gilt feierliches, schwungvolles Sprechen mit dem Hang zum Erhabenen.

Bei den Humanisten ging die poetische Nachahmung der Oden Hand in Hand mit der Horaz-Philologie. Als wichtiges Kriterium der Ode galt die Sangbarkeit. Die von den Humanisten vertretene Gleichsetzung von Ode und Kunstlied hat die europäische Odendichtung des 17. und 18. Jh. entscheidend geprägt. Epochemachend war die Sammlung Quatre Premiers Livres des Odes (1550) von Pierre de Ronsard, der den horazischen und den pindarischen[10] Typen aufnimmt, jedoch Reime verwendet. Mit seinen Oden hatte er in Deutschland Nachfolger, u.a. Georg Weckherlin und Martin Opitz. In seinem Buch Von der Deutschen Poeterey (Breslau 1624) knüpft Opitz in Stilauffassung und thematische Definition an Horaz an. Gegenüber der Verwendung antiker Strophenmaße in der deutschen Sprache verhält Opitz sich skeptisch. Seine eigenen Oden tendieren zum geselligen Kunstlied. Auch Paul Fleming steht als Odendichter in dieser Tradition; ergänzt und vertieft wird das gesellschaftliche Spiel durch die persönliche Note seiner um Eleganz und Klarheit bemühten Sprache. Andreas Gryphius ist bereits ein Vertreter des hochbarocken „stilus gravis“ mit seinen sinnschweren Machtworten und der pathetischen, vor Dunkelheiten nicht zurückscheuenden Rhetorik[11].

Einen Markstein in der Geschichte der deutschen Lyrik stellt Klopstocks Odendichtung dar. Klopstock hat die Odenform in der deutschen Literatur als erste häufig angewandt und viele Formen ausprobiert. Hölderlin hat aus den vielen Möglichkeiten nur zwei Typen übernommen: die alkäische Ode (nach Alkaios, um 600 v. Chr.) und eine der asklepiadischen Oden (nach Asklepiades, um 270 v. Chr.). Seit Klopstock und Hölderlin ist die Ode in der deutschen Lyrik eingedeutscht und ist sie von vielen Dichtern angewandt worden[12].

[...]


[1] Harberts & Meyer, S.116

[2] Houwink, S62 (Hölderlinzitat Nr. 46, aus: Franz Zinkernagel, Insel Verlag 1914-1923 II S. 430)

[3] Schmid, S. 120/121

[4] Stephan, S. 222

[5] Diese Daten zur Biografie sind dem Brockhaus entnommen.

[6] Den Besten, S. 15ff

[7] Lawitschka, S. 34/35

[8] Den Besten, S. 23

[9] Stephan, S. 221

[10] Pindar (ca 518 v. Chr. – ca 440 v. Chr), einer der großen Lyriker Griechenlands.

[11] Köppe, S. 30ff

[12] [PDF] Einfhrungskurs Neuere deutsche Literatur (Andreas Schumann)

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Eine Analyse von Hölderlins "Nachtgesängen"
Autor
Jahr
2010
Seiten
20
Katalognummer
V152569
ISBN (eBook)
9783640645718
ISBN (Buch)
9783640645640
Dateigröße
601 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eine, Analyse, Hölderlins, Nachtgesängen
Arbeit zitieren
MA Ton van der Steenhoven (Autor:in), 2010, Eine Analyse von Hölderlins "Nachtgesängen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152569

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