Form und Motivik von Konrads von Würzburg 'Heinrich von Kempten'


Seminararbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Formale Aspekte
2.1. Inhalt
2.2. Form

3. Stoffgeschichtliches
3.1. Entstehung und Überlieferung
3.2. Quelle

4. Motivik
4.1. Rittertum
4.2. Der rote Bart
4.3. Nacktheit

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Stoff und der Motivik in Konrads von Würzburg ,Heinrich von Kempten’.

Konrad von Würzburg gilt als einer der bedeutendsten und vielfältigsten Autoren der mittelalterlichen Literatur. Er wurde möglicherweise um 12301 in Würzburg geboren, was sich aus seinem Namen, den er in zahlreichen Werken genannt hat, abzuleiten ist. Sein Leben lässt sich in drei Phasen gliedern: die Würzburger Zeit bis etwa 1257/58, die niederrheinische Zeit bis etwa 1260 und die oberrheinische Zeit bis zu seinem Tod 1287, während der er sich überwiegend in Straßburg und Basel aufhielt.

Sein frühestes datierbares Werk ist ,Der Schwanritter um 1257/582. Etwa zur gleichen Zeit dürften ,Das Turnier von Nantes’ und ,Die Klage der Kunst entstanden sein. Wei­tere bedeutende Werke sind die Erzählungen ,Der Welt Lohn’, ,Das Herzmaere’ sowie die hier zu analysierende Versnovelle von ,Heinrich von Kempten’. Außerdem die Le­genden Silvester’, Alexius’ und ,Pantaleon’, das Gedicht ,Die goldene Schmiede’, die Romane ,Engelhard, ,Partonopier und Meliur und der unvollendete Trojanerkrieg’ so­wie zahlreiche Leichs, Minnelieder und Sangsprüche.

Über seine Herkunft ist wenig bekannt, jedoch ist davon auszugehen, dass er nicht ad­lig war. In mittelalterlichen Quellen wird er stets als magister bzw. meister bezeichnet, was ihn gleichzeitig als Berufsdichter charakterisiert. Seine Auftraggeber stammten überwiegend aus den politischen und ökonomischen Führungsschichten der damaligen Zeit, wie zum Beispiel Liutold von Roeteln, Johannes von Arguel oder Peter Schaler. Sein Tod ist laut eines Eintrags im Anniversarienbuch des Basler Münsters auf den 31. August 1287 datiert.

„Mit ,sch&nen worten’ und ,seltsen rim’ hat Konrad zweifellos seinen Zeitgenossen und den Nachfahren am meisten imponiert"3 und bis heute „ragt [Konrad] aus der deut­schen Literatur der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hervor durch Form und Um­fang seiner Werke, aber auch durch seine poetologischen und dichtungstheoretischen Ausführungen"4.

Im Folgenden wird die Versnovelle ,Heinrich von Kempten’, die aufgrund ihres „erzäh­lerischen Schwungs" und der „kunstvollen Komposition der Ereignisse"5 dem Leser ei­nen guten Zugang bietet, in Bezug auf Stoff und Motivik genauer untersucht. Die An­gaben zur Textgrundlage beziehen sich auf die Reclam-Ausgabe von Heinz Rölleke,

die auf der Edition von Edward Schröder6 beruht. In einem ersten Schritt soll zunächst auf die formalen Aspekte wie Inhalt und Gliederung eingegangen und die formalen Be­sonderheiten herausgestellt werden. Danach wird die Stoffgeschichte beleuchtet im Hinblick auf Überlieferung und Entstehung sowie mögliche Quellen und spätere Bear­beitungen, was jeweils an expliziten Beispielen vertieft wird. In Kapitel 4 sollen dann die zentralen Motive des ,Heinrich von Kempten’ - die Ritterschaft, der rote Bart sowie die Nacktheit - thematisiert werden, wobei zunächst immer das Motiv als solches um­schrieben wird und anschließend genau am Text belegt wird.

Abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit in einem Fazit noch einmal zusam­mengefasst.

2. Formale Aspekte

2.1. Inhalt

Kaiser Otto war ein mächtiger und grausamer Herrscher, dem alle seine Untertanen furchtsam ergeben waren, denn er galt durch und durch als „ein übel man" (V. 9). Er trug einen langen, roten Bart und alles, was er bei diesem Bart schwor, setzte er wort­wörtlich in die Tat um. Wer ihn angriff oder gegen ihn vorging, der wurde mit den Wor­ten „du garnest ez, sam mir min bart!" (V. 16) unmittelbar zur Rechenschaft gezogen und getötet.

Eines Osterntages veranstaltete er ein großes Hoffest, zu dem viele ehrenvolle Äbte und Bischöfe sowie „graven, frien, dienestman" (V. 33) geladen waren. Darunter war auch „ein werder juncherre" (V. 51) aus Schwaben, der zum Hofe gekommen war, um „hovezuht" (V. 50) und adlige Sitten zu erlernen. Dieser Knabe ging nach der Oster­messe an den festlich gedeckten Tischen vorbei und brach sich, bevor das Essen be­gonnen hatte, ein Stück Brot ab. Das sah der Truchsess des Kaisers und war darüber so aufgebracht, dass er dem Kind seinen Stab auf den Kopf schlug, so heftig, dass je­nes blutüberströmt zu Boden fiel und bitterlich weinte. Da eilte der Ritter Heinrich von Kempten herbei, der der Erzieher des Jungen war und ihn daher zum Hoffest begleitet hatte. Heinrich war so entsetzt über das Verhalten des Truchsessen, dass er ihn em­pört zur Rede stellte. Dieser war sich jedoch keiner Schuld bewusst und wies Heinrich arrogant ab, was dessen Wut wiederum so groß werden ließ, dass er seinen Stock packte und den Truchsessen totschlug. Als der Kaiser eintrat und den toten Truchses­sen vorfand, ließ er sogleich den Schuldigen zu sich bringen. Heinrich bat um kaiserli­che Gnade, doch Kaiser Otto verurteilte ihn mit den Worten „ir garnet ez, sam mir min bart“ (V. 242) zum Tode. Heinrich war jedoch fest entschlossen sich zu wehren und sprang auf den Kaiser zu, packte ihn am Bart und zog ihn über den Tisch. Er warf sich auf ihn und bedrohte ihn mit einem scharfen Messer. Kaiser Otto fürchtete um sein Le­ben und bevor es zum Äußersten kommen konnte, gab er Heinrich das Sicherheitsge­löbnis. Heinrich ließ von ihm ab und wurde des Hofes verwiesen; niemals mehr sollte er dem Kaiser unter die Augen kommen.

Zehn Jahre später führte Kaiser Otto Krieg in Italien und brauchte dringend neue Krie­ger. Daher befahl er, dass jeder, der sich in einem Lehnsverhältnis zu seinem Reich befände, ihm zu Hilfe kommen müsste. Diese Botschaft erreichte auch den Abt von Kempten, der sogleich alle seine Ministerialen, darunter auch Heinrich, einberief. Hein­rich lehnte die Bitte aber zunächst ab, sollte er dem Kaiser doch nie wieder unter die Augen treten. Doch der Abt drohte ihm bei Ungehorsam, ihm sein Lehen zu entziehen und so zog Heinrich nach Apulien in den Krieg. Dort kampierte er abseits vom übrigen Heer und ging so dem Kaiser erfolgreich aus dem Weg.

Als er eines Tages ein Bad in einem Zuber nahm, beobachtete er, wie einige Stadtbür­ger den Kaiser in einen Hinterhalt lockten, um ihn zu ermorden. Heinrich sprang ohne zu überlegen aus seinem Zuber und eilte, nackt wie er war und nur mit Schwert und Schild in der Hand, zum Kaiser. Er befreite ihn und tötete viele von den Bürgern oder jagte sie in die Flucht. Als keine Gefahr mehr bestand, versteckte sich Heinrich wieder in seinem Zuber. Der Kaiser fragte indessen sein Heer, wer der tapfere Retter gewe­sen war, der ihn gerettet hatte, denn er hatte ihn nicht erkannt. Nachdem er erfahren hatte, dass es Heinrich von Kempten gewesen war, vergaß er seinen einstigen Zorn und „ein suone luter unde ein fride | wart gemachet under in" (V. 732 f.). Heinrich wur­de für seine Helden- und Tugendhaftigkeit mit „gelt" und „lech“ (V. 738) belohnt und sein Ansehen wurde so groß, „daz man sin noch gedenket wol“ (V. 743).

2.2. Form

Der Heinrich von Kempten’ umfasst in der Ausgabe von Edward Schröder 770 Verse im Paarreim. Gattungsmäßig kann das Werk als Novelle, Erzählung oder Märe definiert werden, auch wenn die für den letztgenannten Typ typischen, schwankhaften Elemen­te inhaltlich nur punktuell feststellbar sind7. Der Stil ist recht schlicht gehalten in einer mit nur wenigen rhetorischen Figuren ausgeschmückten Sprache.

Auffällig ist, dass die Erzählung ohne Prolog beginnt. Dies ist für mittelalterliche Texte eher ungewöhnlich, da die Grundlage der Prolog- bzw. Epilog-Studien die Argumenta­tionsstrategien der antiken Gerichtsrede sind, die als Modell auf die Dichtung übertra- gen wurden8. Der Prolog diente hier als Mittel zur Kontaktherstellung mit dem Publi­kum, woraus die poetische Prologtheorie entwickelt wurde. Diese besagt, dass in der Vorrede „Argumente als sog. Gemeinplätze oder Topoi“9 aufgelistet werden sollen, die zum einen in selbstbewusster Art und Weise auf das eigene Können hindeuten sowie Dichterkollegen oder Kritiker attackieren, und zum anderen das Publikum umschmei­cheln und auf das Überraschende bzw. das Neue oder Bewährte verweisen10.

Der mittelalterliche Prolog hat sich größtenteils an diesem Muster orientiert. Laut Hen- nig Brinkmann besteht er jedoch aus zwei schematischen Teilen, dem ,prologus prae­ter rem’ und dem ,prologus ante rem’. Der ,prologus praeter rem’ umschliesst das Prin­zip der Kontaktherstellung zwischen Autor und Publikum. Als „Verständigungsbasis“ dient üblicherweise eine Sentenz bzw. ein Proverbium oder Exempla. Der ,prologus an­te rem’ führt dann konkret in das Werk ein, d.h. die Quelle, der Inhalt sowie die Um­stände der Entstehung werden erläutert11. Eine solche schematische Zweiteilung kann jedoch lediglich als Musterlösung dienen und in der Tat verfuhr man in der Praxis we­niger schablonenhaft. Oft war „die Einleitung auf nur einen Teil reduziert“12 oder bein­haltete bereits wesentliche Bestandteile des Stoffes, der Prolog ging also „bruchlos in die konkrete Darstellung über“13. Somit kann man eigentlich von Prolog nur dann spre­chen, „wenn sich ein Einleitungsteil als allgemeine ästhetische Erörterung einigerma­ßen klar vom behandelten Gegenstand abheben lässt“14.

In Konrads ,Heinrich von Kempten’ ist genau dies nicht der Fall. „Der Text hat keinen Prolog, die Handlung muß zunächst für sich selbst sprechen [...]“15. Zwar wird die Per­son des Kaisers (VV. 1-23) eingeführt sowie Ort und Zeit der Handlung (VV. 24-49) genannt, allerdings gelten diese Faktoren nur als „Mitträger“ des Geschehens. Es wird kein direkter Kontakt mit dem Publikum hergestellt und auch Quelle oder Entstehungs­voraussetzungen werden nicht aufgeführt. Somit kann die Erzählung in drei Teile ge­gliedert werden, nämlich in zwei relevante Handlungsteile und einen abschließenden Epilog. Der erste Teil umfasst die Verse 1 bis 393 und erzählt die Episode des Hofta­ges. Dieser Handlungskomplex kann in sich wiederum in zwei Teile untergliedert wer­den, in den Mord am Truchsessen (VV. 50-158) und Heinrichs Kampf mit dem König und der daraus folgenden Verbannung vom Hof (VV. 159-393). Daran schließt sich die zweite Haupthandlung an, der Italienzug zehn Jahre später (VV. 394-743). Auch hier lässt sich eine Untergliederung vornehmen in Darlegung der näheren Umstände des Kriegszuges sowie Gespräch des Abtes mit Heinrich von Kempten (VV. 394-511) ei-

nerseits und in Rettung des Kaisers durch den nackten Heinrich sowie dessen Beloh­nung (VV. 512-743) andererseits. Der Epilog reicht von Vers 744 bis 770 und lässt sich in das zuvor aufgezeigte Prolog-Schema hervorragend eingliedern. Zunächst verkün­det Konrad in den Versen 744 bis 753 seine ,fabula docet, die allgemeine Belehrung mit Handlungsanweisung an den Leser bzw. Zuhörer. Jeder Ritter soll „alle zageheit" (V. 746) abwerfen und „muot" (V. 745), „manheit" sowie „ritterschaft" (V. 748) zeigen, da diese Eigenschaften in jener Zeit seltener geworden seien, aber dennoch „lob und ere" (V. 750) verheißen. In den Versen 754 bis 770 präsentiert sich Konrad als der Au­tor des Werkes (V. 766, „von Wirzeburc ich Cuonrad") und gibt Berthold von Tiersberg als seinen Auftraggeber an (V. 756). Er umschreibt ihn als „probest" (V. 762) von „ma- neger eren" (V. 763) und weist darauf hin, dass er auf sein Gebot hin, „ze Strazburc in der guoten stat" (V. 760) die Erzählung aus dem Lateinischen ins Deutsche umgedich­tet habe (vgl. V. 757 ff.).

3. Stoffgeschichtliches

3.1. Entstehung und Überlieferung

Die Entstehungszeit des ,Heinrich von Kempten’ wird grob in die 60er und 70er Jahre des 13. Jahrhunderts gelegt. Bei Edward Schröder umfasst die Spanne die Jahre zwi­schen 1260 und 1275. Aloys Schulte lässt das Werk in die Zeit zwischen 1261 und 1272 fallen, da - laut seinen Untersuchungen - in diesem Zeitraum der im Epilog als Auftraggeber erwähnte Berthold von Tiersberg in seinem Amt als Straßburger Dom­propst urkundlich bezeugt ist16. Horst Brunner will dessen Amtszeit sogar bis ins Jahr 1277 nachweisen können17. Wahrscheinlich ist jedoch, dass das Werk Anfang der 60er Jahre verfasst wurde, möglicherweise 1261/62 wie Fischer und Völker anmerken. Sie beziehen sich hierbei auf historische Fakten, die nach 1262 ein interessiertes Publikum ausschließen. Außerdem waren keine Ministerialen mehr in der Stadt Straßburg an­sässig und Bischof, Domkapital und Bürger hatten ihre Auseinandersetzungen beige- legt.18

Die Erzählung ist in sechs vollständigen Handschriften und einem Fragment überliefert. Die älteste Handschrift stammt aus den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts, die jüngste - eine Wiener Handschrift - aus dem 17. Jahrhundert.

[...]


1 vgl. Brunner, Horst: Konrad von Würzburg, Sp. 273, sowie Brunner, Horst: Konrad in Würz­burg und am Niederrhein, S. 21. Rölleke gibt als Geburtsjahr 1225 an.

2 vgl. Brunner, Horst: Konrad in Würzburg und am Niederrhein, S. 20.

3 Rölleke, Heinz (Hrsg.): Konrad von Würzburg: Heinrich von Kempten/ Der Welt Lohn/ Das Herzmaere, S. 147.

4 Schweikle, Günther: Konrad von Würzburg, S. 376.

5 vgl. Rölleke, Heinz (Hrsg.): Konrad von Würzburg: Heinrich von Kempten/ Der Welt Lohn/ Das Herzmaere, S. 154.

6 vgl. Schröder, Edward: Kleinere Dichtungen Konrads von Würzburg. Bd. 1. Dublin/Zürich "1970.

7 Brandt, Rüdiger: Konrad von Würzburg, S. 118.

8 vgl. Haug, Walter: Literaturtheorie im deutschen Mittelalter, S. 9.

9 ebd.

10 vgl. ebd., S. 9 f..

11 vgl. ebd., S. 12 f..

12 ebd., S. 11 f..

13 ebd., S. 58.

14 ebd.

15 Brandt, Rüdiger: Konrad von Würzburg. Kleinere epische Werke, S. 94.

16 vgl. Fischer, Hubertus/ Völker, Paul-Gerhard: Konrad von Würzburg, Heinrich von Kempten. Individuum und feudale Anarchie, S. 103.

17 vgl. Brunner, Horst: Konrad von Würzburg, Sp. 294.

18 vgl. Fischer, Hubertus/ Völker, Paul-Gerhard: Konrad von Würzburg, Heinrich von Kempten. Individuum und feudale Anarchie, S. 104.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Form und Motivik von Konrads von Würzburg 'Heinrich von Kempten'
Hochschule
Universität Trier
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V152715
ISBN (eBook)
9783640648184
ISBN (Buch)
9783640647934
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konrad von Würzburg, Heinrich von Kempten, Mittelhochdeutsch, Literatur
Arbeit zitieren
Anne Jahr (Autor:in), 2008, Form und Motivik von Konrads von Würzburg 'Heinrich von Kempten', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152715

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