Eine rein extensionale Semantik, wie sie in Heim u. Kratzer (1998) entwickelt wird, ist mit Problemen konfrontiert, die schon Frege erkannte und durch die Spaltung in Sinn und Bedeutung aufzulösen versuchte:
(1) Das Problem des unterschiedlichen Erkenntniswertes für Identitätssätze mit korefenten Ausdrücken:
a. Der Morgenstern ist der Morgenstern.
b. Der Morgenstern ist der Abendstern.
(2) Das Problem der Nicht-Ersetzbarkeit koreferenter Ausdrücke in propositionalen Einstellungssätzen:
a. Lois Lane glaubt, dass Clark Kent Clark Kent ist.
b. Lois Lane glaubt, dass Clark Kent Superman ist.
Morgenstern und Abendstern referieren auf denselben Gegenstand, die Venus. Doch während (1a) eine bloße Tautologie ausdrückt, ist (1b) für einen astronomischen Laien durchaus informativ – beide Sätze haben unterschiedlichen Erkenntniswert. Propositionale Einstellungssätze – d.h. Sätze, die die Einstellung (glauben, wissen, hoffen, wünschen etc.) einer Person gegenüber einer Proposition ausdrücken – werfen ähnliche Probleme auf: Obwohl die
Eigennamen Clark Kent und Superman denselben Referenten besitzen und beide eingebetteten Sätze wahr sind, sind sie in „ungeraden“ bzw. intensionalen Kontexten wie (2a) und (2b) nicht salva veritate ersetzbar.
Doch wie lassen sich Intensionen im Rahmen einer formalen Semantik repräsentieren? Die vorliegende Arbeit versucht, diese Frage zu beantworten. Abschnitt 2 erläutert an einem Beispiel aus dem Bereich der Fiktion, wie die extensionale Semantik nach Heim u. Kratzer (1998) schrittweise erweitert werden kann, um Äußerungen in intensionalen Kontexten handhaben zu können. Abschnitt 3 behandelt mit Modalverben intensionale Phänomene, die nicht dem Bereich des Fiktiven angehören. Es wird gezeigt, dass Modalverben starke logische Parallelen zu Quantoren aufweisen und als All- und Existenzoperatoren über mögliche Welten analysiert werden können, die in zweifacher Hinsicht kontextabhängig sind. Die Arbeit orientiert sich in Inhalt und Aufbau an von Fintel u. Heim (2005); die Beispiele wurden nur geringfügig verändert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Probleme einer extensionalen Semantik
- Mögliche Welten: erste Schritte in Richtung einer intensionalen Semantik
- In der Welt von Sherlock Holmes….
- Bezüge zur Bewertungswelt und Quantifikation über mögliche Welten ..
- Modalsemantik
- Modalverben als Quantoren über mögliche Welten
- Kontingenz, Ambiguität und Kontextabhängigkeit
- Das Samariter-Paradox.
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit widmet sich der Analyse von intensionalen Phänomenen in der Sprache, insbesondere in Bezug auf die Grenzen einer rein extensionalen Semantik. Sie beleuchtet die Probleme, die durch die Unfähigkeit einer solchen Semantik entstehen, den unterschiedlichen Erkenntniswert von Sätzen mit koreferenten Ausdrücken oder die Nicht-Ersetzbarkeit koreferenter Ausdrücke in propositionalen Einstellungssätzen zu erfassen.
- Probleme einer rein extensionalen Semantik
- Mögliche Welten als Grundlage für eine intensionale Semantik
- Modalverben als Quantoren über mögliche Welten
- Kontingenz, Ambiguität und Kontextabhängigkeit in modalen Kontexten
- Das Samariter-Paradox als Beispiel für intensionale Phänomene
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Problematik einer rein extensionalen Semantik, die den unterschiedlichen Erkenntniswert von Sätzen mit koreferenten Ausdrücken nicht erklären kann. Kapitel 2 führt das Konzept der „möglichen Welten“ ein und zeigt, wie die extensionale Semantik erweitert werden kann, um intensionale Kontexte zu erfassen. Anhand von Beispielen aus dem Bereich der Fiktion wird die Bedeutung von Bezugnahmen auf mögliche Welten illustriert. Kapitel 3 befasst sich mit Modalverben und ihrer Rolle als Quantoren über mögliche Welten. Es werden verschiedene Lesarten von Modalverben analysiert, und es wird gezeigt, dass sie stark logische Parallelen zu Quantoren aufweisen.
Schlüsselwörter
Intensionale Semantik, Mögliche Welten, Modalverben, Quantoren, Kontingenz, Ambiguität, Kontextabhängigkeit, Propositionale Einstellungen, Displacement, Fiktion, Erkenntnistheorie, Logik, Sprachphilosophie.
- Arbeit zitieren
- Bachelor of Arts (B.A.) Inga Bones (Autor:in), 2010, Formale Semantik und mögliche Welten - erste Schritte in Richtung einer Modalsemantik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152892