Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Charaktere im Film
2.1 Siegfried
2.2 Kriemhild
2.3 Brünhild
2.4. Gunther
3. Zusammenfassung
4. Literaturverzeichnis
4.1 Quellenangabe
4.1.1 Bücher
4.1.2 Zeitschriften
4.1.3 DVDs
4.2 Hilfsmittel
4.3 Sekundärliteratur
1. Einleitung
Die Märchen von heute sind Filme.[1] Dies merkt man vor allem auch an dem Stoff des Nibelungenliedes. So gibt es heute eine Vielzahl an Filmen mit dem Thema des Nibelungenliedes als Vorlage.
„Wenn dieser Mythos als Vorlage zum Beispiel des Films „Die Nibelungen“ von Fritz Lang (1923/24) betrachtet wird, so hat dieser unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg in Deutschland eine ganz bestimmte Formung: Er ist schon damals der Lieblingsmythos nationalistischer Kreise |…|.“[2]
Doch auch diese Erfahrung mit dem Nationalsozialismus hielt Regisseure nicht davon ab weitere Filme des Mythos herauszubringen. So entstand zum Beispiel in den 70er Jahren der Film „Die Nibelungen“ von Harald Reinl. Auch das von Richard Wagner geschriebene Musikdrama „Der Ring des Nibelungen“ ist mittlerweile als Film erhältlich. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts dient der Stoff des Nibelungenliedes noch einmal zur Grundlage für weitere Verfilmungen. So entstanden zum Beispiel der deutsche Film „Die Jagd nach dem Schatz der Nibelungen“ und der Uli Edel- Film „Die Nibelungen - Der Fluch des Drachen“, um den es im weiteren Verlauf gehen soll. Bereits beim ersten Anschauen des genannten Filmes wird deutlich, dass der Inhalt nicht identisch mit dem mittelhochdeutschen Text „Das Nibelungenlied“ ist. Die nachfolgende Arbeit soll deshalb die Umsetzung der Charaktere des mittelhochdeutschen Textes mit dem Film „Die Nibelungen – Der Fluch des Drachen“ vergleichen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten. Dabei wird vor allem auf die wichtigsten Charaktere des Nibelungenliedes eingegangen und nacheinander vorgestellt. Bei der Wahl des Themas interessierten die Kontraste des Mediums (Buch – DVD) und des Alters (13. Jahrhundert – 21. Jahrhundert). Ebenso schafft der Film ein Erlebnispotential,[3] welches beim Lesen des Buches nicht hervorgebracht wird. Aus diesem Grund müssten Charakterzüge und –eigenschaften aus dem Film eindeutiger, aber auch individueller herausgearbeitet werden können. Ob dies wirklich der Fall ist wird ebenso auf den nächsten Seiten zu bearbeiten versucht.
2. Charaktere im Film
2.1 Siegfried
„Sîvrit was geheizen der snelle degen gout.
er versúochte vil der rîche durch ellenthaften mout.
durch sînes lîbes sterke er reit in menegiu lant.
hey waz er sneller degene sît zen Búrgónden vant!“[4]
Mit diesen Worten wird Siegfried in der zweiten Aventiure des Nibelungenlieds beschrieben. Er ist ein tapferer, starker und kühner Mann, dessen Eltern Siegmund, der König von Xanten, und Sieglinde sind. Die Geburt und Kindheit Siegfrieds wird jedoch nicht beschrieben. Das Nibelungenlied setzt erst wieder zur Jungendzeit Siegfrieds ein. Im Film ist das anders. Im Vorspann wird von einem Schmied berichtet, der einen Drachen tötete und einen Schatz gewann. Der Name des Schmieds bleibt vorerst ungenannt. Doch werden „|…| bereits beim Vorspann über die Musik bestimmte Erwartungen über den Fortgang des Geschehens geweckt.“[5] Nach dem Vorspann dreht sich die Geschichte um einen kleinen Jungen im Alter von etwa fünf Jahren, den der Adressat sofort mit dem vorher beschriebenen Schmied und Drachentöter in Verbindung bringt. Das Kind wird mutig und abenteuerlustig dargestellt und hat somit schon Charaktereigenschaften des Erwachsenen Siegfrieds, wie er im mittelhochdeutschen Text beschrieben wird. Im Film muss Siegfried mit ansehen, wie sein Vater getötet wird und seine Mutter, nachdem sie ihn auf dem Fluss aussetzt, stirbt. Er wächst als Vollweise bei einem Schmied (siehe Anhang 1,1), der ihm den Namen „Erec“ gibt, auf.
„Im Nibelungenlied ist alles bestens und normal: aber in dieser Normalität hat sich eine Zerrissenheit eingeschlichen, die nicht aufhören wird sich zu verstärken und Siegfried zu hindern, ein wirklich normaler Mann zu werden.“[6]
Doch vorerst genießt er seine Jugend, wächst bei seinen Eltern auf und erlernte alles, was am Hofe üblich war. Siegfried ging es sehr gut, dies wird auch noch einmal zu Beginn der dritten Aventiure verdeutlicht: „Den herren mouten selten deheiniu herzen leit.“[7] Siegfried wird als ein begehrter, hübscher, starker, reicher und gut gekleideter Mann in der zweiten Aventiure des Nibelungenliedes beschrieben. Die Vorstellungen eines attraktiven Siegfrieds sind dadurch unerschöpflich. Bereits im dritten Kapitel des Films wird uns Siegfried vorgestellt. (siehe Anhang 1,1) Aber nicht als Königssohn in teurer Kleidung, sondern als Arbeiter. Er hat jedoch blaue Augen, lange Haare und einen ansatzweise trainierten Körper. Dies entspricht in etwa der Vorstellung Siegfrieds, wie er im Nibelungenlied beschrieben wird. Anschließend wird im mittelhochdeutschen Text das Leben Siegfrieds am Hof beschrieben, vor allem seine aufgeschlossene und gebende Art. Auch im Film begegnet uns ein aufgeschlossener Siegfried, der im Kapitel vier ein Verhältnis mit einer Frau hat. Dieses Verhältnis wird als vorherbestimmt beschrieben. Es handelt sich dabei um Brünhild (siehe Anhang 1,1), die Königin von Island. Anders als im Nibelungenlied hat Siegfried mit Brünhild eine sexuelle Affäre, welche detailliert im Film dargestellt wird. Siegfried verliebt sich in Brünhild. Im Nibelungenlied hat Siegfried mit Brünhild keine offensichtliche Beziehung. Das einzige Mal, wo Siegfried Brünhild näher kommt ist die Hochzeitnacht von Gunther, als Siegfried Brünhild willig für Gunther macht. Natürlich alles unauffällig. Aber auch im Nibelungenlied denkt Siegfried an die Liebe. Nicht an die Liebe zu Brünhild, wie im Film dargestellt, sondern an die Liebe zu Kriemhild. Im Buch reist er nach Burgund, um seine große Liebe zu „erwerben“, im Film dagegen aus Neugier, um seine Herkunft zu erfahren. Nun erwähnt das Nibelungenlied zum ersten Mal den Sieg über den Drachen und Siegfrieds unermessliche Kraft:
„Noch weiz ich an im mêre, daz mir ist bekannt.
einen lintrachen den slouc des heldes hant.
er badet´ sich in dem bloute: sîn hût wart húrnîn.
des snîdet in kein wâfen; daz ist dicke worden scîn.“[8]
Im Film wurde bereits im Vorspann angekündigt, dass der Held des Films einen Drachen getötet hat. Jedoch wird dieser Kampf im Film detailliert dargestellt (siehe Anhang 1,2), um den Adressaten die Kraft, den Mut und Tapferkeit bildlich vor Augen zu führen, denn „Zum Abenteuerfilm gehören die Heldenfigur und die Aufregung des Unbekannten und Unerwarteten fern der gewohnten Wirklichkeit.“[9] Was im Buch nur zum Teil möglich ist. Am Wormser Hof werden weitere Charakterzüge Siegfrieds deutlich.
„Siegfrieds provozierendes erstes Auftreten in Worms erklärt er sehr wohlwollend als das eines schüchternen Knaben, „der sich in einer ihm fremden Gesellschaft laut und keck zeigt, um seine Verlegenheit dahinter zu verbergen“ |…|“[10]
Dieses Auftreten wird sowohl im Buch, als auch im Film offensichtlich dargestellt. In der sechsten Aventiure,
„Als der Nibelungendichter dem hürnenen Siegfried die Jungfrau Brünhild gegenüberstellte, da besaß sie den gleichen Schutz der Unverwundbarkeit wie ihr Gegner.“[11]
Brünhild ist die einzige Gegnerin Siegfrieds, mit der er sich einen langen Kampf bietet. Sie sind beide unverwundbar und haben große Kräfte. Doch schlussendlich gewinnt Siegfried über Brünhild, sowohl im Film, als auch im Nibelungenlied. Im Film ist allerdings etwas komplett anders. Es wird immer wieder auf die Vorherbestimmung der Verbindung Brünhilds mit Siegfried angespielt und die Liebe der Beiden. Im mittelhochdeutschen Text erfährt der Leser lediglich die Andeutung, dass Brünhild sich zu Siegfried hingezogen fühlt, er jedoch Kriemhild treu bleibt. Aber auch im Film wird er später mit Kriemhild zusammen sein. Sein Leben endet mit einer tragischen Szene. Siegfried wird bei einem Jagdzug, aufgrund der vorhergegangenen Spannungen zwischen Brünhild und Kriemhild, an seiner einzig verwundbaren Stelle (am Rücken) getötet. Kriemhild wusste von dieser Verwundbarkeit und erzählte es Hagen, was später allen zum Verhängnis wurde. Der Tod Siegfried ist im Film und im Buch ähnlich. Bei Beiden wird eine hinterlistige Jagdszene dargestellt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es im mittelhochdeutschen Text und im Film „Die Nibelungen – Der Fluch des Drachen“ prägnante Unterschiede in der Darstellung von Siegfried gibt. Man verweise zurück auf die Liebe zu Kriemhild im Buch und der Liebe zu Brünhild im Film. Außerdem auf das Waisenkind zum einen und der Königssohn zum anderen. Jedoch kristallisieren sich die Charakterzüge beim Buch und Film gleichermaßen heraus. Siegfried ist ein tapferer, starker, abenteuerlustiger Drachentöter und gutherziger Mann, den der Schauspieler Benno Fürmann treffend aus dem Nibelungenlied repräsentiert.
Eine weitere bedeutende Person ist Kriemhild, um die es im nachfolgenden Kapitel gehen soll.
2.2 Kriemhild
„Es wuchs in Burgund ein Mädchen heran, das war so auserlesen, daß man rings in den Landen kein schöneres an Wohlgestalt finden konnte, aber auch kein schöneres an Tugend und Edelsinn. Viele Ritter begehrten sie zur Frau, und alle Mädchen beneideten sie.“[12]
Diese Beschreibung von Franz Fühmann entspricht in etwa der im Nibelungenlied. Auch in anderen Büchern, wie der Roman von Sabina Trooger[13] oder in der Nibelungensage[14] wird Kriemhild immer als bildhübsche und intelligente Frau dargestellt. Schaut man sich Bilder von der Figur Kriemhilds an, staunt man nicht schlecht, denn die Umsetzung des Bildes wurde eins zu eins in den Film „Die Nibelungen – Der Fluch des Drachen“ übertragen. Im Nibelungenlied handelt die gesamte erste Aventiure um Kriemhild. Im Film dagegen erfährt der Adressat erst im siebenten Kapitel etwas über die Königstochter Kriemhild.(siehe Anhang 1,3) Jedoch wird dem Rezipienten mit der Schauspielerin Alicia Witt eine ebenfalls hübsche Frau näher gebracht, welche gut in die Rolle der Kriemhild passt. Als Siegfried nach Burgund reist um Kriemhild zu werben, verliebt sich Kriemhild in Siegfried: „si het im holden willen kunt vil scíeré getân.“[15] Als die Frauen mit Kriemhild auf das Fest kommen, erhoffen sich alle Männer die Frauen aus der Nähe zu betrachten. „Hier wie an anderen Stellen wird die kardinale Bedeutung der Frauen für das Wormser Hofzeremoniell deutlich.“[16] Im mittelhochdeutschen Text tritt Kriemhild zunächst in den Hintergrund und spielt erst wieder eine bedeutende Rolle beim Empfang Brünhilds. Kriemhild empfängt die Braut ihres Bruders mit Freuden und ist sehr herzlich zu ihr. Nach dem Empfang wird Kriemhild Siegfrieds Frau und sie willigt aus Liebe ein. Im Film spielt Kriemhild auch eine Weile keine Rolle. Sie taucht erst wieder auf, als Hagen einen Plan hat, dass Kriemhild Siegfried zum Mann haben kann. Kriemhild soll Siegfried mit einem Zaubertrank dazu bringen sie zu lieben. Diese Intrige gelingt auch. Siegfried und Kriemhild lieben sich und werden auch später heiraten. Anders als im Buch, wo Siegfried nur Kriemhild begehrt und Brünhild keine Konkurrentin darstellt. Sowohl im Buch, als auch im Film „|…| bleibt kein Zweifel daran, daß Kriemhild das Werkzeug Hagens ist |…|“[17] Später kommt es dennoch zu einer Auseinandersetzung Kriemhilds und Brünhilds. „Die schönen Frauen zanken, keifen, vergießen Tränen und treiben die Männer ins Unglück.“[18] Aufgrund dieser Auseinandersetzung der beiden Frauen, welcher Mann der Bessere ist, kommt es bald darauf zum Mord an Siegfried. Kriemhild betrachtet den Mord an Siegfried aus ihrer Perspektive und das heißt: als Mitschuldige.“[19]
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[1] Hofmann, Wilhelm (Hrsg.): Sinnwelt Film: Beiträge zur interdisziplinären Filmanalyse. 1. Auflage. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1996, S.25.
[2] Gast, Wolfgang: Film und Literatur: Grundbuch. Einführung in Begriffe und Methoden der Filmanalyse. 1. Auflage. Frankfurt am Main: Verlag Moritz Diesterweg GmbH & Co, 1993, S.58.
[3] Vgl. Wuss, Peter: Filmanalyse und Psychologie: Strukturen des Films im Wahrnehmungsprozess. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Berlin: Ed. Sigma, 1993, S.9.
[4] Bartsch, Karl (Hrsg.): Das Nibelungenlied: Mittelhochdeutsch, Neuhochdeutsch. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH & Co, 1997, S.12.
[5] Mikos, Lothar: Film- und Fernsehanalyse. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH, 2003, S.235.
[6] Seitter, Walter: Distante Siegfried-Paraphrasen. Berlin: Merve Verlag, 1993, S.12.
[7] Bartsch, Nibelungenlied, S. 20.
[8] Bartsch, Nibelungenlied, S. 36.
[9] Beicken, Peter: Literaturwissen: Wie interpretiert man einen Film?. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH & Co, 2004, S.141.
[10] Hoffmann, Werner: Erträge der Forschung. Das Siegfriedbild in der Forschung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1979, S.85.
[11] Ploss, Emil: Siegfried – Sigurd der Drachenkämpfer. Köln: Böhlau Verlag, 1966, S.21.
[12] Fühmann, Franz: Siegfried und Kriemhild. Deutsche Heldensagen. Band 1. 1. Auflage. Leipzig: Buchhandels- und Verlagsanstalt GmbH, 1992, S.7.
[13] Trooger, Sabina: Kriemhild: Königin der Nibelungen. München: Schneekluth Verlag GmbH, 2001.
[14] Groeger, Carl Alfred: Die Nibelungensage. Husum: Hamburger Lesehefte Verlag, 2008.
[15] Bartsch, Nibelungenlied, S.94.
[16] Gephart, Irmgard: Geben und Nehmen im „Nibelungenlied“ und in „Parzival“. Bonn: Bouvier Verlag, 1994, S.28.
[17] Geben und Nehmen im “Nibelungenlied”, S.75.
[18] Sprado, Hans-Hermann (Hrsg.): P.M. History. Die Nibelungen: Siegfried, Kriemhild, Hagen und Co.. Ein deutsches Heldenlied von Liebe, Tod und Untergang. 4. Januar 2002, 6/2001. S.38.
[19] Geben und Nehmen im “Nibelungenlied”, S.78.