Wir befinden uns in einer Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen und
Verunsicherungen. Unsere Zeit ist durch den Bedeutungsverlust und die Erosion von
traditionellen Sozialformen wie Ehe, Familie, Klasse, Schicht, Beruf in den westlichen
Industrieländern gekennzeichnet. Unter dem politisch eingefärbten Schlagwort der
Flexibilisierung findet im Zeitalter des flexiblen Kapitalismus eine Erosion des
Normalarbeitsverhältnisses statt; typische Karrieremuster verschwinden, die Menschen
müssen kurzweiligen und sprunghaften Jobbeschäftigungen nachgehen. Dieser Verlust der
Existenzsicherheit führt zu Konkurrenzkampf und ebenfalls zum Verlust von
klassenstabilisierenden Sozialidentitäten.
Das Phänomen, welches für diese Entwicklung verantwortlich ist, hat, worauf ich im
Anschluss noch näher eingehen werde, weitreichendste Folgen und wird gewöhnlich unter
dem Begriff “Individualisierung“ subsumiert und so zu erklären versucht. Bei anderen,
marxistisch fokussierten Autoren, wie zum Beispiel Ben Diettrich werden die gegenwärtigen
Prozesse mit dem Titel des Gesamtkonzepts “Klassenfragmentierung im Postfordismus“
zusammengefasst, worauf ich aber im Verlauf meiner Arbeit im Anschluss noch näher
eingehen werde. (vgl. Diettrich; Ben (1999): Klassenfragmentierung im Postfordismus; Unrast, Hamburg-Münster, S. 11)
Hinter dem Schlagwort “Individualisierung“ steht die These des Verschwindens sozialer
Klassen und Schichten und der damit verbundenen partikularen Lebens- und
Bewusstseinsformen. (vgl. Mörth, Ingo (2006): Paradigmen der Gegenwartssoziologie- Ein Reader; Linz, S. 237)
Individualisierung unter den heutigen kombinierten Bedingungen von wachsender Armut und
Massenarbeitslosigkeit ist ein Garant zur Sicherung und Stabilisierung der neoliberalistischen
Dominanz, deren Zeitalter einher geht mit dem zunehmenden Absterben und der Rückbildung
des Staates, der sich immer mehr aus seinen sozialen Aufgaben (dem Bildungsauftrag, der
Gesundheitsfürsorge und der Daseinshilfe) zurückzieht und diese nicht mehr wahrnimmt. (vgl.
Bourdieu, Pierre (1998): Gegenfeuer. Gegen die neoliberale Invasion; Konstanz, Universitätsverlag Konstanz, S.43)
Die permanent drohende Armut und Arbeitslosigkeit schafft ein Klima der Angst und lässt die
Menschen untereinander konkurrieren um am Arbeitsmarkt zu bestehen, was den
Individuationsprozess durch verschwinden von Klassensolidarität und wiederum dadurch den
Sozialabbau weiter anpeitscht. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort/Begriffsbestimmung Individualisierung
- Individualisierungsansätze in der Soziologie
- Die zweite Moderne- Ulrich Beck und Anthony Giddens
- Pierre Bourdieu und sein Habituskonzept
- Brückner und die Frage nach den Strukturzusammenhängen
- Hauptbedingung für Individualisierung
- Sozialpsychologie des Kapitalismus
- Herrschaft der Kulturindustrie
- Die Transformation der Demokratie
- Klassenfragmentierung im Postfordismus- Begriffsbestimmung
- Postfordismus -Umbrüche in der Ökonomie
- Klassen(lagen)definition- und analyse
- Die Transformation des Staates- ein historischer Abriss
- Entwicklung des Staatsmonopolkapitalismus
- Vom Staatsmonopolkapitalismus zur neuen neoliberalistischen Weltordnung des Finanzkapitalismus
- Weitere aktuelle Transformationen
- Schlusswort/Nachbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit den Zusammenhängen zwischen Individualisierung und neoliberaler Klassenfragmentierung im Postfordismus. Sie untersucht, wie sich die Veränderungen in der Gesellschaft und Wirtschaft auf die Lebensbedingungen und die soziale Identität von Individuen auswirken.
- Individualisierung und ihre Ursachen
- Neoliberale Ideologie und ihre Auswirkungen
- Die Transformation der Klassenstrukturen im Postfordismus
- Die Rolle des Staates in der neoliberalen Weltordnung
- Sozialpsychologische Aspekte des Kapitalismus
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet den Begriff der Individualisierung und seine Bedeutung in der heutigen Gesellschaft. Dabei werden die Auswirkungen der Erosion traditioneller Sozialformen und des Verlusts von Existenzsicherheit beleuchtet. Das zweite Kapitel widmet sich verschiedenen Individualisierungsansätzen in der Soziologie. Es werden die Positionen von Ulrich Beck und Anthony Giddens sowie von Pierre Bourdieu und Peter Brückner analysiert, die unterschiedliche Perspektiven auf die Individualisierung bieten. Die Kapitel drei bis fünf behandeln die Hauptbedingung für Individualisierung, die Sozialpsychologie des Kapitalismus und die Transformation der Demokratie.
Schlüsselwörter
Individualisierung, Neoliberalismus, Klassenfragmentierung, Postfordismus, Sozialpsychologie, Kapitalismus, Transformation, Staat, Kulturindustrie, Habitus.
- Quote paper
- Katharina Bergmaier (Author), 2006, Zusammenhänge zwischen Individualisierung und Neoliberalismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153031