Bedeutung des Kemalismus für die Türkei in Staatswerdung, Verfassung und Militär


Hausarbeit, 2003

19 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Türkei unter Mustafa Kemal
2.1. Geschichtliche Einordnung
2.2. Kemalistische Reformen
2.3. Kemalismus

3. Der Kemalismus in der Türkischen Verfassung
3.1. Verfassungspolitische Geschichte ab 1924
3.2. Die kemalistische Ideologie in der TV 1982
3.2.1 Nationalismus
3.2.2. Laizismus

4. Das türkische Militär in Verfassung und Gesellschaft

5. Schluss

6. Literatur

1. Einleitung

Das Werden des türkischen Staates ist eine spannende Geschichte, die einzigartig unter ihresgleichen ist. Kaum ein andere islamisches Land hat die Säkularisierung und die Annäherung an die westlichen Zivilisationen so konsequent verfolgt wie die türkische Republik. Zählte sie bei Staatsgründung Anfang der zwanziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts noch eindeutig zu den Entwicklungsländern, so ist sie heute wichtiger internationaler Handelspartner, etabliertes NATO-Bündnisland und steht an der Schwelle zum Beitrittskandidaten der Europäischen Union. Lediglich Tunesien und Marokko verfolgten einen ähnlichen Kurs, ohne jedoch annähernd gleichen Erfolg zu haben.

Dennoch ist die Geschichte der Türkei den meisten Menschen in Deutschland verborgen, obwohl die Türken die größte ausländische Bevölkerungsgruppe in diesem Land darstellen. Auch die in Deutschland lebenden Türken, der nun mehr schon dritten und vierten Generation verlieren den Bezug zu der Geschichte Ihres Landes. In deutschen Schulen ist die das Werden der modernen Türkei nicht Teil des Geschichtsunterrichts.[1] Dennoch ist eine Figur der türkischen Historie Begriff des Allgemeinwissens. Mustafa Kemal Atatürk, der Staatsgründer und Visionär, der die Türkei nach seinen Vorstellungen formte und aufbaute.

Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit dem Werden der Türkei unter dem Einfluss von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk. Ich werde darzustellen, wie sich aus den Visionen Atatürks die Ideologie des ‚Kemalismus’ entwickelt hat, nach der die Türkei geformt wurde. Vor diesem Hintergrund werde ich mich im zweiten Teil der türkische Verfassung widmen und darstellen, wie der Kemalismus die türkische Verfassungsgeschichte und die aktuelle Verfassung prägt. Zuletzt setze ich mich mit der verfassungs- und gesellschaftlichen Rolle des Militärs, als Verfechter des Kemalismus, im politischen Gefüge der Türkei auseinander.

2. Die Türkei unter Mustafa Kemal

2.1. Geschichtliche Einordnung

Als sich am 30.10.1918 das osmanische Reich im Waffenstillstand von Mudros den Siegermächten des 1. Weltkrieges ergab, war das Ende des letzten islamischen Großreiches beschlossen. Besiegelt wurde es durch den Friedensvertrag von Sèvres, nach dem ein entmilitarisierter Rumpfstaat ohne eigene Souveränität übrigbleiben sollte. Um die Ruhe und Ordnung wiederherzustellen und die Auflagen der Sieger durchzusetzen, entsendete der Sultan General Mustafa Kemal nach Anatolien. Er sollte im Besonderen die Demobilisation der osmanischen Streitkräfte einleiten.[2] Entgegen seinem Auftrag, organisierte er den zerrütteten militärischen Widerstand. Neben den militärischen Kräften organisierte Kemal auch die nationale Bewegung[3] und wurde an die Spitze des Repräsentativkomitees gewählt, dessen Sitz Ende 1919 nach Ankara verlegt wurde. Anfang 1920 wurde mit dem „Nationalpakt“ ein Minimalprogramm als Grundlage der Widerstands- und Befreiungsbewegung beschlossen. Im April 1920 wurde, als Reaktion auf die Auflösung des Istanbuler Parlaments, die „Große Türkische Nationalversammlung“ in Ankara einberufen.[4]

Neben der politischen Zusammenführung der nationalen Bewegung wurde diese auch von militärischen Erfolgen begleitet. 1920 wurden die Armenier in ihren Unabhängigkeitsbestrebungen gehindert, 1921 und 1922 wurden die Griechen vernichtend geschlagen und letztendlich zog die Befreiungsarmee im Oktober 1922 in Istanbul ein. Der starke Widerstand unter Mustafa Kemal bewegte die beteiligten Mächte zu einem Kompromiss. Im Frieden von Lausanne wurden die türkischen Grenzen festgelegt und der Türkei die Souveränität zuerkannt. Damit begann die Gründungsphase der türkischen Republik.[5]

2.2. Kemalistische Reformen

Mustafa Kemal besaß als politischer Offizier einen tiefen Einblick in die Ursachen des Niedergangs und der Rückständigkeit des osmanisch-islamischen Reiches.[6] Kemal hatte die konkrete Vision die neugegründete Türkei an die Zivilisationsstandards europäischer Mächte heranzuführen. Um diese zu erreichen musste ein klarer Bruch mit der alten Ordnung vollzogen werden. Insofern war die kemalistische Revolution, neben dem tiefgreifenden politischen Umsturz, primär eine kulturelle gewesen.[7]

Kemal hatte schon früh erkannt, dass die Reformunfähigkeit des Reiches an der Reformunfähigkeit des tief in der Gesellschaft verwurzelten Islams lag.[8] In seiner Vision und europäischer Wirklichkeit hatte die Religion allenfalls im Gewissen der Menschen einen Platz. Mustafa Kemal begegnete der Herausforderung mit einem hohen Maß an Realismus. Er ging in seiner Reformumsetzung immer nur so weit, wie er meinte, der jungen türkischen Nation momentan zumuten zu können.[9] Die Abkehr vom Islam wurde in zahlreichen Akten kleineren und grundlegenderen Ausmaßes vollzogen. Kemal säkularisierte das Auftreten der Türken, das Schulsystem und die Zeitrechnung. 1928 wurde das Kalifat abgeschafft und damit der radikale Teil der Säkularisierung eingeleitet. Mit Einführung europäischen Rechts waren Frauen von nun an gleichberechtigt, die Einehe rechtlich verankert und Strafprozesse fanden nicht mehr unter religiösen Gesichtspunkten statt. Kurzum der Islam wurde restlos aus dem Rechtssystem der Türkei verbannt.[10] Im Zuge der Namensreform wurde Mustafa Kemal 1934 vom türkischen Parlament den Namen Atatürk, „Vater der Türken“ verliehen.[11]

Aus den Reformen, mit denen die Türkei umgestaltet wurde, leitete Mustafa Kemal die 6 „kemalistischen“ Prinzipien ab, die das Programm der republikanischen Volkspartei (CHP) bildeten und später als Kemalismus zur Ideologie wurden.[12] 1937 wurden sie in die Verfassung aufgenommen.[13] Hier sind sie der Reihe nach aufgeführt:

[...]


[1] vgl. dazu: Passlack, Jörg: Ursachen und Vermittlung von Vorurteilen; IGK Hausarbeit vom 04.07.2002

[2] aus ‚Information zur politischen Bildung’ Nr. 277/2002 S. 9

[3] Die nationale Bewegung konstituierte sich zur „Gesellschaft zur Verteidigung der nationalen Rechte von ganz Anatolien und Tharzien“ auf den Kongressen in Erzurum und Sivas im Juli/September 1919; vgl. dazu Steinbach, Udo; Die Türkei im 20. Jahrhundert S. 108

[4] aus ‚Information zur politischen Bildung’ Nr. 277/2002 S. 9

[5] ebenda; zur Vertiefung des historischen Hintergrundes: Steinbach, Udo; Die Türkei im 20. Jahrhundert

[6] vgl. Steinbach, Udo; Die Türkei im 20. Jahrhundert. S. 96

[7] ebenda S.66 ff.

[8] ebenda S. 65

[9] ebenda S. 95 f.

[10] ebenda S.129 f. und ‚Information zur politischen Bildung’ Nr. 277/2002 S. 10

[11] ebenda S.143

[12] vgl. ‚Information zur politischen Bildung’ Nr. 277/2002 S. 9

[13] vgl. Steinbach, Udo; Die Türkei im 20. Jahrhundert. S142

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Bedeutung des Kemalismus für die Türkei in Staatswerdung, Verfassung und Militär
Hochschule
Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (ehem. Hochschule für Wirtschaft und Politik)
Veranstaltung
Politische Soziologie
Note
gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
19
Katalognummer
V15306
ISBN (eBook)
9783638204576
ISBN (Buch)
9783640281947
Dateigröße
566 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Kemalismus, Türkei, Staatswerdung, Verfassung, Militär, Politische, Soziologie
Arbeit zitieren
Jörg Passlack (Autor:in), 2003, Bedeutung des Kemalismus für die Türkei in Staatswerdung, Verfassung und Militär, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15306

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