Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Alte Menschen und ihre Lebenssituation
3 Herausforderungen für die Soziale Arbeit
4 Handlungsfelder im Schnittfeld Sozialer Arbeit und Gesundheit
5 Die Begriffe der Prävention und Gesundheitsförderung
6 Das Projekt „Aktive Gesundheitsförderung im Alter“
7 Resümee
8 Quellenverzeichnis
Buchbeiträge
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Gesund und krank, subjektive Wahrnehmung und objektive Einschätzung, chronisch krank oder periodisch gesund sind nicht immer eindeutig voneinander zu trennen, weil Zeichen von Gesundheit (G) und Krankheit (K) in einem Menschen koexistieren können. Daher ist G ein dynamisches Gleichgewicht, mit fließenden Übergängen zur K. Es gibt viele dargestellte Überlegungen zu Vorsorge und Altersmedizin, aber ihre Grundlage bildet ein wieder entdecktes, ganzheitliches Bild von G und K. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert G 1946 als einen „Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit“.[1] Heute sieht die WHO Gesundheit als einen „positiven funktionellen Gesamtzustand im Sinne eines dynamischen biopsychologischen Gleichgewichtszustandes, der erhalten bzw. immer wieder hergestellt werden muss“.[2]
Bei älteren Menschen stellt sich allerdings häufig die Frage, wie ein Wohlbefinden trotz K oder körperlicher Einschränkung erreicht werden kann. Die WHO erklärt 1986 folgendes: „… Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen … Gesundheit steht für ein positives Konzept, das in gleicher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für die Gesundheit betont wie die körperlichen Fähigkeiten. Die Verantwortung für Gesundheitsförderung liegt deshalb nicht nur beim Gesundheitssektor, sondern bei allen Politikbereichen und zielt über die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus auf die Förderung von umfassendem Wohlbefinden hin.“[3] Dabei wird deutlich, dass G und K mehrere Dimensionen menschlicher Existenz betreffen. Die Erfassung verschiedener Bereiche ist geeigneter und effektiver als einzelne Maßnahmen zur Gesundheitsförderung (GF).[4] Daher ist es notwendig, Rahmenorientierungen für die vielfältigen Handlungsfelder und Praxisbereiche vorzugeben. Begriffe wie z.B. Prävention (P) oder GF stellen die übergreifenden Arbeitskonzepte und Zugänge einer gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit (SA) vor. Dabei unterscheiden sich Arbeitskonzepte der SA in Maßnahmen zur P und in konkrete Interventionen und in Maßnahmen, die manifestierte, soziale Auffälligkeiten und Abweichungen bearbeiten.[5]
Zunächst wird die Lebenssituation älterer Menschen beleuchtet, um einen umfassenden Überblick zu gewährleisten. Welche Herausforderungen und Aufgaben sich daraus für die SA ergeben, wird im folgenden Kapitel erläutert. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den sozialen Handlungsfeldern im Schnittfeld von SA und G, die es sinnvoll erscheinen lassen, im nächsten Kapitel die Begriffe P und GF zu erläutern. Weiterhin verdeutlicht das Präventionsprojekt „Aktive Gesundheitsförderung im Alter“ für Senioren das Zusammenspiel der Begriffe G, K, GF und P. Zuletzt erfolgt ein Resümee aus dieser Thematik.
2 Alte Menschen und ihre Lebenssituation
H. Häfner (1986) hat vor über 20 Jahren die zu erwartenden demographischen Veränderungen in der BRD mit den beiden Formeln „Die Bevölkerung altert“ und „Selbst die Alten werden älter“ treffend charakterisiert. Bereits heute ist die BRD wegen seiner niedrigen Geburtenrate weltweit das Land mit dem vierthöchsten Durchschnittsalter der Bevölkerung nach Japan, Italien und der Schweiz sowie das Land mit dem dritthöchsten Anteil der Bevölkerung ab 60 Jahren nach Italien und Griechenland. Die demographische Alterung und eine weitere Abnahme der Bevölkerungszahl werden sich in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen. Das Statistische Bundesamt rechnet mit einem Anstieg der Anzahl älterer Menschen über 60 Jahren in den nächsten Jahrzehnten von ca. 23 % im Jahr 2000 auf ca. 36 % im Jahr 2050. Auch die Zahl der Hochaltrigen wird weiterhin zunehmen. Im Jahr 2000 waren ca. 3,6 % der Bevölkerung 80 Jahre und älter. Bis zum Jahr 2020 soll dieser Bevölkerungsanteil sich verdoppeln und für das Jahr 2050 rechnet das Statistische Bundesamt sogar mit einem Anstieg bis zu 11 %.
Es besteht eine Wechselbeziehung zwischen dem chronologischen Alter und der Krankheitshäufigkeit. Das zeigt sich aus allen Erhebungszeitpunkten der Daten zur Häufigkeit körperlicher und psychischer Erkrankungen bei älteren Menschen in der BRD, die allerdings nur im Rahmen des Mikrozensus altersspezifischer Morbiditätsdaten für das frühere Bundesgebiet von 1978 bis 1999 vorliegen. Bei den über 75-jährigen und Älteren ist der Anteil kranker Menschen am höchsten. Zudem konnte ein Rückgang der Krankheitsprävalenz in dieser Altersgruppe von 39,1 % im Jahr 1978 auf 26,2 % im Jahr 1999 festgestellt werden. Welche Faktoren für die Verbesserung des subjektiv berichteten Gesundheitszustandes verantwortlich sind, ist unklar.[6]
Die Multimorbidität ist ein Charakteristikum des älteren Menschen. Bei den Untersuchungen der Berliner Altersstudie sind bei 96 % der 70-jährigen und Älteren mindestens eine und bei 30 % fünf oder mehr internistische, neurologische, orthopädische und psychische Erkrankungen diagnostiziert wurden, die behandelt werden müssen. Am häufigsten sind Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems und Erkrankungen des Bewegungsapparates vertreten. Zudem geht ein höherer Multimorbiditätsgrades mit einer erhöhten Sterblichkeit einher. Bspw. führen die Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu einer Verkürzung der weiteren Lebenserwartung.[7]
In zahlreichen Studien konnte ein enger Zusammenhang zwischen chronischen Erkrankungen und funktionellen Beeinträchtigungen im höheren Alter nachgewiesen werden. Funktionelle Defizite beeinflussen das alltägliche Leben älterer Menschen, haben eine überragende Bedeutung für deren Lebensqualität und führen zur Beanspruchung von Gesundheitsleistungen. Bspw. entfällt ein hoher Anteil der Arzneimittelausgaben auf sie und mit zunehmendem Alter steigt der Medikamentengebrauch stark an. Aus dem Wohlfahrtssurvey von H.-H. Noll und A. Schöb (2001) geht hervor, dass 1998 von den 70-jährigen und Älteren 77 % in Westdeutschland und 68 % in Ostdeutschland regelmäßig Medikamente einnahmen. Die gleichzeitige Einnahme von fünf und mehr Medikamenten liegt bei derselben Altersgruppe der Berliner Altersstudie bei 24 % für ärztlich verordnete Präparate und 56 %, wenn auch die Selbstmedikation berücksichtigt wird.[8]
Die Krankheitskostenrechnung des Statistischen Bundesamtes (2004) für das Jahr 2002 liefert Daten zur Inanspruchnahme und den Kosten von Gesundheitsleistungen. Dem deutschen Gesundheitswesen entstanden durch die Behandlung von K im Jahr 2002 Kosten von insgesamt über 223 Mrd. €, wobei 43 % der Krankheitskosten auf die Altersgruppe der 65-jährigen und Älteren entfällt. Die Umrechnung der Gesamtkosten der Bevölkerung auf die Krankheitskosten je Einwohner verdeutlicht, dass die Kosten für K mit zunehmendem Alter stark ansteigen. Bspw. betragen diese Kosten bei den unter 15-jährigen ca. 1000 €, bei den 65- bis 85-jährigen über 6000 € und bei den über 85-jährigen bereits ca. 12 500 €.
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[1] Zitat: Meier-Baumgartner et al. 2004, S. 25
[2] Zitat: Meier-Baumgartner et al. 2004, S. 25
[3] Zitat: Meier-Baumgartner et al. 2004, S. 25
[4] Vgl. Meier-Baumgartner et al. 2004, S. 24f.
[5] Vgl. Homfeldt/Sting 2006, S. 158
[6] Vgl. Werle et al. 2006, S. 13
[7] Vgl. Werle et al. 2006, S. 13-14
[8] Vgl. Werle et al. 2006, S. 14-15