Stille Reserven nach HGB- und IAS IFRS-Richtlinien


Seminararbeit, 2010

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen und Definitionen
2.1 Stille Reserven
2.2 Handelsgesetzbuch
2.3 International Accounting Standards / International Financial Reporting Standards

3. Stille Reserven im Vergleich nach HGB- und IAS/IFRS-Richtlinien
3.1. Zwangsreserven
3.2. Dispositionsreserven
3.3. Ermessensreserven
3.4. Willkürreserven

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

6. Eidesstattliche Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 : Arten der stillen Reserven

Abbildung 2: Wesentliche Unterschiede der Grundsätze nach IAS/IFRS und HGB

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

International agierende Unternehmen sehen sich häufig in der Pflicht, ihren Jahresab­schluss sowohl nach den deutschen Richtlinien des Handelsgesetzbuches (HGB) als auch nach den internationalen Richtlinien der International Accounting Standards (IAS) zu erstellen. Mitunter können dabei gravierende Unterschiede zu Tage gefördert wer­den. So wies beispielsweise das Versicherungsunternehmen Allianz im Jahr 2001 fast doppelt so viel Eigenkapital nach IAS wie nach HGB aus. Über 60% dieser Differenz lassen sich durch die Bilanzierung von sogenannten stillen Reserven erklären.[1] Stille Reserven entstehen entweder als Folge einer Unterbewertung der Aktiva, oder durch eine Überbewertung der Passiva - im Falle der Allianz entspricht dies immerhin knapp 8,3 Mrd. €. Das Beispiel verdeutlicht, dass stille Reserven nach HGB und IAS gänzlich unterschiedlich behandelt werden. Während sie durch das HGB in einigen Fällen er­laubt sind, lehnt das IAS sie grundsätzlich ab. Die abweichenden Bilanzierungsvorga­ben von stillen Reserven nach IAS und HGB können dabei zu stark unterschiedlichen Aussagen über die Finanzlage eines Unternehmens führen. Unter anderem deshalb wer­den ausländische Jahresabschlüsse von der US-amerikanischen Börsenzulassungsbe­hörde Securities and Exchange Commission (SEC) nicht zugelassen, wohingegen US- amerikanische Jahresabschlüsse in Deutschland anerkannt werden.[2] Inzwischen hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Anstrengungen un­ternommen, die Richtlinien des HGB stärker an die internationalen Vorgaben anzuleh­nen. So wurden einige Möglichkeiten zur Bildung von stillen Reserven im HGB eindeu­tig eliminiert.

Ziel dieser Arbeit ist es, die unterschiedlichen Bilanzierungsarten der stillen Reserven nach HGB- und IAS/IFRS-Richtlinien und die daraus resultierende Problematik aufzu­zeigen. Dabei soll keine detaillierte Beschreibung des Aufbaus und der Regulierungen des HGB und der IAS/IFRS gegeben werden. Vielmehr sollen die Richtlinien in ihren wesentlichen Grundzügen erläutert werden und auf die für die Bilanzierung von stillen Reserven bedeutenden Unterschiede eingegangen werden. Hierzu sollen in Kapitel 2 die begrifflichen Grundlagen erläutert werden, bevor in Kapitel 3 auf die Unterschiede ein­gegangen wird. In Kapitel 4 sollen die Ergebnisse diskutiert und analysiert werden.

2. Grundlagen und Definitionen

Im folgenden Kapitel werden die grundlegenden Begriffe dieser Schrift erläutert. Zu­nächst sollen hierzu die Eigenschaften und Arten der stillen Reserven erläutert werden, bevor näher auf die Bilanzierungsprinzipien HGB und IAS/IFRS eingegangen wird.

2.1 Stille Reserven

Im Gegensatz zu den auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesenen Kapitalreserven sind die stillen Reserven nicht in der Bilanz ausgewiesen. „Stille Reserven werden definiert als Differenz zwischen dem Buchwert und einem höheren Vergleichswert (z.B. dem Zeit- oder Wiederbeschaffungswert) von Vermögenswerten bzw. den Buchwerten und den niedrigeren tatsächlichen Werten von Schulden“.[3] [4] Stille Reserven entstehen dem­nach entweder als Folge einer Unterbewertung der Aktiva, oder durch eine Überbewer­tung der Passiva. Eine stille Reserve wird dabei als endogen bezeichnet, wenn deren Bildung und Auflösung durch das Unternehmen beeinflusst werden kann. Die Bilanzie­rung von exogenen stillen Reserven ist nicht durch das Unternehmen beeinflussbar und wird „von außen“ vorgegeben (vgl. Abbildung l).[5]

Abbildung 1 : Arten der stillen Reserven

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: in Anlehnung an Hoch (2003), S. 312

Insgesamt werden vier Arten von stillen Reserven unterschieden - die Zwangs-, die Dispositions-, die Ermessens- und die Willkürreserven:

- Zwangsreserven entstehen, wenn der Gesetzgeber die Bilanzierung über einen be­stimmten Wert hinaus verbietet (z.B. Überschreitung der Anschaffungs- und Her­stellkosten).[6] Die Höhe stiller Zwangsreserven ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Buchwert von Vermögensgegenständen und deren (höherem) Tageswert als Marktwert. Sie treten insbesondere bei langfristigen Investitionen wie Grundstücken, Beteiligungen und Wertpapieren des Anlagevermögens auf. Hat beispielsweise ein Grundstück, welches in der Bilanz mit einem Betrag von 1.000.000 Euro verbucht wird, einen Verkaufswert von 1.500.000 Euro, so bestünde eine stille Reserve in Höhe von 500.000 Euro, wenn in der Bilanz nicht über die Anschaffungskosten hin­aus bewertet werden darf.

- Dispositionsreserven können durch handelsrechtliche Bilanzierungs- und Bewer­tungswahlrechte entstehen, indem sich der Bilanzierende für jene bilanzpolitische Maßnahme entscheidet, die zu niedrigeren Ansätzen des Vermögens führt (z.B. Wahlrecht zur Bildung von Rückstellungen, Wahlrecht zur außerplanmäßigen Ab­schreibung bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens).[7] [8] Als Beispiel sei angenommen, dass ein Unternehmer eine Firma für 1.000.000 Euro kauft. Der ei­gentliche materielle Wert der Firma beträgt jedoch nur 750.000 Euro. Der Residual­wert von 250.000 Euro ist der derivate Geschäfts- oder Firmenwert (GoF) - beste­hend aus den Patenten, Standortvorteilen, Kundentreue etc. des gekauften Unterneh­mens. Der Unternehmer beschließt sein Aktivierungswahlrecht nicht wahrzunehmen und nur 750.000 Euro als Vermögen zu bilanzieren. Ihm entstehen so stille Reserven von 250.000 Euro.

- Ermessensreserven, auch Schätzungsreserven genannt, resultieren ebenfalls durch handelsrechtliche Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte. Der Grund dafür liegt in der Ungewissheit von Schätzungen, d.h. mangelnde Informationen und Ungewiss­heit über den Eintritt zukünftiger Ereignisse (z.B. Nutzungsdauer des abnutzbaren Anlagevermögens, Bemessung von Rückstellungen). Beispielsweise beschafft ein Unternehmen eine Maschine zu 50.000 Euro. Diese hat eine Lebensdauer von zehn Jahren. Die Geschäftsleitung schätzt die Lebensdauer jedoch nur auf fünf Jahre und beschließt, die Maschine innerhalb von fünf Jahren abzuschreiben. So werden über fünf Jahre jährlich 10.000 Euro abgeschrieben anstelle von nur je 5.000 Euro über zehn Jahre. Dadurch entstehen pro Jahr 5.000 Euro an stillen Reserven.

- Willkürreserven ergeben sich durch bewusste Nichtbeachtung der Bilanzierungs­vorschriften und verfälschen die Vermögens- und Ertragslage (z.B. durch Nichtakti­vierung von aktivierungspflichtigen Vermögensgegenständen oder der Unterbewer­tungen von Vermögensgegenständen).[9] Als Beispiel sei angenommen, dass ein Un­ternehmen einen ausländischen Schuldner besitzt und bewusst beschließt, den Schul­denbetrag auf Basis eines zu niedrigen Wechselkurses zu bilanzieren. Im Vergleich zum realen Wechselkurs entstehen dem Unternehmen dabei stille Reserven.

Für das Unternehmen stellen stille Reserven eine Rücklage dar, die in der Bilanz nicht erscheint. Da hierdurch die Bilanz verfälscht wird, erschwert sie die Vergleichbarkeit und Aussagefähigkeit zu anderen Unternehmungen. Der ausgewiesene Jahreserfolg wird durch die Bildung stiller Reserven verringert. Es ergeben sich dadurch jedoch kei­ne Steuerersparnisse, sondern es kommt lediglich zu einer Steuerverschiebung auf den Zeitpunkt, bei dem die stillen Reserven aufgelöst werden.[10]

2.2 Handelsgesetzbuch

Das Handelsgesetzbuch, das bereits am 1. Januar 1900 in Kraft trat, ist die wichtigste Rechtsquelle für Kaufleute in Deutschland. Es stammt in weiten Teilen von dem All­gemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB) von 1861 ab und soll Geschäfte innerhalb der Bundesrepublik Deutschland regeln. Das HGB ist in vier Bücher unter­teilt, von denen hinsichtlich der stillen Reserven allerdings nur das dritte Buch relevant ist. Das dritte Buch regelt das Handelsbilanzrecht und behandelt die Aspekte Buchfüh­rung, Bilanz- & Jahresabschluss, Prüfung und Offenlegung. Es besteht aus sechs Ab­schnitten. Der erste Abschnitt gilt für alle Kaufleute, während die Abschnitte zwei bis vier ergänzende Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften, Genossen­schaften, Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen enthalten. Das Private Rech­nungslegungsgremium und der Rechnungslegungsbeirat werden im fünften Abschnitt behandelt und der sechste Abschnitt befasst sich mit der Prüfstelle für Rechnungsle- gung.[11] Das HGB besagt, dass jeder Kaufmann eine Bilanz zum Schutz der externen Bilanzadressaten [12] erstellen muss, die die Vermögens-, Finanz und Ertragslage ersicht­lich macht. Die Buchführung muss dabei „so beschaffen sein, dass sie einem sachver­ständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvor- falle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann“ [13]. Die Erstellung der Bilanz muss nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) erfolgen, wobei der Begriff GoB nicht eindeutig definiert ist. Vielmehr stellen sie einen Verbund aus nur teilweise niedergeschriebenen Regeln zur Buchführung dar, die auf den Empfehlungen und Vorgaben der Wissenschaft, Praxis und Rechtsprechung basieren. Aufgrund wie­derkehrender Unsicherheiten bei der Bilanzierung hat der Gesetzgeber versucht, Teile der GoB durch im Gesetzbuch festgelegte Grundsätze näher zu beschreiben.[14] Diese sogenannten kodifizierten Grundsätze lassen sich folgendermaßen systematisieren.[15]

Alle Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung genauer zu erläutern, würde den Rah­men dieser Arbeit sprengen. Aus diesem Grund sollen nur die für stille Reserven we­sentlichen Grundsätze kurz erklärt werden.[16]

[...]


[1] vgl. Lier (2003), S. 286

[2] vgl. Thiele (1999), S. 2

[3] „In der Literatur zur Rechnungslegung findet man sowohl den Begriff stille Reserven als auch stille Rücklagen. [...] Da es kein zwingendes Argument für den einen oder anderen Begriff gibt, werden im neueren Schrifttum stille Rücklagen und stille Reserven synonym verwandt“. Thiele (1999), S. 7. In der vorliegenden Arbeit soll der Begriff „stille Reserven“ benutzt werden.

[4] vgl. Küting/Weber (2009), S. 217

[5] vgl. Küting (1995), S. 4 ff.

[6] vgl. Küting/Weber (2009), S. 218

[7] vgl. Coenenberg (2005), S. 321; Küting/Weber (2009), S. 218

[8] vgl. Coenenberg (2005), S. 321 f; Küting/Weber (2009), S. 219; Wöhe (2005), S. 1047

[9] vgl. Coenenberg (2005), S. 322

[10] vgl. Coenenberg (2005), S. 322; Wöhe (2005), S. 1046 f

[11] HGB (2007), S.IX - XI; vgl. auch Wöhe (2005), S.845 ff

[12] „Externe Bilanzadressaten sind alle Personen und Institutionen, deren wirtschaftliche Lage durch die Entscheidungen der Unternehmensleitungen beeinflusst werden kann. Zu den externen Bilanzadressaten gehören: die Gläubiger, die Anteilseigner (insbesondere Aktionäre), die Finanzverwaltung, die Arbeit­nehmer und die interessierte Öffentlichkeit“ Wöhe (2005), S. 841

[13] §238 Abs. 1 Satz 2 HGB

[14] vgl. Coenenberg (2005), S.38

[15] vgl. Coenenberg (2005), S.46; Wöhe (2005), S. 856 ff

[16] vgl. Coenenberg (2005), S. 41 f

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Stille Reserven nach HGB- und IAS IFRS-Richtlinien
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie und Management gemeinnützige GmbH, Hochschulstudienzentrum Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
18
Katalognummer
V153264
ISBN (eBook)
9783640654130
ISBN (Buch)
9783640654543
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
stille Reserven, HGB, Richtlinien, HGB-Richtlinien, IAS, IFRS, IAS-Richtlinien, IFRS-Richtlinien, Zwangsreserven, Dispositionsreserven, Ermessensreserven, Willkürreserven, Jahresabschluss, deutsche Richtlinien, internationale Richtlinien, Bilanzierung, Reserven, Aktiva, Passiva, Überbewertung, Unterbewertung, Finanzlage, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, internationale Vorgaben, international, Bilanzierungsarten, Buchwert, Vergleichswert, Passivseite, endogen, exogen, Anschaffungs- und Herstellkosten, Vermögensgegenstände, Anlagevermögen, Bilanz, Investitionen, Bilanzierungswahlrechte, Bewertungswahlrechte, Rückstellungen, Abschreibungen, Umlaufvermögen, Schätzungsreserven, GoF, Geschäfts- oder Firmenwert, Vermögens- und Ertragslage, Jahreserfolg, Buchführung, Bilanz- & Jahresabschluss, GoB, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, kodifiziert, Grundsätze, Grundsatz, Gläubigerschutz, Prinzip, Prinzipien, Grundsatz zur Vorsicht, Imparitätsprinzip, Realisationsprinzip, Anschaffungswertprinzip, Niederstwertprinzip, Höchstwertprinzip, nicht realisierte Verluste, kapitalmarktorientiert
Arbeit zitieren
Sandra Peters (Autor:in), 2010, Stille Reserven nach HGB- und IAS IFRS-Richtlinien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153264

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