Das Event in der Marktkommunikation von Unternehmen - Ein Überblick


Studienarbeit, 2003

67 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Event
2.1. Begriffsdefinition
2.2. Exkurs: Sponsoring
2.3. Ursachen für die Entstehung von Events
2.3.1. Marktsättigung
2.3.2. Informationsüberlastung
2.3.3. Wandel von Werten, Einstellungen, Lebensstilen
2.4. Erscheinungsformen und Systematisierung
2.4.1. Nach Inhalten
2.4.2. Nach Zielgruppen
2.4.3. Nach Initiator
2.4.4. Sonstige
2.5. Ziele
2.5.1. Ökonomische Ziele
2.5.2. Kontaktziele
2.5.3. Kommunikationsziele
2.6. Zielgruppen
2.7. Veranstaltungsorte
2.8. Wirkungen
2.8.1. Aktivierung durch Emotionen
2.8.2. Imagetransfer
2.8.3. Dialog und Anschlusskommunikation
2.8.4. Integrierte Kommunikation
2.8.5. Kundenbindung
2.8.6. Konstruktion von Erlebniswelten
2.8.7. Risiken und Probleme
2.9. Budgetierung
2.10. Erfolgskontrolle
2.11. Fazit

3. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Alles Event!?“ heißt ein Ratgeber und Praxisleitfaden für Events von Inden (1993). Und damit werden auch schon zwei Dinge angesprochen, die eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Events“ interessant und zur Herausforderung machen. Wie Inden richtig erkannt hat und gleichzeitig in Frage stellt, ist derzeit wirklich „alles Event“: „Wann immer heute in Chicago eine Schaufel oder in Shanghai ein Fahrrad umkippt, wird der Vorgang sogleich zum Event aufgeschäumt“ (Krohn 1997: o. S.). Das Medien-Spektakel „Big Brother“, wird noch während der zweiten Staffel zum Medien-Debakel, obwohl anfangs als „TV-Event“ (Rupprecht 2000) gerühmt. Und während man weiterhin von Silvester 1999 die Millenniumskorken und -raketen knallen hört, erkennt die (ganze?) Welt kurz darauf, dass „der Jahrtausendwechsel zum Mega-Event hochstilisiert“ (10.01.00, S. 42) wurde. Die überzogene Darstellung in den Medien macht auf eine Schwierigkeit bei der Auseinandersetzung mit dem Thema „Event“ aufmerksam. Es ist schwer greif- und verstehbar, was alles Event sein kann. Der Begriff „Event“ wird inflationär und zu unbewusst gebraucht. Auf der anderen Seite sind Fachmessen wie die „World of Events“ in Wiesbaden oder Fachmazagine wie „Event-Partner“ ein Anzeichen für den hohen Stellenwert von Events. Durch die Beschränkung auf die Wirtschaft wird die Thematik jedoch schon sehr viel greifbarer gemacht.

Im Kapitel 2.1. grenze ich ab, was im Rahmen dieser Arbeit unter Events zu verstehen ist. Der Exkurs 2.2. über Sponsoring wird sogleich notwendig, da beide Begriffe oftmals im Zusammenhang stehen oder gebraucht werden. In 2.3. werden die wichtigsten Gründe für die Entstehung von Events erläutert, bevor ich diese anschließend in 2.4. kategorisiere. Events, die in Unternehmen zur Marktkommunikation eingesetzt werden, sollen bestimmte Ziele erreichen, die in 2.5. behandelt werden. An wen sich Events richten, zeigt 2.6 auf. Da bei Events der Veranstaltungsort eine große Rolle spielt, oftmals sogar selbst das Event ausmacht, wird darauf in 2.7. eingegangen. Was Events letztendlich im Rahmen der Marktkommunikation bewirken (können), zeigt 2.8. ausführlich. Das für die Betriebswirtschaft nicht zu vernachlässigende Thema „Kosten“, wird in 2.9. kurz behandelt, in 2.10. die dagegen teils vernachlässigte Erfolgskontrolle. Nach einer kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Fakten zum Event in 2.11. schließe ich in einem Fazit über meine Erkenntnisse ab.

2. Das Event

„Das Große Fremdwörterbuch“ bietet für das Wort „Event“ keine Erklärung. Lediglich das französische Fremdwort „Evenement[1] “ findet eine Sinndeutung als „1. Begebenheit, Ereignis. 2. Erfolg, Ausgang einer Sache“ (Drosdowski 1994: 432). Schlägt man dagegen im „Duden – Die Rechtschreibung der deutschen Sprache“ nach, findet sich der Hinweis, dass „der od. das“ (Drosdowski 1996: 266) Event[2] der englische Begriff für Veranstaltung ist (vgl. ebd.). Brockes[3] gibt in der Einleitung zur Event-Basics-Studie sodann auch gleich die Erklärung dafür, warum überhaupt von Event statt Veranstaltung gesprochen wird: „Meist sind Veranstaltungen nur für bestimmte Zielgruppen tatsächlich ‚Ereignis/Erlebnis’ und lösen somit positive Emotionen aus“ (Witt 1999: Einleitung o. S.). Anders sehen das Unternehmen, die vom BDW befragt wurden[4]. 61 Prozent der Befragten sehen den Begriff „Event“ lediglich als eine „neue Bezeichnung für Veranstaltungen, wie sie schon lange in Unternehmen durchgeführt werden“ (BDW 1993: 4). Dass statt der deutschen Begrifflichkeit „Ereignis“ häufig das englische Wort „Event“ benutzt wird, dafür hat Lengert[5] eine Erklärung: „Weil es eindrucksvoller, weitläufiger und marketingmäßiger klingt, sagen diejenigen, die auch Outfit, Lifestyle, sich committen und web-afin sagen (und wahrscheinlich auch zum Lachen ins Basement gehen) heute statt Erlebnis Event. Aber die Sache bleibt die gleiche [sic!]“ (Pechmann 2000: 96).

Viecenz versteht unter einem Event oder Ereignis genau einen „besonderen, nicht alltäglichen Vorgang oder Vorfall. Ein solches Geschehen oder Geschehnis unterbricht den normalen Ablauf als etwas Bemerkenswertes“ (1996: 44). Findet ein Event zielgerichtet im Marketing statt, handelt es sich dabei um ein Marketing-Event. Marketing-Events bilden also den inhaltlichen Kern des Event-Marketings. Event-Marketing[6] ist dann, „wenn ein gesamthaftes Marketing-Konzept basierend auf Ereignissen und Erlebnissen vorliegt“ (ebd.), die in der Regel eher kurz- als langfristig konzipiert sind (vgl. Weinberg 1995: 100). Event- oder Ereignis-Marketing kann also als weiteres Kommunikationsinstrument innerhalb des Marketing-Mix eingereiht werden[7] (vgl. Viecenz 1996: 46). Oder mit den Worten von Nickel:

Event-Marketing ist „die systematische Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von Events innerhalb der Kommunikationsinstrumente Werbung, Verkaufsförderung, Public Relations oder interner Kommunikation“ (1998: 7).

Worum es sich genau bei einem Event handelt, wird im Folgenden näher erläutert und definiert.

2.1. Begriffsdefinition

Gebhardt/Hitzler/Pfadenhauer definieren Events als

„in der Regel aus kommerziellen Interessen organisierte Veranstaltungen, deren primäres Ziel die Herstellung eines alle Teilnehmer umfassenden ‚Wir-Gefühls’ ist. Dieses Ziel soll erreicht werden durch die Vernetzung unterschiedlichster interaktiver Unterhaltungsangebote, durch die Verschmelzung multinationaler Kulturelemente in allein nach ästhetischen Kriterien konstruierten Spektakeln, so daß [sic!] der Eindruck eines ‚totalen’ Erlebnisses entsteht“ (=Arbeitspapier zur Tagung Soziologie der Events, Dortmund 1998. In: Willems 2000: 53).

Teils genauer, teils ergänzend versteht Hitzler unter Events

„aus unserem spät-, post- bzw. reflexiv-modernen Alltag herausgehobene, raum-zeitlich verdichtete, performativ-interaktive Ereignisse mit hoher Anziehungskraft für relativ viele Menschen. Diese Anziehungskraft resultiert wesentlich aus dem ‚Versprechen’ eines hohen, teilnehmerspezifisch vorangelegten, typischerweise verschiedene Kulturformen übergreifenden Spaß-Erlebens. D. h., Events sind vor-produzierte Gelegenheiten zur massenhaften Selbst-Inszenierung der Individuen auf der Suche nach einem besonderen (und besonders interessanten), eigenen Leben“ (Hitzer 1998: 2).

Für Willems ist die Quintessenz beider Definitionen der „Spaßaspekt“ oder der Aspekt der Erlebnisgesellschaft. Sie unterscheiden sich von anderen Anlässen mit Erlebnis- und Emotionscharakter dadurch, dass „ihr Zweck wie ihre Motivgrundlage in den Spaß-Erlebnissen als solchen liegt“ (2000: 53). Berücksichtigt man neben diesen soziologischen Betrachtungsweisen auch kommunikationswissenschaftliche bzw. betriebswirtschaftliche Definitionen, wird deutlich, dass vielmehr andere Aspekte – speziell für das Herangehen an diese Arbeit – wesentlich sind.

Der Deutsche Kommunikationsverband BDW[8] definiert Events und deckt der eigenen Meinung nach mit seiner Definition „die ganze Bandbreite der zur Zeit erfaßbaren [sic!] Kriterien“ ab:

„Unter Events werden inszenierte Ereignisse sowie deren Planung und Organisation im Rahmen der Unternehmenskommunikation verstanden, die durch erlebnisorientierte firmen- oder produktbezogene Veranstaltungen emotionale und physische Reize darbieten und einen starken Aktivierungsprozeß [sic!] auslösen“ (1992: 4).

Sistenichbez bezieht in seine Definition noch den Adressaten mit ein und definiert als Marketing-Events

„inszenierte Ereignisse in Form erlebnisorientierter firmen- und/oder produktbezogener Veranstaltungen und Aktionen, die dem Adressaten (Kunden, Händler, Meinungsführer, Mitarbeiter) firmen- und/oder produktbezogene Kommunikationsinhalte vermitteln, d. h. emotionale und physische Reize darbieten, die zu einem starken Aktivierungsprozess führen“ (1999: 60f.).

Bruhn bezeichnet ein Event ganz allgemein als „eine besondere Veranstaltung oder ein spezielles Ereignis, das multisensitiv vor Ort von ausgewählten Rezipienten erlebt und als Plattform zur Unternehmenskommunikation genutzt wird“ (1997: 777). Erber stellt bezugnehmend auf die Definition von Bruhn fest, dass bei einem Austausch des Begriffs Unternehmenskommunikation zu Kommunikation der Bezug zur Wirtschaft entfällt und sich auf die Elemente

- besondere Veranstaltung/Ereignis
- multisensitives Erleben und
- Kommunikation

reduziert (vgl. Erber 2000: 18).

2.2. Exkurs: Sponsoring

Im Zusammenhang mit Events bzw. Event-Marketing fällt auch oft der Begriff Sponsoring, den Hermanns definiert

„als die Zuwendung von Finanz-, Sach- und/oder Dienstleistungen von einem Unternehmen, dem Sponsor, an eine Einzelperson, eine Gruppe von Personen oder eine Organisation bzw. Institution [...], dem Gesponserten, gegen die Gewährung von Rechten zur kommunikativen Nutzung von Personen bzw. Organisationen und/oder Aktivitäten des Gesponserten auf der Basis einer vertraglichen Vereinbarung“ (1997: 36f.).

Der Sponsor leiht sich also fremde Leistungsvorteile durch Investitionsmittel. Ein wesentlicher Unterschied zum Event-Marketing liegt beim Sponsoring darin, dass die mit den Nutzungsrechten verbundene Veranstaltung in der Regel auch ohne diesen bzw. mit einem anderen Sponsoren stattfinden würde und von diesem nicht selbst geplant wird. Der Nutzen des Sponsors besteht lediglich darin oder in dem Versuch, an dem Image eines Ereignisses teilzuhaben oder sein Image durch Werte anzureichern, die von dem gesponserten Event abgeleitet werden. Das beste Image überträgt sich auf Sponsoren von Rock-/Pop-Events gefolgt von Klassik-Events[9]. Sponsoring ist erst dann wirklich sinnvoll, wenn sowohl Sponsoring-Nehmer als auch Sponsoring-Geber von einer Zusammenarbeit profitieren. Häufig ist ein Sponsor den Reglements des Veranstalters unterworfen und zudem noch einer von vielen Förderern (vgl. Koschnick 1996: 916).

Titelsponsoring ist dagegen die Möglichkeit, eine dominierende Stellung einzunehmen und „auf eine Veranstaltung soviel Einfluss auszuüben, dass sie exklusiv nur mit einer Unternehmung assoziiert wird“ (Viecenz 1996: 70). Dies geschieht dadurch, dass in den Veranstaltungstitel der sponsernde Unternehmungs- oder Produktname eingeflochten und entsprechend angekündigt und kommuniziert wird.[10] Die Bedeutung, die Sponsoring im Rahmen des Marketing-Mix eingeräumt wird, verdeutlicht der stetige Zuwachs an Ausgaben dafür.[11] Noch exponierter dargestellt werden kann eine Unternehmung oder ein Produkt jedoch, wenn seine Präsentation so frei gestaltet werden kann, wie dies für möglich gehalten wird. Das ist im Falle der persönlichen Ausrichtung, also im Rahmen eines Events, machbar.

2.3. Ursachen für die Entstehung von Events

Begreift man Events nach der oben genannten Definition von Viecenz im weitesten Sinne als einen „besonderen, nicht alltäglichen Vorgang oder Vorfall“, der „den normalen Ablauf als etwas Bemerkenswertes“ unterbricht (Viecenz 1996: 44), dann ist Indens Hypothese sicherlich nicht zu widersprechen, dass „Events [..] so alt wie die Menschheit“ sind (1993: 11). Im Rahmen dieser Arbeit soll jedoch auf Events nach der Definition des BDW oder Sistenich eingegangen werden. Sucht man nach Gründen für das Auftreten oder die Entstehung von Events im hier verstandenen Sinne, so werden in der Literatur mehrere Gründe genannt[12].

2.3.1. Marktsättigung

Da Volkswirtschaften sich immer aus wachsenden und schrumpfenden Märkten zusammensetzen, ist das Argument gesättigter, das heißt stagnierender und schrumpfender Märkte im Grunde banal (vgl. Levermann 1998: 16). Allerdings hat das Ausmaß bisher nicht erreichte Größen angenommen. Schätzungen zufolge haben 50 bis 75 Prozent aller Branchen in Westeuropa, Japan und den USA nur noch geringe, keine oder negative Wachstumsraten zu verzeichnen[13] (vgl. Meffert 2000: 259). Diese Tendenzen der Marktsättigung bei gleichzeitig hohem Qualitätsstandard wurden bereits Mitte der achtziger Jahre identifiziert (Konert 1986b: 187). Die Ursachen für eine nachlassende Nachfrage sind vielfältig[14]. Sie können unter anderem liegen in

- demographischen und gesellschaftlichen Veränderungen,[15]
- technischem Wandel[16] oder
- geänderten staatlichen Rahmenbedingungen.[17]

Als Hauptursache einer Marktstagnation steht sehr häufig die Marktsättigung im Vordergrund[18]. „Marktsättigungstendenzen beruhen auf der abnehmenden Zahl der Konsumenten und/oder einer Verringerung der durchschnittlichen Verbrauchs- beziehungs-weise Verwendungsintensität“ (Meffert 2000: 161). Ein wertmäßiges Wachstum des Marktvolumens kann dagegen auch bei mengenmäßig gesättigten Marktsituationen erreicht werden. Dies geschieht durch die Schaffung von Zusatznutzen wie Prestige, Beratung oder Service (vgl. Ohlsen 1985: 126).

Entwicklungen sowohl in positiver als auch in negativer Richtung vollziehen sich nicht innerhalb kurzer Zeit, sondern meist über Jahre oder Jahrzehnte hinweg. Tritt Marktsättigung ein, nimmt die Nachfrage nach Ersatzprodukten oder -dienstleistungen zu und die Branche befindet sich in der Reifephase ihres Lebenszyklus. Die Sättigung kann durch Variation der Bedürfnisstruktur, beispielsweise durch Substitutionsprodukte[19] oder qualitative und quantitative Umgestaltungen, geändert werden. Da nie einzelne Marken betroffen sind, sondern alle Produkte der Branche, wird der Wettbewerb zwischen den Anbietern härter. Marketingausgaben steigen durch die Neuentwicklung von Produkten für Marktnischen und wegen der erforderlichen Unterstützung eingeführter Marken (vgl. Nickel 1998: 16f.). Ein weiteres Problem ist die Austauschbarkeit der Produkte und Dienstleistungen aufgrund ihrer Homogenität, die Angebots- und Markenvielfalt wächst deutlich[20]. Zu Beginn der 90er Jahre wurde für ca. 41.000 Marken in den klassischen Medien geworben, im Vergleich dazu waren es 1975 erst 25.000 (vgl. Meffert/Schürmann 1992: 2). Bruhn nennt für 1994 sogar 56.000 umworbene Marken. Somit konkurrieren immer mehr Angebote um die Aufmerksamkeit der Konsumenten und das vor dem Hintergrund einer abnehmenden Markenloyalität. Dadurch gewinnt eine kommunikative Unterscheidung zunehmend an Bedeutung (vgl. Unger/ Fuchs 1999: 2). Bei der heute vorhandenen Erlebnisorientierung kann man sich eher durch Produktimages als durch Produkteigenschaften abheben, die in Events kommuniziert werden.

2.3.2. Informationsüberlastung

Die zunehmende Zersplittung der Märkte als Folge des intensiven Wettbewerbs führt zu der Konsequenz, dass immer mehr Produkte und Dienstleistungen beworben werden, und es für immer mehr Zielgruppen eine größere Vielfalt an spezialisierten Medien gibt. Allein bei den IVW-geprüften Publikumszeitschriften hat sich die Zahl der Titel von 1991 (596) auf 2000 (847) um 42 Prozent gesteigert (vgl. ZAW 2001: 280). Die Fachzeitschriften haben im gleichen Zeitraum von 921 (1991) auf 1094 (2000) um 19 Prozent zugenommen (vgl. ebd.: 288). Levermann spricht daher von einer Informationsüberlastung bei den Konsumenten (1998: 19). „Unter Informationsüberlastung versteht man den Anteil des Informationsangebotes, der von den Empfängern nicht beachtet wird“ (Kroeber-Riel 1988: 182). Bereits 1988 hat Kroeber-Riel in der Bundesrepublik Deutschland eine durchschnittliche Informationsüberlastung von 98,1 Prozent[21] festgestellt. Dabei stellen der Rundfunk mit 99,4 Prozent den höchsten Anteil dar. Der geringste, aber immer noch über 90 Prozent, wird durch die Zeitungen hervorgerufen. Nach den Ergebnissen einer Expertenbefragung kommt ein Durchschnittskonsument pro Tag durchschnittlich auf ca. 190 Werbekontakte (vgl. Nickel 1997: 59). Theis-Berglmair stellt fest, dass „mit zunehmender Reizfülle [..] die zentrale Voraussetzung von Kommunikation, nämlich Aufmerksamkeit der Empfänger/Rezipienten, zu einem knappen Gut und dies nicht nur im Hinblick auf Werbebotschaften“ wird (2001: 60).

Da Aufmerksamkeit – im Gegensatz zur Ressource Geld – nicht beliebig vermehrbar ist, verändert diese Informationsüberflutung das Informationsverhalten: Das Informationsangebot wird nur teilweise überhaupt aufgenommen, und davon wiederum wird nur ein kleiner Teil verarbeitet und noch weniger wird gespeichert. Das Involvement, also die innere Beteiligung, sinkt. Eine Ausweitung des Informationsangebots muss daher automatisch zu einer Verringerung der Informationsaufnahmerate oder zu einer Erhöhung des Informationsüberschusses führen (vgl. Andresen 1991: 197). Die angebotenen Informationen werden somit flüchtiger und selektiver aufgenommen[22]. Bevorzugt werden von den Rezipienten daher solche Informationen, die sich auf den ersten Blick aus der Informationsflut abheben und besonders schnell aufgenommen und verarbeitet werden können, was in erster Linie Bildinformationen sind (vgl. Kroeber-Riel
1993: 7). Andresen sieht als Selektionskriterien für die Aufnahme von Kommunikationen bei Lesern und Rezipienten von Werbung

- aktivierende Merkmale durch emotionale Gestaltung, kognitive Überraschung oder physische Reize,
- Thematisierungen (Agenda setting),
- kurze und verständliche Präsentation sowie
- Interessensübereinstimmung mit den Vorstellungen der Konsumenten (vgl. 1991: 190).

Kroeber-Riel/Weinberg ziehen als Fazit für die Informationsüberlastung und den daraus resultierenden vermehrten Bilderkonsum, dass „das vermittelte Wissen und die ausgelösten Gefühle im Gedächtnis weniger sprachlich, vielmehr in Bildern repräsentiert werden“ (1999: 615). Daraus folgt, dass das Ereignis-Marketing sich vor allem der visuellen Kommunikation bedient.

2.3.3. Wandel von Werten, Einstellungen, Lebensstilen

Wiswede macht darauf aufmerksam, dass seit 1976 „’Wertewandel’ ein Modethema“ (1991: 13) ist[23], und Veränderungen im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Be-reich oftmals unkritisch als Ausdruck des Wertewandels und nicht für sozialen Wandel schlechthin interpretiert werden. Unter einem Wert versteht Kluckhohn die „Auffassung vom Wünschenswerten, die explizit oder implizit für einen einzelnen oder für eine Gruppe kennzeichnend ist und welche die Auswahl der zugänglichen Weisen, Mittel und Ziele des Handelns beeinflußt [sic!]“ (1951: 395). Anders ausgedrückt sind Werte Zielvorstellungen von Individuen oder Kollektiven, die diesen im Leben eine Leit- und Orientierungsfunktion geben. Wertvorstellungen drücken sich in unterschiedlichen Lebensstilen, sowohl inter- als auch subkulturell, aus (vgl. Wiswede 2001: 14). Wertänderungen können aber auch „eine Art Nebenprodukt wirtschaftlicher Veränderung, hier insbesondere eine Folge des wachsenden Wohlstandes“ (ebd.: 17) sein.

Drei mögliche zentrale Tendenzen des Wertewandels können sein:

- Der erhöhte Stellenwert gesellschaftlicher Werte und Ziele. Damit ist gemeint, dass das Bewusstsein der Menschen heutzutage durch öffentliche Diskussionen für Werte wie Arbeitssicherheit, Ökologie und Gesundheit sowie humanitäre Ziele etc. geschärft ist. Die Gesellschaft soll sich danach richten, wobei die Lebensführung des Individuums diesen Normen nicht entsprechen muss oder sich gar daran orientiert.
- Der Trend zur Selbstentfaltung und Erleben zeigt sich in der Rückläufigkeit von klassischen Pflichtwerten zugunsten einer hedonistischen Selbstentfaltung und Erlebnisorientierung. Dieser Trend zeigt sich im bewussten Konsum, Freizeitverhalten und in der Arbeitswelt. Individualität spiegelt sich in allen Lebensbereichen wider.
- Der Trend zur aktiven und kritischen Gesellschaft wird deutlich durch die stärkere Beteiligung des Individuums an gesellschaftlichen Prozessen (vgl. Weinberg 1992: 19).
Seit der Nachkriegszeit hat sich die Beziehung der Menschen zu Gütern und Dienstleistungen kontinuierlich verändert. Der Wandel vom Versorgungs- zum Erlebniskonsum lässt sich laut Szallies über die vergangenen Jahrzehnte verfolgen:
- Ende der 40er Jahre gaben die Konsumenten rund drei Viertel ihres Einkommens für Essen und Kleidung aus.
- In den 50er Jahren war Otto Normalverbraucher nach einer Zeit der materiellen Entbehrungen ausgiebig damit beschäftigt, seine Grundbedürfnisse zu stillen.
- Die 60er Jahre ermöglichten es den Verbrauchern erstmals Gegenstände anzuschaffen, die zehn Jahre früher als purer Luxus galten: Staubsauger, Kühlschrank, Fernseher und PKW.
- In den 70er Jahren wurde eine Fortsetzung der Konsumwelle prognostiziert, unter anderem als Konsequenz der steigenden Bevölkerungszahlen.
- In den 80er Jahren wurden die Grenzen des Wachstums erkannt und damit breitete sich auch ein Bewusstseins- und Wertewandel aus. Bedingt durch die Krise des Konsums und des Markenartikels kamen die ersten No-Name-Produkte auf den Markt.
- Anfang der 90er Jahre hieß das Konsum-Schlagwort „Lifestyle“, das vor allem von neuen Trendgruppen wie den Yuppies[24] eingenommen wurde (vgl. 1991: 44ff.).
- Die Entwicklung der nächsten Jahre wird sich dadurch auszeichnen, dass die Polarisierung von Versorgungs- und Erlebniskonsum sich stärker polarisiert. Konsumerlebnisse und Erlebnisqualität werden zum wichtigsten Kaufkriterium (vgl. Redwitz 1991: 277).

Die Entwicklung zeigt, dass viele Dinge in den Bereich des Selbstverständlichen geraten und somit keine besondere Wertschätzung mehr genießen. Die Steigerung des Lebensstandards und materiell geschaffener Voraussetzungen bedingt bestimmte Wertverschiebungen. Damit wäre ein Wertewandel nicht die Ursache, sondern die Folge bestimmter materieller Veränderungen (vgl. Wiswede 1991: 17).

Opaschowski will erkannt haben, dass sich „ein Wandel vom Leben als Überleben zum Leben als Erleben“ abzeichnet[25], wodurch sich als Konsequenz auch Lebenseinstellungen ändern. Erlebnisorientierung sei dann nicht mehr nur auf die Freizeit beschränkt, sondern nehme mehr und mehr Platz im Alltagsleben ein (1992: 156). „Der Langeweile, die aus Sicherheit, Kontinuität und Dauerhaftigkeit entsteht, begegnen die davon betroffenen Menschen mit wachsenden Sehnsüchten nach Erlebnissen und Abenteuern“ stellt auch Ehalt fest (1995: 10).

Opaschowski hat bestimmt, dass Freizeitbeschäftigungen „kein einfallsloser Zeitvertreib, sondern [..] ‚das’ Ereignis“ darstellen (1995: 110). Problem dabei ist: Um diesen Stellenwert zu besitzen müssen, sie „konsumintensiv“ sein[26] und werden somit zum Ereignis des Tages, der Woche, des Monats. Freizeitbeschäftigungen werden erlebnismäßig nur noch von „dem“ Ereignis des Jahres übertroffen: der Urlaubsreise (vgl. ebd.: 111). Viele Bundesbürger wünschen sich daher Freizeit ohne Geldprobleme, wobei sich Personen mit einem Einkommen über 3.500 DM nicht wesentlich mehr Konsumwünsche äußern als Bezieher von unter 1.000 Mark[27]. Ausschlaggebend ist vielmehr das Alter:

- 82 Prozent der unter 34jährigen,
- 72 Prozent der 35- bis 49jährigen,
- 66 Prozent der 50- bis 59jährigen und
- 52 Prozent der über 60jährigen

weisen auf unerfüllte Konsumwünsche hin. Dabei geht es nicht um allgemeinen Konsum, sondern um die Sehnsucht nach Exklusivität und Außergewöhnlichem, sündhaft Teurem sowie einem Hauch von Ereignis und Abenteuer (vgl. ebd.: 114). In einer Studie von 2001 zeigt sich im Vergleich zu 1998, dass Menschen und Natur als Auslöser spontaner Faszination zurückgegangen sind. Bestätigt wird dieser Trend bei der nachlassenden Begeisterung für Prominente und Naturbezogenes. Eine weitere Tendenz sind der Rückgang der Faszinationshäufigkeit und -intensität. Es wird also schwieriger Menschen für etwas zu begeistern.

2.4. Erscheinungsformen und Systematisierung

Für eine Klassifikation der Erscheinungsformen von Marketing-Events bieten sich verschiedene Sichtweisen an. Dabei lassen sich Events aus Sicht des Ereignisses selbst, der Teilnehmer oder Besucher sowie der Unternehmung betrachten. Im Folgenden sollen alle drei Gesichtspunkte betrachtet werden, ein besonderer Augenmerk dabei aufgrund der Themenstellung auf die Perspektive aus Sicht des Unternehmens gelegt werden soll.

2.4.1. Nach Inhalten

Erber unterscheidet hier zwischen arbeitsorientierten Veranstaltungen, Infotainment und freizeitorientierten Aktivitäten. Erstere haben das Ziel Wissen und Informationen zu vermitteln und richten sich daher vor allem an interne Zielgruppen und Handelspartner. Auch beim Infotainment (Information und Entertainment) steht an oberster Stelle die Informationsvermittlung. Dies findet jedoch mit Hilfe eines Unterhaltungsprogramms statt (Entertainment), um die Rezipienten zu emotionalisieren und dadurch stärker zu aktivieren[28] (2000: 21ff.). Inden merkt in diesem Zusammenhang an, dass „durch gezielte Auflockerung trockener Inhalte“ (1993: 72) großes Aktivierungspotenzial der Teilnehmer bestehe. Freizeitorientierte Aktivitäten zielen ebenfalls stark auf eine emotionale Wirkung ab und dienen primär der Unterhaltung[29].

[...]


[1] „aus gleichbed. fr. événement, dies zu lat. evenire, vgl. evenieren“ (Drosdowski 1994: 432).

[2] Wird nicht ohnehin im Folgenden vom Event in der Mehrzahl gesprochen, ziehe ich persönlich die Bezeichnung „das“ Event vor.

[3] Hans-Willy Brockes ist Geschäftsführer der ESB Europäische Sponsoring-Börse aus St. Gallen/ Schweiz und mit dem Marktforschungsinstitut IPSOS Herausgeber der o. g. Studie und Autor der einleitenden Worte.

[4] Befragt wurden Unternehmen der Verbrauchs-, Bebrauchs- und Investitionsgüterindustrie sowie des Handels und der Dienstleistungsbranchen zwischen dem 3.9.92 und dem 20.11.92. Für den Ergebnisbericht standen 203 stimmige Datensätze zur Verfügung. Der BDW weist in seinem Vorwort darauf hin, dass die Erhebung „nicht auf repräsentative Ansprüche hin konzipiert und durchgeführt“ wurde (BDW 1993: 3).

[5] Dr. phil. Julius Lengert ist praktischer Philosoph und berät mit seinem Institut für Kulturanthropologie in München namhafte Unternehmen.

[6] In der Literatur finden sich verschiedene deutsche und englische Schreibweisen mit und ohne Bindestrich. Ich verwende im Rahmen dieser Arbeit den Begriff „Event-Marketing“.

[7] Siehe Anhang I „Events im Marketing-Mix“.

[8] Im Literaturverzeichnis unter Deutscher Kommunikationsverband, im Folgenden nach der offiziellen Abkürzung BDW genannt.

[9] Siehe Anhang II „Image von Event-Sponsoren“.

[10] Beispielsweise sind hier die Rock- und Pop-Musik-Veranstaltung „Nokia Night of the Proms“ oder die Deutschen Tennis- bzw. Golfmeisterschaften „Ebel German Open“ bzw. „Lufthansa German Open“ zu nennen.

[11] Siehe Anhang III „Sponsoring in Deutschland“.

[12] Siehe Anhang IV „Auswirkungen auf die Entwicklung von Events“.

[13] Meffert bemerkt hier kritisch, dass die Genauigkeit derartiger Schätzungen vorsichtig zu betrachten ist. Die schwere Abgrenzbarkeit von Branchen und Märkten, die Wahl geeigneter Indikatoren für die Messung der Wachstumsraten sowie unterschiedliche Definitionen der Begriffe Stagnation und Schrumpfung sind hierfür verantwortlich.

[14] Siehe im Anhang V „die Indikatoren der Marktsättigung“.

[15] Beispielsweise Stagnation bei Kinderbekleidung durch rückläufige Geburtenraten; Marktvolumenschrumpfung bei Fleischprodukten durch Lebensmittelskandale oder gesundheitsbewussteres Ernährungsverhalten.

[16] Beispielsweise Stagnation bei Festnetztelefonen nach der Einführung und Durchsetzung von Mobiltelefonen.

[17] Zum Beispiel Stagnation von PVC-Verpackungen aufgrund neuer Umweltschutzbedingungen oder Stagnation beim Verkauf von Dieselkraftstoffen aufgrund veränderter steuerlicher Regelungen.

[18] Eine Marktsättigung ist zum Beispiel bei Fernsehgeräten und Kühlschränken festzustellen. Noch 1950 zeigte sich Studien der GfK zufolge der Verbraucher dem Kauf eines Kühlschranks keineswegs aufgeschlossen. Für 60% war die Anschaffung eines Kühlschranks purer Luxus und 13% hatten aus Raummangel überhaupt keinen Platz dafür. (vgl. Szallies 1991: 44).

[19] Dies sind Produkte oder Dienstleistungen, die eine Marktsättigung durchbrechen. Beispielsweise eröffneten sich durch die Einführung von CD-Spielern neue Potentiale auf dem gesättigten Markt für Schallplattenspieler (vgl. Konert 1986a: 5).

[20] Halstenberg nennt für die Austauschbarkeit bzw. Homogenität von Produkten insbesondere die Produktkategorien Suppen, Chips, Papiertücher, Shampoo, Fernsehgeräte, Airlines, Kaffee, Bier, Zigaretten, Benzin, Vollwaschmittel, Banken, Duschbäder, Versicherungen, Orangensaft und Spirituosen (vgl. Halstenberg 1996: 5).

[21] Das heißt, dass über 98% der angebotenen und verfügbaren Informationen nicht beachtet werden.

[22] Im Durchschnitt müssten Leser einer Publikumszeitschrift 35 bis 40 Sekunden benötigen, um die Informationen, die in einer Anzeige enthalten sind, aufzunehmen. Tatsächlich wenden sie sich aber nur knapp zwei Sekunden der Anzeige zu (vgl. Kroeber-Riel 1988: 182).

[23] Wiswede nennt das Erscheinen des folgenden Werkes als Zeitpunkt des Beginns dieses „Modethemas“: Inglehart, Ronald: The silent revolution. Changing values and political styles among western publics. Princeton, NJ.

[24] Yuppie = Young Urban Professional: zwischen 25 und 45 Jahre alt, überdurchschnittlich qualifiziert, hohes Einkommen, in der Großstadt lebend.

[25] Siehe Anhang VI „Lebensziele der Deutschen“.

[26] Siehe Anhang VII „Abhängigkeit vom Konsum bei Freizeitaktivitäten“.

[27] Umfrage aus dem Jahr 2001.

[28] Beispielsweise werden in Kick-Off-Veranstaltungen/Premieren neuartige Produkte vorgestellt, die bedeutsam und erklärungsbedürftig sind.

[29] Hier seien Szeneparties, Konzerte, Incentives, Trendsportarten etc. genannt (vgl. Bruhn 1997: 780).

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Das Event in der Marktkommunikation von Unternehmen - Ein Überblick
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
67
Katalognummer
V15377
ISBN (eBook)
9783638204989
ISBN (Buch)
9783656130956
Dateigröße
648 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Event, Marktkommunikation, Unternehmen
Arbeit zitieren
Florian Schaffelhofer (Autor:in), 2003, Das Event in der Marktkommunikation von Unternehmen - Ein Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15377

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