Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theorien abweichenden Verhaltens im Hinblick auf delinquente Subkulturen
2.1. Zentrale Begriffe
2.1.1. Abweichendes Verhalten: Devianz
2.1.2. Der Begriff der Subkultur
2.2. Theoriemodelle delinquenter Subkulturen
2.2.1. Kriminelle Subkulturen nach Thrasher und Whyte
2.2.2. Cohen’s Subkulturtheorie
2.2.3. Unterschicht-Kultur nach Miller
2.3. Beispiele für delinquente Subkulturen
2.3.1. Rockerbanden in Deutschland
2.3.2. Subkulturausprägungen im Rechtsextremismus
2.4. Reichweite und Grenzen der Theorien
3. Zusammenfassung und Schluss
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dieser Hausarbeit sollen Theorien abweichenden Verhaltens diskutiert werden, die sich auf der soziologischen Meso-Ebene abspielen: Die so genannten “Subkulturtheorien” behandeln die Untersuchung von abweichendem Verhalten. Ich möchte diese insbesondere im Hinblick auf problematische Devianz und somit auch Kriminalität darstellen.
Delinquente Subkulturen treten in vielen verschiedenen Kulturen auf und werden als manifeste soziale Probleme definiert, da sie die Werte und Normen der Gesellschaft, in der sie sich bewegen, aktiv, bewusst oder unbewusst, verletzen. In den Medien ist in solchen Fällen beispielsweise die Rede von “Rockerbanden”, finsteren Gestalten, die neben dem Gesetz und jeglicher Vorstellung von Moral zu stehen scheinen, gewalttätig und unberechenbar.
Ich möchte in dieser Arbeit verschiedene Theorien aufzeigen, die das Phänomen delinquenter Subkulturen beschreiben. Dabei handelt es sich um Theorien zur Entstehung eben dieser Subkulturen, zu deren Strukturierung und den Beweggründen ihres Handelns. Dies soll des Weiteren an Beispielen veranschaulicht werden, wobei die Tragweite der Theorien zum Vorschein kommen soll. Auch möchte ich die Grenzen der Theorien aufzeigen, da an dieser Stelle der Relevanz halber nur aus sozialwissenschaftlicher1 Sichtweise argumentiert werden soll. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass weitere Perspektiven auf die Problematik durchaus möglich und auch plausibel wären, dies würde jedoch über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Bevor ich nun zu den jeweiligen Theorien zu sprechen komme, sollen zunächst Begriffe im Zusammenhang mit der Thematik definiert werden.
2. Theorien abweichenden Verhaltens im Hinblick auf delinquente Subkulturen
2.1. Zentrale Begriffe
Im Folgenden soll durch Klärung der entsprechenden Begriffe der “Ort”, also die Einordnung in bestehende soziologische Zusammenhänge, beschrieben werden, in dem sich die Subkulturtheorien ansiedeln lassen.
2.1.1. Abweichendes Verhalten: Devianz
Im Hinblick auf abweichendes Verhalten lässt sich der besagte “Ort” an einem Schaubild gut darstellen:2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hier zeigen sich zunächst die beiden Bereiche “Normalität” und “Devianz”. Es wird also klar, dass Devianz ein Verhalten darstellt, das von der “Normalität” abweicht, also von Normen und Werten, die sich in der Gesellschaft etabliert haben. Des Weiteren wird offensichtlich, dass Devianz mehrere Ausprägungen beinhaltet. Wie schon in der Einleitung kurz angesprochen, befinden sich die Subkulturtheorien im Bereich der so genannten “problematischen Devianz” und somit auch der Kriminalität, welche sich wiederum beide im Feld der “provozierenden Devianz” wieder finden.
Konventionelle Devianz beschreibt abweichendes Verhalten, das in der Gesellschaft relativ toleriert ist und meistens von Jugendlichen ausgeübt wird. Das Tragen von ungewöhnlicher oder besonders auffälliger Kleidung beispielsweise resultiert meist höchstens darin, “schräg angeschaut” zu werden; jedoch spielt diese Art des abweichenden Verhaltens in den Subkulturtheorien eher eine untergeordnete Rolle.
Provozierende Devianz besteht darin, dass eine Handlung zwar als abweichend bezeichnet wird und fast immer negativ konnotiert, jedoch nicht kriminell ist. Hierbei wird gegen Regeln und Normen verstoßen, die nahezu in der gesamten Gesellschaft anerkannt und etabliert sind. Ein Beispiel wäre, als gesunder Mensch seinen Platz in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht einer offensichtlich körperlich benachteiligten Person anzubieten; aber auch bereits ein unterlassener Gruß kann bereits in dieses Raster fallen.
Problematische Devianz hingegen bezeichnet solches (soziales) Verhalten, das in seiner Art und Konsequenz von der Gesellschaft nicht hingenommen werden kann und als soziales Problem definiert wird. Somit folgen in den meisten Fällen Sanktionen und Interventionen, durch welche diese Art von Devianz eingedämmt werden soll. Aus dieser Definition ergibt sich bereits die Annahme, dass Kriminalität als ein Beispiel für problematische Devianz gilt. In der Tat gilt delinquentes Verhalten als Teil der problematischen Devianz, doch ist nicht grundsätzlich jede problematische Devianz kriminell: Arbeitslosigkeit gilt in unserer Gesellschaft als soziales Problem, doch niemand käme auf die Idee, einen arbeitslosen Mitbürger als “kriminell” zu bezeichnen. Ungeachtet dessen gilt diese Abweichung als problematisch und wird v.a. durch wohlfahrtsstaatliche Mittel zu beheben versucht.
Man muss jedoch bedenken, dass sich Devianz immer in der Relation zu bestehenden Normen und Werten einer Gesellschaft zeigt; Die Gesellschaft definiert sich selbst einen Normalzustand durch einen Grundkonsens über Werte und Normen, die je nach Kulturkreis variieren können. Kriminalität definiert sich jedoch, abgesehen von der umgangssprachlichen Verwendung, ausschließlich über die juristische Auffassung einer Straftat.
2.1.2. Der Begriff der Subkultur
Des Weiteren soll der Begriff der Subkultur erläutert werden. Die Autoren Bernd Dollinger und Jürgen Raithel definieren diese soziale Gruppierung wie folgt:
“ Unter einer Subkultur ist eine in sich geschlossene gesellschaftliche Teilkultur zu verstehen, die sich in ihren Werten, Normen, Bed ü rfnissen, Verhaltensweisen und Symbolen bzw. Stilisierungen von der gesellschaftlich dominierenden Kultur unterscheidet. ”3
Eine Subkultur wird somit an ihrer Abgrenzung zur “Hauptkultur” definiert und bemessen, welche durch abweichende Wert- und Normvorstellungen zu Stande kommt. Wie bereits angedeutet, lassen sich Subkulturen auf der soziologischen Meso-Ebene platzieren; sie grenzen sich damit durch ihre Größe von der Mikro-Ebene des Individuums ebenso ab wie von der Makro-Ebene der (Gesamt-) Gesellschaft. Sie bilden somit eine soziale Gruppe, worauf jedoch später genauer eingegangen werden soll. Subkulturen sind weiterhin abzugrenzen von Kontrakulturen, die sich dadurch auszeichnen, dass sich ihre Wertvorstellungen von der Gesellschaft in besonders großem Maße unterscheiden.
Eine der ersten Definitionen zu Subkulturen stammt von Robert Bell.
“ Unter Teilkulturen verstehen wir relativ kohärente kulturelle Systeme, die innerhalb des Gesamtsystems unserer nationalen Kultur eine Welt für sich darstellen. Solche Subkulturen entwickeln strukturelle und funktionale Einheiten, die ihre Mitglieder in einem gewissen Grad von der ü brigen Gesellschaft unterscheidet. ” 4
Albert Cohen liefert ebenfalls eine Einordnung des Begriffes “Subkultur”, indem er sich auf die Abhängigkeit des Individuums von Bezugsgruppen konzentriert:
“Innerhalb einer Gesellschaft gibt es viele Varianten der umfassenden Kultur, ja sogar Kulturen, die der umfassenden Kultur in gewisser Weise entgegengesetzt sind. Es sind dies Subkulturen , und die Vorstellungen jedes einzelnen Individuums sind aus der Subkultur abgeleitet, deren Einfluß [sic!] es am meisten ausgesetzt ist und mit der es sich am stärksten identifiziert.”5
[...]
1 Es existieren zur Thematisierung sozialer Probleme nach Giesen (1983: 273ff) (zit. nach Dollinger/Raithel (2006: 32) vier Thematisierungsmodelle: magisch, moralisch, medizinisch-psychiatrisch und sozialwissenschaftlich.
2 Quelle: modifiziert übernommen aus: Dollinger/Raithel (2006: 13)
3 Dollinger/Raithel (2006: 85).
4 Bell (1961: 65) [zit. nach: Schäfers/Scherr (2005: 163)]
5 Cohen (1970: 146f)