Strategien filmischer Selbstbezüglichkeit in den Filmen von Quentin Tarantino


Bachelorarbeit, 2010

49 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Das „Kult-Phanomen“ Tarantino

3. Filmischer Selbstbezug in Form von Selbstzitaten
3.1. Wiederkehrende Motive
3.1.1. ,,The Trunk Shot“: Der Blick aus dem Kofferraum
3.1.2. Red-Apple Zigaretten und Samurai Schwerter: Filmrequisiten
3.1.3. ,,Wiggle your big toe“: BarfuBige Frauen
3.1.4. The Mexican Standoff oder: Wer wird uberleben?
3.2. Wiederkehrende Charaktere/ Darsteller
3.2.1. Haben wir und nicht schon mal gesehen?: Ranger Earl McGraw
3.2.2. Vega und die „Verwandtschaft“: personale Verknupfungen
3.2.3. Waren sie nicht eben jemand Anderes: Mehrfachbesetzungen
3.2.4. Der „Autor“ im Film
3.3. Narrative Strukturen
3.3.1. The ,,pre-credit sequence“: Der Prolog
3.3.2. Nonlinearitat und Kapitelweise Erzahlstruktur oder: ,,Answers first Questions late“
3.3.3. Das ist doch schon passiert: narrative Uberlappungen
3.3.4. Gewalt als Handlungsmotiv

4. Fremdzitate Bei „Kill Bill Volume 1 und 2“ oder: „Man packe alles in die Entenpresse“
4.1. Genres: Kung Fu meets Western
4.2. Personen und Charaktere: Hattori Hanzo und Pai Mei
4.3. Szenen und Dialoge oder: Sogar in einer Cornflakes-Schachtel kann Gewalt stecken
4.4. Musik
4.5. Requisiten und Gegenstande

5. Schlussbetrachtung

Quellen und Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Die folgende Arbeit beschaftigt sich mit dem filmischen Selbstbezug in den Filmen des Regisseurs und Autors Quentin Tarantino und mit welchen Strategien der Selbstreflexion der Filmemacher seine Werke ausstattet.

Zu Beginn wird kurz auf die Person Tarantino eingegangen, wie dieser in der Offentlichkeit gesehen wird und wie er und seine Filme diesen Kultstatus erreichen konnten, den sie heute weltweit in der Offentlichkeit genieBen, unter Berucksichtigung einiger kritischer Stimmen der Offentlichkeit. Im Anschluss werden kurz die hauptstilistischen Mittel in seinen Werken genannt und der Einsatz von Selbst- und Fremdzitaten als Modus filmischer Selbstreflexion erlautert.

Im zweiten Teil der Arbeit werden die Selbstzitate in den Filmen Tarantinos untersucht und die wichtigsten und pragnantesten eingehender erlautert. Hierbei werden - bis auf einige Ausnahmen - nur die Filme betrachtet, in denen Quentin Tarantino als Regisseur gearbeitet hat, und es wird versucht die Verfahren und Motive zu ermitteln, die der Regisseur immer wieder in seinen Filmen verwendet. Wiederkehrende Motive, Charaktere und Darsteller und narrative Strukturen dieser Filme werden eingehender betrachtet, um eine Art ,,roten Faden“ aufzuzeigen, der sich durch alle Werke Tarantinos zieht.

In einem dritten Schritt werden schlieBlich Fremdzitate bei Tarantino erlautert. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, werden hierbei die Filme ,,Kill Bill Volume 1 und 2“ analysiert und es wird auf die wesentlichen Strategien des Einsatzes von Fremdzitaten in diesen zwei Filmen eingegangen.

Dieser Gegenstand wird behandelt, da Quentin Tarantino als einer der wichtigsten Regisseure dieser Zeit gilt und seine Filme weltweit auf groBe Begeisterung stoBen. Mit Filmen wie ,,Reservoir Dogs“ und ,,Pulp Fiction“ konnte sich durch den Regisseur und Autor eine neue Ara des ,,Indipendent cinema“ bei Filmemachern in Hollywood etablieren. Zusatzlich existiert zur Zeit kein anderer Regisseur, dem es gelungen ist, den Prozess der Selbstreflexion - Bilder beziehen sich auf Bilder - in Form von Selbst- und Fremdzitaten so zuzuspitzen und so erfolgreich sowohl in der offentlichen Rezeption als auch in der Filmkritik mit diesem Verfahren zu sein. Seine Filme sind keine unabhangigen Werke, die nichts miteinander zu tun haben, sie beziehen sich aufeinander und weisen bei genauerer Betrachtung zahlreiche Gemeinsamkeiten auf. Der Einsatz von Fremdzitaten bei Tarantino kommt in ,,Kill Bill Volume 1 und 2“ zu einem vorlaufigen Hohepunkt in der Karriere des Regisseurs und wird daher in dieser Arbeit auf seine Zitate untersucht.

In dieser Arbeit sollen die Strategien des filmischen Eigenbezugs bei Tarantino analysiert und ihre Funktion innerhalb der Filme ermittelt werden. Zusatzlich sollen die Fragen aufgeworfen werden, zu welchem Zweck der Filmemacher den filmischen Selbstbezug in Form von Selbst- und Fremdzitaten in seinen Filmen verwendet und welche Bedeutung dieser Stilistik zuzuschreiben ist.

2. Das Kult-Phanomen Tarantino

Seit dem Film „Reservoir Dogs“ hat er die Filmewelt entscheidend durcheinandergewirbelt und eine neue Art von Hollywoodfilm weltweit in den Kinosalen etabliert. Quentin Tarantino wird in vielerlei Hinsicht vom Kinopublikum und von Filmkritikern gefeiert: als „selbstreflexiver, moderner Autorenfilmer“, als „postmoderner Filmemacher“, als „Kult-Regisseur“, „Filmfreak“, „Wunderkind“, „Phanomen der Popkultur“, „definitivster Kunstler des 20. Jahrhunderts“, „wichtigster Regisseur des amerikanischen Independent Cinema der 90er“ und so weiter, die Palette an Zuschreibungen reicht sehr weit und lasst sich beliebig lang fortfuhren. Praktisch uber Nacht ist der junge Kalifornier zum preisuberhauften Filmkunstler und zur Leitfigur einer jungen und wilden Nachwuchsgeneration von Filmemachern avanciert.1 Ahnlich wie bei Hitchcock in den 60er Jahren ist die Popularitat von Tarantino so enorm, dass sein Name schon als Werbung fur seine Filme genugt und der Erfolg schon vorprogrammiert ist.2

,,Es ist einfach das, was ich tue, worin ich lebe, was ich zu bieten habe.“3 So auBert sich Tarantino selbst uber seine Arbeit als Filmemacher. Die Besonderheit bei Tarantino ist, dass er - ahnlich wie die Autorenfilmer der Nouvelle Vague - seine Drehbucher selber schreibt, eigenstandig Regie fuhrt4, manchmal als Schauspieler darin auftritt, und behauptet, sich von den Produzenten seiner Filme nicht einschranken zu lassen. Das umfangreiche Wissen uber Filmgeschichte und Kino hat der Filmemacher keinem Studium zu verdanken. Mit 17 Jahren verlieB er die Schule und arbeitete etwas spater in der Videothek ,,Video Archives^ wo er Zugang zu einem riesigen Fundus an Filmen hatte und seine ersten Drehbucher schrieb. Durch die Unterstutzung von Harvey Keitel schaffte es Tarantino, den Film ,,Reservoir Dogs“ zu realisieren und einige weitere beruhmte Schauspieler dafur zu gewinnen. Dieser Film hatte beim ,,Sundance Film Festival“ direkt groBen Erfolg und Tarantino wurde zum „Kultobjekt“.5

Doch dieser Star-Kult, den Tarantino genieBt, stoBt auch auf viele Zweifler. In einer Zeit, in der die „Autoren“ beziehungsweise Regisseure des Films wieder an Bedeutung gewinnen, kritisieren einige die Qualitatsabnahme der Filme:

,, (I)t is the text and not its author that may now be dead. In this new film/video culture auteurs have been recuperated as promotional stars, the process is fairly indiscriminate. Placed before, after and outside a film, and in effect usurping the work of that film and reception, today's auteurs - from Spielberg to Tarantino - are agents who, whether they wish it or not, are always on the verge of being self-consumed by their status as stars. ”6

Ob man Corrigan bei dieser Aussage Recht geben mag oder nicht, steht jedoch fest, dass beim Namen Tarantino immer bestimmte Erwartungen an die Filme existieren. So ist der Filmemacher bekannt fur seine Gewaltdarstellungen, seinen pragnanten Musikeinsatz und den auffallenden narrativen Erzahlstrukturen seiner Filme.7 Das wohl bedeutendste stilistische Merkmal, welches immer wieder mit dem Namen Tarantino in Verbindung gebracht wird, ist der Einsatz von zahlreichen Filmzitaten als Modus filmischer Selbstreflexion. Der Regisseur bedient sich bei popularen Genres und Stilrichtungen wie Gangsterfilmen, Kriegsfilmen, Kung-Fu Movies etc. als frei verfugbaren filmhistorischen Zeichenvorrat und schafft daraus Filme wie ,,Pulp Fiction“, ,,Kill Bill Volume 1 und 2“ und ,,Inglourious Basterds“. Tarantino erzahlt nicht seine eigenen Geschichten, sondern er greift bekannte Geschichten auf und erzahlt sie auf eine neue Art und Weise, indem er spielerisch mit den Regeln der klassischen Narration (zum Beispiel raum-zeitliche Linearitat und Kontinuitat) umgeht. Der Modus der filmischen Selbstreflexion findet bei dem Filmemacher als Ironie im Zitat und/oder Brechung durch Stilisierung, Genre-Dekonstruktionen oder intermediate Reflexionen statt. Hierbei unterscheiden sich seine Filme von der traditionellen Form des selbstreflexiven Erzahlens, wie zum Beispiel der aus der Nouvelle Vague, wo Selbstreflexivitat und Zitate im Sinne der Padagogisierung des Filmischen und der intellektuellen Politisierung, beziehungsweise einer offentlich Verantwortung demonstrierenden filmisch formulierten Kritik verwendet wurden. Bei Tarantino werden diese stilistischen Mittel als folgenloses Vergnugen an ironischer Dekonstruktion eingesetzt:8 „Die zitatformige filmische Selbstreflexion wandelte ihr Erscheinungsbild von aufklarerischer medialer Selbstkritik zur freimutig bekennenden medialen Selbstbefriedigung.“9

Durch diese filmstilistischen Mittel hat es Quentin Tarantino geschafft, weltweit ein ,,Phanomen“ zu werden und als einer der wichtigsten Filmemacher dieser Zeit zu gelten. Zahlreiche Filmwissenschaftler und Filmfans setzen sich mit seinen Werken auseinander und versuchen sein Erfolgsgeheimnis zu entschlusseln und seine Filme in ein bestimmtes Genre, beziehungsweise in Kategorien einzuordnen, wobei hier wiederum die Meinungen weit auseinandergehen.

3. Filmischer Selbstbezug in Form von Selbstzitaten

Quentin Tarantinos Werke sind keine zusammenhangslose Aneinanderreihung von Filmen, die miteinander nichts zu tun haben, ganz im Gegenteil weisen sie meistens eine groBe Anzahl an Gemeinsamkeiten auf, die sowohl stilistisch als auch handlungsmaBig seine Werke miteinander verknupfen. Der Regisseur und Autor scheint groBen Wert darauf zu legen, jedem seiner Filme eine personliche Note zu verleihen, und so haben sich uber die Jahre eine Vielzahl von Wiedererkennungsmotiven entwickelt, die als „Typisch Tarantino“ von Filmrezipienten erkannt und seinen Filmen zugeschrieben werden. Hierbei sind seine Filme auf mehreren Ebenen von so genannten Selbst-Zitaten gespickt. Zu seiner personlichen Handschrift zahlen sowohl sich wiederholende Einstellungen und Motive, als auch diverse Filmcharaktere oder mehrfach eingesetzte Schauspieler. Ebenfalls zu erkennen ist seine Vorliebe, seine Filme - ahnlich wie Romane - in einzelne Kapitel aufzuspalten, wie es zum Beispiel in ,,Kill Bill Volume 1 und 2“ oder ,,Pulp Fiction“ der Fall ist, und schlieBlich der starkste Verweis auf sich selbst ist, wenn der Autor und Regisseur auch zum Schauspieler avanciert und selbst in seinen Filmen auftritt und Nebenrollen ubernimmt. Die pragnantesten Formen der Selbstreferenz bei Quentin Tarantino werden im Folgenden genannt und an exemplarischen Beispielen erlautert.

3.1. Wiederkehrende Motive

3.1.1. „The Trunk Shot“: Per Blick aus dem Kofferraum

Zu einer der wohl pragnantesten und immer wiederkehrenden Einstellung in den Filmen Tarantinos hat sich der ,,Trunk Shot“ - der Blick aus dem inneren eines Kofferraums - und das immer wiederkehrende Motiv des Kofferraums entwickelt, in dem meist eine Person gefangen gehalten wird. Schon in seinem ersten Film ,,Reservoir Dogs“ setzt der Regisseur dieses Stilmittel ein und fuhrt es in seinen anschlieBenden Filmen wie ,,Pulp Fiction“, „Jackie Brown“ und ,,Kill Bill Volume 1“ weiter. So wird in ,,Reservoir Dogs“ der als Geisel genommene Polizist Marvin im Kofferraum des Fluchtautos eingesperrt und von den Gangstern Mr. White, Mr. Blonde und Mr. Pink herausgeholt. Beim Offnen werden die drei Charaktere aus der Perspektive der Geisel gefilmt, also aus der Untersicht aus dem Kofferraum heraus. Durch diese Einstellung wird die Ubermacht der drei Gangster gegenuber ihrem hilflosen Opfers visualisiert.10 In ,,Pulp Fiction“, „Jackie Brown“ und ,,Kill Bill Volume 1“ wird dieses Motiv wieder aufgegriffen und auf ahnliche Art und Weise prasentiert. In „Pulp Fiction“ holen die beiden Ganoven Jules Winnfield und Vincent Vega ihre Waffen aus dem Kofferraum, in ,,Jackie Brown“ tut dies der Waffenschieber Ordell Robbie, wobei sie aus der gleichen ubermachtigen Perspektive gefilmt werden wie in ,,Reservoir Dogs“. Wahrend es sich bei letzterem noch um eine wirkliche Opferperspektive handelt, greifen die Charaktere in den anderen beiden Filmen auf ihre Waffen, mit denen anschlieBend in ,,Pulp Fiction“ neue Opfer im Appartement getotet werden. Ironischerweise landet zum Schluss die Leiche eines Opfers, welches ebenfalls wie in ,,Reservoir Dogs“ auch Marvin heiBt, im Kofferraum.11 12 In ,,Jackie Brown“ wird der junge Beaumont Livingston unter einem Vorwand uberredet, freiwillig in den Kofferraum hineinzuklettern, wo er anschlieBend von Ordell erschossen wird. In ,,Kill Bill Volume 1“ kehrt schlieBlich das Selbstzitat zu seiner ursprunglichen filmischen Auflosung - der aus ,,Reservoir Dogs“ - zuruck, als die ,,Braut“ Beatrix Kiddo, nachdem sie das erste Opfer auf ihrer Liste, die Killerin O-Ren Ishii, getotet hat, deren Assistentin Sofie Fatale, der die Hauptdarstellerin zuvor einen Arm abgetrennt hat, in den Kofferraum ihres Autos sperrt. Sie ist ebenfalls aus der Opferperspektive gefilmt und hat einen Motoradhelm auf, was noch zusatzlich Distanz schaffen soil und ihre Uberlegenheit betont. Wahrend die Braut den Kofferraum verschlieBt ist kurz ihr Opfer - die verletzte Sofie Fatale - zu sehen und anschlieBend nur der von Schnee bedeckte Kofferraumdeckel. Nachdem kurz gezeigt wird, wie die Protagonistin ihr Opfer an einem Krankenhaus aus dem Kofferraum wirft, erzahlt die offenbar traumatisierte Assistentin dem Bosewicht Bill, aus welchen Grunden sie die Braut am Leben gelassen hat. Hierbei wird diese wieder aus der Untersicht gezeigt, wie sie den Helm immer noch tragend ihr Opfer ausfragt. Im Unterschied zu ,,Reservoir Dogs“, wo dem gefangenen Polizisten seine Folter (die Abtrennung seines Ohrs) noch bevorsteht, hat das Opfer in ,,Kill Bill“ seine Verstummelung schon hinter sich. Die vom Rezipienten erwartete Ermordung von Sofie findet allerdings diesmal nicht statt, denn die Braut lasst sie als einzige Augenzeugin des sich vorher abgespielten Massakers am Leben, wohl als Kontrast zu den Filmen ,,Reservoir Dogs“, ,,Pulp Fiction“ und „Jackie Brown“, wo die Opfer fruher oder spater alle getotet wurden.

3.1.2. Red-Apple Zigaretten und Samurai Schwerter: Filmrequisiten

Typisch fur Quentin Tarantino sind nicht nur charakteristische Einstellungen, die in mehreren seiner Filme wiederkehren, auch diverse Gegenstande, die zu Markenzeichen avanciert sind, greift er in unterschiedlichen Filmen immer wieder auf. So holt die Frau von Marcellus Wallace Mia in ,,Pulp Fiction“ eine Packung Red­Apple Zigaretten, als sie mit Vincent Vega im Jack Rabbit Slims sitzt. Der Kleinkriminelle Pumpkin hat ebenfalls bei der Anfangssequenz eine solche Zigarettenschachtel vor sich liegen, bei naherem Betrachten sind der rote Apfel und der grune Wurm auf der Schachtel erkennbar. Auch der Boxer Butch bestellt spater im Film eine Packung. Dieses fiktive Zigarettenlabel ist in fast jedem Film des Regisseurs wiederzufinden und kann als ironischer Kommentar an andere Filme verstanden werden, in denen real erkennbar existierende Zigarettenmarken wohl zu Werbezwecken konsumiert werden. So ist in der Tarantino Episode ,,The man from Hollywood“ in ,,Four Rooms“ ebenfalls eine Packung Red Apple sichtbar, die neben einem Aschenbecher auf der Bar liegt13 14, und in ,,From Dusk Till Dawn“ liegt eine Schachtel auf der Heckscheibe des Autos, in dem Richard Gecko (Quentin Tarantino) sitzt. Auch in ,,Kill Bill Volume 1 und 2“ werden weiterhin Red Apples geraucht (in Volume 2 liegt eine Packung neben Bills Vaterfigur Esteban), fur die sogar auf einem groBen Plakat, an dem Beatrix Kiddo vorbeilauft, mit Sofie Fatale (Volume 1) als Werbefigur Werbung gemacht wird.15 So lasst Quentin Tarantino seine Schauspieler nicht nur eine nicht existente Marke rauchen, er hat fur seine Filme ein eigenes Label kreiert, welches als Wiedererkennungsmerkmal dient und sich durch fast alle seine Filme zieht.

Die Red Apple Zigaretten sind nicht der einzige Gegenstand, fur den der Regisseur eine Vorliebe zu haben scheint, auch die Schwerter des japanischen Meisters ,,Hattori Hanzo“, die bei ,,Kill Bill“ eine tragende Rolle spielen, tauchen schon viel fruher bei Tarantino auf. So ist in ,,Pulp Fiction“ das Schwert, mit dem der Boxer Butch Zed im Folterkeller ersticht (nachdem er sich zuerst gegen einen Hammer, einen Baseballschlager und eine Kettensage entscheidet), ein ,,Hattori Hanzo“ Schwert. Eine weitere Parallele ist, dass die Braut in der Kampfszene mit O-Ren Ishii und ihren Beschutzern einen ahnlichen groBen Blutfleck auf der Brust hat wie auch Butch in der Szene im Folterkeller.16 In beiden Filmen werden diese Schwerter zur Ausubung von Rache verwendet, Butch racht sich fur seine Gefangennahme und die Vergewaltigung von Marcellus (seinem eigentlichen Feind) und die Braut racht sich mit dem ,,Hattori Hanzo“ Schwert an O-Ray Ishii, die mit den vier anderen Mitwirkenden an ihrem tragischen Schicksal mitverantwortlich ist. Somit scheint ,,Hattori Hanzo“ und seine Schwerter fur Tarantino eine symbolische Waffe zum Zwecke der Racheausubung zu sein, um die es vor allem in ,,Kill Bill Volume 1 und 2“ geht, wo Beatrix Kiddo fast immer dieses Schwert mit sich herumtragt. Weitere Gegenstande, die sich mit den Jahren zu Markenzeichen in den Filmen Tarantinos entwickelt haben und von ihm immer wiederverwendet werden, sind Chevrolets (in ,,Four Rooms“ zum Beispiel Wettgegenstand), silberfarbenes Klebeband (zumeist zum Fesseln von Gefangenen), General Mills Cereals-Fruit Brute (eine Cornfleakes Marke, die in den 70er Jahren hergestellt wurde und in Filmen wie „Jackie Brown“ gegessen wird) und ,,Big Kahuna“-Burger (die Produkte der Marke werden in den Filmen oft gegessen, zum Beispiel in „Four Rooms oder „Pulp Fiction“).

3.1.3. „Wiggle vourbigtoe“: BarfuBige Frauen

Die Braut alias Uma Thurman ist gerade aus ihrem Krankenbett geflohen, hat es auf den Rucksitz eines Autos geschafft und versucht sich wieder das Laufen beizubringen. Wahrend sie sich konzentriert und versucht ihren groBen Zeh zu bewegen ,,Wiggle vour big toe“, nahert sich die Kamera bis zur Detailaufnahme ihrem groBen Zeh, bis dieser sich endlich bewegt und sie es einige Stunden spater schafft, wieder auf eigenen FuBen zu stehen. Auch als Beatrix Kiddo gegen ihre Erzfeindin Elle Driver kampft, ist sie barfuB, genau wie in dem finalen Kampf gegen Bill, wo sowohl sie, als auch er barfuB sind. Nicht nur in ,,Kill Bill“ lasst Tarantino vor allem seine weiblichen Darsteller ohne Schuhe auftreten, in fast jedem seiner Werke kommen barfuBige Frauen besonders haufig vor. Zusatzlich werden FuBe sehr haufig in Nah- oder GroBaufnahmen gezeigt und werden so zum zentral gezeigten Motiv in der jeweiligen Szene. Schon in ,,Pulp Fiction“ tritt Mia Wallace im GroBteil des Films ohne Schuhe auf, aber auch die Taxi-Fahrerin Esmeralda ist barfuB. In ,,Four Rooms“ ist in der Szene, die von Tarantino gemacht wurde, Angela ebenfalls als einzige weibliche anwesende Person barfuB, so wie sich ebenfalls in „Jackie Brown“ die Kamera besonders auf die FuBe von Melanie konzentriert und sie mehrmals in Nahaufnahme zeigt, immer wenn sie barfuB in der Wohnung ist. In „From Dusk Till Dawn“ (wo Quentin Tarantino als Drehbuchautor und Schauspieler mitgewirkt hat) wird das Motiv zusatzlich betont, als Tarantino in der Rolle des Richard Gecko Champagner von den FuBen der Vampirin, gespielt von Salma Hayek, trinkt. Fur Tarantino scheint das Zeigen von FuBen ein besonderes asthetisches Mittel zu sein, mit dem er die weibliche Starke und Sexualitat filmisch darstellt. So muss sich in „Kill Bill Volume 2“ Beatrix erst einmal die Stiefel ausziehen, um sich aus dem Grab von Paula Schmitz zu befreien, bevor sie sich weiterhin auf die Jagd nach ihren Opfern begibt. Auch die Pose von Salma Havek gegenuber Richard Gecko lasst auf Uberlegenheit schlieBen, und der Filmcharakter verwandelt sich schlieBlich in einen korperlich uberlegenen Vampir. In seinem neuesten Werk „Inglourious Basterds“ wird dieses Motiv jedoch umgekehrt. Die beruhmte Schauspielerin Bridget von Hammersmark wird vom SS-Sandartenfuhrer Hans Landa gezwungen, ihren unverletzten FuB auf seinen SchoB zu legen, wo er ihr langsam den Schuh anzieht, den er vorher am Ort des Massakers sicherstellen konnte. Da der Schuh wie angegossen passt, ist die17 18

Schauspielerin endgultig als Doppelagentin enttarnt und wird von Landa nur wenige Momente spater erwurgt.19 Hier steht die barfuBige Frau hilflos ihrem Morder gegenuber und hat keine Chance sich zu verteidigen. Das Selbstzitat ironisiert hier die in den vorherigen Filmen durch die FuBe gezeigte weibliche Starke, indem es die Situation ins Gegenteil verkehrt.

[...]


[1] Vgl. Nagel: Der rote Faden aus Blut S.7

[2] Vgl. Nitsche: Hitchcock-Greenaway-Tarantino, S.vii

[3] Korte: Quentin Tarantino S.34

[4] Bis auf seine Drehbucher zu „Natural Born Killers", „True Romance", „From Dusk Till Down" die von anderen Regisseuren verfilmt wurden und seiner Gast Regie bei „Sin City"

[5] Vgl. SeeBlem: Quentin Tarantino gegen die Nazis S.21

[6]Corrigan: Auteurs and New Hollywood S.50

[7] Vgl. Rowekamp: Das Neo des Noir S.77

[8] Vgl. Rowekamp: Selbst/Reflexionen S.113-114

[9]Rowekamp: Selbst/Reflexionen S.113-114

[10] Vgl. Rowekamp: Zitat und filmische Selbstreflexion S.52

[11] Siehe Abbildungsverzeichnis Abb. 1 und 2

[12] Siehe Abbildungsverzeichnis Abb. 3

[13] Siehe Abbildunsverzeichnis Abb. 4

[14] Siehe Abbildungsverzeichnis Abb. 5 und 6

[15] Siehe Abbildungsverzeichnis Abb. 7

[16] Siehe Abbildungsverzeichnis Abb. 8 und 9

[17] Siehe Abbildungsverzeichnis Abb. 10

[18] Siehe Abbildungsverzeichnis Abb. 11-13

[19] Siehe Abbildungsverzeichnis Abb. 14

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Strategien filmischer Selbstbezüglichkeit in den Filmen von Quentin Tarantino
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Medienwissenschaft)
Note
1,4
Autor
Jahr
2010
Seiten
49
Katalognummer
V153956
ISBN (eBook)
9783640663729
ISBN (Buch)
9783640663958
Dateigröße
2213 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strategien, Selbstbezüglichkeit, Filmen, Quentin, Tarantino
Arbeit zitieren
Sabine Kessel (Autor:in), 2010, Strategien filmischer Selbstbezüglichkeit in den Filmen von Quentin Tarantino, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153956

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