Open Innovation - Ein dualer Informationstransfer


Diplomarbeit, 2009

57 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Innovationen

2 Open Innovation
2.1 Praxisbeispiel Tchibo
2.2 Informationstransfer
2.2.1 Bedürfnisinformation
2.2.2 Lösungsinformation
2.3 Motivationen
2.3.1 Intrinsische Motivation
2.3.2 Extrinsische Motivation

3 Produktdifferenzierungsmodell
3.1 Monopolsituation
3.2 Duopolsituation

4 Fazit

Anhang A

Anhang B

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Position des Lead Users (eigene Darstellung nach DIENER/LANG 2008)

Abbildung 2: Close versus Open Innovation (eigene Darstellung nach REICHWALD/PILLER 2006; CHESBROUGH 2003A)

Abbildung 3: Ausgewählte Studien zum Anteil von Kundeninnovationen an allen Innovationen der Industrie- und Konsumgüterbranche (eigene Darstellung nach REICHWALD/PILLER, 2006; Tabelle VON HIPPEL, 2005)

Abbildung 4: Beispiele von Open Innovation-Firmen verschiedener Industrien (eigene Darstellung in Anlehnung an KLEEMANN/VOSS/RIEDER, 2008; REICHWALD/PILLER, 2006; GASSMANN/ENKEL, 2006)

Abbildung 5: Startseite der “Tchibo Ideas“-Ideenplattform

Abbildung 6: Nominierte Lösungen der “Tchibo Ideas“-Ideenplattform

Abbilbung 7: Die Zahlungsbereitschaften zweier Konsumenten in Abhängigkeit eines Produktmerkmals (eigene Darstellung des Hotelling Modells)

Abbildung 8: Kaufentscheidung eines Konsumenten für Produkt 1 (eigene Darstellung des Hotelling Modells)

Abbildung 9: Konsumentenrente in Open Innovation-Monopolsituation (eigene Darstellung des Hotelling Modells)

Abbildung 10: Marktaufteilung im Duopol (eigene Darstellung des Hotelling Modells)

Abbildung 11: Duopolsituation mit einem Open Innovation-Unternehmen (eigene Darstellung des Hotelling Modells)

1 Einleitung

Die neuen Möglichkeiten des Informationsaustausch und die rasante Geschwindigkeit technologischer Entwicklung unserer Zeit lassen die Markt- und Technologiezyklen immer kürzer werden. Die daraus resultierende Verkürzung von Produktlebenszyklen, verbunden mit einer stärkeren Individualisierung der Nachfrage und zunehmender Substituierbarkeit der Produkte, haben den Wettbewerbsdruck und den Bedarf an erfolgreichen Innovations- leistungen für die Unternehmen drastisch ansteigen lassen (BURMEISTER/NEEF/LINNEBACH, 2006, S. 24).

Die Entwicklung einer Innovation ist nicht gleichbedeutend mit ihrer erfolgreichen Einführung auf dem Markt. Um eine Innovation zum Erfolg zu führen, benötigt ein Unternehmen in erster Linie Marktinformationen. Schließlich werden bestehende Markt- lücken bekanntermaßen nicht alleine durch das Entwerfen neuer Produkte geschlossen, sondern es müssen zunächst ungesättigte Kundenbedürfnisse ausfindig gemacht werden. Nur dann ist es erst möglich, mit den passenden Produkt- oder Dienstleistungen diese Bedürfnisse zu befriedigen.

Eine relativ neuartige Methode, die den Unternehmen dabei behilflich sein soll, innovative, erfolgreiche Produkte zu entwickeln und anschließend zu vermarkten, nennt sich “Open Innovation“. In der Literatur wird Open Innovation meist als Öffnung des Innovations- prozesses für externe Informationsquellen verstanden. Bei Open Innovation-Projekten werden nicht nur Mitarbeiter und Abteilungen der eigenen Firma, sondern auch Kunden, Partner und in manchen Fällen sogar Konkurrenten in den Entwicklungsprozess mit einbezogen (REICHWALD/PILLER, 2006; PILLER/BÖLTING/LÜTTGENS/NEUBER, 2008; GASSMANN/ENKEL, 2006).

In dieser Arbeit wird Open Innovation als interaktive Integration der Konsumenten in den innovativen Wertschöpfungsprozess betrachtet. Mit Toolkits1, Innovationswettbewerben, webbasierten Innovationsplattformen oder auch mit der Methode des Lead User-Ansatzes2 wird versucht die Konsumenten zur aktiven Teilnahme am Innovationsprozess zu bewegen. Durch eben diese Integration von Konsumenten, in Form eines interaktiven Innovations- ablaufes, können Unternehmen Bedürfnisinformationen über den Markt erhalten. Solche Marktinformationen sind für die Marktakzeptanz (“fit-to-market“)3, neuartiger innovativer Produkte essentiell. Unternehmen können von ihrer integrierten Kundenschaft allerdings einen dualen Informationstransfer erhalten; zum Einen bestehend aus Bedürfnisinformationen und zum Anderen gleichzeitig auch einen weiteren Informationsfluss, nämlich bedarfs- gerechte Lösungsinformationen. Unternehmen erhalten diese Lösungsinformationen durch eine interaktive Zusammenarbeit mit ihren fortschrittlicheren Konsumenten und integrieren diese Informationen zu einem sehr frühen Zeitpunkt in den Innovationsablauf.4 Open Innovation schöpft durch diese Integration der Kunden einen riesigen Informationspool aus Konsumenten aus. Auf diese Weise erfolgt eine Ausweitung des Lösungsraumes für die innovative Leistungen eines Unternehmens. Diese frühzeitige Eingliederung der Verbraucher in den Innovationsprozess lässt diese dadurch gewissermaßen als Teil-Produzenten5auftreten (BURMEISTER/NEEF/LINNEBACH, 2006, S. 30).

Bei Open Innovation kommt es also zu diesem, für Innovationen so wertvollen, dualen Informationstransfer von Bedürfnis- und Lösungsinformationen. Durch die Öffnung des Innovationsprozesses über die Unternehmensgrenzen hinweg und den frühen Einbezug externer Informationsquellen wird eine verbesserte Marktakzeptanz (“fit-to-market“) und damit eine Reduzierung des Floprisikos von Innovationen erreicht. Hinzukommend eröffnet Open Innovation den Unternehmungen weitere Möglichkeiten zur Produktdifferenzierung und Kundenbindung (REICHWALD/PILLER, 2006, S. 45FF.).

In der vorliegenden Arbeit wird einleitend auf das allgemeine Begriffsverständnis von Innovationen eingegangen. Im anschließenden zweiten Abschnitt wird das Primär-Thema “Open Innovation“ detaillierter ausgeführt und zudem wird in Abschnitt 2.1 das Praxisbeispiel der “Tchibo Ideas“-Innovationsplattform beschrieben. Im Anschluss daran folgt eine unterteilende Sichtweise dieser von Tchibo verwendeten (neuartigen) Ideen-Generierungs- Methode, welche eine Konkretisierung des mit Open Innovation verbundenen dualen Informationstransfers beinhalten wird. Dabei wird eine genauere Beschreibung der beiden Informationsflüsse, aus denen der duale Informationstransfer besteht, und dessen Bedeutsamkeit für die Innovationsleistungen des Unternehmens Tchibo vorgenommen. Anschließend erfolgt eine Erläuterung verschiedener möglicher Motivationen der aktiven Konsumenten, an denen eine nachfolgend genauer analysiert wird, welche gleichzeitig der Schlüssel zu einer gezielt-innovativen Produktdifferenzierungsstrategie darstellt.

In Abschnitt 3 der Arbeit wird in einem horizontalen Produktdifferenzierungmodell untersucht, welche Auswirkungen Open Innovation in einer Monopolsituation haben kann. Es wird gezeigt werden, wie eine Öffnung des Innovationsprozesses für beide Marktseiten eine gewinnbringende Wirkung mit sich bringen kann. Sowohl Unternehmen wie Tchibo, welches Konsumenten erfolgreich in seinen Innovationsprozess integriert, als auch die Endverbraucher selbst können von Open Innovation profitieren. Im Modell wird ein Gleichgewicht bestimmt und es wird veranschaulicht, wie bei Open Innovation trotz Preiserhöhung die Nachfrage ansteigt, da es Open Innovation-Unternehmen möglich ist, zusätzliche Marktanteile abzugreifen. So wirft die Öffnung des Innovationsprozesses für den Hersteller höhere Profite ab, während die Konsumenten zugleich eine höhere Befriedigung ihrer ungestillten Bedürfnisse erfahren.

Ferner wird der gewinnmaximierende Kostenaufwand des Herstellers zur Erhöhung des Endverbrauchermehrwerts durch Öffnung des Innovationsprozesses ermittelt. Ein entscheidender Faktor bei der Analyse ist die “Interaktionskompetenz“, welche im vorgestellten Modell die Umweltzustände beschreibt, die in einer betrachteten Industrie anzutreffen sind und welche die Effizienz des dualen Informationstransfers (Bedürfnis- und Lösungsinformationen) beschreiben. Sie bestimmt inwieweit sich eine Öffnung des Innovationsprozesses für das Unternehmen lohnt und sich die entsprechenden Resultate auch tatsächlich einstellen. Des Weiteren wird ein Wohlfahrtsvergleich für die Open Innovation- Situation angestellt und es erfolgt eine Gegenüberstellung des für ein Unternehmen optimalen Investitionsniveaus zum sozial optimalen Niveau.

Im zweiten Teil des Modells wird ein Rivale hinzukommen, wodurch eine Duopolsituation entsteht. Auch in dieser Wettbewerbssituation werden die eben beschriebenen Phänomene beleuchtet werden.

Das Fazit bildet den Abschluss der vorliegenden Arbeit, mit der Darstellung einiger Denkanstöße für weiterführende Untersuchungen.

1.1 Innovationen

Für Sach- und Dienstleistungsanbietern ist gegenwärtig die Bedeutung von Innovations- potenzial bzw. der Fähigkeit effizient Innovationen generieren zu können von fundamentaler Bedeutung. Dies ist nicht nur mit Wettbewerbsvorteilen verbunden, sondern mit Sicherheit für das langfristige Überleben der Unternehmen notwendig. Der Einfluss von Innovationen nimmt mit der zunehmenden Transparenz der Märkte einen höheren Stellenwert für den Erfolg der Unternehmen ein.

Studien belegen, dass vorbildlich innovierende Hersteller einen deutlich höheren Anteil der Produkte, die sich auf den Märkten befinden, ihr Eigen nennen können. Zugleich fallen die Flopraten bei diesen Anbietern drastisch gering aus, als bei weniger innovativen Unternehmen. Gut innovierende Produzenten haben eine etwa 7-fach höhere Umsatz- und Kapitalrendite als jene Firmen, die geringere Innovationsraten aufweisen (WAHREN, 2004, S. 7FF.). Weitere Untersuchungen ergaben, dass die allgemeine Mißerfolgsquote innovativer Produkte zwischen 35% und 60% bei Konsumgüter und zwischen 25% und 40% bei Industriegütern schwankt (LÜTHJE, 2007, S 41). Auch für den Managementvordenker Henry Chesbrough ist klar: “Most innovations fail. And companies that don't innovate die“ (CHESBROUGH, 2003A).

Nachdem einführend die generelle Bedeutung von Innovationen klargestellt wurde, stellt sich nun die Frage: Was genau ist eine Innovation? Es existieren für die Bezeichnung einer “Innovation“ eine Vielzahl von ausführlichen Begriffserläuterungen. Die Begriffs- bestimmung soll im nachfolgenden der Zweckdienlichkeit nach auf einige Definitionen beschränkt werden.

Nach dem betriebswirtschaftlichen Erklärungsansatz „definiert sich die Innovation nach Chmielewicz und auch dem allgemeinen Verständnis nach, pauschal betrachtet, einfach als eine “Neuerung“. Barnett beschreibt eine Innovation als jeden Gedanken, jedes Verhalten oder Ding, sofern es sich qualitativ vom Bestehenden unterscheidet und dadurch neu ist.“ (WAHREN, 2004, S. 13).

Eine Innovation kann daher ein Prozess, in dem etwas Neues geschaffen wird oder andererseits auch ein Ergebnis bzw. Produkt dieses Prozesses sein. Innovationsprozesse können daher also im Ergebnis als Produkt erscheinen. Diese sollten den Status des Neuen erfüllen, sich demnach vom Bestehenden unterscheiden und eine signifikante Änderung zu bisher da gewesenem darstellen. Das Urteil, ob etwas neu bzw. eine Innovation ist oder nicht, werden zwangsläufig subjektiv bleiben. „Hauschildt, der sich in seiner Veröffentlichung mit unterschiedlichen Definitionen auseinandergesetzt hat, sagt zum Schluss seiner Ausführungen spöttisch: Was wirklich eine Innovation war, weiß man erst hinterher - unter Umständen erst nach vielen Jahren“ (WAHREN, 2004, S. 13).

Mit Bezug auf den Neuerungsgrad einer Innovation gliedert Joseph A. Schumpeter (1997) die Innovationsleistung in drei Phasen eines Neuerungsprozesses: die Invention6, die Innovation und die Imitation7. Er spricht bei einer Innovation im Allgemeinen auch von einer “schöpferischen Zerstörung“, welche in Gestalt eines Kreislaufes “Altes zu Neuem“ werden lässt (KUHLEN, 2006, S. 13; WAHREN, 2004, S. 16FF.). Als resümierende Erkenntnis soll, wenn in der vorliegenden Arbeit von einer Innovation die Rede ist, in erster Linie eine auf dem Markt bisher nicht da gewesene Produktneuheit gemeint sein, wobei hier gleichwohl auch eine Dienstleistung vorstellbar ist.

Natürlich sollten Innovationen auch betreffend ihrer Bedeutsamkeit und Tragweite unterschieden werden. Es sind eben nicht immer die großen, revolutionären Innovationen, so wie etwa der Walkman von Sony oder Nokias Aktivitäten im Handybereich, die sogar neue Märkte hervorgebracht und den Unternehmen dadurch neue Perspektiven eröffnet haben. Solche Innovationen, aus denen oftmals ganze Branchen entstehen, müssen zwar als enorm große Marktinnovation wahrgenommen werden, sind nur leider relativ selten und es wäre für Unternehmen höchst riskant sich ausschließlich auf solche revolutionären Marktinnovationen zu konzentrieren.

Ferner gibt es eben auch „eine Vielzahl von kleinen und mittleren Innovationen, deren Generierung sich ebenfalls als überaus lohnenswert herausstellen kann. Beispiele hierfür können neuartige Werkzeuge an Produktionsmaschinen sein, welche zur möglichen Senkung von Fertigungskosten beitragen“ (WAHREN, 2004, S. 15), oder die vielleicht auch positive externe Effekte auf andere Branchen in Form von “spill-overs“ verursachen.

Von Bedeutung für Unternehmen in den verschiedensten Branchen und Industrien können aber auch verhältnismäßig kleine Innovationen sein. Innovationen welche zunächst vielleicht als relativ bedeutungslos erscheinen, auf den ersten Blick nicht etwas völlig Neues darstellen oder eventuell lediglich eine Weiterentwicklung von etwas bereits Bestehendem verkörpern. Aber auch diese kleineren, weniger bahnbrechenden Neuerungen können nicht zuletzt in der Summe den Unternehmen und der Wirtschaft mehr Erfolg bringen, als die seltenen Großen. Im später beschriebenen Praxisbeispiel von Tchibo, kann neben schwer- wiegenderen Innovationen, ebenfalls die Summe vieler kleiner Innovationen einen besonders hohen Marktwert stiften. „Bekanntermaßen spielt die Zweckorientierung innovativer Aktivitäten eine wichtige Rolle; d.h. eine Innovation sollte - zumindest der Intention nach - zur Erfüllung des Unternehmenszweckes beitragen. Innovationen sollten demnach Gewinne einleiten, die die Marktposition oder die Leistungsfähigkeit in spezifischen Bereichen aufrecht erhalten oder sogar verbessern“ (WAHREN, 2004, S. 14).

2 Open Innovation

Das Innovationsgeschehen eines Unternehmens ist in traditioneller Weise für externe Informationsquellen geschlossen (“Close Innovation“); womit die Mitarbeiteranzahl, die gleichzeitig die Wissensträger und eventuellen Innovatoren darstellt, auf eine bestimmte Abteilung oder ein Unternehmen begrenzt ist. Ideen bzw. mögliche Innovationen sind daher durch die Unternehmensgrenzen als intern begrenzt zu betrachten. Die Menge an intern vorhandenem Wissen ist demzufolge limitiert;8„bzw. neu aufzubauende Lösungs- informationen werden erst durch Einkauf von Technologien am Markt oder die Abwerbung von Entwicklern von der Konkurrenz erhalten“ (PILLER, 2006B, S. 87); wodurch ebenso der Lösungsraum als begrenzt anzusehen ist. Die passenden Produkt- oder Dienstleistungen für einen Markt zu entwickeln und bereitzustellen ist „in klassischerweise der Domäne des Herstellers zugeordnet“ (PILLER, 2006B, S. 87). Bei einer Öffnung des Innovationsprozesses weitet sich diese Domäne auf die Konsumenten aus. Fortschrittliche Konsumenten werden in den Entwicklungsprozess einer Unternehmung integriert und treten als Teil-Produzenten in Erscheinung. Durch ihr aktives Mitwirken können sie den „Lösungsraum eines Unternehmens erweitern und modifizieren“ (REICHWALD/PILLER, 2006, S. 50).

Engelhardt wies bereits vor ca. 40 Jahren auf die Bedeutsamkeit des Mitwirkens des Kunden zur Leistungserstellung hin (ENGELHARDT, 1966, S. 176). Und auch die Begriffe “Integravität“ (MEFFERT/BRUHN, 2000, S. 25; ENGELHARDT ET AL., 1993, S. 416FF.), “Prosumer“

(TOFFLER, 1970, 1980, S. 272FF.), sowie “Customer Integration“9wurden schon früh von Autoren aufgegriffen. Der Begriff “Open Innovation“ wurde allerdings zum ersten Mal 2003 vom Berkley Professor Henry Chesbrough publik gemacht.

Für Chesbrough definiert sich Open Innovation folgendermaßen: “Open innovation is the use of purposive inflows and outflows of knowledge to accelerate internal innovation, and expand the markets for external use of innovation, respectively. (This paradigm) assumes that firms can and should use external ideas as well as internal ideas, and internal and external paths to market, as they look to advance their technology” (CHESBROUGH, 2003A).

Hinzukommend wurden zur Auslegung von Chesbrough ebenfalls weitere Ansätze erarbeitet, z.B. von Hippel's richtungweisender Lead User-Ansatz, der mit der Zustimmung empirischer Studien das erfolgversprechende Potenzial der Zusammenarbeit von Unternehmen mit fortschrittlichen Nutzern (“Lead Usern“) nachweisen konnte (VON HIPPEL, 2005, S. 22). Verfechter wie Reichwald und Piller (2006) sehen in diesem interaktiven Wertschöpfungsverfahren ebenfalls eine gute Möglichkeit für Unternehmen, dem zunehmenden Wettbewerbs- und Innovationsdruck unserer Zeit entgegenzutreten. „Studien in zahlreichen Branchen der Investitionsgüterindustrie, aber auch in Konsumgüterbranchen zeigen, dass sehr fortschrittliche Kunden regelmäßig (radikale) innovative Leistungen initiieren und so entscheidend zum Innovationserfolg beitragen“ (PILLER, 2006B, S. 89).

Orientiert man sich an den einleitenden Erläuterungen einer Innovation, lässt sich Open Innovation durchaus als “innovativer Innovationsprozess“ bezeichnen. Im Gegensatz zum klassischen “Close Innovation-Prozess“, stellt Open Innovation nämlich eine unterstützende neuartige Methode für den Innovationsprozess eines Unternehmens dar; dadurch, dass offene Problemlösungen an eine externe Informationsquelle ausgelagert werden können. Eine Auslagerung an eine externe Informationsquelle, die als ein undefiniertes großes Netzwerk von Kunden, Nutzern und anderen Wissensträger in Erscheinung tritt. „Open Innovation kann als horizontale wie vertikale Kooperation im Innovationsprozess von einer Vielzahl von Akteuren verstanden werden. Universitäten, Forschungseinrichtungen, Start-ups, Zulieferer, Kunden und teilweise sogar Konkurrenten arbeiten zusammen, um interne Ideen mit externem Know-how und Wissen zu verbinden. Ziel ist die Entwicklung einer Leistung auf einem höheren Niveau als im Vergleich zu einer Entwicklung, die rein auf dem Wissen nur eines Unternehmens beruht. Eine der wichtigsten Quellen externen Wissens für den Innovationsprozess ist die Kundeninformation. … Der Kundenbeitrag beschränkt sich in diesem Fall nicht nur auf die Bedürfnisartikulation oder die Beteiligung an Markttests, sondern umfasst den Transfer konkreter Innovationsideen, ausgereiften Produktkonzepten oder gar fertigen Prototypen“ (PILLER, 2006B, S. 88FF.).

In Form eines Offenen Aufrufs10kann bei Open Innovation eine Arbeitsaufgabe somit an die besser informierte Partei, d.h. die Konsumenten selbst, übertragen werden. Open Innovation wurde vom Unternehmensberater Dirk Loop in einem Onlineartikel als „das Bewusstsein einer Unternehmung“ beschrieben, „nicht alles selbst zu können und zu wissen“ (LOOP, 2009)11. „Die Bearbeitung dieser Aufgabe erfolgt dabei oft kollaborativ zwischen mehreren Nutzern, in anderen Fällen aber auch durch einen Akteur allein. Die Aufgabe selbst kann sich dabei auf eine Innovation (Schaffung neuen Wissens), aber auch auf operative Aktivitäten (z.B. Mitwirkung beim Marketing oder bei der Konfiguration eines Produkts) beziehen.“ (KLEEMANN/VOSS/RIEDER, 2008, S. 33).

Open Innovation ist im Allgemeinen als eine aktive strategische Integration der Außenwelt durch das Unternehmens zu verstehen. Bei der Öffnung des Innovationsprozesses über die Unternehmensgrenzen hinaus sollen Menschen, die sich außerhalb einer Unternehmung befinden, für innovative Aktivitäten motiviert werden; ihr Wissen und Können12soll in die Innovationsprozesse einer Firma integriert werden. Zielsetzung dieser Kundenintegration ist es demnach, die vielen schlummernden, impliziten Ideen ans Tageslicht zu bringen und dadurch die Innovationsleistungen von Unternehmungen zu verbessern. In dem beschriebenen Beispielfall von Tchibo wird genau dieses Motiv zu erkennen sein.

Open Innovation versucht in gewisser Weise Erkenntnisse des Wissens-, Ideen-, Innovations- und Projektmanagement zu vereinen. (LÜTTGENS/GROSS, 2008) Ganz im Geiste von “Crowdsourcing“13geht von Open Innovation die Bemühung aus, „sich die Weisheit von vielen zu nutze zu machen“ (KUHLEN, 2006, S. 19; SUROWIECKI, 2007; HOWE, 2006). “Daher ist Open Innovation ein zentrales Thema einer allgemeinen Wissensökonomie, d.h. einer Theorie (und Praxis) des nachhaltigen Umgangs mit Wissen und Information, die auch als Wissensökologie zu bezeichnen ist“ (KUHLEN, 2006, S. 14). Ausgehend von den Wertschöpfungsprinzipien von “Open Source“14-Entwicklungen (REICHWALD/PILLER, 2006, S. 183FF.; PILLER, 2003), welche eine Extremform von Open Innovation verkörpern, werden gewissermaßen durch Arbeitsteilung und freiwillige Mitarbeit mögliche Motivations- und Spezialisierungsvorteile, die sich in globalen Netzwerken befinden können, ausgenutzt. Schließlich ist ein Open Innovation-Projekt als evolutionäre und interaktive Zusammenarbeit der Unternehmen mit den Konsumenten, aber auch der Konsumenten untereinander, anzusehen. Aufgrund der Tatsache, dass Wissen gemeinschaftlich erzeugt und angewendet wird, und aus der Einsicht heraus, dass „kollaborativ erzeugtes Wissen auch mehr ist als die Summe des Wissens aller Einzelnen“, können sich nachträglich ebenfalls positive Skalen- und Lerneffekte bei den Ideengenerierungs- und Lösungsfindungsprozessen einstellen (SUROWIECKI, 2007; DROSSOU/KREMPL/POLTERMANN, 2006, S. 10). Oder um es in den Worten des “Tchibo Ideas“-Werbeslogans auszudrücken: „Gemeinsam gedacht. Besser gemacht.“

2.1 Praxisbeispiel Tchibo

Mit dem Motiv der Eingliederung der Konsumentenschaft in den Innovationsprozess eines Unternehmens, ist das Open Innovation-Verfahren gegenwärtig bereits bei vielen großen, mittleren und kleinen Unternehmen mit Erfolg angewandt worden. „Bereits 1995 enthielten Innovationen einen Wissensinput von außerhalb des Unternehmens in Höhe von 34-65%“ (GASSMANN/ENKEL, 2006, S. 3). In Abbildung 3 (siehe Anhang A) werden einige Beispiele aus der Industrie- und Konsumgüterbranche, in denen Open Innovation bereits innovations- fördernd zum Einsatz gekommen ist, tabellarisch aufgeführt. Zudem lassen sich aus Abbildung 4 weitere Praxisbeispiele von Firmen verschiedenster Industrien entnehmen, welche in ihre Wertschöpfungsprozesse externe Informationsquellen integriert haben.

Beispielsweise hat das Großunternehmen Tchibo ebenfalls die Möglichkeit für sich erkannt, seine Innovationsleistungen durch Open Innovation zu verbessern. Das Unternehmen Tchibo, bestehend aus über 12.000 Mitarbeitern und mit einem Umsatz von 3.2 Milliarden Euro im Jahre 2008, ist ein international erfolgreicher Konzern. Außerdem genießt das Unternehmen im deutschsprachigen Raum einen Bekanntheitsgrad von ca. 99%.15Das Unternehmen hat zudem ein außergewöhnlich breites Produktportfolio. Tchibo kann neben Kaffeespezialitäten auch Reise-, Mobilfunk-, Mode- und Technikangebote sein Eigen nennen.

Das Großunternehmen hat, um einen externen Zugang zu Anregungen und innovativen Ideen seiner potentiellen Konsumentenschaft zu erhalten, im Rahmen eines Ideenwettbewerbes eine webbasierte Plattform (“Tchibo Ideas“) für seine Kunden eingerichtet.16Zielgruppe sind Konsumenten, welche als Gelegenheitstüftler, ambitionierter Designer und Erfinder auftreten (wollen). Ziel ist die Integration des engagierten Konsumenten in den Wertschöpfungsprozess des Unternehmens. Über eine interaktive Kommunikation zwischen den Designern, Erfindern und Entwicklern von Tchibo mit ihren Konsumenten soll ein wechselseitiger Wissens- und Erfahrungsaustausch entstehen.17

Der Ablauf ist so gestaltet worden, dass auf dieser Internetplattform Nutzern die Gelegenheit geboten wird, ihre Produktbedürfnisse und -wünsche konkret zu äußern, oder aber handfeste Produktionsvorschläge und fertige Lösungskonzepte vorzustellen. Den Anwendern wird in diesen Online-Foren zudem ermöglicht, Probleme oder Bedürfnisse anderer Nutzer aufzunehmen und hierzu Lösungsvorschläge zu entwickeln. Gegebenenfalls können auch bereits bestehende Lösungsansätze aufgegriffen werden, wodurch in kollaborativer Zusammenarbeit die Lösungen weiterentwickelt und modifiziert werden können. Darüber hinaus lässt sich an dieser Online-Plattform das klassische Merkmal eines „offenen Lösungsraumes bei Open Innovation-Projekten“ (REICHWALD/PILLER, 2006, S. 51FF.) erkennen.

Nach der Einreichung der bisher ungelösten Aufgaben oder Lösungskonzepte findet bei Tchibo eine dreistufige Bewertung durch andere Nutzer statt. Von der “Community“ werden zunächst in einer Vorrunde die eingereichten Ideen bewertet und, wenn sie die Vorrunde überstehen, gelangen sie gegebenenfalls in die nächste Zwischenrunde. Kunden wird über dieses Mittel ein sinnvolles und einfaches Instrument an die Hand gegeben, um sich einzubringen und, dadurch, dass in den Bewertungsrunden auch konkrete Eigenschaften der Ideen zu bewerten sind, überdies indirekt Bedürfnisinformationen von sich preis zu geben.

Überstehen Aufgaben oder Lösungen die Zwischenrunde, gelangen sie automatisch in die Finalrunde, in der die Mitglieder der Community, über den Gewinner des Monats abstimmen. Die beste Aufgabe des Monats und die drei besten Lösungen werden prämiert und die Gewinner der innovativ tätigen Konsumenten werden von Tchibo finanziell entlohnt:

2.000 Euro für Platz eins, 1.500 Euro für Platz zwei und der Drittplatzierte gewinnt 500 Euro. Zudem erhält der Gewinner der besten Aufgabe ein Preisgeld von 1.200 Euro. Allererster Gewinner des Monats von Tchibo Ideas (Juli 2008) war beispielsweise ein Pflanzentopf aus Gummi, der es den kreativen Gärtner erlaubt Pflanzen an ungewöhnlichen Stellen zu kultivieren. Ein Vorteil dieses Pflanzentopfes ist beispielsweise ist Befestigungsmöglichkeit in engen Zwischenräumen. Auf Platz eins des gegenwärtigen Rankings (Juli 2009) befindet sich eine Kindersicherung für Türen im Haushalt.

Die Nutzer treten allerdings mit dem Unterzeichnen der Registrierungsregeln ihre gesamten Eigentumsrechte über die potentielle Innovation ab, eine Art “free revealing“.18 Schlussendlich entscheidet eine fachkundige Jury, wer der Gewinner des Jahres wird und damit 10.000 Euro erhält.19Hinzukommend wird der Innovator der „Lösung des Monats", zu einer gemeinsamen Umsetzung seiner Idee, von Tchibo eingeladen. Diese Integration des Verbrauchers, die einem Test der Pilotversion gleichkommt, wird zur Überprüfung der Umsetzungsgüte genutzt und dadurch kann das Risiko einer Innovationslücke minimiert werden. Somit soll die Gewährleistung einer „Übereinstimmung, der “tatsächlichen“ und der “benötigten“ Innovation (Differenz zwischen „ist-“ und „soll-Zustand“)“ (WAHREN, 2004, S. 7, S. 102), sichergestellt werden. Es ist also nicht nur von Vorteil, dass durch die Integration der Konsumenten der mögliche Lösungsraum vergrößert wird, sondern auch die Unsicherheiten im Innovationsprozess können reduziert werden. Es resultiert eine verbesserte Deckungs- gleichheit zwischen den neu eingeführten Produkten und den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer und verhindert „kostspieligen Nachbesserungen20oder Produkte, die am Markt vorbei entwickelt werden“ (PILLER, 2006B, S. 92).

Für die aktiv teilnehmenden Verbraucher ist die Verwirklichung ihrer Idee, welche mit einem späteren Gebrauch und einer Lösung ihres bestehenden Problems verbunden ist, ein Anreiz. Es ist daher davon auszugehen, dass ein weiterer zusätzlicher extrinsischer Anreiz21 für die aktiven Konsumenten existiert. Dieser extrinsische Anreiz entspringt eben aus diesen, für die Konsumenten erhältlichen, künftigen Produktverbesserungen und -optimierungen, welche bei Open Innovation zwangsläufig an den bestehenden Bedürfnissen der Kundenschaft ausgerichtet sind. Da die Produkte von Tchibo für die meisten innovativ auftretenden Konsumenten in einem preislich relativ erreichbaren Rahmen liegen, kann auch von einer Art extrinsischen Belohnung (beim Erhalt der Ware) ausgegangen werden.

Zu den möglichen Motivationen der Entwickler gehören allerdings neben diesen extrinsischen Anreizen auch intrinsische und soziale Anreize. Diese sind bei Open Innovation ebenfalls von außerordentlicher Bedeutung22(REICHWALD/PILLER, 2006, S. 74FF.). Durch die von Tchibo angebotene Kontakt-Plattform erhalten die Nutzer und potentiellen Innovatoren einen Nährboden für ihre intrinsische und soziale Motivation. Zielgerichtet auf die intrinsisch motivierten Verbraucher drückt sich Tchibo selber (am Ende ihrer Online Guided-Tour) mit den Marketingsätzen aus: „Du wirst sehen, Tchibo Ideas macht eine Menge Spaß. Denn alles beginnt mit deiner Idee.“ Dieses Fallbeispiel ist zudem exemplarisch dafür, wie von der Firma Tchibo versucht wird, über den Gebrauch einer Dialog-Plattform mit einen „zusätzlichen sozialen Anreiz die Innovationsbereitschaft der Kunden zu fördern“ (PILLER, 2006B, S. 95).

Man sieht an dem Tchibo-Beispiel sehr gut, wie sich eine Grundidee für eine neues Produkt entfalten und sich weiterentwickeln kann. In einem „kollaborativen und evolutionären Prozess wird so aus einer vielleicht anfänglich simplen Idee, eine echte Innovation oder ein innovativ verbessertes Produkt für den Endverbraucher“ (REICHWALD/ PILLER, 2006; PILLER, 2006B), frei nach dem Werbeslogan von “Tchibo Ideas“: „Zusammen gedacht. Besser gemacht.“ Oder man zieht von Hippel's Behauptung hinzu, welche besagt, dass „fortschrittliche Lead User existieren, die vor dem allgemeinen Markt ein Bedürfnis für eine neue Anwendung besitzt und darüber hinaus auch befähigt ist, dieses Bedürfnis in eine konkrete Lösung umzusetzen“ (REICHWALD/PILLER, 2006, S. 137FF., 156FF.; VON HIPPEL, 1988).23

Über den existierenden dualen Informationstransfer, können sogar fertig ausgearbeitete Lösungsansätze kommuniziert werden. Dieser Informationstransfer lässt die Schwierigkeit des “impliziten Wissens“ vom Open Innovation-Unternehmen Tchibo überwinden.24Auf diesen Annahmen stützt sich das Produktdifferenzierungsmodell aus Abschnitt 3; in dem Moment, indem durch die Öffnung des Innovationsprozesses und beim Zugang zum dualen Informationstransfer ein Endverbrauchermehrwert erscheint, der den Nutzen und somit auch die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten erhöht, dieser wird als hinreichend groß modelliert, da schließlich eine tatsächliche Innovation formalisiert werden soll.

Die Anforderung an einen entsprechenden Umweltzustand ist letztlich das Vorhandensein des dualen Informationstransfers, bestehend aus Bedürfnis- und Lösungs- informationen. Auch im Fall von Tchibo sind die Informationen, welche zum Erkennen und Lösen von Alltagsproblemen benötigt werden, der Domäne der Verbraucher zuzuschreiben. Eine Innovation in dieser Industrie oder Branche wird auf das vorhandene Anwenderwissen der Endverbraucher angewiesen sein. Aus diesem Grund macht auch die Öffnung des Innovationsprozesses für externe Informationsquellen Sinn. Eine beträchtlich große Palette an Kompetenzen und Fähigkeiten, welche für eine erfolgreiche Innovation erforderlich sind, besitzen demnach die Konsumenten selbst.25 Dieser spezielle Umstand soll im später vorgestellten Produktdifferenzierungsmodell als signifikant hohe “Interaktionskompetenz“ der Konsumenten, die sich in der Industrie befinden, gekennzeichnet werden. Durch dieses vorhandene Potenzial bei den personifizieren externen Informationsquellen (bzw. den interagierenden Endverbrauchern) ist Open Innovation für diesen Industriezweig prädestiniert. Industrien und Branchen, in denen die Konsumenten gleichermaßen die tatsächlichen Träger der für die Innovationen benötigten Informationen sind (also einen ähnlichen Umweltzustand vorweisen wie das Tchibo-Musterbeispiel), können in Folge dessen ebenso durch eine bedeutsam hohe Interaktionskompetenz charakterisiert werden. Ein solcher Umweltzustand wird in den Modellteilen des Abschnitts 3 einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Interaktionskompetenz haben, welche im Modell als von der Industrie abhängiger Parameter gegeben sein wird.

Der Umstand, dass die Konsumenten besser über die benötigten Beschaffenheiten und die zu erfüllenden Anforderungen an die zu erstellenden Produkte informiert sind, ist im idealtypischen Fall von Tchibo relativ leicht zu erkennen. Neueste Forschungsmethoden versuchen diese Sachlage auch in anderen weniger anwendungsorientierten Bereichen zu identifizieren und herzustellen. Zum Beispiel über die Auswahl und Schulung von Lead Usern (DIENER/LANG, 2008; VON HIPPEL, 1988; REICHWALD/PILLER, 2006).

2.2 Informationstransfer

Open Innovation möchte einen riesigen Pool an potentiell verwendbaren Informationen ausschöpfen und diese vorhandene, aber bisher nicht von allen Unternehmungen genutzte, externe Ressource für sich wirken lassen,26so auch der Leitgedanke der “Tchibo Ideas“- Innovationsplattform. „Open Innovation unterstützt die These, dass Kreativität und Aneignung bestehenden Wissens unabdingbar zusammengehören“ (KUHLEN, 2006, S. 13).

Der Informationsaustausch zwischen Herstellerunternehmen und Konsument ist als interaktiver Prozess zu verstehen und findet bei Open Innovation nicht wie im traditionellen Sinne nur in eine Richtung statt (“speaking only when spoken to“). Sondern die Kommunikation und Wissensproduktion findet in diesem speziellen Fall in beide Richtungen statt (REICHWALD/PILLER, 2006, S. 56; SYAM/DELLAERT, 2001; VON HIPPEL, 1978B). Im Übrigen ist anzumerken, dass dieser interaktive Informationstransfer meist über das Medium Internet zwischen den Open Innovation-Unternehmen und den Nutzern vollzogen wird.

[...]


[1] “Toolkits“ sind zentrale Hilfsmittel, die den Konsumenten von Unternehmensseite an die Hand gegeben werden, um innovativ tätig zu werden. „Ziel ist es aktuelle und potentielle Kunden kreativ neue Produkte oder Produktvarianten schaffen zu lassen, die dann in der Regel in einem Massenmarkt vieler Kunden angeboten werden“. PILLER (2006B).

[2] “Lead User“ haben vor dem allgemeinen Markt ein Bedürfnis für eine neue Anwendung und sind darüber hinaus auch befähigt, dieses Bedürfnis in eine konkrete Lösung umzusetzen. REICHWALD/PILLER (2006) S. 156FF.; VON HIPPEL (1988). Siehe hierzu auch Abbildung 1 im Anhang A auf Seite 41.

[3] „Übereinstimmung der Produkteigenschaften mit den Marktbedürfnissen“. REICHWALD/PILLER (2006), S. 140FF..

[4] Mass-customization ist ebenfalls als interaktive Integration der Konsumenten in den Wertschöpfungsprozess zu verstehen, findet aber zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt im Innovationsprozesses statt. Produktindividualisierung ist gewissermaßen bis zum Ende kein abgeschlossener Innovationsvorgang und der Lösungsraum ist im Vergleich zu Open Innovation für die Konsumenten stark beschränkt. REICHWALD/PILLER (2006) S. 144FF..

[5] Ein “Prosument“ ist eine Person, die als Konsument und gleichzeitig als Produzent in Erscheinung tritt. Kunden sind nicht nur als externe Akteure zu betrachten, sondern als Teil der Organisation. TOFFLER (1970, 1980, S. 272FF.).

[6] Eine “Invention“ meint die Anfänge einer Erfindung, die nicht notwendigerweise eine wirtschaftlich erfolgreiche Verwertbarkeit mitsichbringt.

[7] Unter einer “Imitation“ versteht man eine weniger innovativ neuartige Erfindung, welche eher den Charakter einer Anpassungsinnovation verkörpert.

[8] Siehe hierzu auch Abbildung 2 im Anhang A auf Seite 42.

[9] Håkansson, ein Vertreter der europäischen IMP-Schule, prägte den Begriff der “Customer Integration“ bereits 1982 im Rahmen der Entwicklung von kooperativen Marketingstrategien.

[10] Offener Aufruf heißt dabei, dass die zu lösende Aufgabe öffentlich verkündet wird und die externen “Problemlöser“ durch Selbstselektion entscheiden, ob und wie sie zur Lösungsfindung beitragen.

[11] http://www.siebeneinhalb.de/2009/03/oecd-studie-open-innovation-in-der-praxis/

[12] Zur genaueren Erläuterung der verschiedenen Wissensarten siehe Abschnitt 2.2.

[13] “Crowdsourcing“ ist die Integration von Außenstehenden in die Unternehmung und deren Beteiligung an kreativen und kollaborativen Prozessen. Wobei hierfür das Internet als Medium und Plattform für alle Prozesse zwischen Unternehmen und dem Heer von Freizeitarbeitern dient.“ HOWE (2006).

[14] Bei der “Open Source“-Bewegung arbeiten Software-Entwickler gemeinsam ohne finanzielle Gegenleistung an der Entwicklung von verschiedensten Programmen. Ein Beispiel hierfür ist das Betriebssystem Linux, das prinzipiell für jeden interessierten Nutzer kostenlos zur Verfügung steht.

[15] http://www.tchibo.com/corweb/servlet/content/77116/LnderstartseiteDeutsch/Unternehmen/ZahlenundFakten.html

[16] https://www.tchibo-ideas.de/

[17] Siehe hierzu auch Abbildung 5 die Tchibo Ideas Startseite im Anhang A auf Seite 45.

[18] „Bezeichnet die Beobachtung, dass viele Kunden bzw. Nutzer ihr Wissen unter bewusstem Verzicht auf Gegenleistung sowie Eigentums- und Verfügungsrechte an andere Akteure, insbesondere den Hersteller, weitergeben.“ REICHWALD/PILLER (2006) S. 72.

[19] Siehe hierzu auch Abbildung 6 der nominierten Lösungen im Anhang A auf Seite 45.

[20] „“Cost-to-market“: Reduktion der im Rahmen eines Innovationsprozesses von Beginn der Planung eines Produktes bis zu dessen Markteinführung tatsächlich angefallenen und dem Produkt zurechenbaren Kosten.“ REICHWALD/ PILLER (2006B), S. 150.

[21] Abschnitt 2.3 befasst sich detaillierter mit den verschiedenen Ausprägungsarten der Motivation.

[22] Diese Art motivierender Faktoren sind ebenfalls in Open Source-Projekten zu finden. TIROLE/LERNER (2000).

[23] „Dieses Lead User-Phänomen ist z.B. in der Industrie- und Konsumgüterbranche schon seit langem beschrieben worden. HERSTATT/VON HIPPEL (1992); LÜTHJE (2000A). Lead User sind in der Lage ihre Ideen selbstständig in funktionsfähige Prototypen zu überführen - ohne Einbezug und Kooperation mit einem Hersteller.“ PILLER (2006B), S. 91.

[24] Siehe hierzu auch Abschnitt 2.2 “sticky information“.

[25] „Gerade im Sportartikelbereich gibt es eine Vielzahl von Studien, die dieser Rolle von Usern und Anwendern, spricht: Kunden, als Initiatoren neuer Produkte und Quelle von Innovationen beschreiben. Manche Experten schätzen den Anteil an Innovationen, die von Anwendern und nicht von den Herstellern kommen, sogar auf bis zu sechzig Prozent (LÜTHJE, 2003A).“ PILLER (2006B) S. 85.

[26] „Offen für das Wissen anderer zu sein, z.B. Unternehmen und Wissenschaft in die Lage zu versetzen, nicht nur das eigene, intern vorhandene Wissen, sondern auch externe Wissensressourcen besser zu nutzen. Nicht umsonst gehören Innovations- und Wissensmanagement zusammen.“ DROSSOU/KREMPL/POLTERMANN (2006) S. 10.

[27] „Zugang zu impliziten Wissen der Nutzer kann beispielsweise über die Bereitstellung von Toolkits geschaffen werden.“ VON HIPPEL (2005), S. 67-68. „Viele Kunden sind sich ihrer Wünsche nicht bewusst oder können diese nicht explizit formulieren.“ PILLER (2006B) S. 92.

[28] Eine partielle Arbeitsteilung ist allerdings ohne die Firma und dessen Signalisierung zur Öffnung des Innovations- Prozesses und damit der Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Konsumenten nicht möglich.

Ende der Leseprobe aus 57 Seiten

Details

Titel
Open Innovation - Ein dualer Informationstransfer
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
57
Katalognummer
V153982
ISBN (eBook)
9783640666676
ISBN (Buch)
9783640666904
Dateigröße
983 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Open Innovation, interaktive Integration, Konsumenten, innovativer Wertschöpfungsprozess, Ideen-Generierungs- Methode, horizontales Produktdifferenzierung, Interaktionskompetenz, Bedürfnisinformation, Lösungsinformation, Hotelling Modell, Motivation, Wohlfahrtsvergleich, Monopol, Duopol, Crowdsourcing
Arbeit zitieren
Nino Amin Samaan (Autor:in), 2009, Open Innovation - Ein dualer Informationstransfer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153982

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