Die Chuch'e-Ideologie in Nordkorea


Hausarbeit, 2010

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1.) Einleitung
1.1.) Zielsetzung dieser Arbeit und allgemeine Bemerkungen

2.) Historische Grundlagen: Die Entstehung der Demokratischen Volksrepublik Korea
2.1) Von der japanischen Besatzung zum geteilten Korea
2.2) Die Installation der Herrschaft Kim Il Sungs
2.3) Die DVRK nach dem Koreakrieg

3.) Die Chuch’e-Ideen
3.1) Der Begriff des ‚Chuch’e‘
3.1.1.) Die philosophischen Prinzipien der Chuch’e-Lehre
3.1.2) Die sozialhistorischen Prinzipien der Chuch’e-Lehre
3.1.3) Die Leitprinzipien der Chuch’e-Lehre
3.2) Die Chuch’e-Ideen und ihre „Nachbarn“: (Neo-)Konfuzianismus und Marxismus/Leninismus
3.2.1) (Neo-)Konfuzianismus und Chuch’e-Ideen
3.2.2) Marxismus-Leninismus und Chuch’e-Ideen

4.) Nordkoreanische Außenpolitik im Lichte der Chuch’e-Ideologie

5.) Schlußbetrachtung

Literaturverzeichnis..

1.) Einleitung

„Baut der irre Diktator jetzt die Atombombe?“ 1 Diese Frage stellt die BILD-Zeitung am 03.11.2009 in ihrer Onlineausgabe. Mit dem „irren Diktator“ ist der derzeitige Alleinherrscher der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) – so der offizielle Name Nordkoreas – Kim Jong Il 2 gemeint. Dass sein Name in den letzten Jahren in großen Teilen der Welt – wie hier exemplarisch in Deutschland – wütende Beißreflexe auslöst, liegt vor allem in seiner Verbindung mit der Entwicklung nordkoreanischer Kernwaffen begründet. Der sogenannte „Atomstreit“, der seit bald 20 Jahren zwischen der westlichen Welt, allen voran den USA und Südkorea, und dem abgeschotteten Nordkorea besteht, bringt das Land und insbesondere Kim Jong Il immer wieder in die Schlagzeilen. Bei der Berichterstattung dominiert vor allem eine Denkweise: Unverständnis. Offenbar aus diesem Unverständnis heraus sind es vor allem Boulevardzeitungen wie die BILD oder die englische SUN 3 , die den nordkoreanischen Herrscher persönlich angehen, indem auf seine geringe Körpergröße oder seinen angeblichen Alkoholismus hingewiesen wird. Das Fazit sieht in diesen Darstellungen ähnlich aus: Kim Jong Il muss „irre“ sein, um auf die Idee zu kommen, Atomwaffen produzieren zu wollen.

Eine Tatsache wird dabei immer wieder übersehen: es ist nicht Kim selbst, der die Waffen herstellt – er steht „nur“ an der Spitze seines Landes. Ohne technische und politische Eliten, die den Bau von Kernwaffen ebenso befürworten wie er, wäre das Streben nach der Atombombe tatsächlich „irre“. Dies ist es aber gerade nicht – wie Nordkorea mit seinen Atomtests 2006 und 2009 bewiesen hat. Was also ist das für ein Land, das scheinbar bereit ist, es auf einen Konflikt mit der Weltmacht USA, ja der gesamten westlichen Welt, ankommen zu lassen? Berichterstattung neben der über den Atomstreit und immer wieder auftauchenden Meldungen über Menschenrechtsverletzungen und Hungersnöte sucht man vergebens. Und auch seriöse (sozial-)wissenschaftliche Untersuchungen zur Demokratischen Volksrepublik Korea, ihrem Staats – und Gesellschaftssystem, sind quasi inexistent. Dies bemerkt auch Rüdiger Frank, einer der wenigen europäischen Experten auf dem Gebiet Nordkorea, im Vorwort zu einem Beitrag über das politische System der DVRK. 4 Weiter konstatiert er, dass allgemein die Tendenz herrsche, der „kaum näher definierten Institution „Nordkorea“ […] irrationales Vorgehen [zu unterstellen]“, was dazu führe, dass „ihre Aktionen potenziell als gefährlich und destabilisierend“ 5 eingestuft würden. Aus diesem Grunde halte auch ich es für bitter nötig, das – zumindest in der westlichen Politikwissenschaft - fast unbearbeitete Feld Nordkorea wissenschaftlich zu ergründen um somit einen der letzten „schwarzen Flecke“ unserer Zeit von der Landkarte verschwinden zu lassen.

1.1.) Zielsetzung dieser Arbeit und allgemeine Bemerkungen

Am Anfang dieser Arbeit stand eine ernüchternde Feststellung: die Literaturlage zu Nordkorea ist sehr überschaubar – um nicht zu sagen kläglich. Abgesehen von dem bereits zitierten Beitrag Rüdiger Franks im Band „Einführung in die politischen Systeme Ostasiens“ gibt es tatsächlich kaum wissenschaftliche – das heißt zu einem Mindestmaß auf überprüfbaren Aussagen fußende – Publikationen zum politischen System der DVRK. Und selbst Rüdiger Frank räumt ein, dass sein Beitrag in Teilen auf Mutmaßungen und indirekten Quellen basiert.6 Nordkorea ist ein weitgehend abgeschottetes Land, nur wenige – ca. 5007 - Ausländer halten sich dort dauerhaft auf. Die meisten Publikationen zu Nordkorea sind daher Erfahrungs- und/oder Reiseberichte eben dieser Ausländer. Betrachtet man diese Tatsachen und vergleicht man sie mit der doch sehr starken Medienpräsenz des Landes, muss man zwangsläufig feststellen, dass Nordkorea ob des Unwissens über dieses Land eigentlich ein fast unwirkliches Phantom darstellt. Die Verschlossenheit Nordkoreas und vielleicht auch das Desinteresse an einem tieferen Verständnis desselben (wie viel einfacher es doch ist, alles auf einen „irren Diktator“ zu reduzieren!) haben zu abstrusen Auswüchsen geführt. Für die einen – allen voran der ehemalige US-Präsident George W. Bush jr. – stellt Nordkorea die Inkarnation des Bösen dar, einen Schurkenstaat, der jeden Moment den Dritten Weltkrieg anzetteln könnte. Die Bundesverdienstkreuzträgerin Luise Rinser hingegen bezeichnet in ihrem 1981 erstmals erschienenen „Nordkoreanischen Reisetagebuch“8 das politische System Nordkoreas als „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ und als rundum gelungenen, fast paradiesischen Staat. Dass nach Abwägung aller bekannten Tatsachen keine der beiden Sichtweisen der Realität gerecht wird, dürfte schnell klar sein. Wie aber kann man sich Nordkorea dann, möglichst objektiv, annähern? Wie kann ein Versuch aussehen, das Land und seine Menschen zu verstehen - und damit eventuell ein Beitrag zur friedlichen Beilegung des lange schwelenden Atomstreits geleistet werden? Diese Hausarbeit entstand im Rahmen eines Seminars zu politischer Theorie und Ideengeschichte. Ich möchte daher versuchen, mich auf genau diesem Wege dem Thema anzunähern. Nämlich mit einer – ausnahmsweise einmal nicht eurozentrischen – Untersuchung und Bewertung der seit ca. 50 Jahren propagierten Staatsideologie Nordkoreas, der sogenannten „Chuch’e-Philosophie.“9 Diese prägt die nordkoreanische Gesellschaft seit über 50 Jahren nach übereinstimmender Auffassung vieler Autoren, u.a. Rüdiger Frank10, Young-Soon Chung11, Hans Maretzki12 und Peter Schaller13 entscheidend. Ihr Verständnis ist daher unabdingbar, will man auch nur ansatzweise die Perspektive der nordkoreanischen Seite, beispielsweise im Atomstreit, nachvollziehen.

Ich will im Folgenden den philosophischen und ideengeschichtlichen Kern der Chuch’e-Ideen darstellen und untersuchen, wie diese zu einer Herrschaftsideologie für Kim Il Sung bzw. seinen Nachfolger Kim Jong Il geworden sind. Schließlich werde ich das umstrittene außenpolitische Verhalten der DVRK im Rückgriff auf die Prinzipien der Chuch’e Ideologie bewerten.

2.) Historische Grundlagen: Die Entstehung der Demokratischen Volksrepublik Korea

Die Kenntnis zumindest der Grundlagen der Entstehungsgeschichte des modernen, geteilten Korea ist unabdingbar. Zumindest dann, wenn ein ernsthafter Versuch unternommen werden soll, die spezielle Entwicklung Nordkoreas und die daraus erwachsenden Konsequenzen zu begreifen. Deshalb soll hier in aller Kürze auf wichtige historische Fakten der neuzeitlichen koreanischen Geschichte eingegangen werden. Dies dient auch dem besseren Verständnis und der Einordnung des Themas dieser Arbeit, der Chuch’e-Philosophie.

2.1) Von der japanischen Besatzung zum geteilten Korea

Die koreanische Halbinsel war schon immer, durch ihre geografische Lage bedingt, ein Spielball von Großmächten. Bis ins ausgehende 19. Jahrhundert waren dies vor allem Russland, China und Japan. Und auch die USA begannen sich bald für die koreanische Halbinsel zu interessieren.14 Doch die bis heute im kollektiven Gedächtnis insbesondere der Nordkoreaner (in geringerem Maße natürlich auch in Südkorea) am meisten verankerte Epoche ist die der japanischen Okkupation. Diese begann im Jahre 1905(Errichtung des Protektorates) bzw. 1910 (Annexion)15 und endete erst im August 1945 mit der Kapitulation Japans. Die koreanische Halbinsel wurde im Norden, bis zum 38. Breitengrad, von sowjetischen Truppen besetzt. Im Süden rückten US-Truppen ebenfalls bis zum 38. Breitengrad vor, der fortan die Grenze zwischen Sowjet – und US-Sektor markierte. Die japanische Kolonialzeit wird in (Nord-)Korea heute als demütigende Episode angesehen, die geprägt war durch brutalen Umgang mit der koreanischen Bevölkerung, erzwungener Assimilation und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes.16

2.2) Die Installation der Herrschaft Kim Il Sungs

Die beiden Besatzungsarmeen brachten ihren jeweiligen Besatzungszonen (man beachte hier die Analogie zur europäischen Entwicklung ab 1945) unterschiedliche Staats – und Gesellschaftssysteme. Zwar hatten die UdSSR und die USA vereinbart, Korea zu gegebener Zeit wieder zu vereinigen, doch die von der UNO angesetzten Wahlen fanden nur in Südkorea statt. Im Schatten des aufziehenden Kalten Krieges rückte die Wiedervereinigung daraufhin in weite Ferne.17 Auf Veranlassung Stalins wurde der in der UdSSR ausgebildete und mit der Roten Armee ins Land gekommene Exilkoreaner Kim Il Sung im nördlichen Teil des Landes als Machthaber eingesetzt. Nach bis in die 1950er-Jahre andauernden Machtkämpfen konnte sich dieser schließlich – unter brutaler Ausschaltung seiner Gegner – endgültig durchsetzen.18

Auf Kim Il Sungs Veranlassung hin überfielen nordkoreanische Truppen am 25.06.1950 den Südteil des Landes. Vor dem Angriff hatte sich Kim bei Stalin rückversichert.19 Der bis 1953 andauernde und mit äußerster Brutalität geführte Koreakrieg endete mit einem Waffenstillstand, bis heute wurde kein Friedensvertrag geschlossen.20 Nur dank massiver chinesischer ‚Bruderhilfe‘ konnte eine Niederlage Nordkoreas verhindert werden.

[...]


1 Quelle: http://www.bild.de/BILD/politik/2009/11/03/nordkorea-irrer-diktator/verkuendet-herstellung-von- plutonium-hat-er-die-atombombe.html (Abgerufen am 01.03.2010)

2 Es gibt verschiedene Transkriptionen der koreanischen Namen; ich halte mich in dieser Arbeit an die am häufigsten verwendeten und daher bekanntesten Schreibweisen (bspw. Kim Jong Il oder Kim Il Sung).

3 Beispielhaft: http://www.thesun.co.uk/sol/homepage/news/2452495/North-Korea-WW3-threat-to-West.html (Abgerufen am 01.03.2010)

4 Frank, Rüdiger (2003): Nordkorea. Zwischen Stagnation und Veränderungsdruck. In: Claudia Herichs, Thomas Heberer (Hrsg.): Einführung in die politischen Systeme Ostasiens. Opladen: Leske u. Budrich. S. 272f.

5 Frank (2003): S.272.

6 Ebenda, S. 273.

7 Moeskes, Christoph (Hrsg.) (2009): Nordkorea. Einblicke in ein rätselhaftes Land. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung (Schriftenreihe Band 1021). S.29.

8 Rinser, Luise (19866): Nordkoreanisches Reisetagebuch. Frankfurt/M.: Fischer-Taschenbuch-Verlag.

9 In der Literatur auch „Dschutsche“ oder „Tschutsche“ geschrieben. Ich habe mich hier in Anlehnung an Young-Soon Chungs Transkription für das koreanische Wort „㨰㷨㇠㌗ˈ als „Chuch’e“ entschieden.

10 Frank (2003): S.299ff.

11 Chung, Young-Soon (1996): Chuch’e Ideen und (Neo-)Konfuzianismus in Nordkorea. Hamburg: Lit-Verlag (Uni-Press Hochschulschriften Band 85). S. 58-61 und 188-190.

12 Maretzki, Hans (1991): Kim-ismus in Nordkorea. Eine Analyse des letzten DDR-Botschafters in Pjöngjang. Böblingen: Tykve-Verlag. S. 68-71 und an vielen anderen Stellen.

13 Schaller, Peter (1994): Nordkorea. Ein Land im Banne der Kims. Böblingen: Tykve-Verlag. S.33f.

14 Pan, Christoph (1992): Nordkorea. Die ideologische und soziologische Basis. Wien: Braumüller. S.35.

15 Frank (2003): S.275.

16 Ebenda, S. 276.

17 S.o.

18 Eine hervorragende Beschreibung dieser Machtkämpfe findet sich bei Chung (1996): S. 10 – 33.

19 Diese These, vor dem Ende der UdSSR oft als Spekulation abgetan, wird durch mittlerweile geöffnete Archive belegt. Siehe auch Maretzki (1991): S.19.

20 Moeskes (2009): S.21.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Chuch'e-Ideologie in Nordkorea
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Seminar für Wissenschaftliche Politik)
Veranstaltung
GK III: Grundbegriffe der pol. Theorie
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
15
Katalognummer
V154155
ISBN (eBook)
9783640664856
ISBN (Buch)
9783640664245
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nordkorea;, Atomstreit, Kim Jong-Il
Arbeit zitieren
Felix Kleefeld (Autor:in), 2010, Die Chuch'e-Ideologie in Nordkorea, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154155

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