Das Werk ist eine herbe Kritik bis Beschimpfung, Herabsetzung bzw. Verunglimpfung der österreichischen Justiz und ihrer Vollzugsbeamten. Ein satirisches Meisterwerk über das Polizeiwesen (den österreichischen Polizeigeist), Amtsmissbrauch, polizeiliche Willkür, moralische Heuchelei, Lügen, falsche Prüderie, engstirnige Beamte, übertriebene Frömmigkeit und sexuelle Unfreiheit in Österreich. Andrerseits prangert Kraus auch die Neugier, Sensationslust und Klatschsucht von Presse und Bevölkerung an, dabei nimmt er die jüdischen Zeitungen nicht aus. Seine besondere Fürsprache gilt den Unterdrückten und den Frauen, besonders den Prostituierten. Er meint, eine Dirne leistet für ihren Schandlohn mehr als so mancher Staatsanwalt für sein Gehalt. „Ob eine Frau ihren Leib verschenkt, für Stunden oder für Jahre vermietet, sich ehelich oder ausserehelich verkauft, geht den Staat nichts an“ (Kraus S. 248). Für Kraus sind nur drei Rechtsgüter schützenswert: die Gesundheit, die Willensfreiheit und die Unmündigkeit. Individuelle Sittlichkeit ist kein Rechtsgut, das zu schützen ist, ausser es beleidigt den öffentlichen Anstand. Wien bezeichnet der Autor als die Stadt des Klatsches, der hemmungslosen Neugier, der perspektivlosen Betrachtung alles Sichtbaren, der heuchlerischen Scheinmoral, der Lügen und der gespielten moralischen Entrüstung und Verfolgung. Kraus meint, dass wir „im Lande der unschuldig Verurteilten“ leben. Er hält nichts von der österreichischen Rechtssprechung. Kraus meint, in Österreich werde so gerne eingesperrt. Er attestiert den Österreichern auch immer wieder Antisemitismus und macht sich immer wieder lustig über zuviel Religiosität und das Christentum. „Gewissensbisse sind die sadistischen Regungen des Christentums“ (Kraus S. 249). Überdies wird in Österreich alles nach Parteipolitik geregelt. Falsch verstandene Sittlichkeit und Moral sind für Kraus die Urheber allen Übels (Kriminalität). Für ihn sind Natur und Geist die höchsten Kriterien der Sittlichkeit und diese will er nicht eingeschränkt oder verfolgt sehen.
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Inhaltsverzeichnis
- Sittlichkeit und Kriminalität
- Die Presse als Kupplerin
- Die Hetzjagd auf das Weib
- Katastrophen
- Ein Unhold
- Erpressung
- Ethik und Strafgesetz
- Irrenhaus Österreich
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Karl Kraus' Werk "Sittlichkeit und Kriminalität" analysiert die österreichische Justiz und Gesellschaftsmoral zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In satirischer Weise entlarvt er die Doppelmoral der Bürger und die Willkür der Behörden, die in ihren Urteilen selbst zum Täter werden.
- Kritik an der Justiz und ihren Verfahren
- Entlarvung der bürgerlichen Heuchelei
- Schutz der Schwachen und Unterdrückten
- Analyse der Rolle der Presse und ihrer Sensationsgier
- Untersuchung der österreichischen Gesellschaft und ihrer Moral
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Presse als Kupplerin: Kraus kritisiert die Sensationsgier der Presse, die das Prostitutionsmilieu verachtet, aber gleichzeitig durch detaillierte Beschreibungen davon profitiert.
- Die Hetzjagd auf das Weib: Er prangert die Doppelmoral der Gesellschaft an, die Frauen vorschnell verurteilt und ihnen „sittliche“ Lasten aufbürdet.
- Katastrophen: Kraus zeigt anhand von Beispielen, wie Unschuldige bestraft werden und wie unbarmherzig das österreichische Rechtssystem sein kann.
- Ein Unhold: Er stellt den Hofrat Feigl als Beispiel für einen harten und unbarmherzigen Richter dar, der seine Macht missbraucht und seine Rachsucht befriedigen will.
- Erpressung: Kraus analysiert den Begriff der Erpressung und diskutiert, ob man ihn immer klar von anderen Delikten wie gefährlicher Drohung abgrenzen kann.
- Ethik und Strafgesetz: Er kritisiert die Vorverurteilung von Menschen und die Veröffentlichung ihrer Taten in der Presse, die oft zu streng bestraft werden, als es das Gericht tun würde.
- Irrenhaus Österreich: Kraus beschreibt Österreich als ein Land, in dem die Psychiater überfordert sind und die Reichen bevorzugt werden. Er kritisiert die unfähigen Gerichtspsychiater, die Menschen fälschlicherweise als geisteskrank deklarieren.
Schlüsselwörter
Sittlichkeit, Kriminalität, Justiz, Doppelmoral, Heuchelei, Presse, Sensationslust, Österreich, Gesellschaft, Moral, Schwache, Unterdrückte, Prostitution, Erpressung, Gerichtspsychiater, Irrenanstalt, Wiener Schmäh.
- Quote paper
- Klaus Hofmann (Author), 2008, "Sittlichkeit und Kriminalität" von Karl Kraus - Eine Textinterpretation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154321