Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort
2 Stilistische Merkmale der Sprache im Nationalsozialismus
2.1 Häufige Verwendung von Vokabeln
2.2 Einsatz von Metaphern
2.3 Umdeutungen und Umwertungen
2.4 Superlativischer Stil
2.5 Religiöse Stilelemente
2.6 Kompositionen und Derivationen
2.7 Euphemismen
3 Vorüberlegungen zur Analyse der Silvesteransprache Adolf Hitlers
4 Analyse der Silvesteransprache Adolf Hitlers vom
5 Diskussion um die Existenz einer Sprache des Nationalsozialismus
6 Zusammenfassung der Ergebnisse
7 Literaturverzeichnis
Anhang
1 Vorwort
Die Niederlage der deutschen Armee und andauernde Bombenangriffe der Briten lassen die Stimmung der Deutschen im Jahr 1943 auf einen Nullpunkt sinken. Dennoch lässt sich die Bevölkerung, durch die von Goebbels vorgetragene Propagandarede im Berliner Sportpalast am 18.02.1943, von der Forderung nach totalem Krieg vorbehaltlos mitreißen.
Angesichts dieses Ereignisses drängt sich die Frage auf, wie ein einzelner Mensch allein durch Worte solche Überzeugungskraft ausüben kann.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich aus diesem Grund mit einigen prägnanten stilistischen Merkmalen der Sprache im Nationalsozialismus und ihren Auswirkungen. Zunächst sollen spezifische Stilmerkmale im Überblick herausgestellt werden um diese dann im Folgenden auf Adolf Hitlers Silvesteransprache vom 31.12.1944 anzuwenden und zu belegen. Ferner soll abschließend die Debatte um die Existenz einer Sprache des Nationalsozialismus aufgegriffen werden.
2 Stilistische Merkmale der Sprache im Nationalsozialismus
Zwischen 1918 und 1933 erlebt der Nationalsozialismus in Deutschland seinen Aufstieg. In dieser Zeit verfasst Hitler sein politisches Grundlagenwerk „Mein Kampf", welches als Basis der Sprache im Nationalsozialismus angesehen werden kann.1 Hitler bedient sich vor allem volkstümlicher Vokabeln, die dem Niveau der unteren Schichten angepasst sind. Die Sätze besitzen größtenteils eine einfache Struktur, einen begrenzten Wortschatz und sind mit emotional besetzen Schlagwörtern und Redewendungen gespickt.2 Hierbei ist anzumerken, dass es sich um alltägliche Wörter der deutschen Sprache handelt, die jedoch durch ihre gezielte ideologische Verwendung und der Häufigkeit ihrer Benutzung dem Nationalsozialismus zugeordnet werden können.3
Die NS- Sprache wird zum zentralen Werkzeug für politische Absichten und manifestiert sich nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Bereich.4
2.1 Häufige Benutzung von Vokabeln
Als besonderes Merkmal der nationalsozialistischen Sprache stellen Seidel und Seidel- Slotty die „Häufung des Ausdrucks"5 heraus. Gemeint ist das phrasenhafte Aneinanderreihen von Adjektiven, Adverbien oder Substantiven, das die Nachdrücklichkeit oder Präzisierung des vorherigen Bezugswortes bewirken sollen, so wie in folgendem Beispiel gezeigt:6
„Die SS hat diesen Stolz ... als eigenstes und totales Erlebnis erst durch das Dritte Reich kennen gelernt."7
Bork fasst diese Erscheinung unter dem Kapitel „Redundanz"8 zusammen. Er beurteilt die häufigen „Wiederholungen, Füllwörter, Tautologien und Pleonasmen"9 als Schwafeleien, die von sprachlicher Unsicherheit zeugen.10 Adjektive, wie beispielsweise „heldenhaft, deutsch, hart und arisch"11 treten als positive Epitheta von Substantiven auf um diese aufzuwerten. Durch die relative Häufigkeit der Verwendung bestimmter Vokabeln in der Propagandasprache werden sie zu massenwirksamen Schlagwörtern.12
2.2 Einsatz von Metaphern
Ein weiteres unverkennbares Kennzeichen des NS- Sprachstils ist der häufige Gebrauch von Metaphern, die vorrangig aus dem militärischen Bereich stammen, dem Gebiet der Technik zuzuordnen sind oder die Blut und Boden- Ideologie verkörpern. Es handelt sich dabei meist um überzogene Bilder statt nüchterner Ausdrücke, die den Hörer nicht rational überzeugen sollen, sondern gesteigerte Anteilnahme bewirken sollen.13
Gleichnisse aus dem Militärwesen sind oft mit Dynamik bzw. Bewegung verbunden, damit erklärt sich auch, warum der Natonalsozialismus keine Parteiorganisation, sondern eine „Bewegung"14 war. Die Ausdruckskraft und Schnelligkeit der Kampfansagen sollten der Bevölkerung keine Zeit zum Nachdenken geben, sondern zum sofortigen Handeln animieren.15
Mit der Industrialisierung wurden vermehrt technische Begriffe in die NS- Alltagssprache eingegliedert. Ausdrücke dieser Sphäre waren objektiv und anschaulich zugleich.16 Der Nationalsozialismus schreckte beispielsweise nicht davor zurück Menschen „ein[zu]glieder[n]"17, zu „organisier[en]"17, „ein[zu]setz[en]"17 oder „gleich[zu]schalt[en]"17.
Zentraler Bestandteil der NS- Weltanschauung und somit auch des Sprachgebrauchs war die Blut und Boden- Ideologie, die Vorstellung von einer höherwertigeren arischen Rasse und die daraus abgeleitete Diskriminierung und Verdrängung der minderwertigeren Rassen. Besondere Bedeutung wird hier Worten in Verbindung mit „Blut" oder „Leben" beigemessen. Zudem werden häufig Schimpfwörter aus der Biologie verwendet um den Feind zu diffamieren („Parasit"18, „Völkerzersetzer"19 ).20
2.3 Umdeutungen und Umwertungen
Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der Sprache im Nationalsozialismus nicht um eine völlig neue Sprache, deshalb wird in der Wissenschaft der Ausdruck „Sprache des Nationalsozialismus" auch eher vermieden. Vielmehr erfuhren bereits vorhandene Wörter einen Bedeutungswandel, indem sie gezielt ideologisch gefärbt oder umgedeutet wurden.
Nach der Auffassung Viktor Klemperers sind Worte nicht absolut moralisch vorbestimmt, sondern sie sind vom Sprecher und Rezipienten in ihrer Bedeutung veränderbar.21
Worte, die bislang pejorative Bedeutung hatten, werden zu positiv besetzten Begriffen. Das treffenste Beispiel hierfür ist wohl der Begriff „Fanatismus", welcher im Dritten Reich eine positive Konnotation erlangt.22 Weitere Umdeutungen erfahren Adjektive wie „brutal"23 und „rücksichtslos"23, sie werden zu Ausdrücken des tugendhaften Umgangs eines Nationalsozialisten v.a. mit Juden.
[...]
1 Vgl. Schmitz- Berning, k.A..
2 Vgl. Müller, S. 28- 29.
3 Vgl. Müller, S. 38.
4 Vgl. Müller, S. 28- 29.
5 Vgl. Seidel, S. 1.
6 Vgl. Seidel, S. 1.
7 Vgl. Seidel, S. 1.
8 Vgl. Bork, S. 51.
9 Vgl. Bork, S. 51- 52.
10 Vgl. Bork, S. 51 ff.
11 Vgl. Müller, S. 38.
12 Vgl. Müller, S. 38.
13 Vgl. Seidel, S. 9 ff.
14 Vgl. Bork, S.19.
15 Vgl. Bork, S. 19 ff.
16 Vgl. Bork, S. 17 ff.
17 Vgl. Bork, S. 17.
18 Vgl. Müller, S. 43.
19 Vgl. Müller, S. 44.
20 Vgl. Müller, S. 42 ff.
21 Vgl. Klemperer, S. 158.
22 Vgl. Müller, S. 33 ff.
23 Vgl. Bork, S. 25.