Woran denken die meisten Menschen vermutlich zuerst, wenn sie an die 1960er Jahre denken?
Die Amerikaner wohl an die „Civil Rights Movements“ gegen die Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung; die Tschechen an den Prager Frühling, in dem der Versuch der Reformierung kommunistischer Planwirtschaft gewaltsam beendet wurde; die Franzosen an den Pariser Mai `68, die Mai-Unruhen, die ihre Auslöser auch durch die Ereignisse in Deutschland fanden.
Und woran denken die Bürger der Bundesrepublik Deutschland?
Zumeist wohl an die Studentenbewegung mit ihrem Höhepunkt 1968. Vielleicht an die Gewalt und den Terror, der später aus den Splittergruppen der Außerparlamentarischen Opposition (APO) hervortrat, allen voran den der Roten Armee Fraktion (RAF).
Aber wohl vor allem an die Demonstrationen und Proteste der Jugend, an ihre Forderungen nach mehr Lebensfreiheit und Mitbestimmung.
Das Thema dieser Facharbeit soll sich auf genau diese Zeit beziehen.
Da gerade in letzter Zeit immer öfter die Rufe nach einer politisch engagierteren Jugend laut werden, ist es sicher angebracht sich einmal mit der Geschichte von Studentenprotesten auseinander zu setzten.
Daher habe ich mich näher mit dem historischen Hintergrund von Studentenprotesten - die ihren deutschen Ursprung schon in dem Einfluss der Burschenschaften auf die gescheiterte deutsche Revolution von 1848/49 haben - befasst, um besser zu verstehen, warum diese Forderungen bestehen.
Will man aber die Bedeutung von Studentenbewegungen im Ganzen begreifen, so kommt man an einer Betrachtung und Analyse der Studentenproteste der 60er Jahre nicht vorbei.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1. Der Revolutionsbegriff
2.1.1 Definition
2.1.2. Abgrenzung zur Revolte
2.1.3. Abgrenzung zur Reform
2.2. Die Studentenbewegung von 1968 in Deutschland
2.2.1. Zeitgeschichtlicher Ablauf
2.2.2. Ergebnisse der Bewegung – oder: Was wurde erreicht?
3. Schlussteil
3.1. Fazit: Beantwortung der Ausgangsfrage
4. Anhang
4.1.Zusatzbemerkung:
4.2. Abbildungsverzeichnis:
4.3. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Woran denken die meisten Menschen vermutlich zuerst, wenn sie an die 1960er Jahre denken?
Die Amerikaner wohl an die „Civil Rights Movements“ gegen die Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung; die Tschechen an den Prager Frühling, in dem der Versuch der Reformierung kommunistischer Planwirtschaft gewaltsam beendet wurde; die Franzosen an den Pariser Mai `68, die Mai-Unruhen, die ihre Auslöser auch durch die Ereignisse in Deutschland fanden.
Und woran denken die Bürger der Bundesrepublik Deutschland?
Zumeist wohl an die Studentenbewegung mit ihrem Höhepunkt 1968. Vielleicht an die Gewalt und den Terror, der später aus den Splittergruppen der Außerparlamentarischen Opposition (APO) hervortrat, allen voran den der Roten Armee Fraktion (RAF).
Aber wohl vor allem an die Demonstrationen und Proteste der Jugend, an ihre Forderungen nach mehr Lebensfreiheit und Mitbestimmung.
Das Thema dieser Facharbeit soll sich auf genau diese Zeit beziehen.
Da gerade in letzter Zeit immer öfter die Rufe nach einer politisch engagierteren Jugend laut werden, ist es sicher angebracht sich einmal mit der Geschichte von Studentenprotesten auseinander zu setzten.
Daher habe ich mich näher mit dem historischen Hintergrund von Studentenprotesten - die ihren deutschen Ursprung schon in dem Einfluss der Burschenschaften auf die gescheiterte deutsche Revolution von 1848/49 haben - befasst, um besser zu verstehen, warum diese Forderungen bestehen.
Will man aber die Bedeutung von Studentenbewegungen im Ganzen begreifen, so kommt man an einer Betrachtung und Analyse der Studentenproteste der 60er Jahre nicht vorbei.
Diese Facharbeit befasst sich hauptsächlich mit der Fragestellung, ob die Ereignisse der „wilden 60er Jahre“[1] revolutionär waren, ob sie sich sogar als „Deutsche Revolution nach dem Zweiten Weltkrieg“ bezeichnen lassen.
Hierzu wird zunächst einmal der Begriff „Revolution“ als solcher erläutert und von den Termini „Revolte“ oder „Reform“ abgegrenzt.
Im zweiten Teil wird dann die Studentenbewegung dargestellt, ihr historischer Ablauf geschildert, die Ziele erläutert und gezeigt, was erreicht wurde.
Schließlich wird im Fazit zurückgeschaut und die Ausgangsfrage beantwortet.
Florian Wedler
2. Hauptteil
2.1. Der Revolutionsbegriff
2.1.1 Definition
Bevor sich die Ausgangsfrage, ob die Studentenbewegung als Revolution bezeichnet werden kann, beantworten lässt, bedarf es einer genauen Erläuterung des Begriffes „Revolution“. Diese muss in klarer Abgrenzung zu anderen, im Umfeld des Revolutionsbegriffs fallenden Begriffen wie „Revolte“ oder „Reform“ geschehen. Außerdem soll die aktuelle Forschungslage kurz angerissen werden.
Die Frage lautet also, was ist eine Revolutionist.
„Revolution“ wird von dem spätlateinischen Wort revolutio abgeleitet, das übersetzt „Umwälzung“, „Zurückwälzung oder auch „Umdrehung“ bedeutet.[2]
Mit revolutio bezeichnete Nikolaus Kopernikus 1543 die Kreisbewegungen der Himmelskörper in seinem Werk „De revolutionibus orbium coelestium“. Er habe laut Langewiesche damit einen Revolutionsbegriff verbreitet, der „in die Politik hinüber wirkte“[3]. Der Begriff beschreibt einen „Kreislauf, der zum Ausgangspunkt zurückführt, [und] nicht in etwas Neues mündet“.[4]
Tatsächlich verstand er sich in der englischen Revolutionszeit unter Cromwell als die Wiederherstellung der alten Ordnung[5] (heute unter dem Begriff „Restauration“ definiert). Ursprünglich beschrieb „Revolution“ also das genaue Gegenteil des heute Definierten (s.u.).
Für den modernen Revolutionsbegriff, den Langewiesche als „zukunftsmächtigsten der Neuzeit“[6] vermutet, tauchen Merkmale erstmals in der Glorious Revolution von 1688 auf.[7] Sie übte ihren Einfluss auf darauf folgende Bewegungen, besonders auf die amerikanische Unabhängigkeitsbewegung (1776) und die Französische Revolution von 1789, aus.
Als Wendepunkt vom alten zum modernen Revolutionsbegriff lässt sich die pluralistische, weil aus vielen Teilbewegungen bestehende, Französische Revolution betrachten. Sie wird oftmals auch als „Weltrevolution“[8] bezeichnet, da sie über die Staatsgrenzen Frankreichs hinauswirkte. Sie wurde besonders stark vom Zeitalter der Aufklärung beeinflusst, allen voran von den Philosophen Voltaire, Diderot, Montesquieu und Kant. Jean-Jaques Rousseau ruft in seiner Schrift „Du Contrat social“[9] sogar zum direkten Widerstand gegen den vom Volk nicht legitimierten Herrscher auf.
Im größten Einschnitt der französischen Geschichte liegt zugleich auch die Grenze zwischen ausgehendem Mittelalter bzw. dem französischen Absolutismus und der Moderne. Die Französische Revolution prägte - wie nachfolgend keine andere - entscheidend das neue Verständnis der „Umwälzung“.
„Weltgeschichtliche Wirksamkeit“[10] erhielt der Begriff letztlich „durch die bolschewistische Oktober-Revolution von 1917“.[11]
Der neue Reader's Digest Brockhaus[12] bezeichnet den modernen Revolutionsbegriff wie folgt:
„Im polit. Sinn eine von unten ausgehende, tiefgreifende und [...] gewaltsame Änderung der gesamten gesellschaftl. und polit. Struktur eines Staates; i. w. S. [...] auch für Prozesse des totalen Bruchs mit kulturellen Wertesystemen und überkommenen Wissensbeständen und Organisationsstrukturen [...] verwendet.“[13]
Diese Definition ist schon recht genau, lässt sich aber noch durch andere Aspekte erweitern:
So lassen sich bestimmte typische Vorbedingungen feststellen, die zum Auslöser für Revolutionen werden können.
Ulrich Weiß unterteilt diese Kausalitäten, in exogene Faktoren (wie Krieg oder wirtschaftliche Abhängigkeit) und endogene Faktoren (wie verbreitete Unzufriedenheit von größeren Teilen der Bevölkerung oder einem Wertewandel).[14] Das große Volkslexikon nennt als Vorbedingungen bewegende, begeisterte und entschlossene Massen – meist benachteiligte Gruppen -, die mit Parolen weitere Widerstandsguppen aktivieren können. Ebenso neue Ideologien (im Falle der Oktober-Revolution z.B. können das auch ausgestaltete soziale Utopien sein[15] ), welche von einer breiten Bevölkerungskoalition getragen werden müssen, häufig jedoch unter der Wortführung Angehöriger der Oberschicht[16].
Benennen lässt sich eine Revolution zumeist nach ihren Trägerschichten oder Inhalten.
So gibt es ständische, bürgerliche, proletarische (nach dem marxistischen Weltbild), aber auch industrielle, technische (bei technischen Neuerungen z.B. dem aktuellen Apple iPad[17] ) und kulturelle, soziale wie politische Revolutionen.
Weiß erkennt auch verschiedene Kriterien für die Verlaufsmuster in einer revolutionären Bewegung. So gebe es eine Verschiebung der lokalen Machtverhältnisse, welche an einer charakteristischen Phasenabfolge zu erkennen seien.[18] Diese beschreibt das Große Volkslexikon wie folgt:[19]
1. Negierung der bisherigen Zustände
2. Gewinnung und Formierung kämpferischer Kräfte
3. Lähmung des Gegners
4. Machtergreifung
5. Beseitigung der alten Herrschaftsträger und Entmachtung dieser
6. Ausbau und Rechtfertigung neuer Macht
7. Neugestaltung der gesellschaftlichen Verfassung durch Umsetzung des Leitbildes.
Für den Erfolg einer Revolution seien vor allem der Aspekt der Organisation, die Resourcessenmobilisierung und die Verbindung von subjektiven (dem individuellen Handeln) und objektiven (Strukturen, prozesshaften Vorbedingungen) Faktoren essentiell.[20]
Nach Weiß könne „der neue Kollektivsingular ‚Revolution‘ das Werk planender Menschen benennen und [auch] selber als handelndes Subjekt verstanden werden“.[21]
Die Revolution kann also auch zum „Kampfbegriff“ für den „Wandel schlechthin“[22] werden und selbstständig, ohne tatsächlich sichtbares Handeln, revolutionieren.
In der aktuellen Forschung ist diese moderne Definition - wie oben erläutert - jedoch seit kurzem wieder strittig, da im Hinblick auf die friedliche Revolution 1989 in der DDR und im Hinblick auf die durch den Zerfall der UdSSR ausgelösten teils schweren Bürger- und Staatenkriege (wie in Abchasien) nicht so recht in das Bild des Revolutionsbegriffes passen.
[...]
[1] nach: Achterfeld, Wilfried: „Die wilden 60er Jahre – Die Chronik eines bewegten Jahrzehnts“, Bertelsmann: 1989.
[2] Volkslexikon Band 8, S. 159,Taschenbuchverlag, München: 1979.; Weiß, Ulrich in Kleines Lexikon der Politik: Revolution, S. 493, C.H.Beck, Bonn:2008.
[3] Langewiesche, Dieter in Fischer Lexikon Geschichte: Revolution, S. 315, Fischer Taschenbuch. Frankfurt a.M.: 2003.
[4] Ebd.
[5] Vgl. Volkslexikon Band 8, S. 160.
[6] Vgl. Langewiesche: Revolution, S. 316
[7] Vgl. Anm. 5
[8] So etwa Robespierre oder Burke (aus: Langewiesche, D. in Fischer Lexikon Geschichte: Revolution, S.
316); Vgl. Weiß, U. in Kleines Lexikon der Politik: Revolution, S. 493.
[9] Amsterdam 1762, aus: Both. Hermann: Die Französische Revolution – Kurshefte Geschichte, S.22f, Cornelsen, Berlin: 2007.
[10] Vgl. Anm. 6.
[11] Ebd.
[12] Der neue Reader's Digest Brockhaus S.1025f, Das Beste, München, Zürich, Wien:1973.
[13] Ebd.
[14] Vgl. Weiß, U. in Kleines Lexikon der Politik: Revolution, S. 493.
[15] Vgl. Anm. 9.
[16] Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2008
[17] Vgl. Schmitt: „Die Zaubertafel“ aus: Die Zeit Nr. 6, 4. Feb. 2010, S. 1.
[18] Vgl. Anm. 15.
[19] Vgl. Anm. 16.
[20] Vgl. Anm. 15.
[21] Vgl. Anm. 7.
[22] Vgl. Anm. 4.
- Arbeit zitieren
- Florian Wedler (Autor:in), 2010, Die Studentenbewegung 1968 - Eine Revolution?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154580