1. Einleitung
Versucht man sich dem Phänomen der Fotografie zu nähren, so stößt man unweigerlich auf die weitverbreitete Annahme, dass sie etwas mit dem Tod zu tun habe. Und dies sogar in mehrfacher Hinsicht. Denn so figuriert sie einerseits als „Leiche des Moments“ , was Susan Sontag in Über Photographie bestärkt, wenn sie kommentiert: Es sei „ihre Strategie, lebendige Wesen in leblose Dinge zu verwandeln und leblose Dinge in lebendige Wesen“ . Andererseits ist die Einführung der Technik der Fotografie in gewisser Hinsicht ebenfalls als Mord aufzufassen. Einen solchen Standpunkt vertritt etwa William J. Mitchell, dessen These folgendermaßen lautet: „From the moment of its sesquicentennial in 1989 photography was dead – or more precisely, radically and permanently displaced – as was painting 150 years before“ . Dieser Äußerung lassen sich dabei gleich mehrere Erkenntnisse abgewinnen: So verweist Mitchell zunächst auf den Tod der Malerei, hervorgerufen durch niemand anderen als die Fotografie. Gleichsam stellt er heraus, dass die Fotografie nun von einem ähnlichen Schicksal bedroht wird, was bereits in dem Untertitel seines Buches The Reconfigured Eye anklingt, worin er den Beginn einer „Post-Photographic Era“ propagiert. Dabei wird nun die Fotografie ihrerseits zum Mordopfer. Als Täter tritt hier jedoch „die Digitalisierung und der allmächtige Computer“ auf den Plan. In eigentümlicher Weise wird somit, um es in den Worten Stieglers auszudrücken, die „für die Photographie oft bemühte Todesmetapher zur historischen Klammer ihrer Geschichte“ .
Interessanterweise setzt Mitchell in seiner These vom Tod der Fotografie die beiden Umbruchsituation gleich, was sich darin manifestiert, dass er der „Differenz von analogem und digitalem Bild die gleiche Bedeutung […] wie derjenigen zwischen einer Fotografie und einer manuell hergestellten Darstellung“ beimisst. Die klassische analoge Fotografie wird im Zuge der Digitalisierung in den Zustand einer obsoleten Kunst überführt, genau wie zuvor schon die Malerei.
Thematisiert wird hier der Übergang von den analogen zu den digitalen Medien, der nicht selten als „welthistorische Zäsur“ bewertet wird, was wenig verwundert, denn so stellt die „Unterscheidung analog/digital […] die medienhistorische und –theoretische Leitdifferenz der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ dar.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Digitale Fotografie: Verlust von Wirklichkeit?
- Bildproduktion
- Problematik der Manipulierbarkeit
- Manipulation als kontinuierliche Praxis
- Inszeniert realistische Auslegung
- Fotografie als Simulakrum
- Fotografie als gesellschaftlich-kulturelle Praxis
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Transformation von analoger zu digitaler Fotografie im Hinblick auf die Manipulierbarkeit und die Frage, ob diese zum Verlust von Wirklichkeit führt.
- Die Veränderung der Bildproduktion durch Digitalisierung
- Die Problematik der Manipulierbarkeit durch digitale Werkzeuge
- Der Einfluss der Digitalisierung auf die Rezeption von Fotografien
- Die Frage nach der Authentizität und Objektivität in der digitalen Fotografie
- Die Rolle der Fotografie als kulturelle Praxis im digitalen Zeitalter
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung beleuchtet die Debatte um den Tod der Fotografie im Zuge der Digitalisierung, ausgehend von der These, dass die Fotografie in ihrer analogen Form durch die Digitalisierung ein ähnliches Schicksal wie die Malerei ereilt. Der Autor stellt die beiden Umbruchssituationen als „radikalen Bruch“ dar und untersucht die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Manipulierbarkeit von Fotografien.
Digitale Fotografie: Verlust von Wirklichkeit?
Bildproduktion
Dieses Kapitel untersucht die formalen Unterschiede zwischen analoger und digitaler Bildproduktion, ausgehend von Peter Henry Emersons Lehrbuch "Naturalistic Photography for the Students of the Arts". Emerson vertritt die These, dass die Fotografie aufgrund ihrer begrenzten Möglichkeiten zur Manipulation nicht als Kunst gelten kann. Der Autor zeigt, wie die digitale Fotografie Emersons Forderung nach subjektiven Eingriffen in objektive Bilddaten erfüllt.
Problematik der Manipulierbarkeit
Der Autor beleuchtet die Problematik der Manipulierbarkeit in der digitalen Fotografie, die durch die veränderbare Pixelstruktur und die vielfältigen Bearbeitungsmöglichkeiten entsteht. Der Text stellt die Frage, ob die digitale Fotografie die Fähigkeit verliert, die Wirklichkeit abzubilden, und sich stattdessen dem Vorstellungsbild nähert.
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- Johannes Werner (Author), 2010, Digitale Fotografie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154603